Der Seelenjäger

(Soul Hunter)

Staffel 1, Folge 2

Das Eintreffen eines Seelenjägers auf der Station versetzt insbesondere die außerirdische Bevölkerung in helle Aufregung - treffen Vertreter dieser Spezies doch bekanntlich nur dann an einem Ort ein, wenn jemand kurz davor ist, zu sterben. Stellt sich die Frage: Wegen wem ist der Seelenjäger gekommen? Sinclair hat indes von der Rasse noch nie etwas gehört, doch Delenn weiht ihn ein: Diese Lebewesen stehlen Seelen zum Zeitpunkt des Todes und verhindern damit, dass diese auf die nächste Existenzebene gelangen bzw. wiedergeboren werden. Der Seelenjäger sieht dies naturgemäß anders: Es gibt weder ein Leben nach dem Tod noch eine Wiedergeburt. Die Seelen werden dementsprechend nicht gestohlen, sondern gerettet und bewahrt, ehe sie verloren gehen. Als würde ein Vertreter dieser mysteriösen Rasse nicht schon genug Aufregung verursachen, trifft kurz darauf ein weiteres Schiff ein, und der an Bord befindliche Seelenjäger hat keine guten Neuigkeiten für Sinclair: Bei dem ersten Seelenjäger, der die Station erreicht hat, handelt es sich um einen verstoßenen und geächteten Vertreter des Ordens. Nachdem er von den Minbari so oft daran gehindert wurde, die Seelen zu bewahren, ist er fanatisch geworden. Um die Bestimmung des Ordens zu erfüllen, wartet er nun nicht mehr darauf, dass die Minbari der Tod ereilt - er sorgt selbst dafür. Sein Opfer: Botschafterin Delenn...

Denkwürdige Zitate:
"This is not a clear and present danger? I must read the rulebook again..."

(Ivanova auf Sinclairs Aussage, dass es sich beim langsam auf die Station zustürzenden Schiff zu Beginn der Episode um einen Erstkontakt, und keine Gefahrensituation, handelt.)

Erwähnenswerte Synchro-Fehler:
Der Seelenjäger wirft einen Blick in Delenn's Seele:
"You would plan such a thing? You would do such a thing? Incredible!

Das Erstaunen des Seelenjägers bezieht sich natürlich auf Delenn's weitere Pläne, die sie dann in "Chrysalis" ja auch in die Tat umsetzt. In der Synchronisation ist diese Anspielung verlorengegangen, denn dort geht der Seelenjäger nur ein weiteres Mal auf den Zwischenfall rund um Dukat ein:
"Ihr hattet das also geplant. Ihr hattet mich in voller Absicht behindert! Unglaublich."

... doch kommen wir nun zur Episodenkritik:

Im Prinzip hat ein "Mystery"-Autor (in Ermangelung eines besseren Begriffes will ich es mal so ausdrücken) 2 Möglichkeiten, um die Zuschauer an den Bildschirm zu fesseln. Entweder er bedroht einen oder gar mehrere Figuren, oder er baut ein interessantes Rätsel auf, für dessen Lösung sich der geneigte Seher interessiert. In "Der Seelenjäger" hat JMS diese beiden Ansätze miteinander kombiniert. Um den Zuschauer gleich von Anfang an zu packen und seine Aufmerksamkeit zu gewinnen, beginnt JMS die 2. reguläre Folge der Serie, eher untypisch, mit einer spannenden Situation. Versteht mich jetzt nicht falsch, damit will ich natürlich NICHT andeuten, dass JMS gleich zu Beginn die Station und damit alle an Bord befindlichen Lebewesen in Gefahr bringt, ist doch das kleine Schiffchen des Seelenjägers für Babylon 5 nicht im geringsten eine Bedrohung. Jedoch stellt sich die Frage, ob es Sinclair rechtzeitig gelingen wird, das Schiff zu bergen. Hier übertreibt es JMS zugegebenermaßen dann auch ein wenig - gelingt Sinclair die Rettung doch praktisch in letzter Sekunde. 

Nachdem das Schiff geborgen und das fremde Wesen auf die Krankenstation gebracht wurde, konzentriert sich JMS auf das Mysterium rund um den seltsamen Besucher, der insbesondere die außerirdischen Rassen auf Babylon 5 in helle Aufregung versetzt. Trotzdem wird selbst bei diesen Teilen der Handlung nicht völlig darauf vergessen, ein ständiges Gefühl der Bedrohung aufrecht zu erhalten. So stellt sich, nachdem Delenn Sinclair über die Hintergründe bezüglich des fremden Besuchers aufgeklärt hat, die Frage: Hinter wem ist der Seelenjäger her? Als dieser schließlich in einer sehr klischeehaft wirkenden Szene aus dem Medlab ausbricht (wobei man den Machern zu gute halten muss, dass sie alles getan haben, um diese Szene nicht zu standardmäßig wirken zu lassen - so bewegt sich der Seelenjäger wirklich außerordentlich schnell, und der Sicherheitsbeamte verständigt bevor er sich auf den scheinbar bewusstlosen Fremden zubewegt die Sicherheitszentrale) und Delenn entführt, treten die philosophischen Fragen eher in den Hintergrund. Es ist dieser Teil der Folge, der doch irgendwie unoriginell erscheint und dem es nicht gelingt, so richtig zu packen - ist doch dem Zuschauer völlig klar, dass Delenn überleben wird. Allerdings muss man JMS zu gute halten, dass er sich nicht rein auf die Bedrohung für Delenn konzentriert, sondern auch die zuvor aufgeworfenen Fragen rund um den Seelenjäger nie ganz außer acht lässt. Am Ende wird dann schließlich auch der rote Faden rund um Sinclairs Lücke im Gedächtnis gekonnt weitergesponnen. Es sind eben diese kurzen Elemente wie die Offenbarung rund um  "Satai" Delenn bzw. die Verwunderung vom Seelenjäger (siehe Original-Zitat), die den Zuschauer daran erinnern, dass diese Folge nur Teil einer viel größeren Handlung ist, die zwar in der 1. Staffel noch eher im Hintergrund verläuft, aber trotzdem fast ständig weitergesponnen wird. Damit wird das Interesse des Zuschauers aufrecht erhalten bzw. gesteigert - und eben dies ist die große Stärke von Babylon 5, mit der sich diese Serie von der Konkurrenz abhebt...

Wenn auch die Bedrohung rund um Delenn einen größeren Teil der Folge ausmacht, wirkt dieses Stilmittel doch ein wenig unoriginell und kann nicht gänzlich überzeugen. Stattdessen ist es das Mysterium rund um den Seelenjäger, das wirklich interessant ist und den Zuschauer zu faszinieren vermag. Die Folge wirft einige nette philosophische Fragen auf, wobei vor allem interessant ist, dass fast jeder die Geschehnisse bzw. generell das Rätsel rund um den Seelenjäger anders interpretiert. Doktor Franklin glaubt an derartig phantastisches nicht und zieht eine rein wissenschaftliche Erklärung vor, während Sinclair die Möglichkeit, dass der Seelenjäger die Wahrheit sagt, zumindest in Betracht zu ziehen scheint. Interessant auch die Einblicke in den minbarischen Glauben - und wie eklatant sich diese Ansichten von jeden der Seelenjäger unterscheiden. So sind die Minbari davon überzeugt, dass die Seelen aller Verstorbenen in eine Art Nirvana reisen, wo sie darauf warten, wiedergeboren zu werden. Eben deshalb sehen sie auch die Taten der Seelenjäger als Verbrechen an, werden die Seelen von ihnen doch quasi gestohlen, wodurch sich die Anzahl der "vorhandenen" Seelen laufend reduziert. Die Seelenjäger wiederum halten diese Ansicht der Minbari für dummen Aberglauben. Es gibt kein Leben nach dem Tod und auch keine Wiedergeburt. Wird eine Seele nicht direkt im Zeitpunkt des Todes eingefangen, geht sie unwiederbringlich verloren. Die Seelenjäger sehen sich also in keinster Weise als Diebe, sondern als Retter. 

Was an dieser Folge nun besonders hervorsticht, ist die Tatsache, dass die aufgeworfenen philosophischen Fragen nicht beantwortet werden. Welche der Ansichten rund um Seelen letztendlich stimmt wird ebenso wenig geklärt wird die Frage, was es mit der Maschine des Seelenjägers nun wirklich auf sich hat. Eben dies ist meines Erachtens eine weitere große Stärke von Babylon 5 im Vergleich zu anderen Science Fiction-Serien und insbesondere natürlich Star Trek: JMS fühlt sich nicht verpflichtet, alle Mysterien bis ins letzte Detail aufzuklären und klare Antworten auf die aufgeworfenen Fragen zu geben. Vielmehr bleibt es dem Zuschauer überlassen, wie er die Ereignisse aus dieser Episode interpretiert. Gibt es Seelen tatsächlich, und haben die Seelenjäger die Möglichkeit, diese einzufangen? Handelt es sich so wie Doktor Franklin sagt nur um Kopien der Gedankemuster eines Lebewesens? Ist vielleicht alles nur Humbug? Diese Frage zu beantworten obliegt allein dem Zuschauer, und eben das ist das Schöne an Babylon 5: Mysterien dürfen Mysterien bleiben...

Warum die Folge trotzdem nicht ganz zu den Besten zählt, ist leicht erklärt: Ja, die Idee ist sehr gelungen, aber was die Ausführung betrifft, ist einfach anzumerken, dass Babylon 5 den richtigen Rhythmus und Ton noch nicht 100%ig gefunden hat. Trotz dem interessanten Mysterium und später dann auch der Bedrohung für Delenn gelingt es der Folge nicht ganz, den Zuschauer richtiggehend zu fesseln und zu faszinieren. Dennoch ist "Der Seelenjäger" eine grundsolide Folge mit interessanten Ansätzen, die ordentliche Unterhaltung bietet.

Fazit: Eine gute Folge mit interessanten philosophischen Ansätzen, welche die aufgeworfenen Fragen nicht beantwortet, sondern dies dem Zuschauer überlässt. Auch der Handlungsbogen wird dank der Information rund um Delenn weitergesponnen. Insgesamt fehlt es der Episode aber doch etwas an Spannung und Dramatik...

Wertung: (6/10)

Verfasser: cornholio

 

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