Abschließende Kritik zu Staffel 2
Zuerst mal kann ich euch gleich beruhigen: Nein, das wird
nicht wieder so eine seitenlange Doktorarbeit wie bei meiner abschließenden
Betrachtung der 1. Staffel .
Dort bin ich natürlich in erster Linie auf das dahinterliegende Konzept
eingegangen, und habe einige praktisch laufend vorhandene Schwächen
angeprangert. Da in der 2. Staffel im wesentlichen am Konzept der Serie
festgehalten wurde, ist lediglich eine Art "Update" in bestimmten
Bereichen nötig - grundsätzlich gilt aber auch weiterhin dass in meiner abschließenden
Kritik zur 1. Staffel gesagte...
Was die Figuren betrifft, hat sich an der starken
Zentrierung auf Archer, Trip und T'Pol leider nichts geändert, während die
anderen Charaktere in den meisten Folgen leider zu Statisten verkommen. Immerhin
hat man sich den beiden bisher am wenigsten charakterisierten Figuren angenommen
und ihnen je eine Episode gegönnt, um ihnen zumindest ansatzweise Profil zu
verleihen. Die deutlich gelungenere Folge in dieser Hinsicht war wohl eindeutig
"Minenfeld", in der man endlich mehr über Malcolm Reed erfahren hat,
und einen recht guten Einblick in seine durchaus interessante Persönlichkeit
erhielt. In "Horizon" durfte schließlich auch der farblose (ich werde
offenbar nie müde, dieses Wortspiel anzubringen - andererseits, angesichts des
heftigen Story-Recyclings von Enterprise wird man mir ja wohl die eine oder
andere Wiederholung eines Witzes nicht vorwerfen können )
Mayweather endlich etwas mehr von sich preis geben - und das war nun wirklich
dringend nötig. Ich erinnere mich immer noch mit Schrecken an "Die
Todesstation", als mich Mayweathers Scheintod derart kalt gelassen hat...
selbst Porthos' lebensbedrohliche Krankheit in der darauffolgenden Episode hat
mich mehr mitgenommen! "Horizon" war zwar insgesamt relativ langweilig
und weniger gelungen, zumindest aber ist es den Machern damit gelungen,
Mayweather über den Status der "Rothemden" aus TOS zu erheben.
Trotzdem nimmt er in der Riege der Enterprise-Crew für mich immer noch eine
Statisten-Rolle ein und erscheint als die unwichtigste und überflüssigste
Figur. Und auch wenn mittlerweile jedem Crewmitglied mindestens eine Folge
gewidmet wurde, bleibt festzustellen, dass dies wohl die bisher schwächste
Besatzung in einer ST-Serie ist. Es fehlt das unverwechselbare, die
Eigenständigkeit, sowohl gegenüber früheren ST-Charakteren als auch
untereinander. Ich denke, eben dies war auch der Grund, warum es bei
"Enterprise" so erstaunlich lange gedauert hat, bis ich mir die Namen
merken konnte: Die Figuren unterscheiden sich wenig bis gar nicht voneinander.
Wo in allen bisherigen Serien jede Person eine ganz bestimmte Fähigkeit oder
Charaktereigenschaft in den Mix eingebracht hat, fehlt eben dies an Bord der
NX-01. Wenigstens sind einem alle Charaktere halbwegs sympathisch - was vor
allem immer wieder eingestreuten witzigen Nebenhandlungen wie dem Kino-Abend in
"Horizon" zu verdanken ist...
Während bei den Charakteren der eine oder andere Kritikpunkt in der 2. Staffel ausgemerzt werden konnte, gelten die anderen bereits in meiner Betrachtung der 1. Staffel kritisierten Mängel weiterhin, oder haben sich sogar verschlimmert. Was z.B. den Punkt Erotik betrifft, ist leider anzumerken, dass die Macher in der 2. Staffel sogar noch einen Schritt weiter gegangen sind, und uns in "Kopfgeld" eine unheimlich peinliche, da zu aufdringlich und billig wirkende, Erotikeinlage gegönnt haben, wie sie meines Erachtens bei Star Trek nun aber wirklich nichts verloren hat. Auch ach-so-witzig-erotische "Eis am Stiel"-Einlagen waren wieder präsent, wie z.B. in "Die Schockwelle, Teil 2", wo ausnahmsweise mal Hoshi das Objekt der Begierde spielen und "zufällig" ihr Top verlieren durfte. Was den mangelnden SF-Gehalt betrifft, kann ich meine Kritik im Großen und Ganzen ebenfalls nur wiederholen... wobei mit "Cogenitor" zumindest EINE reinrassige SF-Geschichte ohne dämliches Actionszenario den Weg in die Staffel gefunden hat. Was jedoch bei der 2. Staffel wirklich extrem auffällt (mehr noch als bei Season 1) und für mich das Hauptproblem der Serie darstellt, ist das heftige Story-Recycling. Der neueste Star Trek-Ableger klaut immer öfter Ideen für Geschichten – sei es von sich selbst oder von anderen. Dies ist insbesondere deshalb so tragisch und störend, da die Vorgänger, insbesondere natürlich „Raumschiff Enterprise“ und „Das nächste Jahrhundert“, vornehmlich Vorreiter waren, was die Handlungen betrifft. Der Slogan „To boldly go where no one has gone before“ bezog sich nicht nur auf das Setting im Weltraum, sondern zumeist auch auf die Geschichten, die erzählt wurden. Bei „Enterprise“ ist dieses hervorstechende Merkmal von "Star Trek" zu einem nur höchst seltenen Aufflackern (wie z.B. in „Cogenitor“) verkümmert. Das mag für andere kein Problem darstellen und sie nicht weiter stören, doch zumindest ich empfinde es als Schande...
All diese Punkte führen dazu, dass die Qualität der
Folgen insgesamt noch einmal deutlich nachgelassen hat. Vor allem der
Durchhänger von Folge 5 bis 14 war wirklich anstrengend, und ließ mich oft
darüber grübeln, warum ich mir die Serie eigentlich noch antue.
Interessanterweise kam just nach jener Folge, bei der sich Sat.1 entschlossen
hat, die Ausstrahlung vorerst mal einzustellen ("Der Übergang"), der
lang erhoffte Aufwärtstrend. Episoden wie "Das Urteil" oder "Cogenitor"
haben mir den Glauben an die Serie zumindest teilweise wieder zurückgegeben,
obwohl auch unter den letzten Folgen der Staffel einige "nur"
durchschnittlich unterhaltsam waren und sich auch die eine oder andere Niete eingeschlichen
hat. Letztendlich ist es aber hauptsächlich der Richtungswechsel am Ende der
Staffel, der mich was die 3. Staffel betrifft doch ein wenig skeptisch werden
lässt und mir einige Sorgen bereitet. Ähnlich wie bei Deep Space Nine
soll es nun augenscheinlich nicht mehr um die Erkundung des Weltraums gehen,
sondern um die Rettung der Menschheit. Nicht Star "Trek“ sondern Star
"War(s)“ ist angesagt; Action und Kampf statt Entdeckungsreise und
Pioniergeist. Damit droht der Grundgedanke von Star Trek endgültig verloren zu
gehen. Sofern dies aber wenigstens bedeutet, dass uns sterbenslangweilige und
klischeehafte/geklaute Geschichten sowie einige der schlechteren Ideen der
Produzenten (wie die Enterprise-Peep-Show) dadurch erspart bleiben, mag ich
eventuell damit leben können...
Fazit: Gegen Ende der Staffel zeigt sich zwar ein deutlicher Aufwärtstrend, doch das reicht nicht, um die schlechte Qualität der Folgen zuvor zu kaschieren bzw. gänzlich in Vergessenheit geraten zu lassen. Auf jedes „Minenfeld“, jeden „Cogenitor“ kommen 1 katastrophale Folge wie „Morgengrauen“ und 3 unterdurchschnittlich-klischeehafte wie „Übergang“, „Kopfgeld“ und „Marodeure". Insgesamt betrachtet ist die erhoffte Steigerung also ausgeblieben, im Gegenteil, mit einem Durchschnitt von knapp über 4 stellt die 2. Staffel sogar noch einen qualitativen Rückschritt dar. Mal sehen, ob der Richtungswechsel in der 3. Staffel daran etwas ändern kann...
Wertung:
(4/10)
(Durchschnittswert aus den Einzelbewertungen aller Episoden: 4,15)
Anmerkung: Dieser Durchschnittswert ist als vorläufig zu klassifizieren, da die Benotungen bzw. generell die Reviews der einzelnen Folgen beider Staffeln in Kürze einer Revision unterzogen werden, wodurch sich die Staffelwerte noch zusätzlich nach unten korrigieren dürften.
Verfasser: cornholio