Die Ausdehnung

(The Expanse)

 

Staffel 2, Folge 26

Eine außerirdische Sonde dringt in die Atmosphäre der Erde ein und startet einen Angriff - mit verheerender Wirkung. Mehrere Millionen Menschen fallen dem offenbar völlig unprovozierten Angriff zum Opfer - und keiner weiß, woher die Sonde kam, und warum sie gerade zur Erde geschickt wurde. Kurz nachdem Archer von dem Zwischenfall erfährt, wird er erneut vom geheimnisvollen Mann aus der Zukunft entführt, der ihn in die Hintergründe einweiht. Hinter dem Angriff stecken die Xindi, eine bisher unbekannte Rasse, die in einer bisher unerforschten Region der Galaxie leben: in der Ausdehnung. Archer fliegt daraufhin zurück zur Erde und bereitet sich und seine Besatzung darauf vor, der Sache auf den Grund zu gehen und die Xindi von weiteren Angriffen abzuhalten. Doch die Vulkanier warnen Archer: Die Ausdehnung ist ein sehr gefährlicher Teil der Galaxie, eine Art Bermuda-Dreieck im Weltall - denn bisher sind nur wenige Schiffe wieder heil zurückgekehrt. Dennoch entschließt sich Archer, die Mission anzunehmen - war doch die Sonde der Xindi angeblich nur ein Test. Wenn es der Enterprise nicht gelingt, die Xindi zu finden, droht der Erde die komplette Vernichtung...

Da ist er also, der große angekündigte Richtungswechsel, dem ich durchaus mit gemischten Gefühlen gegenüber sehe, denn einerseits ist es zwar positiv, dass man in der 3. Staffel eine kontinuierliche Geschichte erzählen will, andererseits scheint Enterprise nun endgültig zu einer reinen Actionserie zu verkommen. Die Hoffnung, "Enterprise" könnte endlich wieder die Erforschung, das "to boldly go where no man has gone before" in den Mittelpunkt stellen, kann man nach "Die Ausdehnung" wohl, zumindest vorläufig, begraben. Meine Meinung über die Folge, mit der dieser Richtungswechsel begann, ist ähnlich durchwachsen wie jene über den Richtungswechsel selbst. Es gibt einige überaus positive Aspekte, zugleich aber auch einiges, was weniger gelungen ist. 

Beginnen wir mit der Kritik, und da möchte ich mich gleich einmal dem Angriff der Xindi zuwenden. Hier ist es den Machern leider nicht gelungen, ein Gefühl für das Ausmaß der Zerstörung zu vermitteln. Der Strahl wirkt eigentlich relativ klein und so, als würde er nicht mal einen ganzen Block vernichten. Außerdem scheint er ohnehin eher nur wenig besiedeltes Gebiet zu verwüsten. Dieser Eindruck lässt sich wohl vor allem damit begründen, dass sich die Macher für einen sehr distanzierten Ansatz entschieden haben, d.h. man beobachtet die Zerstörung von einem Punkt, der vom eigentlichen Geschehen erstaunlich weit weg liegt. Anstatt direkt mitzuerleben, wie Häuser zerstört werden und tausende von Menschen durch den Strahl verbrennen, sieht man den Angriff nur vom Orbit aus - dadurch fühlt man sich in das Geschehen nicht einbezogen. Das Ergebnis: Die Szene vermag nicht zu berühren, verfehlt also die gewünschte Wirkung komplett. Überhaupt fühlt man sich seltsam unbeteiligt - nicht nur wegen der Darstellung des Angriffs, sondern auch, da man diese Katastrophe wirklich nur aus der Sicht der Enterprise-Crew miterlebt. Inwiefern dieser Angriff auch andere Personen oder gar die gesamte Menschheit beeinflusst/betroffen hat, wird in dieser Folge leider totgeschwiegen. Auch hetzen Berman und Braga so durch die Handlung, dass selbst potentiell berührende Szenen wie Trip's Besuch der Erde längst nicht die Wirkung entfalten konnten, wie man es sich angesichts der Thematik eigentlich erwarten würde. Hier muss also eindeutig gesagt werden, dass das vorhandene Potential leider nicht ausgeschöpft werden konnte.

Als wäre das nicht schon genug, kommt noch ein weiteres Problem hinzu. So stört sich insbesondere der Vulkanier in mir an einigen kleinen Details, was den Angriff der Xindi betrifft, will doch so einiges nicht so recht Sinn ergeben: Warum wählen die Xindi diese doch recht seltsame Form des Angriffs? Warum wird willkürlich ein Landstrich zerstört, anstatt die Waffe an bestimmten Zielen zu testen? Und was den Test anbelangt, muss man sich überhaupt fragen, warum man hier gerade die Erde als Testobjekt wählt - und damit die Menschheit vorwarnt. Etwas seltsam wirkt es auch, wie die Opferzahl mit jeder Minute weiter in die Höhe schnellt. Ich meine, irgendwie passt es ja zur Adventszeit, auch dort werden jede Woche immer mehr Kerzen angezündet, aber... zuerst sind es 1 Million Opfer, dann sind es 3 Millionen, dann 7... zu diesem Zeitpunkt hatte ich das Gefühl, wenn die noch ein paar mal nachzählen, wurde gleich die gesamte Menschheit durch die Sonde dahingerafft. Auch logisch betrachtet ergibt ein derart exponentieller Anstieg irgendwie keinen Sinn... sollte sich doch angesichts der Verwüstung die Zahl der Opfer ziemlich gut schätzen lassen können. Wenn, dann sollte sich, ähnlich wie nach dem Anschlägen vom 11. September, die Opferzahl eigentlich laufend nach unten korrigieren, da mehrere Leute z.B. zum Zeitpunkt des Angriffs nicht in ihren Häusern waren etc. Aber ein Anstieg von 1 auf 7 Millionen... ich bitte euch. Hatten die wirklich ALLE gerade Familienfeier?!?!?! Was mich daran auch so stört, ist dass diese Unstimmigkeit überhaupt nicht nötig war, denn im Prinzip ist es völlig egal, ob durch den Angriff nun 1, 3 oder 7 Millionen dahingerafft wurden - die Wirkung auf den Zuschauer ist die gleiche (und tendiert leider, aus den bereits erwähnten Gründen, zu Null), und die Message, dass die Xindi böööööööse sind, kommt ohnehin rüber, ganz gleich, ob sie nun eine Million mehr oder weniger erwischt haben...  

Wenn wir schon bei logischen Ungereimtheiten sind, machen wir gleich bei diesem Kritikpunkt weiter, und kommen auf den Future Guy zu sprechen. Irgendwie will das überhaupt keinen Sinn ergeben, dass dieser Archer nun auf einmal hilft. Ich fühle mich schön langsam an Akte X erinnert, wo die Macher zu Beginn der Serie ebenfalls noch keinen Plan hatten, wie sich alles im Laufe der Zeit weiterentwickeln wird und was es mit den ganzen Verschwörungen auf sich hat - wodurch sie sich im Endeffekt in unzähligen Wendungen verstrickt hatten, bis alles überhaupt keinen Sinn mehr zu ergeben schien und einfach zu konfus wurde, als dass man sich für die Handlung noch sonderlich interessiert hätte. Eben so wirkt diese Wendung rund um den plötzlich ach-so-hilfreichen Future Guy. Warum hilft er Archer auf einmal? Und die wichtigste Frage natürlich: Warum hat er Archer bzw. die Erde nicht gleich VOR dem Angriff gewarnt? Warum gibt er ihnen nicht gleich die Koordinaten der Heimatwelt? Nun gebe ich ja durchaus zu, dass es ohne Probleme eine durchaus stimmige, logische und vielleicht sogar richtiggehend interessante Antwort auf diese Fragen geben könnte - so wäre es möglich, dass die Xindi in der Zukunft gegen die Fraktion des Future Guy kämpfen, weshalb er zuerst ihnen mitgeteilt hat, dass die Erde ihre Zivilisation vernichten wird, und er daraufhin Archer bzw. die Sternenflotte dazu anstiftet, die Xindi auszulöschen, ehe sie ihn in der Zukunft behindern können. Das Problem: Eine derartige erschütternde und gut durchdachte Wendung traue ich Berman und Braga einfach nicht (mehr) zu. Im Gegenteil, ich befürchte wirklich, dass in "Endspiel"-Manier alle Fragen offen bleiben und wir nie erfahren werden, warum der Future Guy Archer hier geholfen hat, sondern dass dies eine reine Plot-Konstruktion war, um den ganzen Story-Arc rund um die Xindi in Bewegung zu setzen, und damit ein weiteres großes Logik-Loch in Kauf genommen wird, um eine (gelungene?) Geschichte erzählen zu können... und Berman und Braga schlicht und ergreifend kein besserer/logischerer Einstieg eingefallen ist - und sie vermutlich auch nicht lange darüber nachgedacht haben, denn das Logik oder die Wahrung von Kontinuität in deren Augen nur eine vernachlässigbare Rolle spielt, haben die beiden bei "Enterprise" nun wirklich schon wiederholt bewiesen.

Wo wir schon bei der Kontinuität sind: Aus dieser Sicht sind die Entwicklungen aus dieser Folge ebenfalls höchst bedenklich. So wirkt es einfach schon seltsam, dass ein derartiges bedeutendes Ereignis in allen späteren Star Trek-Serien nie wieder angesprochen wurde. Besonders gestört hat mich aber, dass die Klingonen schon zu Archer's Zeiten mit Bird of Prey's herumfliegen - die selbst 200 Jahre später, als ein gewisser Jean-Luc Picard das Kommando über die Enterprise hat, offenbar noch nicht aus der Mode gekommen sind. Irgendwie wirkt das doch ein wenig seltsam - unter anderem auch deshalb, da man zu Zeiten der TOS-Serie niemals auch nur ein ähnliches Schiffchen zu Gesicht bekommen hat. 

Nun habe ich aber wahrlich genug gelästert, es ist an der Zeit, mich den positiven Aspekten dieser Episode zu widmen: Hier sind vor allem alle Szenen mit Trip zu nennen. Ja, die Szene in der er zu dem Ort zurückkehrt, an dem seine Schwester lebte, bleibt aufgrund der hektischen Inszenierung hinter ihren Möglichkeiten zurück - nichtsdestotrotz ist Trips ganz persönliches Schicksal das Einzige an dieser Folge, was den Zuschauer auch wirklich zu berühren vermag. Ebenfalls toll sein Gespräch mit Archer, wo seine ganze Wut und sein Hass auf die Xindi deutlich wird. Hier ist auch wirklich mal Connor Trinneer ein Kompliment zu machen, kann bzw. muss dieser doch nach 50 Folgen eher weniger anspruchsvoller Schauspielerei bei dieser Folge zeigen, was er kann - das Ergebnis weiß durchaus zu gefallen. Ein weiterer großer Pluspunkt war für mich der Kampf gegen die Klingonen am Ende im Nebel.  Natürlich wurde hier ziemlich dreist von "Star Trek II" geklaut, doch wie heißt es so schön: "Gut geklaut ist halb gewonnen", und die entsprechenden Szenen waren wahrhaftig gut geklaut. Tatsächlich bin ich der Ansicht, dass wir hier den 2.-besten Weltraumkampf in der Geschichte der Star Trek-Serien (nach "Spock unter Verdacht") vor uns haben... das ist durchaus Lob und Anerkennung wert. Eine weitere Stärke der Folge sind die tollen Effekte. Ja, klar... was diesen Punkt betrifft kann "Enterprise" eigentlich fast in jeder Episode gefallen, doch gerade die Effekte im Nebel sind mir wirklich positiv aufgefallen, wirkten dort doch die Raumschiffe schon fast so echt, als hätte man Modelle benutzt. Zuletzt ist noch zu erwähnen, dass die Handlung trotz der von mir bemängelten Schwächen durchaus spannend und interessant war - was wohl vor allem auf das hohe Erzähltempo zurückzuführen sein dürfte. Und die Aufzeichnungen des vulkanischen Schiffes sorgen wirklich dafür, dass man schon gespannt ist, wie es der Crew der Enterprise in der Ausdehnung ergehen wird...

Fazit: "Die Ausdehnung" wirkt fast wie ein zweiter Pilotfilm. Die Serie schlägt eine völlig neue Richtung ein - ob mir diese gefallen kann, wird sich erst weisen. Zumindest hat es die Folge aber trotz all ihrer Schwächen geschafft, meine Neugier zu wecken...

Wertung:   (5/10)

 

Verfasser: cornholio

  3x01 - Die Xindi

  Abschließende Kritik zur 2. Staffel

  2x25 - Kopfgeld

 

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