Das Spontan Happening

 

     
 

 

(Geschichtenvariationen nach Ereignissen und Konzepten in den 80er Jahren)

1.Das Spontan-Happening

 

Langsam und bedächtig, wie das so ihre Art war, machten sich die Männer in ihren schwarzen Anzügen auf, um ihre Wohnungen zu verlassen, und, um aus dem Osten der Stadt kommend, sich beim vereinbarten Treffpunkt einzufinden. Auf ihren Köpfen trugen sie das Zeichen des zweiköpfigen Vogels, majestätisch und würdevoll; Ein Kopf, für die vielen kleinen Ameisen und das andere Ungetier das sich tagtäglich auf den Straßen tummelte, und der zweite Kopf für die, sie ewig verfolgenden Schatten, deren Wurzeln bis tief in die tiefsten Tiefen des magmatischen Reiches hinunter reichten. Schon vor vielen tausenden Jahren hatten diese beide Köpfe ein Bündnis geschlossen, welches diese beide Reiche untrennbar miteinander verband.

Unter ihren Arm geklemmt hatten die Männer Papiere, welche sorgfältig ineinandergefaltet waren, und welche die neuesten Informationen und Nachrichten aus der großen weiten Welt beinhalteten. Sorgfältig waren sie, trotz aller Eile, darauf bedacht, daß sich das längliche meist dunkelbläulich glitzernde Tuch, welches sie sich zur Zierde um den Hals gebunden hatte, auch auf der richtigen Stelle befand. Sie waren nicht die Einzigen die kommen sollten und so waren sie sich bewußt, das sie den exakten Zeitpunkt ihres Eintreffens einhalten mußten.

In der fernsten Ferne des Südens formierten sich andere, gar seltsam anmutende Gesellen, um auch dem gleichen sonderbaren Ereignis beizuwohnen. Sie wußten nicht was da auf sie zukommen würde, aber sie waren guter Dinge, und es war ja auch ein wirklich schöner sonniger Tag.

Wie so oft an diesen besonders sonnigen Tagen, an denen ganz dünne, kaum sichtbare zarte Wolkenschlieren nur in unendlicher Höhe sichtbar waren, quietschten die Schienen und die Räder der einfahrenden Züge besonders schrill. Manchmal hatte man den Eindruck, als wären es die Aufschreie der gequälten Seelen aus einem anderen Reich.

Bärtige Männer in Frauenkleider mit blumigen Hüten auf ihren Köpfen, zwängten sich vorbei an verwundert aufgescheuchten Pensionisten, denen die eindeutige Zuweisung der gesichteten Phänomene sichtlich schwer fiel.

Auch die körperlich und geistig übergroße Gestalt, des Meisters des Unterbewußtseins und der gespaltenen Worte hatte sich bereit erklärt am großen Ereignis teilzunehmen. Gemeinsam mit den zierlich gespiegelten weiblichen Wesen, und einem wortgewandten Gast aus dem fernen Norden füllten sie, mit dem blumigen Gesellen und einigen Fremden, den bequem ausgestatteten Wagen des Zuges.

Kaum setzte sich der Zug in Bewegung passierte es.

Es war, als wollten sich die gequälten Seelen des anderen Reiches, über die komprimierte Materie und den beschleunigten Raum, Zutritt zu den Gehirnen der fahrenden Gäste verschaffen.

Plötzlich sprudelte es nur so heraus aus all den fahrenden blumigen Gesellen. Worte reihten sich an Worte und wurden zu Sätzen, die in vielerlei Weise gedeutet werden konnten.

Zuerst war es ein bärtiger blumiger Geselle der einen nicht zu definierenden Satz in den Raum warf, gefolgt von einer seltsamen Entgegnung der übergroßen Gestalt. Der Gast aus dem fernen Norden setzte den Dialog um das Nichts fort, mit Sätzen, die wegen ihrer lokal colorierten Färbung, nicht von allen Fremden verstanden wurden.

Auch die zierlich gespiegelten Wesen trugen nun ihren Teil dazu bei, dass alles gesagt wurde , was gesagt werden mußte. Auch wenn wir es nicht wirklich verstanden, aber das gequälte schrille Quietschen der Räder und Schienen hatte aufgehört.

Alle Räder waren zum Stillstand gekommen und die schweren Türen öffneten sich.

Zu Massen strömten nun die Menschen hinaus, die Stiegen und Gänge hinunter , um sich in den unterirdischen Labyrinten zu verlieren.

Nur die Gruppe der seltsamen Gesellen bewegte sich, langsam aber bestimmt, wie eine magisch angezogenen Menschentraube, zu jenem vereinbarten Punkt, wo es passieren sollte.

Gleichzeitig begannen nun auch andere Wesen ihre Häuser und Wohnungen zu verlassen, um von jenen Punkt angezogen zu werden.

Inmitten der alten Häuser und engen Gassen, befand sich der kopfsteingepflasterte Innenhof, welcher mit seinem alten Ziehbrunnen, wie ein frühmittelalterliches Gehöft wirkte.

Aus den steinernen Keller- und Schankräumen konnte man diesen, vielen, wohlvertrauten Geruch, von in alten hölzernen Fässern gereiftem Rotwein riechen.

Auf den steinernen Plätzen und in den umliegenen Kammern und Hallen hatten sich schon ziemlich viele Wesen angesammelt, als auch die Schar der blumigen Gesellen dazu stieß.

Fast zeitgleich tauchten auch die Männer in ihren schwarzen Anzügen auf, welche mit gewichtiger Mine auf und abschritten, und bedeutungsvoll die Papiere der Information in ihren Händen rollten.

Als der bärtige Geselle nun den großen schwarzen Hut mit der roten Blume schwenkte, sollte dies nun als Zeichen gelten, das es nun stattfinden sollte.

Der steinerne Platz leerte sich und auch die besonders beliebten Plätze am alten Brunnen, und alle Wesen strömten in die große Halle.

Plötzlich begann ein hektisches emsiges Treiben. Viele versuchten von diesen hölzernen Sitzgelegenheiten Besitz zu ergreifen und andere flüchteten sich in die vermeintliche Sicherheit und Geborgenheit der letzten Reihen und Ecken des Raumes.

Auch die Männer in ihren schwarzen Anzugen entwickelten nun ein emsiges Verhalten. Durch den Raum eilend stürmten sie auf einzelne Wesen zu, um ihnen ohne weitere Erklärung, die wichtigen Papiere der Information in die Hand zu drücken.

Während der Gast aus dem fernen Norden an die Gehirne der Wesen die Anweisung gab, seine lokal colorierten Sätze richtig einzuordnen, tanzte der bärtige Geselle mit einer seltsamen Melodie durch den Raum, die gespiegelten Wesen füllten die Seelen Aller mit Worten und Sätzen, welche tief aus ihrem eigenen Wesen entsprungen zu sein schienen.

Bedächtig und würdevoll erhob sich die Riesengestalt des Meisters des gespaltenen Wortes, um die Anwesenden mit Sätzen zu überaschen, die nicht endeten. In chirurgisch exakter Freilegung des Unterbewußtseins und sämtlicher Motivationen und Regungen seiner beschriebenen Gestalten, reihte er Satz an Satz, im geistigen Einklang mit seinem Puplikum.

Plötzlich als das geistig hinweggetretene, und tief in die Gestalten des Erzählers versunkene Puplikum, noch um kurze Atempausen zwischen den Wort und Gedankenschwällen ringt, ertönen vielfältige Stimmen aus allen Reihen und Ecken.

Zuerst sind es die Männer in ihren schwarzen Anzügen, welche die Papiere in ihren Händen entrollt haben, und leise zu lesen beginnen. Dann sind es immer mehr, auch aus den entlegendsten Reihen und Ecken. Ihre Stimmen werden immer lauter. Manche Flüstern, manche Schreien, manche lesen langsam und würdevoll und manche rasen über die Worte dahin oder singen sie in allen möglichen Melodien.

Die ganze Halle ist wie eine brodelnde Geräuschkulisse. Die Stimmen der gespiegelten Wesen in den vorderen Reihen, dazwischen die seltsamen Klänge des Gastes aus dem Norden, begleitet von einer psychologischen Deutung des Meisters der gespaltenen Worte und dem Gesang des bärtigen Gesellen.

Die immer lauter werdenen Texte der Männer in ihren schwarzen Anzügen, sowie ihrer unzähligen ekstatischen Mithelfer aus dem Puplikum weisen darauf hin das es sich auf einen dramatischen Höhepunkt hin zuspitzen soll.

Plötzlich beginnt einer der Männer in schwarz, mit gestreckten Armen, wild gestikulierend seine Informationspapiere in unzählige kleine Stücke zu zerreissen und durch die Luft zu wirbeln. Gefolgt von allen anderen Informationsträgern zwischen ihren Reihen, die es ihm nun gleich tun setzt ein Regen von unzähligen Papierstückchen unterschiedlichster Größe ein, der sich über alle Anwesenden ergießt.

Die ekstatisch geröteten Gesichter freuen sich und lachen, sie setzen sich gegenseitig blumige Hüte auf den Kopf, klopfen sich freundschaftlich auf die Schulter, stellen sich einander vor und fragen sich " Wie sind eigentlich sie hierher gekommen?" und " Wann gibt es denn soetwas das nächstemal?"