Einige Bemerkungen zum
„Fürstenstein“
©
Heinz Dieter Pohl (2008; letzte Bearbeitung 10. und 12.7.2013)
Quellen: Der Kärntner
Ortstafelkonflikt zwischen Sprachwissenschaft und Politik. In: Eller, N. – Hackl, St. – L’upták, M.
(Hgg.), Namen und ihr Konfliktpotential im europäischen Kontext. Regensburger Symposium, 11.-13.
April 2007. Regensburg, edition vulpes 2008, 77-92. ISBN 978-3-939112-03-7 und
aus http://www.volksgruppenbuero.at/images/Ortsnamenverz_komplett.pdf
Einleitend ein Auszug aus http://www.volksgruppenbuero.at/images/Ortsnamenverz_komplett.pdf:
Fürstenstein / Knežji kamen: Die historische Bedeutung des Kärntner Fürstensteins ist allgemein bekannt und unumstritten; bis vor kurzem (2005) stand er in der Aula des Landesmuseums und wird bekanntlich seit Anfang 2006 im Wappensaal des Landhauses in Klagenfurt aufbewahrt. Es handelt sich dabei um den Basisteil einer römisch-ionischen Säule, auf deren Sitzfläche im Mittelalter das Landeswappen eingemeißelt wurde. Der Kärntner Fürstenstein spielte bis zum Jahre 1414 bei der Kärntner Herzogseinsetzung die Schlüsselrolle, und zwar sowohl in slawisch-karantanischer Zeit als auch später im Herzogtum Kärnten. Die auf ihm durchgeführten Einsetzungszeremonien wurden „sclavice“ (= in slawischer Sprache) bzw. „in windischer rede“ gehalten, was den Fürstenstein in ethnischer Hinsicht sowohl für die slowenischen als auch für die deutschen Kärntner zu einem einmaligen Symbol der Landesgeschichte macht. Ähnliches gilt für den Herzogstuhl, wo die Einsetzungszeremonien mit dem rechtlichen Akt der Lehensvergabe, der Rechtsprechung und der Huldigung abgeschlossen wurden. Beide Denkmäler gehören zu den ältesten auf österreichischem Boden überhaupt und symbolisieren somit das Jahrhunderte lange (meist friedliche) Zusammenleben der deutschen und slowenischen Kärntner wie kein anderes. Der slowenische Bezug zur Herzogseinsetzung ist heute noch im Ortsnamen Blasendorf, dem Wohnsitz des „Herzogbauern“, der bei der Zeremonie am Fürstenstein eine bedeutende Rolle spielte, erkennbar, enthält doch dieser Name ein altes slowenisches Wort für ‘Richter, Verwalter oder Edling’ – Hinweis auf die Verschränkung beider Sprachen in Kärnten seit Anbeginn: Blasendorf / Blažnja vas ist das ‘Dorf des blag, des Richters, Verwalters oder Edlings’. Dieser Ort war der Sitz des „Herzogbauern“, der bei der Zeremonie der Herzogseinsetzung auf dem Zollfeld beim Fürstenstein als Repräsentant des Volkes auftrat; in der Nähe liegt Atschalas/Kočelez(e) – wohl aus sl. *koseži laz ‘Edlingsrodung’ (sl. *kosez, kazaz usw. ‘Edling’). In der Untersteiermark gab es ein zweites Blasendorf (so urk. 1440, ab 1450 Ambtmanstorff, d.i. ‘Dorf des Amtmannes’; das Wort Amtmann, in der Schweiz Ammann, entspricht in seiner Bedeutung dem slowenischen blag), heute Gojkova. An diese Zeremonien erinnert auch der Ortsname Rotheis.
Er ist ein also ein Denkmal (1), das bei den Einsetzungszeremonien
der Kärntner Herzöge eine erstrangige Rolle gespielt haben muss und somit das
Jahrhunderte lange (meist friedliche) Zusammenleben der deutschen und
slowenischen Kärntner wie kein anderes symbolisiert. Bei
diesen Zeremonien wurde „sclavice“ bzw. „in windischer rede“ gesprochen,
beides bedeutet „slawisch“ oder „slowenisch“, später nannte sich Kärnten sogar
„Windisches Erzherzogtum“ (im 16. Jhdt. zur Zeit der Reformation). Im Zeitalter
des sprachorientierten Nationalismus wurde diese Gemeinsamkeit brüchig, gegen
Ende des 19. Jhdts. fand sie ihr Ende. Nach dem „Kärntner Abwehrkampf“ bzw. (aus
slowenischer Sicht) dem „Kampf um die Nordgrenze“ bekam der Begriff „windisch“, ursprünglich die deutsche Bezeichnung für
„slowenisch“, bekanntlich eine ganz andere Bedeutung. Der Fürstenstein ist also
primär ein Kärntner Denkmal, gleichzeitig aber auch eines, das in der
slowenischen Nationalgeschichte eine Rolle spielt, da der Ursprung der
Zeremonien der Herzogseinsetzung in die karantanische (vordeutsche) Zeit
zurückgehen dürfte. Somit ist der Fürstenstein zwar ein Symbol für die
Slowenen als Ethnie, aber keines für die heutige Republik. Daher war es schon
1991 umstritten, ihn auf den damals neuen (provisorischen) Tolar-Geldscheinen
zu verwenden, zumal ja auf ihm das Kärntner Wappen eingemeißelt ist –
auch wenn es heute „nur“ die 2-Euro-Cent-Münze ist.
Beitext
zur slowenischen 2-Cent-Münze
(2) (im Original): Knežji kamen je bil v kneževini Karantaniji
(katere del je bil tudi del današnjej Slovenije) do leta 1414 namenjen
ustoličevanju novega vojvode v slovenskem jeziku. – (In deutscher Übersetzung
mit einem Zusatz in […]): Der Fürstenstein war im Fürstentum Karantanien (ein Teil davon war auch Teil des
heutigen Slowenien) [und später im
Herzogtum Kärnten] bis zum
Jahre 1414 zur Einsetzung des neuen Herzogs in slowenischer Sprache bestimmt.
Die Kärntner Sichtweise: (3) Der Kärntner Fürstenstein aus Karnburg (Zollfeld) spielte
bis zum Jahre 1414 bei der Kärntner Herzogseinsetzung die Schlüsselrolle, und
zwar sowohl in slawisch-karantanischer Zeit als auch später im Herzogtum
Kärnten. Die
auf ihm durchgeführten Einsetzungszeremonien wurden „sclavice“ (= in slawischer
Sprache) bzw. „in windischer rede“ gehalten, was den Fürstenstein in ethnischer
Hinsicht sowohl für die slowenischen als auch für die deutschen Kärntner zu
einem einmaligen Symbol unserer Landesgeschichte macht. Ähnliches gilt für den Herzogstuhl, wo die
Einsetzungszeremonien mit dem deutsch-rechtlichen Akt der Lehensvergabe, der
Rechtsprechung und der Huldigung abgeschlossen wurden. Beide Denkmäler gehören
zu den ältesten auf österreichischem Boden überhaupt.
Dagegen spielte
der Fürstenstein territorial betrachtet für das Nachbarland Krain (= das
Kernland des heutigen Sloweniens) überhaupt keine Rolle. Kein auf dem
Fürstenstein jemals eingesetzter Kärntner Herzog übte in Krain Herrschaftsgewalt
aus.
Der entscheidende Kern dieser Aussagen ist
oben jeweils blau hervorgehoben,
daher erübrigt sich eigentlich jede Diskussion über die Verwendung des
Fürstensteines als Symbol für Kärnten und für Teile des slowenischen
Sprachraums, schließlich gehörten ja auch einige an Österreich grenzende Gebiete
des heutigen Slowenien tatsächlich zum Herzogtum Kärnten. Im Rahmen der Diskussion um die
Abbildung des Fürstensteins auf der slowenischen 2-Cent Münze (s.u.) wurde er Ende
2005 durch Landeshauptmann Haider vorübergehend in der Eingangshalle der
Kärntner Landesregierung aufgestellt, von wo er im März 2006 wieder in den großen
Wappensaal im Klagenfurter Landhaus gebracht wurde, wo er sich schon 1871-1905
befunden hatte. Gleichzeitig wurde der Fürstenstein
auf Anweisung durch LH Haider auch im offiziellen Kärnten-Logo verwendet. Nach
dem Regierungswechsel 2013 hat der neue Landeshauptmann Peter Kaiser bedauerlicherweise
veranlasst, den Fürstenstein aus dem Kärnten-Logo wieder zu entfernen, obwohl kein
anderes Denkmal in Kärnten so stark die Gemeinsamkeit beider
Sprachgemeinschaften symbolisiert. Das neue Logo heißt jetzt übrigens Corporate Design. Somit wurde eine
einmalige Chance verpasst, den Fürstenstein ins richtige Licht zu setzen!
Anstatt aufgeregte Debatten über das Für und
Wider – im Rahmen
der Diskussion um die Abbildung des Fürstensteins auf der slowenischen 2-Cent
Münze – zu
führen, wäre schon 2005 ein emotionsloser Rückblick in die Geschichte
hilfreicher gewesen als alte Sichtweisen wiederzubeleben, die in die heutige
Zeit so nicht mehr passen. Bis zu einem gewissen Grad entsprechen die
slowenischen Vorstellungen vom „slowenischen Kulturraum“ den deutschen Vorstellungen
vom „deutschen Sprach- und Kulturraum“ sowie denen vom „alten Österreich“. Zu
einer administrativen Vereinigung aller slowenischen Länder ist es aber nie
gekommen, auch nicht der deutschen. Daher wird mental das im allgemeinen als
„Südkärnten“ bezeichnete gemischtsprachige Gebiet nach wie vor als ein
(zumindest teilweise) „slowenisches“ Land gesehen. So sind in der
„Enciklopedija Slovenije / Enzyklopädie Sloweniens“ ziemlich alle größeren Orte
(Süd-) Kärntens und Personen, die von dort stammen oder dort wirkten (auch wenn
sie keine ethnischen Slowenen sind/waren), enthalten, der „Atlas Slovenije /
Atlas Sloweniens“ bezieht Teile von Kärnten und Friaul ins Kartenbild ein, die
man mit bestem Willen nicht als Grenzgebiete bezeichnen kann. Darüber kann man
freilich geteilter Meinung sein. Ähnlich ist es ja auch zwischen Österreich und
Deutschland, wo in gesamtdeutschen Darstellungen Österreich (bis 1945)
einbezogen wird. Wogegen sich wiederholt einige österreichische (v.a. Wiener)
Historiker verwahrt haben – wie sich doch die Bilder gleichen! Groß war die
Erregung, als 1985 der deutsche Historiker Erdmann von „Drei Staaten – zwei Nationen – ein Volk?“ sprach (die drei Staaten
sind BRD, DDR und Österreich, die zwei Nationen die deutsche und
österreichische, das eine Volk alle
Deutschen einschließlich der Österreicher). Ähnlich war es, als vor einigen
Jahren von den Zuschauern des ZDF die 100 „Besten Deutschen“ gewählt wurden,
unter denen sich neben Beethoven und Mozart auch Karlheinz Böhm und Romy
Schneider befanden. Schon die „Ankündigung des ZDF,
als ‘Unsere Besten’ auch Persönlichkeiten küren zu wollen, die hierzulande als
Österreicher betrachtet werden, belebte im August das Sommerloch“ (schrieb die
„Kleine Zeitung“ am 6.11.2003). „Österreicher empört: Mozart kein Deutscher“
(titelte „Die Presse“ am 7.8.2003) – er ziert schließlich die
1-Euro-Münze, obwohl er gar kein Österreicher war, denn Salzburg gehörte zu
seinen Lebzeiten gar nicht zu Österreich. Womit sich der Kreis zum Fürstenstein
schließt.
In einer ähnlichen Weise erinnert der „Streit“
um den Fürstenstein auch an den Namenstreit zwischen Griechenland und
Mazedonien zum offiziellen Namen der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik
Mazedonien. Weder war Mazedonien vor Philipp II. und Alexander dem Großen
„griechisch“ noch war es eine slawische Staatsgründung im Mittelalter; vielmehr
gehörte es zunächst zum Bulgarischen Reich, wurde dann osmanisch, war aber
(abgesehen vom Süden und den am Meer gelegenen Gebieten) ein überwiegend
slawischsprachiges Gebiet, deren Bewohner man Ende des 19. Jhdts.
„Mazedoslawen“ nannte und deren Sprache demselben Dialektkontinuum angehört wie
das Bulgarische. Daher wurden sie von den Bulgaren als solche vereinnahmt,
kamen aber nach den Balkankriegen (1912/13) unter serbische Vorherrschaft (der
zentrale und nördliche Teil – der Süden kam an Griechenland). Nach dem
Zusammenbruch des Ersten Jugoslawien 1941 kam der größte Teil Mazedonienes
wieder unter bulgarische Verwaltung, doch 1944/45 erklärten sich die Mazedonier
zu einer eigenständigen Nation und schufen eine vom Bulgarischen abweichende
Schriftsprache, die heute – zusammen mit den Albanischen – die Amtsprache ist.
So kam es dazu, dass es heute ein südliches „griechisches“ und ein nördliches
„mazedonisches“ Mazedonien gibt.
Ein anderes Symbol der deutsch-slowenischen Symbiose in
Kärnten sind die Namen. In gemischtsprachigen Gebieten hat jedes Objekt zwei
Namen – je einen in beiden Sprachen. Die Ortsnamen sollten auf Grund des
Staatsvertrages von 1955 „Aufschriften topographischer Natur“ (u.a. also auch Ortstafeln)
in beiden Sprachen abgefasst sein, was erst 1972 erstmals geschah, aber am
„Ortstafelsturm“ scheiterte; laut Volksgruppengesetz 1976 wurde dies in 9
Gemeinden bei etwas mehr als 90 Ortschaften vorgesehen. Auf Grund der
sogenannten „Konsenskonferenz“ vom 15. Mai 2005 und der
„Topographieverordnung-Kärnten“ vom 17. Juli 2006 kam es im April 2011 zur
sogenannten „Ortstafellösung“; am 6. Juli 2011 wurde
vom österreichischen Nationalrat das Volksgruppengesetz entsprechend geändert,
womit es zur Aufstellung von zweisprachigen Ortstafeln in insgesamt 164
Ortschaften im gemischtsprachigen Gebiet Kärntens gekommen ist (Näheres hier).
(1) Umfassende Monographie dazu: Sabine Nikolay, Der Kärntner
Fürstenstein im Bild. Darstellungen euines europäischen Rechtsdenkmales.
Klagenfurt, Mohorjeva/Hermagors 2010 (Näheres im Internet unter: http://www.mohorjeva.at/shop/details/der_kaerntner_fuerstenstein_im_bild/).
(2) Laut Banka Slovenije / Bank of Slovenia 2007 Evrokovanci / Eurocoins (Ljubljana 2007). –
Die anderen Münzen: 2 €: France Prešeren (Nationaldichter); 1 €: Primož Trubar
(Reformator und Begründer der slow. Schriftsprache); 0,50 €: Triglav (höchster
Berg Sloweniens, 2864m); 0,20 €: Lipicanec (Lipizzaner); 0,10 €: Katedrale
svobode (Kathedrale der Freiheit, ein Entwurf des Architekten J. Plečnik,
1872-1957, dem auch einige Bauwerke in Wien zu verdanken sind); 0,05 €: Sejalec
(Sämann); 0,01: Štorklija (Storch).
(3) nach
Alfred Ogris in einem Gastkommentar in der „Kleinen Zeitung (Klagenfurt)“ vom
12.11.2005, S. 20 sowie in seinem Beitrag „Kärnten in
der Enzyklopädie Sloweniens“ in: Carinthia
I 196 (2006), 127ff. (mit weiter führender Literatur).
Bilder zum Fürstenstein unter:
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