Zum Kärntner zweisprachigen Namengut
(vormals Namen-Konflikt)
© H.D. Pohl (letzte umfassende
Bearbeitung 30.1.2013, ergänzt zuletzt am 25.2.2019)
Hier erhalten Sie Informationen über die
Hintergründe aus Sicht der Namenforschung (siehe auch weiter unten).
Auf Grund der Ortstafel-Einigung zwischen LH Dörfler und Staatssekretär Ostermayer von 27.4.2011 sind 164
zweisprachige Ortstafeln gesetzlich vorgesehen; am 6. Juli 2011 wurde vom Nationalrat
das Volksgruppengesetz entsprechend geändert, womit es zur Aufstellung von
Ortstafeln in insgesamt 164 zweisprachigen Ortschaften im gemischtsprachigen
Gebiet Kärntens kommt.
Diese sind in meinem Ortsverzeichnis
zu finden bzw. auf einen Blick hier.
Zu einer historischen Übersicht siehe Zeittafel
Zur Situation der Kärntner Slowenen aus
sprachwissenschaftlicher Sicht siehe hier
Zu einem im Aufbau befindlichen Kärntner
Ortsnamenverzeichnis (Kärntner
Online-Ortsnamenbuch) hier
Zur Kärntner „Landessprache“ hier
, zum Begriff „Muttersprache“ hier , zur
„politischen Korrektheit“ hier
Sprachwissenschaftliche
Details (zur Namenkunde, zur Zweisprachigkeit usw.)
siehe http://members.chello.at/heinz.pohl/Namen.htm
English
summary (pdf)
Zum slawischen Namengut in Österreich allgemein
Ortsverzeichnis
siehe http://members.chello.at/heinz.pohl/Ortsverzeichnis.htm
slowenische Ortsbezeichnungen auf Grund der Liste
der Kärntner Landesarchivs 1972, der Verordnung der Bundesregierung vom 14.
Juni 1977 (BGBl. 69/1977) gemäß „Volksgruppengesetz 1976“ (BGBl. 396/1976) und
„Topographieverordnung-Kärnten“ v 17. Juli 2006 (BGBl. 263/2006) und
der Broschüre „10 Jahre Ortstafelerkenntnis“ (Klagenfurt 2011, im Internet
unter http://www.ortstafel.info/).
In diesem Verzeichnis sind auch alle auf Grund der Ortstafeleinigung vom 26. April
2011 vorgesehen 164 Ortschaften enthalten (markiert mit dem Zeichen ¨)
Zu Auffassungsunterschieden
bezüglich Namensformen (mit Ortsverzeichnis)
siehe http://members.chello.at/heinz.pohl/Auffassungsunterschiede.htm
Siehe auch die Beiträge Toponyme in gemischtsprachigen Gebieten u. Ortsnamen als Kulturgut
(sowie http://www.uni-klu.ac.at/groups/spw/oenf/Kaernten_Namen_als_Kulturgut.htm,
Text eines Vortrages
anlässlich einer Buchpräsentation)
Zu den sogenannten
„Windischen“ siehe hier
und ausführlicher unter Volksabstimmung,
weitere
sprachwissenschaftliche Informationen
zum Sprachkontakt und zu Slowenisch als zweite Landessprache
(auch zu Ethophaulismen wie u.a. Tschusch)
Familiennamen:
Überblick
über die Kärntner
Familiennamen bzw. zu den typisch kärntnerischen Familiennamen
auf –nig/-nik,
eine
Zusammenschau auf Grund eines noch nicht publizierten Vortrages hier (mit einigen Karten).
Zum Namen der Slawen, „Windischen“, Nemci ʽDeutschen’
Zur Sprache der Freisinger Denkmäler hier
Deren Bezüge zu den Ortsnamen
slowenischer Herkunft in Österreich
Einige weitere Bücher zum Thema:
Kärnten Dokumentation. Die Ortstafelfrage
aus Expertensicht. Eine kritische Beleuchtung. Amt der Kärntner Landesregierung, Abt. 1 —
Landesamtsdirektion / Volksgruppenbüro, Red. Mag. Peter KARPF, Thomas KASSL.
Klagenfurt, Verlag Land Kärnten 2006.
ISBN 3-901258-08-6
(Darin mein Beitrag: Das
Kärntner Ortstafelproblem aus sprachwissenschaftlicher Sicht, S. 133-148,
im Internet unter http://www.volksgruppenbuero.at/images/uploads/sonderdoku02_sc.pdf abrufbar)
Nicole Eller / Stefan Hackl
/ Marek L’upták (Hrsg.): Namen und ihr Konfliktpotential im
europäischen Kontext Regensburger Symposium, 11. bis 13. April 2007.
Regensburg, Edition Vulpes 2008, 338 Seiten, mit zahlreichen Karten, Tabellen und
Abbildungen
(http://www.edition-vulpes.de/)
ISBN 978-3-939112-03-7
(Darin mein Beitrag: Der
Kärntner Ortstafelkonflikt zwischen Sprachwissenschaft und Politik, S.
77-92 mit einem Exkurs zur Bedeutung des Kärntner Fürstensteins)
Zuletzt erschienen:
Gerhard Hafner / Martin Pandel (Hrsg.)
Volksgruppenfragen
/ Vprašanja manjšin
Kooperation
statt Konfrontation / Kooperacija namesto konfrontacije
Das Problem von nationalen Minderheiten ist nicht nur ein rechtliches, sondern
hat mehrere Dimensionen und kann deshalb nicht allein mit rechtlichen Mitteln
gelöst werden. Ein friedliches Miteinander unterschiedliche Ethnien erfordert
folglich ein gegenseitiges Verstehen mehrerer Aspekte, einschließlich sozialer,
politischer und kultureller. Dieses Buch versucht die Aspekte der
Minderheitenproblematik insbesondere in Kärnten darzustellen mit Beiträgen von
österreichischen und slowenischen Europarepräsentanten, Staatspolitikern,
Politologen sowie Rechts-und Geschichtswissenschaftlern. Der Band ist ein
Sammelwerk mit Beiträgen von der Veranstaltungsserie „Kooperation statt
Konfrontation“ im Bildungsheim Sodalitas in Tainach/Tinje.
346 Seiten, Broschur, Format 15,5 x
22,5 cm, Klagenfurt/Celovec-Ljubljana/Laibach-Wien/Dunaj, Mohorjeva /
Hermagoras 2011
(http://www.mohorjeva.at/shop/details/volksgruppenfragen/)
ISBN: 978-3-7086-0605-7
Udo MANNer: Der Verrat
an der sichtbaren Zweisprachigkeit in Kärnten. Klagenfurt/Celovec (usw.),
Verlag Hermagoras / Mohorjeva 2010, 231
(Studia Carinthiaca, Band
XXIX)
(http://www.mohorjeva.at/shop/details/der_verrat_an_der_sichtbaren_zweisprachigkeit_in_kaernten/)
(Die
Existenz der slowenischen Volksgruppe in Kärnten und ihre Probleme sind mit dem
Ortstafelsturm 1972 und den Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes in der
Ortstafelfrage in das politische Bewusstsein der österreichischen Bevölkerung
gerückt. Das Buch geht der Frage nach, warum die sichtbare Zweisprachigkeit in
Kärnten solche Probleme bereitet)
ISBN 978-3-7086-0447-3
Zu einem entstehenden
Kärntner Online-Ortsnamenbuch:
http://members.chello.at/heinz.pohl/ON_Start.htm
Ein Konflikt, der nie einer hätte sein müssen …
(zu den historischen Grundlagen)
Dieser Beitrag ist die aktualisierte Überarbeitung
meines in der Zeitschrift der Kärntner Landsmannschaft „KulturLandMenschen. Beiträge
zu Volkskunde, Geschichte, Gesellschaft und Naturkunde“, Heft 5-6 / 2010, S.
6-7, erschienenen Artikels Ein Konflikt, der eigentlich keiner sein müsste … Geänderte Passagen in blauer Schrift.
Der
Kärntner Ortstafelkonflikt ist nunmehr Geschichte. Zwar ist der jetzt erreichte
Kompromiss weder aus staatsrechtlicher noch aus namenkundlicher Sicht in allen
Punkten befriedigend – doch das haben
Kompromisse so an sich. Dieser liegt mit 164 zweisprachigen Ortstafeln in der
Mitte zwischen dem Volksgruppengesetz von 1976 mit 91 Ortstafeln und dem
Ortstafelgesetz von 1972 mit 205 Ortstafeln. Ferner gab es auch einen maximalen
Ansatz mit 273 Orten, welche Anzahl aber eine mehr theoretische war, die sich
nur bei einer stringenten Auslegung des Ortstafelerkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes
hätte ergeben können und die eher als
Diskussionsbeitrag zu den Verhandlungen gedacht war. Jedenfalls bewirkt die
Einigung, dass unser gemeinsames und heute noch immer lebendige Namengut
sichtbar gemacht wurde.
Die
Diskussion über den Ortstafelkonflikt wird immer wieder mit der Volksabstimmung
vom 10. Oktober 1920 in Verbindung gebracht, als man in Kärnten über ein gemeinsames
Zusammenleben zweier Sprachgemeinschaften oder
über die Trennung nach nationalen Gesichtspunkten abstimmte. Doch ein großer
Teil derer (rund 40 %), die bei der Volkszählung 1910 Slowenisch als Umgangssprache
angegeben hatten, sprach sich für eine gemeinsame Heimat (slowenisch: skupna domovina) aus – also: ohne
slowenische Stimmen gäbe es kein ungeteiltes Kärnten! So gesehen war der 10.
Oktober 1920 ein bemerkenswertes Datum – an den historischen Fakten sowie an
den sprachlichen und kulturhistorischen Gegebenheiten hat er zunächst nichts
geändert: in Kärnten gab es immer schon, bereits vor seiner Errichtung als
Herzogtum im Jahre 976, beide Sprachen. Das Alpenslawische oder „Karantanische“
(Vorläufer der modernen slowenischen Sprache) war sogar früher da als das
Althochdeutsche, auf dem die modernen (südbairischen) Kärntner Mundarten
beruhen. Früher nannte man im Deutschen die slowenische Sprache „windisch“,
diese Bezeichnung (heute obsolet) ist sowohl in den Beschreibungen der
Herzogseinsetzung beim Fürstenstein in Karnburg bezeugt als auch im „Windischen
Herzogtum“ des 16. Jhdts., wie sich Kärnten im Zeitalter der Reformation
selbstbewusst nannte. Der slowenische Bezug zur Herzogseinsetzung ist heute
noch im Ortsnamen Blasendorf, dem
Wohnsitz des „Herzogbauern“, erkennbar, der bei dieser Zeremonie eine
bedeutende Rolle spielte, enthält doch dieser Name ein altes slowenisches Wort
für „Richter, Verwalter oder Edling“ – Hinweis auf die Verschränkung beider
Sprachen in Kärnten seit Anbeginn und Erklärung dafür, welch starke emotionale
Bindung der Fürstenstein für das Slowenentum hat – bis hin zu seiner
Verwendung auf der slowenischen Zwei-Euro-Cent-Münze.
Kärnten war immer schon zweisprachig, allerdings ist der Personenkreis
der zweisprachigen Einwohner im Laufe der Zeit kontinuierlich, seit rund 100 Jahren
sprunghaft kleiner geworden. Schon vor 400 Jahren stellte im Zeitalter des
Humanismus M.G. Christalnick fest: „es haben sich die die windischen
Khärndter mit den deutschen Khärndtern also gewaltiglich vereinigt, das aus
ihnen beyden einerley volck ist worden“. Dieses „einerlei Volk“ hörte in
der zweiten Hälfte des 19. Jhdts. auf zu existieren und man könnte in Anlehnung
an Genesis 3,7 (nachdem Adam und Eva vom Baum die verbotene Frucht gegessen
hatten: „dann wurde ihnen beiden die Augen aufgetan und sie wurden gewahr,
dass sie nackt waren“) feststellen: im 19. Jhdt. wurde den neuzeitlichen
Karantanen plötzlich klar, dass sie zwei Sprachen sprechen, womit auch in
Kärnten der sprachorientierte Nationalismus mit allen seinen unangenehmen
Begleiterscheinungen Einzug hielt und schließlich den Rahmen zum (deutschen)
„Kärntner Abwehrkampf“ bzw. zum (slowenischen) „Kampf um die Nordgrenze“
lieferte. Eine Spätfolge davon ist in abgeschwächter Form der „Kärntner Ortstafelkonflikt“.
Davor gab es eine gemeinsame Geschichte, die sich u.a. auch in einem
gemeinsamen Namengut widerspiegelt, wo es von Anbeginn deutsche und slowenische
Namen bzw. Namen deutscher bzw. slawischer/slowenischer Herkunft gab. Die
ersten Kärntner im engeren Sinn des Wortes benannten beispielsweise
(slowenisch) Gorje / (deutsch) Göriach nach seiner Lage ‘die auf dem Berg wohnen’ (zu slowenisch gora
‘Berg’) und Bistrica / Feistritz nach einem reißenden Bach (zu
slowenisch bister ‘schnell fließend,
munter usw.’). Slowenische Namensformen wie Pliberk (= Bleiburg,
urkundlich 1228 Pliburch) oder Bekštanj
(= Finkenstein) sind aus dem Deutschen bezogen. Die Ortsnamen gewähren somit
Einblick in die Siedlungsgeschichte, einmal waren bei der Namengebung Deutsche,
ein anderes Mal Slowenen aktiv, die Namen gingen von Mund zu Mund, d.h. von
einer Sprache zu anderen, und oft wurden Objekte unabhängig voneinander
verschieden benannt wie z.B. deutsch Hart
‘Sumpfwald’ ~ slowenisch Breg ‘Ufer,
Böschung’ bzw. Neuhaus (Hinweis auf
eine neu errichtete Burganlage, heute Schloss) ~ Suha ‘Dürrenbach’ oder übersetzt, z.B. deutsch Aich = slowenisch Dob (‘Eiche’).
Auch in seit Jahrhunderten rein deutschsprachigen Gebieten finden wir solche
Namenpaare: sowohl in der Gemeinde Großkirchheim
als auch in der Gemeinde Bad Kleinkirchheim
ist in den Ortsteilen Zirknitz bzw. Zirkitzen das slowenische Wort für
‘Kirche’ (cerkev) enthalten. Manchmal
ist die slowenische Übersetzung früher überliefert als die heutige Form wie
z.B. 993 Podinauuiz (das wäre heute Spodnja vas) für heutiges Niederdorf (Bezirk St. Veit a.d. Glan).
Wir
verfügen also mit den deutschen und den slowenischen Namen über ein altes und
auch gemeinsames Erbe — sie sind Teil unserer gemeinsamen Geschichte. Sie zu vergessen würde
einen schweren Verlust bedeuten, beide Namensformen, die deutsche und die
slowenische, sind eng miteinander verbunden und ihre Geschichte ist unteilbar.
In gemischtsprachigen Gebieten hat jedes geographische Objekt zwei Namen, wie
sie in der jeweiligen Sprache eben üblich sind. Auch auf das Bundesland Kärnten
(slowenisch Koroška) und seine Landeshauptstadt Klagenfurt (Celovec)
trifft dies zu. Dies klar und deutlich darzulegen sollte eine der zentralen
Aufgaben der Namenforschung sein, ohne sich dabei in politische Interessen
verwickeln zu lassen. Die Onomastik kann die Politik nur beraten, etwa in der
Weise, dass sie die korrekten Schreibungen auf Grund der
Überlieferungsgeschichte und/oder ortsüblichen Lautung für die Namen der
Minderheit vorschlägt, nicht aber hinsichtlich politischer Entscheidungen wie
die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln, um deren Anzahl in Kärnten noch
immer gestritten wird, oder den Geltungsbereich von Gesetzen, die den Gebrauch
der Sprache(n) der Minderheit(en) (z.B. Aufschriften, Schulwesen u.dgl.)
regeln.
Warum spielen also zweisprachige Ortstafeln in der Diskussion eine solch
große Rolle? Weil sie einen hohen emotionalen und symbolischen Wert haben und
zweisprachige Ortstafeln davon zeugen, dass es hier zwei Sprachgemeinschaften
gibt, die beide Teil dieses Landes sind und zu seiner Eigenart beitragen. Das
Namengut Kärntens reflektiert – wie oben gezeigt – ein Jahrhunderte langes
gemeinsames Zusammenleben, das beide Sprachgemeinschaften verbindet, denn die
slowenische Minderheit ist hier seit eh und je heimisch. Somit erzeugen
zweisprachige Ortstafeln, Aufschriften, Schulunterricht usw. für diese das
Gefühl in ihrer Heimat, in der
gemeinsamen Heimat mit der Mehrheitsbevölkerung zu leben, ohne deshalb „fremd
in der Heimat zu sein“, ein Gefühl, dass unweigerlich entsteht, wenn die
Muttersprache in der Öffentlichkeit nicht sichtbar ist. Dies ist ein ganz
wesentlicher, emotionaler Punkt, der in der alltäglichen Auseinandersetzung
viel zu wenig beachtet wird. Hier geht es also absolut nicht um territoriale
Ansprüche, wie dies immer wieder herbeigeredet wird, sondern die Namen sind
ein wichtiges Symbol der deutsch-slowenischen Symbiose in Kärnten, denn in
gemischtsprachigen Gebieten hat jedes Objekt zwei Namen – je einen in beiden
Sprachen. Daher
hätte das Kulturgut Ortsname niemals zur Beschaffung von politischem Kleingeld
verwendet werden dürfen und es war höchste Zeit, dass jetzt eine Lösung in Form
eines Kompromisses erreicht wurde. Somit könnte unserem gemeinsamen Namenschatz
in der österreichischen Bildungspolitik auch mehr Beachtung geschenkt werden,
gehört es doch zu dem, was man „immaterielles Kulturerbe“ bezeichnet.
¨ ¨ ¨ ¨
Gastkommentar
in der Wiener Zeitung 31. Jänner 2005:
Kulturgut im Kärntner Kuriositätenkabinett
Jede
Diskussion über den Ortstafelkonflikt landet irgendwann beim Tag der
Volksabstimmung vom 10. Oktober 1920, als man in Kärnten über ein gemeinsames
Zusammenleben zweier Sprachgemeinschaften oder über die Trennung nach
nationalen Gesichtspunkten abstimmte. Ein großer Teil – rund 40% derer, die bei der Volkszählung 1910
Slowenisch als Umgangssprache angegeben hatten – sprach sich für eine gemeinsame Heimat aus, eine
skupna domovina. So gesehen war der 10. Oktober 1920 ein bemerkenswertes Datum – an den historischen Fakten und an den sprachlichen
und kulturhistorischen Gegebenheiten hat er nichts geändert: in Kärnten gab es
schon vor seiner Begründung als Herzogtum im Jahre 976 beide Sprachen. Früher
nannte man im Deutschen die slowenische Sprache „windisch“, diese Bezeichnung
ist sowohl in den Beschreibungen der Herzogseinsetzung beim Fürstenstein in
Karnburg bezeugt als auch im „Windischen Herzogtum“ des 16. Jhdts., im
Zeitalter der Reformation. Der slowenische Bezug zur Herzogseinsetzung ist
heute noch im Ortsnamen Blasendorf, dem Wohnsitz des „Herzogbauern“, erkennbar,
der bei dieser Zeremonie eine bedeutende Rolle spielte, enthält doch dieser
Name ein altes slowenisches Wort für „Richter, Verwalter oder Edling“ – Hinweis auf die Verschränkung beider Sprachen in
Kärnten seit Anbeginn und Erklärung dafür, welch starke emotionale Bindung der
Fürstenstein für das Slowenentum hat – bis hin zu seiner geplanten Verwendung auf einer
Euro-Cent-Münze.
Warum
spielen zweisprachige Ortstafeln in der Diskussion eine solch große Rolle? Weil
sie einen hohen emotionalen und symbolischen Wert haben, der auf altem
Kulturgut beruht, denn das zweisprachige Namengut Kärntens repräsentiert
wertvolles Erbe aus Jahrhunderte langem gemeinsamen Zusammenleben, das beide
Sprachgemeinschaften verbindet. Daher zeugen zweisprachige Ortstafeln davon,
dass es eben zwei Sprachgemeinschaften gibt, die beide Teil dieses Landes sind
und zu seiner Eigenart beitragen. Die slowenische Minderheit ist hier seit eh
und je heimisch, zweisprachige Ortstafeln, Aufschriften, Schulunterricht usw.
erzeugen für sie das Gefühl, in ihrer Heimat, in der gemeinsamen Heimat mit der
Mehrheitsbevölkerung zu leben, ohne deshalb „fremd in der Heimat zu sein“, ein
Gefühl, das unweigerlich entsteht, wenn die Muttersprache in der Öffentlichkeit
nicht sichtbar ist. Dies ist ein ganz wesentlicher, emotionaler Punkt, der in
der alltäglichen Auseinandersetzung viel zu wenig beachtet wird.
Kulturgut
darf nicht zur Beschaffung von politischem Kleingeld missbraucht werden und
sollte schleunigst aus dem Kärntner Kuriositätenkabinett herausgeholt werden!
Gastkommentar
in der Kleinen Zeitung (Klagenfurt) 21. Februar 2005:
Ein
Konflikt voller Kuriositäten
Das
Interview vom 18. Feber 2006 mit Herrn Mag. Rudi Vouk „Dank Haider zu noch mehr
Ortstafeln“ zeigt deutlich, in welch unerquickliche und kaum mehr rational
lösbare Situation unser Land geraten ist. Im Grunde landet jede Diskussion über
den Ortstafelkonflikt irgendwann beim Tag der Volksabstimmung, als man in
Kärnten über ein Zusammenleben zweier Sprachgemeinschaften oder über die
Trennung nach nationalen Gesichtspunkten abstimmte. Ein großer Teil — rund 40% derer, die bei der Volkszählung 1910
Slowenisch als Umgangssprache angegeben hatten — sprach sich für eine
gemeinsame Heimat aus, die skupna domovina. So gesehen war der 10. Oktober 1920
ein bemerkenswertes Datum — an den historischen Fakten und an den
sprachlichen und kulturhistorischen Gegebenheiten hat er nichts geändert: In
Kärnten gab es schon vor seiner Begründung als Herzogtum im Jahre 976 beide
Sprachen.
Warum
spielen dann zweisprachige Ortstafeln in der Diskussion eine solch große Rolle?
Weil sie einen hohen emotionalen und symbolischen Wert haben, der auf altem
Kulturgut beruht, denn das zweisprachige Namengut Kärntens repräsentiert
wertvolles Erbe aus Jahrhunderte langem gemeinsamen Zusammenleben, das beide
Sprachgemeinschaften verbindet. Daher zeugen zweisprachige Ortstafeln davon,
dass es eben zwei Sprachgemeinschaften gibt, die beide Teil dieses Landes sind
und zu seiner Eigenart beitragen. Die slowenische Minderheit ist hier seit eh
und je heimisch, zweisprachige Ortstafeln, Aufschriften, Schulunterricht usw.
erzeugen für sie das Gefühl, in ihrer Heimat, in der gemeinsamen Heimat mit der
Mehrheitsbevölkerung zu leben, ohne deshalb „fremd in der Heimat zu sein“, ein
Gefühl, dass unweigerlich entsteht, wenn die Muttersprache in der
Öffentlichkeit nicht sichtbar ist. Dies ist ein ganz wesentlicher, emotionaler
Punkt, der in der alltäglichen Auseinandersetzung viel zu wenig beachtet wird.
Kulturgut
darf nicht zur Beschaffung von politischem Kleingeld missbraucht werden und
sollte daher schleunigst aus dem Kärntner Kuriositätenkabinett herausgeholt werden.
Dieses begann schon kurz nach dem Staatsvertrag, als man das seit 1945 neu
organisierte zweisprachige Schulwesen „reformierte“, aber die in Artikel 7
vorgesehenen zweisprachigen Ortstafeln „übersah“, was man dann 1972 nachholen
wollte und womit man in peinlicher Weise gescheitert ist. Schon seit 1976/77
sollten über 90 zweisprachige Ortstafeln stehen —
nur ca. 2/3 davon standen, als Herr Mag. Vouk auf die Tube drückte und dadurch
die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes provozierte. Moralisch hatte er
Recht, so kurios dies auch sein mag, aber es passt gut ins Kuriositätenkabinett
wie auch das Ortstafelverrücken unseres Herrn Landeshauptmanns und wie die in
Leserbriefen erhobenen Forderungen, dreisprachige Ortstafeln aufzustellen.
Die
größte Kuriosität ist aber die Tatsache, dass der zum Greifen nahe Kompromiss,
wie er im so genannten Karner-Papier vom Mai 2005 festgehalten ist,
leichtfertig verspielt wurde — wie man eben
hierzulande leichtfertig und sorglos mit dem Kulturgut „Name“ umgeht.
(in
der Rubrik DEBATTE, Zu den Auswüchsen des Kärntner Ortstafelkonflikts)
Leserbrief "Kleine Zeitung"
(Klagenfurt) 16.12.2001:
Die
VfGH-Entscheidung (vom 13.12.2001,
ähnlich 12.12.2005, s. http://www.vfgh.gv.at/) — man kann zu ihr stehen, wie man
will — konnte gar nicht anders ausfallen. Von Völker- und Verfassungsrechtlern
ist der 25%-Anteil slowenisch sprechender Bevölkerung immer schon hinsichtlich
seiner Verfassungsmäßigkeit in Zweifel gezogen worden, zumal im Artikel 7 Abs.
3 des Staatsvertrages von Prozentsätzen keine Rede ist, es heißt nur "in
Verwaltungs– und Gerichtsbezirken ... mit slowenischer ... oder gemischter
Bevölkerung". Daher hätte man kühlen Kopf bewahren und das Beste aus der
jetzigen Situation machen sollen; die Kärntner Politiker aller Couleurs seien
daran erinnert, dass es sich um die Vollziehung eines Bundesgesetzes (nicht
Landesgesetzes!) handelt, das derzeit nicht ausreichend vollzogen ist, auch
nicht im Sinne des Volksgruppengesetzes 1976 (es fehlt derzeit rund ein Drittel
der in Frage kommenden zweisprachigen Ortstafeln!). Es ergibt sich jetzt die
einmalige Chance eine zukunftsweisende, den bisherigen bzw. derzeitigen Zustand
erweiternde Lösung zu finden, an der alle mitwirken könnten. Darüber hinaus
sollte man im zweisprachigen Namengut Kärntens wertvolles kulturelles Erbe aus
jahrhundertelangem gemeinsamen Zusammenleben erblicken, das auch verbindet.
Das Buch zum Thema:
Heinz Dieter POHL
Unsere
slowenischen Ortsnamen
Naša slovenska
krajevna imena
Einen grundlegender Artikel zum Thema siehe unter
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