Heinz Dieter Pohl
Ortsnamen als Kulturgut
Überlegungen zur Kärntner Ortstafelfrage aus Sicht der
Namenforschung
(erschienen im Kärntner
Jahrbuch für Politik 2002, S. 227-246, Ende August 2009 aktualisiert)
1. Das Problem
Hoffentlich kein neuer
Ortstafelkonflikt — dies dachte ich mir, als ich von der
VfGH-Entscheidung erfuhr. Zu ihr kann man stehen, wie man will — sie konnte gar
nicht anders ausfallen. Von Völker- und Verfassungsrechtlern ist der 25%-Anteil
slowenisch sprechender Bevölkerung immer schon hinsichtlich seiner
Verfassungsmäßigkeit in Zweifel gezogen worden, zumal in dem für diese Fragen
anzuwendenen Artikel 7 Abs. 3 des Staatsvertrages von Prozentsätzen keine Rede
ist, es heißt (sehr allgemein) nur „in Verwaltungs- und Gerichtsbezirken ...
mit slowenischer ... oder gemischter Bevölkerung“. Daher hätte man kühlen Kopf
bewahren und das Beste aus der gegebenen Situation machen sollen, wobei die
Kärntner Politik daran erinnert sei, dass es sich um die Vollziehung von
Bundesgesetzen (nicht Landesgesetzen!) handelt, die derzeit eben nicht
ausreichend vollzogen sind. Eine „Volksbefragung“ oder passive Resistenz
gegenüber einem VfGH-Urteil — wie dies oft vorgeschlagen wurde — sind sicher
wenig hilfreich. Es ergibt sich jetzt die einmalige Chance, eine
zukunftsweisende, den bisherigen bzw. derzeitigen Zustand erweiternde Lösung zu
finden, an der alle mitwirken könnten. Doch davon ist man noch immer sehr weit
entfernt [dazu s. Nachruf].
Braucht man zweisprachige
Ortstafeln überhaupt? Eigentlich ist diese Frage mit „nein“ zu beantworten,
denn
(1)
die
einheimische Bevölkerung weiß ohnehin, um welche Ortschaft es sich handelt, ob
da nun z.B. Ludmannsdorf oder Bilčovs oder beides geschrieben
steht, gibt keine (neue) Information, die man sonst nicht hätte;
(2)
Touristen
und Ortsfremde wollen den Namen so sehen, wie er auf ihrer Straßen- oder
Wanderkarte steht, ob da in gleichgroßer Schrift (wie in Österreich) oder in
kleinerer (wie in Deutschland, Lausitz) ein zweiter Name genannt ist,
interessiert den durchschnittlich Gebildeten überhaupt nicht.
Warum spielen dann
zweisprachige Ortstafeln in der Diskussion eine solch große Rolle? Weil
sie einen hohen emotionalen und symbolischen Wert haben, denn
(1)
das
zweisprachige Namengut Kärntens repräsentiert wertvolles kulturelles Erbe aus
jahrhundertelangem gemeinsamen Zusammenleben, das beide Sprachgemeinschaften
verbindet, also altes Kulturgut (das man nicht auf die
Straßenverkehrsordnung reduzieren sollte!);
Denn die slowenische Sprachminderheit ist hier heimisch (autochthon),
zweisprachige Ortstafeln, Aufschriften, Schulunterricht usw. erzeugen für sie
das Gefühl, hier in der Heimat zu leben, in der gemeinsamen Heimat mit der
Mehrheitsbevölkerung, ohne deshalb „fremd in der Heimat zu sein“, ein Gefühl,
das unweigerlich entsteht, wenn die Muttersprache in der Öffentlichkeit nicht
sichtbar ist. Dies ist ein ganz wesentlicher, emotionaler Punkt, der in der
alltäglichen Auseinandersetzung viel zu wenig beachtet wird. Hier geht es
absolut nicht um territoriale Ansprüche, wie dies immer wieder herbeigeredet
wird [Dies ist ein sehr
beliebtes Argument, doch mit den heutigen sprachlichen und nationalen
Verhältnissen haben Namensformen und Herkunft der Ortsnamen überhaupt nichts zu
tun. Dass ein Ort je einen (also zwei verschiedene) Namen in zwei verschiedenen
Sprachen hat, besagt nur, das das entsprechende Objekt auch in der anderen
Sprachgemeinschaft so bekannt ist, dass man es in der eigenen Sprache besonders
benennt — eine Tatsache, die in Grenz- und Mischgebieten selbstverständlich
ist, daher u.a. deutsch Klagenfurt
und Laibach (sowie Triest) und slowenisch Celovec und Ljubljana (sowie Trst)].
„Wenn eine Tafel
zerstört wird, bricht alles auseinander“ las man in den Zeitungen, dies war auch
(nur sehr kurze Zeit) zu befürchten und wäre etwas, was Kärnten und seine
Slowenen am wenigsten gebraucht hätten! Eine Neuauflage des „Ortstafelsturms“
von 1972 im neuen Jahrtausend hätte das Ende jedes zivilisierten Umgangs
miteinander bedeutet und wäre der moralische Bankrott gewesen. Weder die
AVNOJ-Bestimmungen noch das Zögern Sloweniens, eine deutsche Volksgruppe
anzuerkennen, würden diesen rechtfertigen. Gott sei Dank haben bisher auch die
Slowenenvertreter Augenmaß gezeigt (u.a. Valentin Inzko in der „Presse“ vom
15.1.2002), Kärntens Landeshauptmann leider nicht immer (obwohl es unter seiner
Ägide — so paradox dies für manchen klingen mag — große Fortschritte gegeben
hat!). In Kärnten und Slowenien ist in den letzten Jahren die „nationale Frage“
entkrampft worden und das Verhältnis zueinander wurde eindeutig besser. Dies
soll nun durch Unbesonnenheit und mangelnde Akzeptanz der
verfassungsrechtlichen Grundlagen konterkariert werden?
Besonnenheit ist also angebracht, aber nicht jene
Befindlichkeiten, die man in den Mitteilungen des Kärntner Heimatdienstes und anderer Organe sowie in Leserbriefen
österreichweit zu lesen bekommt. Zwei Beispiele aus dem Internet (Homepage des
KHD [wichtiger Hinweis: so war es im Jahre 2002,
heute ist der KHD von dieser Meinung ganz deutlich abgerückt und in die so
genannte Konsenskonferenz eingebunden, s. Nachruf]):
... „[es] besteht
für eine Erweiterung der Ortstafelregelung 1977 kein Handlungsbedarf. Ganz
besonders auch schon deshalb nicht, weil beispielsweise Deutschland und
Dänemark ihren Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzraum keine zweisprachigen
Ortstafeln zuerkennen und der EU-Staat Frankreich seinen zahlreichen
Minderheiten sogar elementarste Minderheitenrechte verweigert“ — doch Hinweise auf andere Länder
ändern nichts an den österreichischen Gesetzen und Vorgaben, außerdem gibt es
in der Lausitz (im Sorben-Gebiet seit DDR-Zeiten) [Nach der Wiedervereinigung übernommen,
in der Verfassung des Freistaates Sachsen verankert; die „Stiftung für das
sorbische Volk“ (1998) ist darüber hinaus durch einen Staatsvertrag mit dem
Land Brandenburg geregelt. Abrufbar unter der URL http://www.smwk.de/index-js.html
(Inhaltsverzeichnis der Homepage des Freistaates Sachsen, weiter unter
„Angelegenheiten der Sorben“)] sehr wohl eine durchgehende
zweisprachige Beschriftung, meist in kleinerer Schrift gehalten, an allen
öffentlichen Gebäuden und auch die Straßenbezeichnungen sind zweisprachig.
„Für den KHD ist es
feststehende Tatsache, dass die Ortstafelfrage weder in Wien, noch in
Klagenfurt, sondern nur dort wo die Menschen unterschiedlicher Sprache
zusammenleben, friedlich und dauerhaft gelöst werden kann“ — wobei man nicht vergessen soll, dass es sich um ein
Bundesgesetz (und nicht um ein Landesgesetz) handelt [so wird es jetzt auch vom KHD gesehen].
Historisch verhält es sich so: die Vorfahren der heutigen
Slowenen, die Alpenslawen, waren seit dem 7./8. Jhdt. bereits im Süden und
Südosten Österreichs ansässig und haben die Namen- und Sprachlandschaft
nachhaltig geprägt. In Kärnten gab es schon in der Monarchie amtliche
slowenische Ortsbezeichnungen. Am 10. Oktober 1920 stimmten rund 40% derer, die
bei Volkszählung 1910 Slowenisch als Umgangssprache angegeben hatten, für den
Verbleib bei Österreich und haben somit in einem mehrheitlich slowenischsprachigen
Gebiet den Ausschlag gegeben. In der Traditionspflege der prononciert national
orientierten Kreise wurde später daraus ein „deutscher“ Kampf um Kärnten
(„Abwehrkampf“) bzw. ein „slowenischer“ Kampf um die „Nordgrenze“. Die
national-mythologischen Strickmuster auf beiden Seiten sind einander recht
ähnlich und voneinander abhängig.
2. Namenkundliche und
sprachhistorische Aspekte
Wenn man Namen wie Achomitz, slowenisch Zahomec
(bzw. Zahołmec, etwa mit ‘Hinterbichl’ zu übersetzen) hört, denkt man sofort an einen der
zahlreichen Ortsnamen slawischer Herkunft, die den ganzen Süden und Osten
Österreichs prägen, doch bei Namen wie Žihpolje,
der slowenischen Bezeichnung für Maria
Rain südlich von Klagenfurt, wird der Laie eher ratlos sein. Aber ein Blick
in alte Urkunden lehrt, dass dieser Ort früher Sichpuchl (1200) bzw. Seichbichl
(1552) hieß, was soviel wie ‘feuchter Bühel, Bichl’ bedeutet, wie auch die
Ortschaft Seigbichl bei Moosburg,
slowenisch ebenfalls Žihpolje oder
auch übersetzt Močile (=
‘feuchter Ort’). Die slowenische Namensform ist also aus dem Deutschen entlehnt
und -bichl wurde erst sekundär zu -polje ‘Feld’ umgedeutet [zumindest heute empfindet man
es so, wahrscheinlicher ist die Annahme, dass es sich um den Einwohnernamen des
Ortes slowenisch *Žihpol (aus altem Sichpuchl, s.o.) handelt, denn Žihpolje ist ein Pluralwort und das
Adjektiv dazu lautet bei den Einheimischen žihpołski
(nur in der Schriftsprache žihpoljski),
vgl. Zdovc 1993:120]
Beide Namen, Achomitz
und Žihpolje, legen Zeugnis von der
sprachlichen Durchmischung Kärntens auf Ebene der Toponomastik ab. Beide
Sprachen, Deutsch und Slowenisch, sind konstitutiv in Namengebung und
Dialektologie, im deutschen Sprachgut Kärntens findet sich viel Slowenisches,
im slowenischen Sprachgut viel Deutsches. Die jahrhundertelange Koexistenz
beider Sprachen bzw. Kohabitation der Sprecher im Lande ist an ihnen nicht
spurlos vorübergegangen und beide Sprachen gehören zum historischen Erbe
Kärntens. Was auch im allgemeinen Wortschatz Kärntens seinen Niederschlag
findet, man denke u.a. an die alten bäuerlichen Speisen Munken (von altslowenisch *mǫka ‘Mehl’, modern moka)
und Talggen (von frühslawisch *tălkŭna etwa ‘geschroteter Hafer’), an die Strankerln ‘grüne Bohnen, Fisolen’ (von altslowenisch *strąk- > *strǫk- ‘(Bohnen-) Schote’, modern strok ‘Hülse, Schote’) oder an den Füchsling ‘Eierschwammerl, Pfifferling’ (wie slowenisch lisička zu lisica ‘Fuchs’, sonst sagt man in den bairisch-österreichischen
Mundarten neben Eierschwammerl eher Rehling oder Reherl) [vgl. Pohl 2000a:358f.].
In unserem Bewusstsein nehmen jedoch antike Ausgrabungen,
mittelalterliche Burgen oder neuzeitliche Kunstdenkmäler als kulturelles Erbe
aus der Vergangenheit den ersten Platz ein. Es wird in der Regel vergessen,
dass das älteste Erbe unsere Sprache ist und in der Sprache selbst das
Namengut. Gewässernamen wie Drau und Lavant reichen in die vorkeltische Zeit
zurück und sind Zeugen der Indogermanisierung des alpinen Raumes; für unsere
ältesten Vorfahren war die Drau der
‘Flusslauf’ schlechthin und die Lavant
ein ‘weißglänzender’ Fluss. Die ersten Kärntner im engeren Sinn des Wortes
benannten Achomitz nach seiner Lage
‘hinter dem Hügel’ (slowenisch Zahomec, s.o.) und Seichbichl ‘Maria
Rain / Žihpolje’ nach einem ‘feuchten Bühel’ (s.o.). Die Ortsnamen gewähren
Einblick in die Siedlungsgeschichte, einmal waren bei der Namengebung Slowenen,
ein andermal Deutsche aktiv, die Namen gingen von Mund zu Mund, d.h. von einer
Sprache zu anderen, und oft wurden Objekte unabhängig voneinander verschieden
benannt wie z.B. deutsch Hart
‘Sumpfwald’ ~ slowenisch Breg ‘Ufer,
Böschung’ oder übersetzt, z.B. deutsch Aich
= slowenisch Dob ‘Eiche’. Manchmal
ist die slowenische Übersetzung früher überliefert als die heutige Form wie
z.B. 993 Podinauuiz (das wäre
slowenisch Podnja ves), heute Niederdorf (bei Hörzendorf). Wir haben
also in den deutschen wie in den slowenischen Namen altes Erbgut vor uns, sie
sind Teil unserer Geschichte. Sie zu vergessen, zurückzudrängen, würde einen
schweren Verlust bedeuten, beide Namensformen, die deutsche und die
slowenische, sind eng miteinander verbunden und ihre Geschichte ist unteilbar.
Wenn auch der Anteil der Slowenisch sprechenden Kärntner von fast einem Drittel
der Gesamtbevölkerung unseres Landes im 19. Jhdt. auf heute nur mehr wenige
Prozent (3-4%, regional bis 95%, z.B. Globasnitz 50-70%, Zell 90-95%)
zurückgegangen ist — die slowenischen Namen leben dennoch weiter und sie sind
es wert, künftigen Generationen weitergegeben zu werden. Darüber hinaus sind
die Namen in beiden Sprachen als erstrangiges und auch unteilbares Kulturgut
unseres Bundeslandes zu betrachten, das Zeugnis von der gegenseitigen
Durchdringung beider Sprachen ablegt. Die Kärntner wissenschaftliche Tradition
ist sich dieser Tatsache voll bewusst:
„Das kulturelle
Profil einer Landschaft, ihre Eigenart, wird durch das bodenständige Namengut,
ob nun deutsch oder slowenisch, mitbestimmt. Diese Quelle für die
Siedlungsgeschichte und das eigene Selbstverständnis zu erhalten und zu
schützen sollte Aufgabe nicht nur der Historiker, sondern auch der Geographen
und Linguisten sein“ [so A. Ogris in Carinthia I 166
(1976) 178 — ein Gedanke, dem ich vorbehaltlos folge].
Die Kärntner Sprachlandschaft ist also eine historisch
gewordene. Sie ist das Ergebnis des Einströmens germanischer und slawischer
Stämme [genauer: einen germanischen (deutschen) bzw.
slawischen Dialekt sprechender Stämme] nach
dem Untergang des Weströmischen Reiches in keineswegs menschenleeres Land, was
im frühen Mittelalter zu einer sehr heterogenen und polyglotten Bevölkerung
geführt hat. Schließlich haben sich (nach wenigen Generationen) zunächst das
Alpenslawische (Altslowenische) einerseits und andererseits etwas später auch
das (germanische) Bairische als Landessprachen durchgesetzt. Das Bairische,
Teil des deutschen Sprachgebietes (die Baiern selbst sind im Zuge der
fränkischen Machtergreifung im alpinen Raum aufgrund einer Ethnogenese von
Germanen, Keltoromanen und einiger Restgruppen hervorgegangen) konnte sich dann
im Laufe der Jahrhunderte immer mehr auf Kosten des Slawischen (Slowenischen,
„Windischen“ [zum „Windischen“ vgl. hier sowie Pohl
2000b:7ff. und zuletzt Pohl 2002a]) ausbreiten, während das
Alpenslawische in die slowenische Glottogenese einbezogen wurde und das
Slowenische selbst sich nur im Süden des Landes, vornehmlich im Unteren Gail-
sowie im Rosen- und Jauntal behaupten konnte.
Dies hier in wenigen Sätzen Skizzierte widerspiegelt sich in der Kärntner
Namenlandschaft:
(1) einen Teil der Namen haben Baiern und
Slawen von der keltisch-romanischen Vorbevölkerung übernommen;
(2)
die übrigen Namen (der größte
Teil) sind bairischer, also deutscher, und slawischer, also slowenischer
Herkunft (wobei der prozentuale Anteil von Namen deutscher Herkunft in Richtung
Nordwesten, der Anteil von Namen slawischer Herkunft in Richtung Südosten
zunimmt).
(ad 1) Zu diesen Namen gehören v.a.
Gewässernamen, die überhaupt das älteste onomastische Material repräsentieren,
sowie einige Siedlungsnamen und der Name des Landes Kärnten selbst. Alle großen Flüsse Kärntens gehören hierher (Drau, Gail, Gurk, Lavant usw.), ferner
die Tauern, das Katsch-, Jaun- und
Gitschtal, und einige Siedlungsnamen (z.B. Villach). Auch Spuren einer Romanität lassen sich nachweisen (Irschen, Federaun u.a.), und die
jüngere Forschung bringt weitere ans Tageslicht (z.B. Egel, Kotschna) [vgl. u.a. Pohl 2000b:83ff. und P.
Wiesinger in Beiträge zur Namenforschung
36 (2001) 341f., 345 mit Lit.].
(ad 2) Hier ist zu unterscheiden zwischen:
(I) (a) etymologisch
deutschen Namen
(b) etymologisch slawischen Namen
(c) Übersetzungsnamen (also Namen, die sowohl zu a
als auch zu b zu zählen wären)
(d) etymologisch
weder deutsche noch slawische Namen
(die aber dennoch meist von der einen der anderen Sprache
vermittelt worden sind)
(II) (e) im
Deutschen gebrauchten Namen
(f) im
Slowenischen gebrauchten Namen,
wobei sich zwischen I und II
kaum eine klare und eindeutige Beziehung herstellen lässt.
Betrachten wir zunächst
einige Beispiele:
(I) ad (a) Feldkirchen, Bleiburg,
Aich
ad (b) Ferlach, Friesach
(die meisten Namen auf -ach waren ursprünglich Lokative von
Einwohnernamen, in unseren Beispielen ist slowenisch borovje ‘Föhrenwald’ und breza
‘Birke’ enthalten)
ad (c) Aich ~ Dob ‘Eiche’
ad (d) Villach
(II) ad (e) Feldkirchen,
Bleiburg, Aich, Ferlach, Friesach, Villach, Globasnitz
ad (f) Trg, Pliberk, Dob, Borovlje, Breže, Beljak,
Globasnica.
Es zeigt sich
also, dass es (unbeschadet der Etymologie) grundsätzlich im Deutschen und
Slowenischen jeweils eigene Bezeichnungen (verschiedene Namen) für ein und
dieselbe Ortschaft gibt:
(deutsch) Feldkirchen (slowenisch) Trg
Ferlach Borovlje
Friesach Breže
Villach Beljak
In gemischtsprachigen Gebieten (inkl. der nächsten Umgebung) verhält es
sich grundsätzlich so, dass es für jeden Namen zwei Formen gibt, die sich
unerheblich voneinander (z.B. deutsch Globasnitz
vs. slowenisch Globasnica) unterscheiden
können bis hin zum Gebrauch zweier grundverschiedener Wörter, die auch
semantisch nicht miteinander übereinstimmen (z.B. deutsch Feldkirchen vs. slowenisch Trg,
letzteres bedeutet ‘Markt’). Sonst gibt es meist nur für allgemein bekannte
Namen zwei Formen (z.B. deutsch Wien,
Laibach vs. slowenisch Dunaj, Ljubljana), während die übrigen Namen in ihrer Originallautung (und
-schreibung), allerdings phonetisch angepasst, übernommen werden.
Dass zwischen I
und II keine oder nur eine sehr oberflächliche Beziehung herzustellen ist,
zeigen z.B. auch folgende beide Namen:
deutsch Tauern slowenisch
Tur(j)e
Der Name der Tauern ist ein altes Substratwort (*taur- ‘Berg’ > ‘Bergpass,
Übergang’), das teils direkt, teils durch slawische Vermittlung ins Deutsche
gelangt ist. Der Ossiacher Tauern heißt
auf Slowenisch Osojske Ture, volkstümlich
einfach Turje, so heißt slowenisch
auch der Turia-Wald (südlich vom Keutschacher See), es lassen sich also beide
Namensformen nur bedingt gleichsetzen. Auf den ersten Blick scheint zwischen Völkermarkt und Velikovec ein engerer Zusammenhang zu bestehen, bei näherer
Betrachtung besteht ein nur sehr entfernter. Zunächst: einem deutschen /f/ in
Namen slawischer Herkunft entspricht im Slowenischen /b/ (vgl. slowenisch Bistrica, Bela, deutsch
Feistritz, Vellach), und
tatsächlich, die slowenische mundartliche Form lautet Bolikovec (genauer [bəlqówc bzw.
bləqówc]), nicht (wie in der
Hochsprache) Velikôvec.
In diesem Zusammenhang ist das Begriffspaar
„hochsprachlich“ und „volkstümlich (mundartlich)“ verwendet worden. Während bei
den deutschen Ortsnamen im allgemeinen ein stillschweigender Kompromiss
zwischen deren volkstümlicher (auf der lokalen Mundart beruhenden) und
hochdeutscher (schriftsprachlichen) Lautung vorliegt, der in der langen
Tradition der Verwendung des Deutschen als Amtssprache begründet ist, gibt es
im Slowenischen sehr oft voneinander erheblich abweichende hochsprachliche und
volkstümliche Namenformen. Erst im Zuge der Begründung eines slowenischen
Schrifttums sind viele Toponyme verschriftsprachlicht worden, wobei es oft auch
Missgriffe gegeben hat, wie z.B. beim Ortsnamen Krnski grad ‘Karnburg’: die volkstümliche slowenische Form lautet Karempurg, die ein älteres deutsch Chaerenpurch (1201) reflektiert; richtig
wäre slowenisch Koroški Grad (so bei
Jarnik), das wäre ‘Kärntenburg’ wie auch das Chaerenburg zugrundeliegende *Charanta(purch),
lateinisch civitas Charantana (9./10.
Jhdt.). Mag es auch verständlich sein, Ortsnamen im historischen slowenischen
Siedlungsgebiet mit einer hochsprachlichen Etikette versehen zu wollen, sind
künstliche Slowenisierungen abzulehnen (z.B. Sovodnje ‘Gmünd’ [neben Gmint]). Doch es gibt auch künstliche Germanisierungen von Namen
slawischer/slowenischer Herkunft, so ersetzte man beispielsweise den Bergnamen Gerloutz, Harlouz (slowenisch Grlovec) in den ersten Dezennien des 20. Jhdts. durch die Bezeichnung Ferlacher Horn oder der Koziak / Kozjak bekam einen zweiten Namen, Geißberg; auch Frauenkogel
(statt Baba) bzw. Hochobir (statt älterem Oisterz, slowenisch Ojstrc) sind Neuschöpfungen. Oft koexistierten zwei Namen, sodass
scheinbare Verdeutschungen und Slowenisierungen vorliegen wie Villacher Alpe neben Dobratsch (im Slowenischen Dobrač neben Beljaščica von Beljak
‘Villach’) oder Deutscher Berg (übersetzt aus slowenisch Nemška gora, das auf einem missverstandenen Meniška gora ‘Mönchsberg’
beruht) neben Vertatscha / Vrtača; eine scheinbare
Slowenisierung ist z.B. Slovenji Šmihel ‘St. Michael ob der Gurk’ (früher Windisch St. Michael, in Ortsnamen mit deutsch Windisch steht im Slowenischen immer Slovenji, auch Slovenski).
Einen Kärntner „Tolomei“ hat es jedoch nie gegeben, weder bei den Deutschen
noch bei den Slowenen. Im großen Stil hat es in Kärnten (und Österreich) keine
Umbenennungen gegeben, meist scheint es eher der Klang eines Namens gewesen zu
sein, der eine Umbenennung wünschenswert erscheinen ließ, ein Keutschacher See oder Turnersee klingen eben besser als ein Plaschischen- oder Sablatnigsee (so die alten Namen). Auch unter einem Vellacher Hochtal kann sich der Tourist mehr vorstellen als unter der
Bezeichnung Vellacher Kotschna — hier könnte die
Namenforschung eingreifen, indem sie darauf hinweist, dass mit Kotschna / Kočna ein bestimmtes (rotbraunes) Gestein bezeichnet wird und
diese letztlich aus dem Romanischen ins Slowenische gelangte Bezeichnung v.a.
in den Karawanken und Steiner Alpen verbreitet ist.
Ausschließlich touristische Bedürfnisse dürften
bei den Umbenennungen von Nassfeld
(Salzburg) in Sportgastein und Wurtenkees in Mölltaler Gletscher eine
Rolle gespielt haben, im ersteren Fall, um nicht mit dem Kärntner Nassfeld, dem Schigebiet in den
Karnischen Alpen, verwechselt zu werden, im anderen Fall, um einen durch
heftige Diskussionen belasteten Namen zu vermeiden, indem man dem bestreffenden
Objekt einen neuen Namen gab — namenkundlich bedenklich, denn die Bezeichnung Mölltaler Gletscher passt nicht so recht in die Kärntner Namenlandschaft, das
„hochdeutsche“ Wort Gletscher kommt
in volkssprachigen Namen des bairischen Österreich gar nicht vor: in Nord- und
Südtirol heißt es Ferner, in
Osttirol, Salzburg und Kärnten Kees
und bevor man im Dachsteingebiet Bezeichnungen wie Hallstätter- oder Gosaugletscher
einführte, hießen sie Eisfeld (wie
z.B. das heute kaum noch bestehende Karls-Eisfeld, der untere Teil des Hallstätter Gletschers).
Der Artikel 7 (Absatz 3) des Staatsvertrages
schreibt zwingend zweisprachige „Bezeichnungen und Aufschriften topographischer
Natur“ in den Gebieten Kärntens mit slowenischer und/oder gemischter
Bevölkerung vor. Dies zu verwirklichen scheiterte im Jahre 1972 am sogenannten
„Ortstafelsturm“; im Jahre 1977 wurden in beschränktem Umfang in acht Gemeinden
auf Grund des „Volksgruppengesetzes“ zweisprachige Ortstafeln angebracht; eben
dieses Gesetz wurde jetzt vom VfGH „gekippt“. Beide Ortstafelregelungen wurden
hauptsächlich auf Grund der Straßenverkehrsordnung vollzogen [d.h. es sind zweisprachige
Ortstafeln vorgeschrieben, sonstige zweisprachige Aufschriften sind zwar auch
üblich, aber nicht zwingend (daher nicht allzu häufig). Auch die amtlichen
Ortsverzeichnisse enthalten (im Rahmen des Volksgruppengesetzes 1976) beide
Namensformen]. Doch es gibt mehr Toponyme als nur Ortsnamen,
nämlich außer diesen (Namen von Gemeinden und Gemeindeteilen) gibt es
Gewässer-, Flur-, und Bergnamen. Während die Gewässernamen durch die
kartographische Tradition mehr oder weniger fixiert sind, herrscht hinsichtlich
der Flur- und Bergnamen keine befriedigende Namenfestlegung (z.B. sind für die Gerlitzen auch die Varianten Görlitzen und Gerlitze üblich). Für die
Namen der Gemeinden ist die Landesregierung zuständig, für die Namen von
Gemeindeteilen die Gemeinde selbst und für die übrigen Namen das Bundesamt für
Eich- und Vermessungswesen. Vereinheitlicht ist derzeit nur die Schreibung der
Gemeindenamen (z.B. Ebenthal) bei den
Ortsteilen (Gemeindeteilen) existieren oft zwei Schreibungen (z.B. Ebental neben Ebenthal für den namengebenden Ortsteil der Gemeinde Ebenthal).
Bei einer Durchsicht des Kärntner Namengutes könnte man sich jeweils auf eine
Namensform einigen (Ebenthal, Gerlitzen) und im zweisprachigen Landesteil gleichzeitig eine amtliche
slowenische Bezeichnung festlegen (was derzeit nur für einen kleinen Bereich
gilt). Womit das Problem administrativ bewältigt wäre und eine Grundlage für
künftige großzügigere Lösungen geschaffen wäre.
Was das Alter der slowenischen Namen Kärntens
betrifft, ist festzuhalten, dass sie sich auf Grund linguistischer Fakten als
größtenteils sehr alt erweisen, obwohl die meisten von ihnen erst relativ spät
überliefert sind. Immerhin sind sechs slowenische Namen urkundlich vor dem
Jahre 1000 belegt; zwischen 1000 und
1250 sind weitere 39 Namen belegbar. Sie scheinen alle in lateinisch oder
deutsch geschriebenen Urkunden auf. E. Kranzmayer hat eine Reihe von
Anhaltspunkten für die Chronologie der Übernahme von Ortsnamen ins Deutsche
geliefert[dazu
vgl. Pohl 2000-2001 sowie 2000b mit Lit.].
In einem größeren Zusammenhang entspricht die
slawische Sprachform, die den Ortsnamen im Osten und Süden Österreichs
(Osttirol, Kärnten, Steiermark, Salzburg-Lungau, südliches Nieder- [dazu vgl. jetzt G. Holzer, Die Slaven
im Erlaftal. Eine slawische Namenlandschaft in Niederösterreich. Wien 2001] und Oberösterreich) zugrundeliegt, dem „Alpenslawischen“ (Ramovš,
Kronsteiner usw.) bzw. der Sprache der altslowenischen „Freisinger Denkmäler“[dazu vgl. zuletzt Pohl 2002b], wie dies bereits der slowenische Dialektologe und Sprachhistoriker Ramovš
festgestellt hat. Die Varianten in der deutschen Wiedergabe der slawischen
Namen wollte er dialektologisch deuten, mir ist es aber gelungen, diese
Unterschiede chronologisch zu erklären, woraus folgt, dass es im hohen und
späten Mittelalter eine über Kärnten hinausgehende weit verbreitete
Gemischtsprachigkeit gab, was sich auch in alten Lehnwörtern widerspiegelt.
3.
Historische Aspekte
Erst im 19. Jhdt. kam es zur Ausbildung eines slowenischen
Nationalbewusstseins und es entstand der Gedanke, alle slowenischen Länder
verwaltungsmäßig zusammenzufassen, freilich im Rahmen der Monarchie, aber dies
hätte trotzdem eine Teilung des Landes Kärnten bedeutet, der sich selbst auch
führende Kärntner Slowenen widersetzten (z.B. der Abgeordnete zum Kärntner
Landtag Dr. Matthias Rulitz). Somit kam es unter den Kärntner Slowenen gegen
Ende des 19. Jhdts. zur Herausbildung zweier Lager: eines nationalen und eines
deutschfreundlichen. Ersteres stimmte (im Großen und Ganzen) am 10. Oktober für
Jugoslawien, letzteres für Österreich (gemeinsam mit jenen Slowenen, die im
SHS-Königreich ihre nationalen Träume nicht verwirklicht sahen). Beide zusammen
machen die slowenischsprachige Minderheit aus. Die deutschfreundlichen bzw.
österreichbewussten Slowenen wurden schon vor dem 1. Weltkrieg „Windische“
genannt und nannten sich z.T. auch selbst so; zu einem Politikum wurden die
„Windischen“ seit den Zwanziger Jahren. Sie sind aber eindeutig (rein
sprachlich gesehen) Slowenen („Sprachslowenen“), bekennen sich aber nicht
ausdrücklich zum slowenischen Volkstum, v.a. politisch nicht. Die Mundarten
dieser beiden Gruppen unterscheiden sich nicht voneinander; Unterschiede zwischen
beiden Gruppen ergeben sich nur durch die Kenntnis der slowenischen
Schriftsprache, die jenen Personen fehlt, die Schulunterricht nur auf deutsch
erhalten haben. Doch die Möglichkeit, slowenischen Schulunterricht zu erhalten,
ist gesetzlich gewährleistet; darüber hinaus gibt es ein Slowenisches
Gymnasium, eine Handelsakademie und die Studienrichtung „Slowenisch“ an der
Universität Klagenfurt (mit z.T. slowenischsprachigen Lehrveranstaltungen).
Das bisher Gesagte kann man also wie folgt zusammenfassen:
(1) Kärnten hat seine Landeseinheit
wie in der Monarchie in der Ersten Republik und auch in der Zweiten Republik
bewahren können;
(2) in Kärnten leben zwei ethnische
Gruppen, aus historisch-ethnographischer Sicht Deutsche und Slowenen, und nur diese beiden (wobei die Zahl der
Sprachslowenen wesentlich höher ist als die der Bekenntnisslowenen [ob man die
Differenz zwischen beiden „Windische“, „Assimilanten“, „deutschfreundliche bzw.
kärntentreue Slowenen“ usw. nennt, ändert nichts an den Tatsachen]; es gibt
also eine Art Übergangsgruppe, die sogenannten Kärntner „Windischen“, sie
stellen aber kein eigenes [drittes]
Volkstum dar [Kloss
1969:65 spricht von „Nationalslowenen“ (= nationale Minderheit) und
„Windischen“ (= sprachliche Minderheit), vgl. auch ebda. 223f. — Diese
„Übergangsgruppe“ besteht aus jenen Einzelpersonen, die such im status assimilationis befinden und sich
ethnisch nicht als Slowenen bezeichnen, unbeschadet ihrer Herkunft,
Muttersprache u.dgl.; die ethnische Zugehörigkeit zu einer bestimmten
Volksgruppe ergibt sich aus dem (von der Muttersprache unabhängigen) subjektiven
Bekenntnis einer Einzelperson (und kann nicht „objektive“ Entscheidung von
Behörden, Experten u.dgl. sein). Dazu s. jetzt Pohl 2002a],
s.u.);
(3) das slowenische Element ist Teil
der Kärntner Identität;
(4) Kärnten ist heute noch immer,
trotz des relativ geringen Prozentsatzes von slowenischen Mitbürgern,
zweisprachig, denn das slowenische Element ist konstitutiv für
Sprachlandschaft, Dialektologie und Namengebung.
Überhaupt ist festzustellen, dass „Völker“ und
Volksgruppen, auch die Einwohner eines Landes in seiner Gesamtheit, keine
biologisch entstandenen Abstammungsgemeinschaften sind, sondern Produkte von
natürlich entstandenen und/oder machtpolitisch organisierten Lebensräumen.
Daher war früher (bis ins 19. Jhdt.) die Sprache dem Landesbewusstsein und der
Religion nachgeordnet; es ist kein Zufall, dass sich das alte Herzogtum Kärnten
einst selbstbewusst „Windisches Erzherzogtum“ genannt hat [vgl. Fräss-Ehrfeld 1994:295ff.] wie auch bei der Zeremonie der Herzogseinsetzung beim Fürstenstein auf dem
Zollfeld immer die „windische“ (d.i. slowenische) Sprache präsent war. Hat man
die historisch bedingte Verwobenheit beider Volksgruppen unseres Bundeslandes
vor Augen, stellt sich mit Recht die Frage, was „national“, also „deutsch“ oder
„slowenisch“ zu sein, heute noch für eine Bedeutung hat. Ein (natürliches)
Nationalbewusstsein sollte kein biologisch zu begründendes Bekenntnis nach der
„Abstammung“ (oder dem „Blut“), sondern ein offenes, nach seinen
historisch-kulturellen Wurzeln gerichtetes sein. „Deutsch“ oder „Slowenisch“
sind wir nach der Sprache, allerdings ist heute das Konzept der Kulturnation — als Definition der Nation
von der Sprache her (daher auch genauer: Sprachnation)
— überholt, wenn auch die Sprachgemeinschaft nach wie vor ein mächtiger
Bezugspunkt ist und unter günstigen Bedingungen den Rahmen des
Nationalbewusstseins zu liefern in der Lage ist und in der Folge konstitutiv
für die Gründung eines Nationalstaates werden kann, wie wir es in letzter Zeit
mehrmals wieder erlebt haben (wie z.B. Slowenien). Doch weder das Österreich
des Jahres 1918 noch das des Jahres 1945 war ein „Nationalstaat“, entscheidend
war in der Hauptsache — neben den zeitbedingten Rahmenbedingungen — die
eigenstaatliche Tradition, daher kann es für Österreich nur eine
Doppelindentität geben, eine von der Eigenstaatlichkeit geprägte und durch das
Landesbewusstsein ergänzte österreichische
und eine durch Geschichte und
Sprache ererbte deutsche Identität
bzw. bei unseren slowenischen Mitbürgern eine slowenische Identität, die sich beide in größeren
historisch-kulturellen Zusammenhängen verflechten, rückblickend im Rahmen des
alten Reiches und der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, zukunftsweisend im
zusammenwachsenden Europa dazu vgl. Pohl 1999b:71-82 (mit Lit. und vielen weiteren Hinweisen)].
4. Ideologische Aspekte
Das Slowenische war also — wie
das Deutsche — immer schon in Teilen Kärntens heimisch, ist es daher eine der
beiden „Landessprachen“? Der Begriff „Landessprache“ ist kein Rechtsbegriff,
sondern die Bezeichnung für die „Sprache, die von [dem überwiegenden Teil] der
Bevölkerung gesprochen wird“ (so DUDEN — Deutsches Universalwörterbuch). So
gesehen ist auf den ersten Blick Deutsch die Landessprache in Kärnten. In den
österreichischen Gesetzen, die den amtlichen Gebrauch von Sprache regeln, wird
immer der Begriff „Amtssprache“ verwendet. Grundsätzlich ist Deutsch in der
gesamten Republik Österreich Amtssprache, wird also in der Verwaltung, im
Schulwesen, bei Gericht, beim Bundesheer, im öffentlichen Verkehr usw.
verwendet.
Aus dem Artikel 7 des
Staatsvertrages
[BGBl. Nr. 152 / 1955] und dem sogenannten Volksgruppengesetz [BGBl. Nr. 396 / 1976] geht hervor, dass in den Verwaltungs- und Gerichtsbezirken Kärntens mit
slowenischer und gemischter Bevölkerung das Slowenische zusätzlich zum
Deutschen als Amtssprache zugelassen ist. Darüber hinaus ist das Slowenische
auch im Schulwesen präsent (zweisprachiger Unterricht in der Volksschule, slowenisches
Gymnasium usw.) und rund hundert Ortschaften führen je einen deutschen und slowenischen amtlichen Namen. Daraus folgt, dass dem Slowenischen in Kärnten der
Charakter einer zweiten offiziellen Sprache — als zusätzliche Amts- und
Unterrichtssprache neben dem Deutschen — zukommt, wenn dies auch nur für einen
(relativ großen) Teil des Bundeslandes zutrifft. Wenn man nun Deutsch als
„Landessprache“ bezeichnet, wird es zur „ersten Landessprache“, das Slowenische
folglich zur „zweiten Landessprache“. Diese beiden Bezeichnungen sind — wie
eingangs erwähnt — keine Rechtstermini, sie treffen aber aus
sprachwissenschaftlicher Sicht zu, zumal die Kärntner Sprachlandschaft in ihrer
Gesamtheit deutsch und slowenisch geprägt ist, was übrigens auch für andere Bundesländer
bzw. Teile von diesen zutrifft, ohne dass es dort heute noch einen
slowenischsprechenden bzw. gemischtsprachigen Bevölkerungsanteil gibt.
Ich selbst bin kein Jurist und
maße mir keine juristische Schulmeisterei an, sondern möchte auf die Existenz
eines Buches, das Minderheitenfragen aus europäischer Sicht beleuchtet,
hinweisen mit einem Buchtitel, der das Minderheitenrecht in Europa sehr gut
beleuchtet: Heinz Tichy, Die Europäische Charta der Regional- oder
Minderheitensprachen und das österreichische Recht[= Tichy 2000 (ISBN 3-85013-791-0)].
Mit der „Europäischen Charta
der Regional- oder Minderheitensprachen“ verpflichteten sich die europäischen
Staaten erstmals, die bunte Sprachenvielfalt zu erhalten und insbesondere die
„kleineren“, weniger verbreiteten Sprachen vor dem Verschwinden zu bewahren.
Das im „Europäischen Sprachenjahr“ 2001 erfolgte Inkrafttreten der Charta für
Österreich macht — über die sechs in Österreich anerkannten Volksgruppen hinaus
— eine intensive Befassung mit dem Vertragswerk erforderlich. Dieses Buch
enthält im ersten Teil nach einem Überblick über den Werdegang und den Stand
der Beitritte zur Charta eine Darstellung ihrer Grundzüge. Im anschließenden
Hauptteil ist dem deutschen und englischen Vertragstext eine ausführliche
Erörterung angeschlossen, die Antworten auf viele, auf den ersten Blick nicht
erkennbare Auslegungsprobleme versucht. Im abschließenden dritten Teil wird die
bestehende österreichische Rechtslage der Charta gegenübergestellt (nach
Bundesländern bzw. Sprachen). Sehr weit geht die Charta allerdings nicht, sie
schützt nur die Namen (also topographischen Bezeichnungen an sich) in den
Sprachen der Minderheiten und verbietet, neue Ortsnamen zu konstruieren [Tichy 2000:122] und fordert deren korrekten Gebrauch ein [Tichy 2000:87] — von
Ortstafeln ist in der Charta keine Rede (das Wort kommt im Register gar nicht
vor, nur „Ortsname“).
Oft stellt man die Kärntner Slowenen in Beziehung zu den
Slowenen in der Rep. Slowenien und bezeichnet diese als „Muttervolk“. Zum
Begriff „Muttervolk“ habe ich auf der Alpen-Adria-Minderheitentagung 1993 in
Bled (Veldes, SLO) festgestellt: „Muttervolk, -land: solche Bezeichnungen sind
keine korrekten Übersetzungen aus dem Slowenischen [slow. matični narod bedeutet etwa ‘Stamm-, Hauptvolk’] bzw. erwecken im Deutschen ganz andere Vorstellungen, [denn] unter Mutterland versteht man ein Land oder
einen Staat im Verhältnis zu seinen Kolonien oder ein Land, in dem etwas seinen
Ursprung hat. Da aber die Slowenen in Kärnten genauso autochthon sind wie in
Krain und der Untersteiermark (und einigen weiteren Gebieten) und nicht etwa
aus den Gebieten des heutigen Slowenien eingewandert sind, erscheinen solche
Bezeichnungen unpassend und wenig geeignet, bei der Mehrheitsbevölkerung das
Verständnis für die Probleme der Minderheit zu fördern“ [nachzulesen in meinem Namenbuch Pohl
2000b:134 sowie im Tagungsband (vgl. Pohl 1994:222)].
Welches „Mutterland“ hätten dann beispielsweise die Lausitzer Sorben oder die
Südtiroler Ladiner? Darüber wurde sachlich diskutiert, z.T. stimmte man mir
slowenischerseits sogar zu.
Ein heikles Problem sind allerdings die großslowenischen
Vorstellungen. Bis zu einem gewissen Grad entsprechen sie den ehemaligen großdeutschen
Vorstellungen, hinter denen aber ein weit stärkere und v.a. politisch
durchschlagkräftigere Macht stand. Eine vollständige Vereinigung aller
slowenischen Länder ist weder 1918/20 noch in den Jahren nach 1945 gelungen.
Sicher will Slowenien heute nicht mehr in den Besitz des Kärntner
gemischtsprachigen Gebietes (und anderer Gebiete) kommen, doch mental
wird aber das im allgemeinen als „Südkärnten“ bezeichnete gemischtsprachige
Gebiet nach wie vor als ein (zumindest teilweise) slowenisches Land gesehen. So
sind in der „Enciklopedija Slovenije / Enzyklopädie Sloweniens“ ziemlich alle
größeren Orte (Süd-) Kärntens und Personen, die von dort stammen oder dort
wirkten (auch wenn sie keine ethnischen Slowenen sind/waren), enthalten, der
„Atlas Slovenije / Atlas Sloweniens“ bezieht ziemlich großzügig Teile von
Kärnten (und Friaul) ins Kartenbild ein, die man mit bestem Willen nicht als
Grenzgebiete bezeichnen kann. Dies ist eben so, mich erregt es nicht [darüber äußerte ich mich
(vermittelnd) unter dem Titel „Zwei Landkarten als Steine des Anstoßes“ in der Kleinen Zeitung (Klagenfurt) vom
28.4.1993 sowie unter „Einige Bemerkungen zu zwei slowenischen Kartenwerken“ in
Die Kärntner Landsmannschaft 1993/7,
7-8]. Aber bei nationalpolitisch empfindlichen bzw. weniger
gebildeten Personen ruft dies eben die so oft belächelte „Kärntner Urangst“
hervor. Dies sollte hier in aller Ruhe einmal ausgesprochen werden, ich bin
durchaus slowenenfreundlich eingestellt, aber es aber doch seltsam, dass ein
amtliches Kartenwerk, das der (amtlichen) „Österreich-Karte 1:50.000“
entspricht, insgesamt 9 rein österreichische, 2 rein italienische (und
bemerkenswerter Weise keine ungarischen und kroatischen) Kartenblätter
aufweist, wo nicht ein Quadratmillimeter slowenischen Staatsgebietes enthalten
ist. Die Grenzgebiete mit zweisprachiger Bezeichnung sind in Ordnung (auch auf
der Österreich-Karte ist dies so, allerdings werden außerhalb Österreichs
liegende geographische Objekte nur in eingeschränktem Umfang auch deutsch
beschriftet), doch ein zweisprachiges Kartenblatt „Hermagor“ verwundert, nicht
wegen der slowenischen Bezeichnungen, die gab’s ja schon in der Monarchie,
sondern wegen der Entfernung zur slowenischen Staatsgrenze. Zur Enzyklopädie[dazu kritisch A. Ogris in Carinthia I 183 (1993) bes. 758ff.]: Einträge z.B.
slowenischer Politiker, Abgeordneter, Führungspersönlichkeiten, Wissenschaftler
aus Kärnten, auch Objekte gemeinsamer Geschichte und Kultur wie der
„Fürstenstein“, Orte des traditionell gemischtsprachigen Gebietes wie Globasnitz
/ Globasnica oder Zell / Sele sind in Ordnung und kaum ernsthaft in Frage zu
stellen, darüber hinaus für viele Personen ehrenvoll (wie u.a. auch für
mich), aber was haben (u.a.) Friesach,
Villach, Krumpendorf und das Lavanttal für einen Bezug auf das heutige
Slowenien? Da könnte ja das „Österreich-Lexikon“ auch Laibach, Prag und
Czernowitz aufnehmen... Um deutlicher zu werden: viele Österreicher (auch
namhafte und wissenschaftlich angesehene!) ärgern sich über die „Vereinnahmung“
durch Deutschland, wenn Österreicher als „Deutsche“ geführt werden. Wenn
österreichische Kunst, Literatur der deutschen zugeschlagen wird, die
österreichische Geschichte bis 1945 eine der deutschen „angeschlossene“ ist
usw. [dazu vgl. Pohl 1999b:77f. mit Lit.]. Es ist freilich hier sehr schwer einen Trennstrich zu ziehen: bis wann
oder in welchem Umfang ist Österreich deutsch oder nicht-deutsch? Für mich ist
dies kein Problem (auch die genannten slowenischen Nachschlagewerke nicht [ich
benütze sie oft und gern]). Aber mir ist nicht bekannt, dass auf amtlichen
bundesdeutschen Karten und Atlanten außer Grenzregionen österreichisches Gebiet
enthalten wäre (zumindest auf meiner CD-ROM-Ausgabe nicht), also, um eine
Analogie herzustellen: „Ried im Innkreis“ gleichbehandelt wie „Hermagor“. Der
Aufschrei von österreichischen „Patrioten“ wäre groß! Mich würde das nicht
sonderlich stören, wie mich auch „Hermagor“ nicht stört. Logisch begründbar
wäre es aber nicht.
Ein anderes heikles Problem ist das Verhältnis zwischen
Wien und Kärnten. Auf den Punkt gebracht: in Wien will man nicht „deutsch“
sein, in Kärnten nicht „slowenisch“ — beides ist historisch gesehen
problematisch. Wien sieht sich als alte Hauptstadt des habsburgischen
Vielvölkerstaates und demnach als „Schmelztiegel“, was bis einem gewissen Grad
seine Berechtigung hat, aber so keineswegs auf ganz Österreich zu übertragen
ist. Kärnten sieht sich als jenes österreichisches Bundesland mit der längsten
staatsrechtlichen Tradition, „deutsches Herzogtum“ seit 976, als die Keimzelle
von Österreich noch eine kleine Markgrafschaft war. Doch das aus dem
Ostfränkischen Reich hervorgegangene Deutsche Königreich des Mittelalters war
ethnographisch nicht einheitlich, große Gebiete waren slawisch bzw. romanisch,
und von einer deutschen (oder gar „österreichischen“) Nation kann man zu dieser
Zeit nicht sprechen. Während in anderen Bundesländern wie Salzburg oder Tirol
das „Deutsch- oder Nicht-Deutschsein“ kein Thema ist, erscheint es in Kärnten
als ein wesentlicher Bestandteil der Identität, denn „Österreicher“ sind beide,
Deutschkärntner wie Kärntner Slowenen. Folglich wird von Wien aus, wo man sich
so gar nicht „deutsch“ fühlt, den Deutschkärntnern ungebrochener
„Deutschnationalismus“ zugeschrieben und ihnen viel weniger Verständnis entgegengebracht
als den Kärntner Slowenen, die als der schwächere Partner gesehen werden, der
besonders zu fördern und zu unterstützen ist. Auch diese Sichtweise hat ihre
Berechtigung, aber eben auch nur bis zu einem gewissen Grad.
Die Wissenschaft sollte dies alles zur Kenntnis nehmen
und sich nicht als Richter oder Anwalt aufspielen. Viele einschlägige
wissenschaftliche Publikationen sind eher als politisch-ideologische Anklage
angelegt und ganz bewusst auf Provokation ausgerichtet. Was vielen Autoren ja
auch gelingt [vgl.
u.a. meinen Artikel Pohl 1995:27ff.]. Doch die Vertreter von Wissenschaft und Forschung auf
diesem heiklen Gebiet seien auf die Worte des Wiener Soziologen Roland GIRTLER
hingewiesen, er hat in seinen „10 Geboten
der Feldforschung“ [in Sozialwissenschaften und
Berufspraxis 19 (1996) 378f.] festgestellt, dass es einem nicht zustehe, erzieherisch
auf die vermeintlich Irrenden einzuwirken, schließlich man sei kein Richter,
sondern lediglich Zeuge bzw. Beobachter (hier sinngemäß wiedergegeben). Leider
läuft auch der Dialog zwischen Mehrheit und Minderheit, zwischen Wien und
Kärnten, nicht immer so wie es sein sollte oder könnte. Doch sollte man gewisse
bestehende Empfindlichkeiten gegenseitig tolerieren und einander nicht immer
gebetsmühlenartig vorhalten sowie das Gemeinsame vor das Trennende stellen.
Schließlich hat man immer friedlich zusammengelebt, wenn es die politische
Großwetterlage erlaubt hat.
5. Ausblick
Die Vorgeschichte des VfGH-Urteils ist bekannt; sie passt
ins österreichische Kuriositätenkabinett. Doch war das „Volksgruppengesetz
1976“ nicht auch kurios? Wieso konnte ein mit der Verfassung nicht vereinbares
Gesetz (in der von Prozentsätzen keine Rede ist) überhaupt — sage und schreibe
— über 25 Jahre in Kraft sein, ohne dass dies nicht schon früher staats- und
verfassungsrechtlich versierten Entscheidungsträgern aufgefallen wäre? Warum
stehen nicht einmal die rund 90 nach dem (in dieser Hinsicht) restriktiven
Volksgruppengesetz vorgesehenen Ortstafeln zur Gänze? (es stehen derzeit nur
rund 2/3 davon). Egal, wie man persönlich dem Problem gegenübersteht, das
Urteil des VfGH hat gezeigt, dass Handlungsbedarf besteht und eine
rechtskonforme Lösung herbeigeführt werden muss. Sie sollte darüber hinaus
keine volkstumspolitische, sondern ein kulturpolitische sein, die das
Ortsnamengut slowenischer bzw. alpenslawischer Herkunft in Österreich ganz
allgemein ins öffentliche Bewusstsein bringt.
Zu diesem Zweck könnte ich mir neben den zahlreichen
Naturlehrpfaden, Kulturwanderwegen und Eisen- oder Barockstraßen auch ein
vergleichbares allgemeinbildendes namenkundliches Objekt vorstellen [Dies habe ich auch in meinem
Vortrag Namen und Tourismus auf dem
Symposion „Weiße Berge, blaue Seen & eine Rose“ — 100 Jahre Tourismus in
Kärnten (27./28. Juni 2002,
veranstaltet vom Geschichtsverein für
Kärnten, Tagungsband im Druck) vorgeschlagen.]. Als ich im Jahre 1986 in Kals
am Großglockner zusammen mit meinem deutsch-amerikanischen Kollegen Karl
Odwarka (unter Mitwirkung des unlängst viel zu früh verstorbenen Willi
Mayerthaler) die „Kalser Namenkundlichen Symposien“ gründete — heuer [2002]
hatten wir das 17. —, war nicht absehbar, was für ein Erfolg dies werde. Die
Symposien sind in der Osttiroler Gemeinde so etwas wie ein Wirtschaftsfaktor
geworden: mehr als 50 Gäste kommen alljährlich in der Vorsaison für
durchschnittlich 3 Tage, dazu Studenten für in Kals stattfindende Exkursionen.
Unter großem Interesse und mit Beteiligung der Bevölkerung haben wir in den
ersten Jahren das gesamte Kalser Tal namenkundlich erhoben — Siedlungs-, Berg-,
Flur-, Gewässer- und Hofnamen — und in rund 1200 Stichworten in der von mir
herausgegeben Österreichischen
Namenforschung publiziert. Jetzt bereiten wir ein Gesamtregister vor, ein
kleiner namenkundlicher Führer [ = Pohl 2001] durch Kals ist im
Vorjahr erschienen, den die Gemeinde vorfinanziert hat und der sich gut
verkauft. Die Sommergäste und Wintersportler haben sich schon immer gefragt,
was so exotisch klingende Namen wie Spinnevitról
(Schwundform < romanisch crispēna putreola ‘brüchiger Stein’ — der Berg liegt inmitten riesiger Trümmerhalden) oder Golemizíl ‘Mitterberg’ (< collis medialis o.ä.) oder Tschampedél-Alm bzw. Tschempedél (aus romanisch campitellu ‘kleines Feld’ zu campus ‘Feld’) bedeuten. Dazu kommen die
Namenpaare wie Dorf und Fig (< vicus „Dorf“) oder Ködnitz
(< slawisch *kÜtьnica „Winkelbach“) und Glor (<
romanisch angulare „im Winkel“). Das
friedliche Zusammenleben von Deutschen (Baiern), Alpenslawen (Slowenen) und
Ladinern (Romanen) zeigt die Gleichung in drei Sprachen (Hofname) Ranggetiner, Rantschnigg und Rantschner — mit
dem gleichen romanischen Grundwort für „Rodung“ in allen drei Sprachen
gebildeter Hofname. Kals könnte somit ein Vorbild sein, Tourismus und
Namenforschung miteinander zu verknüpfen. Daher könnte ich mir auch einen
namenkundlichen Führer durch Kärnten vorstellen, der die entsprechenden Angaben
liefert und in allgemein verständlicher Form die onomastischen Daten aus ganz
Kärnten bietet, wodurch dem Leser zwanglos vor Augen geführt wird, dass es in
ganz Kärnten deutsches und
slowenisches Namengut gibt, mit einem nicht geringen Anteil älterer (v.a. übers
Romanische vermittelter) Elemente.
Es gibt in Österreich eine ganze Reihe von
Naturlehrpfaden, Kulturwanderwegen und
touristisch benannten Autostraßen, z.B. Karnische
Dolomiten-Straße (entlang der Gail, Kärnten / Tirol), Salzburger Dolomiten-Straße (von Abtenau nach Bischofshofen,
Salzburg) — mit einer großzügigen Auslegung des Begriffes Dolomiten (vgl. auch Lienzer
Dolomiten) —, Steirische Schlösser-Straße (2Î Steiermark), Großglockner
Hochalpen-Straße (Kärnten / Salzburg) mit den Flügeln Gletscherstraße (Kärnten) und Edelweißstraße
(Salzburg) sowie die Niederösterreichische
Barock-Straße. In Bayern fand ich sogar eine Bayerische Ostmarkstraße — unwillkürlich fiel mir die Ostarrichi-Gedenkstätte in Neuhofen an
der Ybbs (Niederösterreich) ein — warum keine Ostarrichi-Straße durchs liebliche Mostviertel? Wo der Name unseres
Staates zum ersten Mal domumentiert wurde. An diesem Ort beging man 1996 das
„Millennium“, das eigentlich ein Namenstag war, aus welchem Anlass auch einige
onomastische und viele historische Arbeiten entstanden sind. Zu den genannten
Straßen gesellen sich in der Steiermark zwei Weinstraßen, die Sausaler Weinstraße und die Schilcher-Weinstraße sowie anderswo einige lokale
Straßen wie die Villacher (Kärnten)
und Gasteiner Alpenstraße (Salzburg).
Zurück zu den Naturlehrpfaden und Kulturwanderwegen. Ich
könnte mir also vorstellen — und schlage es der Politik vor —, dass man auf
solchen Wegen zusätzlich zu den biologischen und historischen auch
namenkundliche Informationen bietet. Das Interesse an solchen Dingen ist
nämlich bei der Bevölkerung weit größer
als man denkt, wie dies Anfragen immer wieder beweisenIch bekomme viele Anfragen zu
Namen, auch Familiennamen, habe es aber nie erlebt, dass sich jemand ob der
slawischen / slowenischen Herkunft seines Namens entrüstet hätte. Manche
entrüsten sich unwissend vielmehr wegen ihrer Meinung nach nicht notwendiger
zweisprachiger Ortstafeln und nicht deswegen, dass der entsprechende Name ein
slowenisches Etymon oder eine slowenische Bezeichnung hat!]. Um ein Beispiel zu bringen: der Plöschenberg
bei Klagenfurt, wo sich ein schöner und anschaulich gestalteter Naturlehrpfad
befindet [Hier habe ich Herrn Dr. Helmut
Zwander vom Naturwissenschaftlichen Verein für Kärnten zu danken, mit dem ich
auch durch die Mitarbeit am Buch Der
Klagenfurter Wochenmarkt auf dem Benediktinerplatz (Klagenfurt 2000 [= Pohl
2000a]) verbunden bin — übrigens ist ein Besuch dieses Marktes touristisch
empfehlenswert, mit seinem reichhaltigen bodenständigen Angebot (auch zum
Kosten, sowohl Speisen [Käsnudeln, Schlickkrapferln, Reindling, Speck usw.] als
auch Getränke [Met, Most, Frucht- und Gemüsesäfte frisch gepresst usw.]). — Der
Naturlehrpfad wird beschrieben in: Helmut ZWANDER - Friedrich Hans UCIK, Naturlehrpfad Plöschenberg — Zwergohreule,
Carinthia II 189./109. Jg., Klagenfurt 1999, S. 161-200]. Dieser Pfad ist von Norden her
auf einem Wanderweg von Viktring-Opferholz zu Fuß oder von Köttmannsdorf im
Süden mit einem Fahrzeug erreichbar; namenkundlich findet sich hier alles, was
Kärnten auch sonst zu bieten hat, der Name Plöschenberg
selbst beruht auf slowenisch pleš
oder pleša „kahle (baumlose) Stelle“,
was auch auf Rodung hinweisen kann. In den Süden blickt man ins Rosental und in die Karawanken — beides vorslawische bzw. vordeutsche Namen, der Name Wurdach (slowenisch Vrdi) konnte bisher nicht geklärt werden. Das Gebiet selbst gehört
zum Höhenzug der Sattnitz, im Norden
liegt das Keutschacher Seental. Der
Name der Gemeinde Köttmannsdorf ist ein deutsch-slowenischer Mischname, Keutschach selbst ist wie Mostitz, Dobein und Dobeinitz slowenischen
Ursprungs, Höflein, Seebach und Opferholz sind wiederum deutsch; alle Objekte haben zwei Namen, je
einen in der deutschen und slowenischen Sprache, so heißt das ganze Gebiet auf
slowenisch Plešivec — ein mehrmals
vorkommender Bergname, den man auch „Kahlenberg“ übersetzen könnte. So zeigt
sich zwanglos das Ineinanderfließen zweier Sprachgemeinschaften. Die
entsprechenden Informationen könnten zusätzlich auf einigen der Info-Tafeln
gegeben werden, v.a. auf den Übersichten und Aussichtspunkten. Die
naturkundlichen Erläuterungen sollten dem Charakter des Lehrpfades entsprechend
freilich im Mittelpunkt bleiben.
Literatur
Vorbemerkung: Angaben
zu den namenkundlich-linguistischen Details finden Sie in meinen Arbeiten Pohl
2000b u. 2002b.
FRÄSS-EHRFELD 1994: C.F.-E., Geschichte Kärntens, Bd. II. Klagenfurt
KLOSS 1969: H.K., Grundfragen der Ethnopolitik im 20. Jahrhundert. Wien –
Stuttgart
POHL 1994: H.D.P., Zur Situation der Kärntner Slowenen aus
sprachwissenschaftlicher Sicht. Symposion „Manjšine v prostoru Alpe-Jadran.
Minderheiten im Alpen-Adria-Raum“ (Bled, 21.-22.10.1993), Ljubljana, 219ff.
POHL 1995: H.D.P., Die Slowenen in Kärnten. Kritische Gedanken zum 75.
Jahrestag der Volksabstimmung in Kärnten v. 10. Oktober 1920. Kärntner Jahrbuch
für Politik 1995, 11ff.
POHL 1999a: H.D.P., Kärntner Speisen (und Verwandtes) diesseits und
jenseits der deutsch-slowenischen Sprachgrenze. In: Erträge der Dialektologie und Lexikographie (Festschrift für Werner
Bauer, Wien) 325-341 [nachgedruckt in: Fidibus. Zeitschrift für Literatur und Literaturwissenschaft
29/2 (2001) 35-52 (Klagenfurt)]
POHL 1999b: H.D.P., Österreichische Identität und österreichisches Deutsch.
Kärntner Jahrbuch für Politik 1999, Klagenfurt, S. 71ff.
POHL 2000a: H.D.P., Die Mundarten auf dem Wochenmarkt. In: Der Klagenfurter
Wochenmarkt, von G.H. Leute — H.D. Pohl — H. Zwander. Klagenfurt, S. 337ff.
POHL 2000b: H.D.P., Kärnten — deutsche und slowenische Namen / Koroška —
nemška in slovenska imena. Wien-Klagenfurt (= Studia Carinthiaca XIX und Österreichische
Namenforschung 28/2000, Heft 2-3).
POHL 2001: H.D.P., Kals am Großglockner. Ein kleiner namenkundlicher
Führer. Kals am Großglockner
POHL 2002a: H.D.P., Die ethnisch-sprachlichen Voraussetzungen der
Volksabstimmung. Die Kärntner Volksabstimmung 1920 und die Geschichtsforschung,
Leistungen, Defizite, Perspektiven, hg. von H. Valentin — S. Haiden — B. Maier.
Klagenfurt, S. 181ff.
POHL 2002b: H.D.P., Siedlungsgeschichte und Überlieferung von Ortsnamen
slowenischer Herkunft in Osttirol und Kärnten (mit Ausblicken aufs übrige
Österreich). Ortsnamen und Siedlungsgeschichte (Symposium Wien 28.-30.9.2000),
hg. v. P. Ernst — I. Hausner — E. Schuster — P. Wiesinger. Heidelberg, S.
177ff.
Tichy 2000: H.T., Die Europäische Charta der
Regional- oder Minderheitensprachen und das österreichische Recht.Verlag
Hermagoras/Mohorjeva, Klagenfurt / Celovec - Ljubljana / Laibach -Wien / Dunaj
2000
ZDOVC 1993: P.Z., Slovenska krajevna imena na avstrijskem Koroškem / Die
slowenischen Ortsnamen in Kärnten. Wien-Klagenfurt
BGBl = Bundesgesetzblatt
KHD = Kärntner
Heimatdienst
VfGH = Verfassungsgerichtshof
vs. =
versus (‘gegenüber’)
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