Sprache und politische Korrektheit
Mein
Vortrag bei der Präsentation des Buches
Maria
Dippelreiter / Michael Dippelreiter (Hg.) Politische Korrektheit: Der lange Weg vom Postulat zur Performanz (2017)
https://www.wieser-verlag.com/buch/politische-korrektheit/,
0. Allgemeines; 1.
Abstammung und Ethnie; 2.
Geografische und ethnografische Namen; 2.1.
Ethnografische Bezeichnungen; 2.2. Geografische
Bezeichnungen; 3. Körperliche und geistige Einschränkungen; 4. Geschlecht; 5. Schlussbemerkungen.
0. Allgemeines
Mit dem Begriff
der „politischen Korrektkeit“ versucht man in der Sprache Diskriminierung und
Herabwürdigung durch die Auswahl entsprechender Ausdrucksweisen zu vermeiden.
Psychologisch schwingt dabei die Vorstellung mit, dass man dadurch zur Lösung
bestehender gesellschaftlicher Probleme und zur Besserung der Lage
benachteiligter Personen(gruppen) beitragen kann. Sprachwissenschaftlich
gesehen ist die „politische Korrektkeit“ eher ein Randthema, die sich hauptsächlich
im Bereich Semantik und Soziolinguistik sowie Sprachpolitik und „feministischer
Linguistik“ bewegt und versucht, normativ auf die Standardsprache einzuwirken,
indem man einerseits bestimmte Ausdrucksweisen als nicht mehr der Norm
zugehörig bezeichnet, andererseits neue Formulierungen als neue Norm kreiert.
Besonders deutlich kommt dies beim „feministischen Sprachgebrauch“ zum
Vorschein (s. 4).
Der Begriff Politische
Korrektheit bzw. das Adjektiv politisch korrekt ist ein aus dem
englischsprachigen, genauer: amerikanischen Raum stammendes Schlagwort,
wo diese Begriffe political correctness bzw. politically correct
lauten, daher abgekürzt PC. Dieses
spielt insbesondere in der sogenannten öffentlichen Meinung
eine Rolle, die ja von Kritikern oft auch veröffentlichte
Meinung genannt wird. In seiner ursprünglichen Bedeutung bezeichnet der
englische Begriff politically correct die Zustimmung zur Idee, dass
Ausdrücke und Handlungen vermieden werden sollten, die Gruppen von Menschen
diffamieren oder beleidigen können, v.a. in Bezug auf Rasse, Geschlecht oder körperliche
Merkmale.
Bald wurde dieser Begriff in den USA
von konservativen Studenten, Akademikern, Journalisten usw. zu einem pejorativ
gebrauchten Kampfbegriff umfunktioniert und damit verwandelte er sich zu einem
Kennzeichen der Ablehnung von Antidiskriminierungsbemühungen. V.a. konservative
Kräfte verwenden ihn seit den 1990er Jahren in Auseinandersetzungen mit ihren
politischen Gegnern. In der Folge wurde er dann auch von nichtkonservativen
Kräften verwendet und wird es auch weiterhin.
Es lassen sich zwei verschiedene
Verwendungen des Begriffs feststellen:
(1) Dieser
Begriff ist einerseits ein praktisches Schlagwort im Zusammenhang mit dem
besonders in Nordamerika und Europa seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert
vorhandenen Bemühen, die Interessen von Minderheiten aller Art stärker zu
vertreten und damit Diskriminierung v.a. im Sprachgebrauch zu vermeiden, wie sie vielfach in
der Vergangenheit üblich war, ohne dass man sich dessen bewusst war. Mit der
Aussage, dass etwas politisch nicht
korrekt oder politisch inkorrekt
sei, soll dahingehend gedeutet und verstanden werden, dass eine Norm verletzt
wurde und solche Äußerungen (oder Handlungen) den allgemeinen moralischen
Normen zuwiderlaufen, wobei auch Tabus gebrochen werden können. Daraus folgt, dass auch
berechtigte Kritik vielfach stark moralisierend gefärbt ist.
(2) Andererseits
wird dieser Begriff aber auch als Freiheitsbeschränkung oder Zensur an
gesellschaftlichen Normen empfunden, sei es, um am Gewohnten festzuhalten, sei
es gegen Übertreibung bei der Vermeidung als negativ empfundener
Ausdrucksweisen. Durch zu viel Rücksichtnahme könne die Freiheit der Äußerung
von Fakten oder Wahrheiten unterdrückt werden. Diese Kritik an vermeintlicher politischer Korrektheit als Kampfbegriff
gegen zu viel Rücksichtnahme bzw. auch gegen einen politischen Gegner ist
ebenfalls als politisches Schlagwort in Verwendung.
Im Deutschen beschreibt politische
Korrektheit einen Sprachgebrauch, der durch eine besondere Sensibilisierung
gegenüber Minderheiten gekennzeichnet ist und sich der Anti-Diskriminierung
verpflichtet fühlt. Zugleich erfuhr der Begriff auch bei uns einen
Bedeutungswandel und wird vielfach als politisches Schlagwort von der eher konservativen bzw.
„rechten“ Seite als „Diffamierungsvokabel“ für das gesamte liberale bzw. „linke“ Spektrum eingesetzt. Daher ist auch bei uns in Österreich der
PC-Begriff eher negativ besetzt. Dies liegt m.M. auch daran, dass man im öffentlichen Diskurs sehr locker mit
Begriffen wie Rechts- und Linksextremismus umgeht, wobei man sich gegenseitig
mit entsprechender Kritik und Diffamierung überhäuft. Doch ich möchte mich hier
in meinem Vortrag eher auf die sprach(wissenschaft)liche Seite beschränken.
Es sind v.a.
vier Bereiche, wo politisch korrekte Ausdrucksweise besonders häufig
eingefordert wird:
1. Benennung
von Angehörigen bestimmter Personengruppen (z.B. Migranten), Ethnien bzw.
„Völker“ oder anthropologischen Typen bzw. „Rassen“ (als Fachausdruck heute
eher gemieden);
2. Verwendung
geografischer und ethnografischer Namen;
2.1. Ethnografische
Bezeichnungen;
2.2. Geografische
Bezeichnungen;
3. Personen
mit körperlicher oder geistiger Behinderung;
4. geschlechtergerechter
Sprachgebrauch (Vermeidung des generischen Maskulinums).
Als Beispiele zu Punkt (1) seien zunächst Personen mit Migrationshintergrund statt Ausländer, Roma statt Zigeuner, Afroamerikaner oder Schwarzafrikaner statt Neger usw. genannt, dazu gehören auch die „Ethnophaulismen“, die abfälligen Bezeichnungen für andere Ethnien, z.B. Tschuschen.
Bezüglich der Benennung von
Angehörigen bestimmter Ethnien („Völker“) und ethnischer Gruppen (Volksgruppen)
werden in letzter Zeit zunehmend Eigenbezeichnungen verwendet und die bisher
üblichen traditionellen Bezeichnungen vermieden. So werden z.B. – von Kanada
ausgehend – die Eskimo jetzt Inuit, vom deutschen Sprachraum
ausgehend die Zigeuner jetzt Roma und Sinti genannt, welche Bezeichnungen aber nur von
einem zwar großen Teil der Angehörigen dieser Ethnien goutiert wird, aber nicht
von allen. Somit reduziert sich der Sprachgebrauch auf eine andere
Ebene, das Ersatzwort ist das fachsprachliche bzw. das „höfliche“, das
ursprüngliche das umgangssprachliche bzw. weniger höfliche und heute meist auch
das abwertende. Dies kann man an Bezeichnungen wie Roma gegenüber Zigeuner
oder Migranten gegenüber Ausländer sehen. Vielfach ist aber die
Tatsache zu beobachten, dass sich „politisch korrekte“ Begriffe abnützen, indem
die Ersatzbegriffe immer mehr die ursprüngliche Bedeutung des Wortes, das sie
ersetzen, annehmen, v.a. in Kombination mit einem bestimmten Tonfall, wie dies
manchmal bei Wörtern wie Migranten
oder Asylanten deutlich wahrnehmbar
ist. Darüber hinaus ändern sie die Realitäten sowie die soziale Wirklichkeit
kaum. So hat in den USA die Terminologie Negro → black people
→ coloured people → Afro-Americans zu keinen wirklich
durchgreifenden Veränderungen geführt und auch zu keiner allgemeinen sozialen
Integration. Oder ist die Lage vieler Personen
mit Migrationshintergrund durch diese Wortwahl wirklich besser geworden?
Heute werden
viele umgangssprachliche und mundartliche Bezeichnungen als abwertend
empfunden. So stammen die meisten „Ethnophaulismen“ aus solchen Sprachschichten
wie eben Tschusch ʻSüdosteuropäerʼ
oder Piefke ʻBundesdeutscherʼ
einerseits, Polák ʻPoleʼ
oder Krawǻt ʻKroateʼ
andererseits. Letztere beide waren ursprünglich neutrale mundartliche
Benennungen, hingegen hatten Tschusch
(in Bosnien während der Okkupation aufgekommen) und Piefke (nach einem aus dem Slawischen stammenden Familiennamen
einer Berliner Witzfigur, zufällig auch Name einiger preußischer
Militärmusiker) immer schon eine negative Konnotation. Während also
Eigenbezeichnungen positiv gewertet werden, ist dies bei Fremdbezeichnungen
nicht so, sie werden oft als abwertend empfunden wie eben Zigeuner statt Roma (amtlich
Roma und Sinti). Sie sind
übrigens die einzigen „echten“ Arier
in Europa und sprechen eine indoarische Sprache, das Romani oder Romanes.
Trotzdem wurden sie Opfer der NS-Vernichtungsmaschinerie. Der Ursprung des
Namens Zigeuner liegt im Dunkeln,
ähnliche Bezeichnungen gibt es auch in anderen Sprachen (griech. tsingani, älter athinganoi, slaw. (russ.) cygan;
auf ʻÄgypterʼ beruht die engl. Bezeichnung gipsy, franz. gitan,
ital. gitano usw.), die
Eigenbezeichnung Roma bedeutet ʻMenschʼ,
doch man bezeichnet sich eher nach dem Namen der Stämme wie Lovara, Sinti, Kalderasch usw.
Umgangssprachlich ist die Bezeichnung Zigeuner
bis heute üblich, auf Speisekarten findet man nach wie vor das Zigeunergulasch oder den Zigeunerspieß, die aus mehreren
Fleischsorten hergestellt werden; andere Speisen mit Zigeuner- werden für besonders scharfe Gerichte verwendet. Auch die
berühmte Operette heißt noch immer der Zigeunerbaron;
wenn auch Roma heute das
fachsprachliche Wort ist – im Alltagssprachbrauch wird nach wie vor Zigeuner verwendet, z.T. auch von ihnen
selbst. Ähnlich ist es bei den Lappen,
die fachsprachlich heute Samen
genannt werden; die Landschaft heißt aber noch immer Lappland. Während der Name Lappe
als ʻGrenzbewohnerʼ gedeutet wird, bedeutet die Eigenbezeichnung ʻSumpfleuteʼ.
Auch Eskimo wurde fachsprachlich
durch Inuit ersetzt, gehört aber
immer noch der Umgangssprache an. Ob diese drei Bezeichnungen (Zigeuner, Lappen und Eskimo) heute
wirklich als „politisch unkorrekt“ zu gelten haben, ist eine rein ideologische
Frage.
2. Geografische und ethnografische Namen
2.1. Es gibt aber Fälle, wo dies zu
bejahen ist. Die Slawen wurden im
nördlichen Deutschen früher als Wenden (so
v.a. früher die Bezeichnung für die Lausitzer Sorben), im Süden Winden
genannt, davon das Adjektiv windisch,
mit dem man dann v.a. das Slowenische bezeichnete. Wenn Slowenen deutsch
schrieben, nannten sie bis ins 19. Jhdt. selbst ihre Sprache so (so z.B.
Gutsmann, der 1789 ein Deutsch-Windisches
Wörterbuch verfasst hat). Die Bezeichnung Slowenisch wurde in Österreich erst nach 1848 endgültig amtlich. In
Kärnten verstand man darunter aber v.a. die Schriftsprache, während die
volkstümliche Mundart weiterhin windisch
hieß. Daher wurden um 1900 die sogenannten „deutschfreundlichen bzw.
heimattreuen“ Slowenen zu den Windischen,
deren Mutter- und Umgangssprache man dann auch Windisch im Gegensatz zur „landfremden“ slowenischen Schriftsprache
nannte, die vielfach als Kunstsprache diffamiert wurde, wobei der Begriff windisch eine politische, aus Sicht der
Slowenen durchaus negative Nebenbedeutung bekam; im Slowenischen wurden diese nemčurji oder nemškutarji genannt (Bedeutung etwa ʻDeutschtümlerʼ).
Zur Zeit des Kärntner Abwehrkampfes (1918-20) waren dann die Windischen die „Kärntentreuen“, die
„eigentlichen“ Slowenen, die bei der Volksabstimmung für den SHS-Staat gestimmt
haben, die Abtrünnigen. Im Abstimmungsgebiet lebten (nach der Volkszählung
1910) 70 % slowenischsprachige und nur 30 % deutschsprachige Personen – trotzdem
haben rund 40 % Slowenischsprachige mit ihrer Stimme zum Erhalt der
Landeseinheit beigetragen. Übrigens haben auch 4-500 Deutschsprachige für
Jugoslawien gestimmt (aus wirtschaftlichen Gründen). In der Folge wurde die
Kluft zwischen „Windischen“ und „Slowenen“ noch größer; der Begriff ist heute
obsolet geworden, obwohl es in Kärnten immer noch eine sich „windische“
bezeichnende Gruppe gibt: Verein der
Kärntner Windischen. In Namen ist Windisch
vielfach erhalten geblieben, man denke an die Windische Höhe in den Gailtaler Alpen, die Windischen Bühel / Slovenske
gorice in der Steiermark oder an Ortsnamen wie Windisch Bleiberg / Slovenji
Plajberk. Ähnlich in Deutschland das Wendland.
– Um eine Wiener Parallele zu nennen: heute ist es obsolet geworden, die
Tschechen Böhmen (mundartlich
[bęm]) und das Land Tschechien Tschechei
zu bezeichnen.
Eine
ebenfalls mit politischer Korrektheit verbundene Frage ist die ethnische
Bezeichnung der deutsch sprechenden Österreicher: sind sie „Deutsche“,
„Österreicher“ oder bloß „Deutschsprachige“? Unumstritten ist die Tatsache,
dass die Österreicher (abgesehen von den ethnischen Minderheiten“) zur
deutschen Sprachgemeinschaft gehören. Doch die Österreicher als „Deutsche“ zu
bezeichnen, gilt heute als politisch inkorrekt. Zwar sind die Österreicher auf
Grund des modernen Nationsbegriffs eine eigene Nation (geworden) und nicht Teil der deutschen Nation;
Anschlussbestrebungen an Deutschland wie vor 100 Jahren gibt es heute kaum
noch. Aber man sollte Nation und Ethnie bzw. sprachliche und ethnische
Gemeinschaften nicht gleichsetzen, denn eine gemeinsame Sprache macht politisch
noch keine Nation. Auch Nationalstaaten sind sprachlich meist nicht
einheitlich, so lässt sich in Deutschland ein nördlicher und südlicher
einerseits und westlicher und östlicher Sprachgebrauch andererseits
unterscheiden, der durch die überwiegend nördlich gefärbte Sprache der
Massenmedien immer mehr ausgeglichen wird und sich zunehmend auch auf
Österreich und die Schweiz auswirkt. Auch das österreichische Deutsch ist keine
absolute Einheit, es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen dem alemannisch
geprägten Vorarlberg, dem südbairisch geprägten Tirol und Kärnten und dem
mittelbairisch geprägten übrigen Bundesgebiet, wozu noch slowenische Einflüsse
v.a. in Kärnten und tschechische v.a. in Wien kommen. Die mundartliche
Gliederung des deutschen Sprachgebiets ist weitgehend von dessen politischer
Aufteilung unabhängig. Bloß die Eigenstaatlichkeit Österreichs hat den Rahmen
dafür geliefert, dass eine österreichische nationale Varietät des (südlich
gefärbten) Deutsch gibt, aber keine österreichische „Sprache“, wenn auch deren
Existenz von manchen Kreisen herbeigewünscht wird, aber die aktuelle
Entwicklung deutet eher auf die Überlagerung unserer (österreichischen)
Verkehrssprache durch den bundesdeutschen Sprachgebrauch hin. Übrigens: Früher
bezeichnete man die deutschsprachigen Bewohner der ehemaligen
Österreichisch-Ungarischen Monarchie „Volksdeutsche“, heute nennt man sie
politisch korrekt „Altösterreicher“ – als ob dies nicht auf alle Angehörigen
der österreichischen Reichshälfte zuträfe …
2.2. Hingegen ist es heute politisch
korrekt geworden, die Namen der in osteuropäischen Ländern liegenden
geografischen Objekte so zu benennen wie dies seinerzeit in der DDR üblich war.
Nach deren Richtlinien durften nur die Hauptstädte der „Bruderländer“ auf
Deutsch genannt werden, für alle anderen Städte war das Endonym, also der
amtliche Name in der Sprache des jeweiligen Landes zu verwenden. Prag statt Praha war also erlaubt, Brünn
statt Brno nicht. Da Bratislava damals noch keine Hauptstadt
war (die Unabhängigkeit der Slowakei trat erst am 1.1.1993 in Kraft) ist dies
wohl mit ein Grund, dass der alte deutsche Name Pressburg heute kaum noch gebraucht wird. Auch die traditionelle
Bezeichnung „indoeuropäisch“ statt „indogermanisch“ war in der DDR die Norm
und sie wird inzwischen auch bei uns immer häufiger in der Fachliteratur
verwendet.
Statt trationeller, oft als abwertend
empfundener Bezeichnungen wie (Körper-)
Behinderte u. dgl. werden heute eher neutrale
Ausdrücke wie Personen mit
eingeschränkter Mobilität benutzt wie ja überhaupt anstatt des Begriffs Behinderte die Form Menschen mit Behinderung bzw. eingeschränkter
Mobilität o.ä. verwendet wird, um die
Reduzierung der Menschen auf ihre Behinderung zu verringern. Neue
Bezeichnungen wirken auf die Sprecher und Hörer eben anders als traditionelle
und umgangssprachliche. Oder man
setzt auf alternative Wendungen, so hieß es in Deutschland früher Lernbehinderte bzw. Lernhilfeschüler, heute Förderschüler.
In Österreich gab es einst die Hilfsschule,
die dann zur Sonderschule wurde; die
alte Mittelschule wurde zur AHS (Allgemeinbildende
Höhere Schule) und kehrt als Neue
Mittelschule wieder, die die traditionelle Hauptschule ablösen soll. Schwer erziehbare Kinder werden heute verhaltensauffällig oder beschönigend verhaltenskreativ bezeichnet. Statt Legasthenie spricht man heute eher von
einer Lese-Rechtschreib-Störung oder Lese-Rechtschreib-Schwäche.
Man ersetzt alte Begriffe durch neue, aber die Probleme in der Pädagogik löst
man so nicht.
Nach Berichten in ORF und Tagespresse soll der Anteil von Schülern nichtdeutscher Muttersprache gewaltig angestiegen sein. Von Seiten der Bildungspolitiker wird zwar gefordert, dass die „Alphabetisierung“ von Schülern nichtdeutscher Muttersprache zuerst in deren Muttersprache erfolgen soll, doch muttersprachlicher Unterricht wird m.W. derzeit in Österreich nur als „Freigegenstand“ oder „unverbindliche Übung“ geführt. Österreichweit besuchen nur rund ein Drittel aller Schüler mit einer anderen Erstsprache als Deutsch in der Volksschule einen muttersprachlichen Unterricht, am meisten in Wien sowie in Kärnten mit seinem traditionellen zweisprachigen Schulwesen. Heute findet man übrigens den Begriff Erstsprache eher politisch korrekt als Muttersprache.
Auch
bezüglich Krankheiten und körperlichen Besonderheiten haben sich einige
Bezeichnungen geändert, wobei ebenfalls politisch-korrekte Überlegungen
mitgespielt haben, wie Bipolare Störung statt manisch-depressiv
oder Übergewicht statt Fettleibigkeit, wobei man beim
Fachausdruck „Adipositas“ fast schon von Verhüllung sprechen kann. Statt Liliputaner oder Zwergwuchs sagt
man heute Kleinwuchs, statt Taubstumme ist heute Gehörlose üblich, deren
Kommunikationsmittel heißt Gebärdensprache,
was ja den Kern der Sache bestens trifft.
Noch weiter als die bisher besprochenen Regelungen gehen Eingriffe auf das gewohnte Schriftbild im Zuge des sogenannten „Genderns“ mit schwerwiegenden Auswirkungen auf die Orthografie und tradionellen Ausdrucksweisen. Obwohl das Gendern in Form von Binnen-I, Schrägstrich, Gender Gap ( ), Sternchen (*), x-Form usw. in der amtlichen deutschen Rechtschreibung keine Berücksichtigung findet, wird im Unterrichtswesen unverdrossen auch seitens vieler Universitäts- und AHS-Lehrer darauf bestanden, v.a. in Österreich – mit tatkräftiger Mitwirkung des Ministeriums. Bei den verordneten „Gender-Leitfäden“ wird man unwillkürlich an George Orwells „Neusprech“ in seinem hervorragenden Buch „1984“ erinnert, daher möchte ich diese Art von Gendern „Neuschreib“ bezeichnen. Außerdem sind solche „gegenderte“ Texte nur mühsam lesbar (und kaum vorlesbar!). Weiters werden Arbeiten, wenn sie nicht gegendert sind, schlechter beurteilt und mitunter auch abgewiesen, wie man dies immer in den Medien lesen und hören kann. Die Verpflichtung zu etwas, was in der amtlichen Rechtschreibung gar nicht vorgesehen ist und den bestehenden (allgemeinen) Normen zuwiderläuft, ist juristisch höchst bedenklich. Dass amtliche und öffentliche Stellen dies mit Steuergeldern fördern und ihre Mitarbeiter dazu verpflichten, stößt – wie Umfragen zeigen – bei über 85 % aller Österreicher und Österreicherinnen auf Ablehnung, auch bei der Mehrheit der Studierenden, wie ich dies selbst beobachten konnte.
Unlängst hat sich die Volksanwaltschaft – bisher erfolglos – dieser Thematik angenommen. In einer „Missstandsfeststellung“ wird darauf hingewiesen, dass das Gendern in den Rechtschreibregeln gar nicht vorgesehen ist und daher auch bei der Benotung keine Rolle spielen darf, doch am Schluss dieser „Missstandsfeststellung“ heißt es lapidar: Das Bundesministerium für Bildung folgte den mit diesen Beanstandungen verbundenen Anregungen der Volksanwaltschaft nicht.
Vielfach wird (sogenannten) „geschlechtsneutralen“ Bezeichnungen wie Lehrende, Studierende usw. der Vorzug gegeben. Mit diesen sind zwar beide Geschlechter gemeint, aber auch auf Plurale wie die Lehrer und die Studenten trifft dies zu, wenn man auch einschränkend behaupten kann, dass die Frauen nur „mitgemeint“ sind, denn man weiß ja, dass Lehrer und Studenten in der Regel nicht nur Männer, sondern auch Frauen sind, was genau so auch auf die „neutralen“ Bezeichnungen Lehrende, Studierende zutrifft. Das Wort „mitgemeint“ ist daher ein manipulativer Kunstgriff der „feministischen Linguistik“, denn Frauen sind inkludiert (mit eingeschlossen) wie auch das generische Maskulinum der Mensch beide Geschlechter einschließt – ebenso das generische Femininum die Geisel bzw. Person und das generische Neutrum das Kind. Bei keinem dieser Wörter kann man von einem „Nur-Mitgemeint-Sein“ sprechen; dies gilt auch für die generisch maskulinen Berufs- und Herkunftsbezeichnungen wie Lehrer und Wiener. Zum vielfach eingeforderten und verordneten „geschlechtsneutralen Formulieren“ ist festzustellen, dass „geschlechtsneutrale“ Bezeichnungen in der deutschen Grammatik gar nicht vorgesehen sind und daher in Widerspruch zur Realität stehen, da sie im Singular ohne Artikel gar nicht verwendet werden können und der Artikel immer vom jeweiligen Genus, also grammatikalischem Geschlecht, abhängig ist. Im Singular ist nur der/die/eine Lehrende/Studierende bzw. ein Lehrender/Studierender möglich, nur im Plural auch Lehrende/Studierende (ohne Artikel) bzw. die Lehrenden /Studierenden (mit Artikel) – wie auch Lehrer und Schüler. Da eben jedes Substantiv im Deutschen einem der drei Geschlechter zuzuordnen ist, kann es keine „geschlechtsneutralen“ geben. dies gilt auch für jene Substantiva, die regional (z.B. der/das Joghurt, der Schranken / die Schranke, der Spitz / die Spitze, das Eck / die Ecke usw.) oder nach der Bedeutung (der/das Schild, der/die See) oder auch aus beiden Gründen (z.B. der/das Gehalt, die/das Erkenntnis) verschiedenen Geschlechts sein können.
Abschließend zur Bezeichnung Landeshauptfrau statt
Landeshauptmännin: Mit dem Rückzug des
niederösterreichischen Landeshauptmanns ist im Zusammenhang mit seiner
Nachfolgerin Johanna Mikl-Leitner wieder das
Wort Landeshauptfrau zu hören, doch nach den Regeln der deutschen Grammatik kann man zu jedem
zusammengesetzten Wort mit -mann die Form -männin bilden – wie in Landsmännin, denn das Wort Landsfrau gibt es offensichtlich bisher
gar nicht. Warum also nicht Landeshauptmännin? Man sagte früher auch Kaufmännin
statt Kauffrau, letzteres ein Begriff, der auch
andere Vorstellungen erwecken könnte.
Viele Sprachen kommen übrigens ohne Genus aus, so u.a. das Englische, das den Unterschied nur beim Pronomen (he/she/it) kennt, oder das Neupersische (Fārsī), das auch beim Pronomen kein Genus aufweist (u = er/sie/es).
Die Kritik an der mit „politischer
Korrektheit“ bezeichneten Sprachpolitik kann man im Wesentlichen in einen primär
sprachkritischen und einen dezidiert sprachpolitischen Zweig unterteilen. So
weist der slowenische Philosoph Slavoj Žižek darauf hin, dass sich politisch korrekte Begriffe
abnützen, da die Ersatzbegriffe mit der Zeit die Bedeutung des Wortes erben,
das sie eigentlich ersetzen sollten, wenn sie nicht mit einer Veränderung der
sozialen Wirklichkeit einhergingen. So könne allein durch eine fortwährende
Neuschöpfung von Ersatzbegriffen wie z.B. im eingangs erwähnten
US-amerikanischen Beispiel Negro → black people →
coloured people → Afro-Americans noch keine durchgreifende Veränderung erzielt werden,
wenn den Worten keine Taten folgen, also tatsächliche soziale Integration. Die rein sprachliche Prägung immer
neuer Begriffe enthülle die Unfähigkeit, die tatsächlichen Ursachen von Rassismus und Sexismus allein durch Sprachpolitik zu
überwinden. Mit ähnlichen Argumenten vertritt der Germanist Armin
Burkhardt die Auffassung, dass
politische Korrektheit auf lange Sicht nicht erfolgreich sein könne, wenn nicht
zugleich die alten Tabus und Vorurteile oder Aberglaube überwunden würden.
„Politische Korrektheit“ hat vielfach
also auch negative Konnotationen, man sollte sie in erster Linie aber neutral
im Sinne eines höflichen Umgangs miteinander in der politischen Auseinandersetzung
sehen, um als Mittel gegenseitiger Achtung zu dienen und zur Begegnung mit
„anderen“ auf Augenhöhe beitragen zu können, indem problematische, oft auch als
beleidigend empfundene Ausdrucksweisen vermieden werden, um den schwierigen Weg
zu Verständigung und Lösungen zu ermöglichen.
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