Heinz-Dieter Pohl
Die Namen im Nationalpark Hohen Tauern
Zu einem neuen Buch und zu zwei
Flurnamensammlungen
Zur Geschichte des Nationalparks Hohe Tauern
Schon zu Zeiten der Österreichisch-Ungarischen
Monarchie wurde über einen „Naturschutzpark“ in den österreichischen
Alpen nachgedacht und bereits 1909 und 1910 wurde von
mehreren Naturschutzorganisationen die Errichtung eines solchen „Naturschutzparks“
im Alpenraum gefordert. Kurz darauf wurde der „Verein Naturschutzpark“
mit dem Ziel ins Leben gerufen, großflächige Naturlandschaften zu
einem Nationalpark zu erklären. Dieser „Verein Naturschutzpark“
begann zunächst Flächen auf der Salzburger Tauernseite zu erwerben,
später erwarb der Oesterreichische Alpenverein etwa 4.000 ha
Grundflächen zu nächst im Glocknergebiet auf Kärntner Seite und
dann weitere 28.000 ha auf der Tiroler Seite der Glockner- und Venedigergruppe.
Bereits 1939 wurde in Lienz und in Spittal ein Entwurf für die Errichtung
eines „Naturschutzgebietes Nationalpark Hohe Tauern“
ausgearbeitet und aufgelegt. In den 1950er und 1960er Jahren wurden die
Initiativen zur Schaffung des Nationalparkes verstärkt fortgeführt
und fanden nun auf einer breiten Basis statt. Weiters wurden im Naturschutzjahr
1970 erstmals gemeinsame Schritte zur Errichtung des Nationalparkes Hohe Tauern
durch die Bundesländer Kärnten, Salzburg und Tirol eingeleitet.
Schließlich kam es am 21.10.1971 zur so
genannten „Dreiländervereinbarung von Heiligenblut“
zwischen den Bundesländern Kärnten, Salzburg und Tirol über die
Errichtung des Nationalparks Hohe Tauern, was durch entsprechende Landesgesetze
1981 (für Kärnten), 1983 (für Salzburg) und 1991 (für
Tirol) dann realisiert worden ist. Davor gab es in Tirol einen Widerstreit
zwischen den Befürwortern von Großkraftwerken und des Nationalparks,
also einen Konflikt zwischen Ökonomie und Ökologie; erst 1987 kam es
bei den Bewohnern der vom Kraftwerksprojekt Dorfertal am stärksten
betroffenen Gemeinde Kals am Großglockner zu einem Umschwung: die
andauernde Diskussion „Nationalpark oder Kraftwerk“ wurde zugunsten
Nationalpark entschieden. Ich selbst war Zeitzeuge dieser Auseinandersetzungen,
da im Jahre 1986 das erste Kalser Namenkundliche
Symposium stattfand.
[Als ich im Jahre 1986 in Kals am Großglockner zusammen mit
meinem deutsch-amerikanischen Kollegen Karl Odwarka († unter Mitwirkung
von Willi Mayerthaler †, Klagenfurt, später stieß Peter
Anreiter, Innsbruck, mit seinen Mitarbeitern dazu) diese „Kalser
Namenkundlichen Symposien“ begründete, war noch nicht absehbar, was
für ein Erfolg dies werde (im Jahre 2015 fand das 30. Symposium statt). Unter großem Interesse
und mit Beteiligung der Bevölkerung haben wir in den ersten Jahren das
gesamte Kalser Tal namenkundlich erhoben – Siedlungs-, Berg-, Flur-,
Gewässer- und Hofnamen – und in rund 1200 Stichworten in der von mir
herausgegeben Österreichischen Namenforschung publiziert. Es ist auch ein
kleiner namenkundlicher Führer über Kals im Jahre 2001 erschienen,
den die Gemeinde vorfinanziert hat und der auf großes Interesse
stößt. – Eine ähnliche Erhebung habe ich mit einer
Arbeitsgruppe (Koordination: Kirsten Melcher) in der Gössnitz (Gemeinde
Heiligenblut) durchgeführt; diese Forschungen fanden unter der Bezeichnung
„Die unsichtbare Geschichte der Landschaft“, Pilotprojekt zur
Flurnamenerhebung der Universität Klagenfurt und der Hauptschule Winklern
im Nationalpark Hohe Tauern, Kärnten (Projektfinanzierung:
Nationalpark Hohe Tauern 2002/2003) statt.]
So konnte ich diese glückliche Wende miterleben.
Dies war gleichsam die Initialzündung, dass ich verstärkt dem
Namengut der Region Hohe Tauern meine Aufmerksamkeit geschenkt habe.
Durch intensive Aufklärungsarbeit über zwei
Jahrzehnte und unter Berücksichtigung der Wünsche der örtlichen
Bevölkerung entstand also eine positive Stimmung für den Nationalpark
Hohe Tauern. In mehreren Verhandlungsrunden mit 1100 Grundbesitzern, Vertretern
der Energiewirtschaft, des Bergbaus und des Tourismus konnte
schließlich das Einvernehmen hergestellt werden. Der Nationalpark Hohe Tauern ist somit der größte
Nationalpark in Österreich und umfasst weite Teile des zentralen
Alpenhauptkammes der Ostalpen Österreichs zwischen den Quellen der Isel,
Möll, Mur und Salzach und erstreckt sich über 100 km von Ost
nach West sowie über 40 km von Nord nach Süd auf einer
Fläche von über 1800 km² in den österreichischen
Bundesländern Salzburg (805 km²), Tirol (611 km²) und
Kärnten (420 km²). In ihm liegen 304 Berge über
3000 m und 246 Gletscher. Darüber hinaus hat der Nationalpark
Hohe Tauern zahlreiche populäre und wissenschaftliche Publikationen
herausgebracht, zur Landschaft, zur Flora und Fauna, zur Almwirtschaft u.a.
mehr, zuletzt in Zusammenarbeit mit dem OeAV auch ein Namenbuch.
Zum Buch „Die
Bergnamen der Hohen Tauern“
[Heinz-Dieter Pohl, Die Bergnamen der
Hohen Tauern (= OeAV-Dokumente Nr. 6), Innsbruck 2009, 123 S., 2.
(aktualisierte und erweiterte) Auflage 2011, 136 S., hg. vom Nationalpark
Hohe Tauern und dem Oesterreichischen Alpenverein.
Erhältlich ist das Buch in den Verkaufsstellen des Nationalparks Hohe
Tauern Kärnten und im Online-Shop des Nationalparks Hohe Tauern unter www.hohetauern.at/shop
(Preis € 9,90) > Bücher bzw. http://www.hohetauern.at/de/shop/buecher/die-bergnamen-der-hohen-tauern-detail.html,
für OeAV-Mitglieder (Preis € 7,90), zu bestellen unter http://www.alpenverein.at/shop/shop/index.php?kategorie=2005005&produktgruppe=12200.
Dieses Buch ist ein
namenkundlicher Führer durch den Nationalpark und versucht neben dem Interesse an der Natur und
ihren Schönheiten auch das
Interesse am Lebensraum Hochgebirge zu erwecken, indem das Namengut der Hohen Tauern ältere Lebens- und Wirtschaftsformen
widerspiegelt und damit auch die sprachliche Vielfalt ihrer Geschichte auf
Ebene der Toponymie, zu der alle Sprachen, die jemals in diesem Raum gesprochen
wurden (deren Namen wir nicht immer genau kennen – daher die Bezeichnung „voreinzelsprachlich“),
beigetragen haben. Im heutigen bodenständigen Sprachgut bzw. in den
Mundarten findet sich viel Vorrömisches, Romanisches, Slawisches bzw.
Slowenisches. Die Jahrhunderte lange Koexistenz mehrerer Sprachen bzw. die
Kohabitation ihrer Sprecher im Lande ist an ihnen nicht spurlos vorübergegangen.
Das aus den heute in der Region verklungenen Sprachen bezogene Wort- und
Namengut gehört zum historischen Erbe Kärntens, Tirols und Salzburgs
und somit zum immateriellen Kulturerbe
Österreichs. Dies aufzuzeigen ist das Hauptanliegen dieses namenkundlichen Werkes.
Sprachliche „Fundstücke“ aus der vordeutschen Zeit sind im
Register leicht aufzufinden. Die Präsentation des Buches fand am 22.
Oktober im Gemeindesaal von Heiligenblut („Dorfsaal“) statt.
Im Buch findet man:
·
eine
Einführung in die Bergnamengebung;
·
eine
Übersicht über den bodenständigen Wortschatz, wie er zur Namengebung
verwendet wird bzw. wurde;
·
Erklärungen,
warum die einzelnen Objekte so heißen;
·
eine
namenkundliche Begleitung, wenn Sie über die Glocknerstraße fahren oder die Glocknerrunde begehen;
· Einblicke
in die Besiedlungs-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte der Region.
Im Internet weitere Informationen zum Buch unter http://members.chello.at/heinz.pohl/Namen_Hohe_Tauern.htm.
Da es sich um ein populärwissenschaftliches Werk handelt, kamen
Literaturangaben u. dgl. zu kurz. Manchen mündlichen Hinweis verdanke ich
v.a. Peter Anreiter und Isolde Hausner; diese leitete auch das Projekt
ALPKULTUR (kulturhistorische Namendokumentation im Alpenraum, Osttirol) am Institut für Österreichische Dialekt- und
Namenlexika (DINAMLEX) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften]
Nationalpark und Schule
Vor der Präsentation des
Buches fand ein vom Nationalpark Hohe Tauern
veranstaltetes Seminar „Die
unsichtbare Geschichte der Landschaft: Über die Herkunft unserer Berg- und Flurnamen“ statt,
mit Vorträgen von Mag. Gustav
Tengg, dem Direktor der Nationalpark-Hauptschule Winklern und mir
statt.
Ursprünglich war Mag. Dr. Andrea
Grötschnig, Universität Klagenfurt, als Referentin vorgesehen,
sie war aber leider erkrankt. Sie ist die Verfasserin eines gut gelungenen
Namenbuches über Axams in Tirol (Näheres siehe im Internet unter http://www.praesens.at/praesens2013/?p=1852).
Während ich einen allgemeinen Überblick
über die Namen unserer Berge und den Motiven der Berg- und Flurnamengebung
gab, stellte Gustav Tengg zwei gelungene Projekte vor, in denen die
Schülerinnen und Schüler der Nationalpark-Mittelschule Winklern die
Flurnamen der Gemeinden Winklern und Mörtschach gesammelt und in zwei
kleinen Bänden publiziert haben.
Im Internet unter http://www.nms-winklern.ksn.at/frameset.html
(weiter > Projekte > Flurnamensammlung Gemeinde Mörtschach). Die
Namen der Gössnitz siehe hier (pdf).
Die Nationalpark-Hauptschule Winklern hat sich in den
Jahren 2003 bis 2005 das erste Mal mit dem Thema Flurnamen beschäftigt und
im Gemeindegebiet Winklern mit Schülern Erhebungen zum
Thema Flurnamen durchgeführt. Dabei stieß man auf ein sehr großes
Interesse seitens der Gemeindebürger. Die für diese beiden Broschüren befragten
Auskunftspersonen waren alle sehr hilfsbereit und engagiert, manchmal auch
erstaunt, dass die Schülerinnen und Schüler der
Nationalpark-Hauptschule Winklern sich für dieses Thema
interessieren, daher bekam man bei der Befragung sehr oft zu hören: „Gut,
dass ihr das macht, wenn wir Älteren einmal nicht mehr sind, weiß eh
keiner mehr was!” So werden sie also auch einer breiteren
Öffentlichkeit zugänglich gemacht und als Kulturerbe bewahrt und
damit vor dem Vergessen geschützt. Beide Bändchen sind in
Zusammenarbeit mit dem Nationalpark Hohe Tauern bzw. mit durch Förderung
durch ihn entstanden. Beide Broschüren haben den Titel „Flurnamen –
Zeugen der Geschichte“, die beiden Untertitel lauten „Flurnamensammlung
Gemeinde Winklern“ und „Flurnamensammlung Gemeinde
Mörtschach“.
Im Druck erschienen in: Die Kärntner
Landsmannschaft 12/2009.
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