Erschienen in :

Kärntner Heimatdienst (Hg.): Hans Steinacher – Ein Kärntner in Licht und Schatten.

Gesamtredaktion: Andreas Mölzer. Klagenfurt 2020, S. 194–226 (ISBN: 978-3-950-4350-7-8)

Hinweis: Die Seitenzahlen wie im Original sind in  fetter Schrift eingetragen,

somit bedeutet [195] „hier beginnt die S. 195“.    Geringfügig ergänzt (v.a. Fußnote 60)

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Heinz-Dieter Pohl

Slowenen und „Windische“ in Kärnten von der Volksabstimmung 1920 bis zum Kriegsende 1945

 

1.     Zu den Begriffen Ethnie, Nation, Volk, ethnische/nationale Identität

Die Begriffe Ethnie, Nation, Volk, ethnische/nationale Identität bedeuten alle etwas Ähnliches, wobei in der Regel sprachlich-kulturelle Gemeinsamkeiten im Vordergrund stehen, die besonders betont werden, seit dem 19. Jhdt. insbesondere durch die Sprache. Betrachten wir zunächst die einzelnen Begriffe:[1]

(1)     Die Ethnie[2] wird traditionell als Gruppe von Menschen definiert, für die eindeutig soziokulturelle Charaktermerkmale im Vordergrund stehen, die also der gleichen Kultur angehören, die hier im weitesten Sinn als ein wechselseitiger in sich verflochtener Komplex aus Sprache, Religion, Wertnormen und Bräuchen zu verstehen ist, an denen die Angehörigen einer solchen gesellschaftlichen Großgruppe gemeinsam teilhaben.                                   [195]

(2)     Der Begriff Volk ist dagegen ein vielschichtiger, sehr unterschiedlich definierter Begriff:

(2a)   Historisch gesehen (und heute veraltet) war dieses das „Kriegsvolk“, also die Angehörigen eines Heeres. Diese Bedeutung hatte ursprünglich auch das Lehnwort Pulk aus dem Slawischen, das seinerseits aus dem Germanischen entlehnt ist.

(2b)   Die „breite Masse“ der „einfachen“ Mitglieder einer Gesellschaft, also die Grundschicht, nicht die Oberschicht.

(2c)   Die ethnisch-spezifische Einheit einer Gruppe von Menschen im Sinne von Ethnie.

(2d)   Eine Gruppe von Menschen, die sich als ideelle Einheit begreift sowie als durch gemeinsame Herkunft, Geschichte, Kultur und Sprache, zum Teil auch Religion verbundene Gemeinschaft. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist dieses Verständnis des Begriffes Volk nicht klar abgrenzbar von dem der Nation; beide Begriffe können insofern voneinander abgehoben werden, als Nation mehr Elemente der politischen Willensbildung enthält und Volk stärker emotionale Erfahrungen anspricht (Nationalbewusstsein). Die Unbestimmtheit beider Begriffe förderte aber und fördert noch immer deren demagogischen Gebrauch, was zur Diskreditierung des Begriffs Volk (und besonders des Adjektivs völkisch) nach der nationalsozialistischen Zeit geführt hat, sodass er in der Wissenschaft kaum noch verwendbar ist, außer im staatsrechtlichen Sinn, eben 

(2e)   als Träger der Staatsgewalt (Staatsvolk), in einer Demokratie Inhaber der Souveränität (Volkssouveränität), die in Abstimmungen und Wahlen ausgeübt wird.

(3)     Das der Nation zugrundeliegende lateinische Wort natio[3] bezeichnete ursprünglich eine Gemein­schaft von Menschen gleicher Herkunft, daran anschließend eine durch gemeinsame Sprache, Sitten und Bräuche kenntliche Gemeinschaft. Doch die Betrachtung der „Nation“ im historischen Sinn als eine auf gemeinsame Abstammung, gemeinsame Geschichte und Tradition, Religion etc. zurückgehende [196] „Schicksalsgemeinschaft“ ist in der Regel Fiktion, denn sie ist eher eine vorgestellte politisch gewachsene Gemeinschaft, ein ideologisches Konstrukt, während die „Ethnie“ (früher „Volk“) eine historisch gewachsene Realität ist, an der auch immer sowohl Nachbarn als auch Ein-/Zuwanderer beteiligt waren. Der moderne Begriff der „Nation“ ist eine staatliche Gemeinschaft, die nicht unbedingt mit der entsprechenden „Ethnie“ deckungsgleich sein muss, wie uns dies u.a. die Schweiz zeigt. Zu sehr war der Nationsbegriff im 19. und auch noch im 20. Jhdt. mit Sprache und Kultur verknüpft wie davor mit Religion und Herrschaftsgebieten.[4]

(4)     Der Nationsbegriff ist aber vom Begriff der Nationalität zu trennen:

(4a)  Im Staatsrecht bedeutet Nationalität die Zugehörigkeit zu einer Nation, im Rechtssinn die Zugehörigkeit zu einem Staat, also die Staatsangehörigkeit bzw. Staatsbürgerschaft. 

(4b)  Volksgruppen, die über keinen eigenen Staat verfügen, sind daher eigentlich keine Nationen, sondern einerseits als Ethnie und andererseits als Nationalität zu bezeichnen. So sind z.B. die Rhätoromanen und/oder Ladiner der Schweiz und Südtirols bzw. die Basken in Spanien und Frankreich nur ethnisch gesehen solche, aber staatsrechtlich Schweizer oder italienischer bzw. spanischer oder französischer Nationalität. Das trifft auch auf zahlenmäßig große Ethnien zu wie z.B. die Kurden, die auf mindestens 5 Staaten verteilt sind. Oder die arabische Welt mit mehr als einem Dutzend Staaten.

(4c)  Andererseits wird (v.a. im Deutschen) Nationalität auch für die Zugehörigkeit zu einem ethnisch definierten Volk über den Begriff der Volkszugehörigkeit verwendet.                  [197]

(4d)  Allerdings ist zwischen Staatsbürgerschaft und Nationalität zu differenzieren und dies wird in vielen Staaten auch in den amtlichen Dokumenten ihrer Staatsbürger vermerkt. So konnte man in der DDR beispielsweise ein „deutscher Staatsangehöriger sorbischer Nationalität“ sein. In multinationalen Staaten wie Russland und der VR China wird bis heute sprachlich eindeutig zwischen Staatsbürgerschaft einerseits und Nationalität andererseits unterschieden. So bezieht sich das Wort россиянин[5] „Russländer“ auf alle Staatsbürger der Russischen Föderation ungeachtet ihrer ethnischen Zugehörigkeit, während das Adjektiv русский  (russkij) als Ethnonym ausschließlich für ethnische Russen verwendet wird. Daher ist die deutsche Bezeichnung für Russland „Russische Föderation“ nicht korrekt, denn auf Russisch heißt sie Российская Федерация „Russländische Föderation, und nicht Рyсская Федерация.[6] In China werden chinesische Staatsbürger Zhōng­guóren „Menschen aus den Mittellanden“ bzw. „Menschen aus dem Reich der Mitte“ genannt, während ethnische Chinesen als Hànrén  „Menschen des Han-Volkes“ bezeichnet werden.

(5)     Bleibt als letzter zu erläuternder Begriff ethnische und/oder nationale Identität. Diese bezeichnet die individuelle bzw. subjektive Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie und Nation, also Selbstdefinition – wie sich jedes Individuum selbst sieht, wobei es auch mehrere Identitäten geben kann: So kann sich ein Kärntner Slowene selbst ethnisch gesehen als Slowene, ein Deutschkärntner als Deutscher definieren, aber beide sind nach der Nationalität dennoch Österreicher.

2.      Die Slowenen als Ethnie

2.1. Für eine Volksgruppe bzw. für ein Volk, in der Wissenschaft Ethnie oder Ethnos  stehen also als wichtigste Charaktermerkmale nicht anthropologische, sondern eindeutig soziokulturelle im Vordergrund (s.o. 1 (1)). Eine solche Definition entzieht romantischen Vorstellungen [198] jede Grundlage, erst die Politisierung der Sprache, ausgehend vom nicht immer richtig verstandenen Herder’schen Nationsbegriff „Volk gleicher Zunge, daher Volk gleicher Kultur“, hat die modernen (Sprach- bzw. Kultur-) Nationen hervorgebracht und mit der gemeinsamen Hochsprache zu einem national- und kulturpolitischen Zusammen­schluss recht heterogener Teile eines größeren Sprachgebietes zu einer Sprach- bzw. Kulturnation geführt (s.o. 1 (2d) u. (3)), begründet in der Vorstellung, es bestehe ein direkter Zusam­menhang zwischen der Muttersprache und der ethnischen Identität,[7] und dass man in einem bestimmten Sprachsystem denkt.[8]

Ferner kam es auf Grund sprachwissen­schaftlicher Erkenntnisse zur Vor­stellung von einer germanischen/slawischen/romanischen Völkergruppe oder -familie – als Reflex der betreffenden Sprachfamilien. Doch dass Engländer und Deutsche „Germanen“, Slowenen und Serben „Slawen“, Franzosen und Italiener „Romanen“ sind, ist aber in erster Linie eine Angelegenheit der höheren Bildung oder des geschulten politischen Bewusstseins, aber nicht Ausfluss nationalen Empfindens und Erlebens. So hat es nie ein gemeinsames „jugoslawisches“ ethnisches Bewusstsein gegeben, selbst die unter dem gemeinsamen Dach einer Standardsprache vereinigten Serben und Kroaten hatten ein ausgeprägtes Eigenbewusstsein. Dies gilt bis zu einem gewissen Grad auch für die Deutschen, denn einerseits hat es immer ein ausgeprägtes eigenstaatliches Bewusstsein der Österreicher und Schweizer und andererseits eine regionale Identität der Baiern, Alemannen, Sachsen usw. gegeben.

„Slawe“, „Germane“, „Deutscher“ usw. zu sein ist also ein durch die Sprache bzw. sprachwissenschaftlich begründeter Mythos, ein Kärntner Slowene hat mit einem deutschen Kärntner, ein Deutscher aus Pladen/Sappada mit einem Furlaner mehr gemeinsam als beispielsweise [199] ein deutscher Kärntner mit einem Vorarlberger oder ein slowenischer Kärntner mit einem aus dem Übermurgebiet/Prekmurje, denn die soziokulturellen Grenzen sind fließend und stimmen nicht immer mit den sprachlichen und ethnischen Verhältnissen überein. Eine solche Feststellung leugnet keineswegs die Bedeutung eines bestimmten Sprachgebietes als bewusstseinsbildende Kommunikationsgemein­schaft über politische und kulturelle (usw.) Grenzen hinweg, relativiert sie aber, denn „Völker“ sind primär keine Abstammungsgemeinschaften, sondern Produkte von natürlich ent­standenen und/oder machtpolitisch organisierten Lebensräumen. Daher war früher (bis ins 19. Jhdt.) die Sprache dem Landesbewusstsein und der Religion nachgeordnet; es ist kein Zufall, dass sich das alte Herzogtum Kärnten im 16. Jhdt. selbstbewusst „Windisches Erzherzogtum“ genannt hat[9] wie auch bei der Zeremonie der Herzogseinsetzung beim Fürstenstein auf dem Zollfeld immer die „windische“ (also slowenische) Sprache präsent war. Noch bei der Volksabstimmung im Jahre 1920 war das gemeinsame Kärntner Landes­bewusstsein genug stark ausgeprägt und stand in Konkurrenz zum nationalpolitischen Empfinden, haben doch rund 40% derer, die bei der Volkszählung 1910 Slowenisch als Umgangssprache angegeben haben (dies waren rund 69%), für Österreich, also für die Einheit (und gegen eine ethnographische Teilung) Kärntens gestimmt (s.u. 2.2, zusammen mit den rund 31% Personen deutscher Umgangssprache). Allerdings sprachen sich auch einige „Deutsche“ für das neugegründete SHS-Königreich[10] aus, nämlich ca. 500 Personen.[11]

Im 19. Jhdt. kam es zur Ausbildung sowohl eines deutschen als auch eines slowe­nischen, nach der Sprache orientierten Nationalbewusstseins [200] und es entstand einerseits die Bestrebung zur Gründung eines deutschen Nationalstaates (dem allerdings der unüberbrückbare Gegensatz zwischen Österreich und Preußen im Wege stand, sodass es nach dem Hinausdrängen Österreichs aus dem Deutschen Bund mit der Reichsgründung 1871 zur kleindeutschen Lösung kam), und andererseits keimte der Gedanke, alle slowenischen Länder verwaltungsmäßig zusammen­zufassen – freilich im Rahmen der Mon­archie, aber dies hätte trotzdem eine (administrative) Teilung des Lan­des Kärnten bedeutet, der sich selbst auch Kärntner Abgeordnete slowenischer Abstammung widersetzten (z.B. der Abgeordnete zum Kärntner Landtag Dr. Matthias Rulitz). Auch das slowenische Pflichtschulwesen (seit 1855 in kirch­lichen Händen) mit slowenischer Unterrichts­sprache musste 1869 neu organisiert werden, es kam zum Ausbau der so genannten utraquisti­schen Schule, neben der es auch rein slowenische Schulen gab (1914: St. Jakob im Rosental, St. Michael ob Bleiburg, Zell [-Pfarre]).[12] Diese utraquistische Schule (Prinzip: Elementarunterricht in slowenischer Sprache und schrittweises Erlernen der deutschen Sprache, bis diese so gut beherrscht wird, dass der Unterricht überwiegend deutsch erfolgen kann)[13] widersprach den Vorstellungen slowenisch-nationaler Kreise, kam aber deutschfreundlichen Slowenen entgegen[14] und wurde von den Deutschen [201] als ein System betrachtet, „das sich seit Menschenaltern treffend bewährte“.[15] Von den Slowenen wurde die utraquistische Schule daher als „Germanisierungs­instrument“ betrachtet,[16] einer Ansicht, der man bei objektiver Betrachtung folgen kann.[17]

2.2. Somit kam es unter den Kärntner Slowenen gegen Ende des 19. Jhdts. zur Heraus­bildung zweier Lager: eines (slowenisch-) emanzipatorischen und eines eher neutralen, die sprachliche und ethnische Assimilation hinnehmenden und somit deutschfreundli­chen.[18] Ersteres stimmte am 10. Oktober zu einem großen Teil für Jugo­slawien, letzteres für Österreich – so die weit verbreitete, vorherrschende Ansicht. Doch das Abstimmungs­verhalten ist keineswegs nur als „national(bewusst)“ zu interpretieren, so haben viele Slowenen, die im SHS-Kö­nigreich ihre nationalen Träume nicht verwirklicht sahen oder republikanisch gesinnt waren, für die Republik Österreich gestimmt. Dazu kamen sowohl emotionale Motive (Landes- und Heimatbewusstsein) als auch wirtschaftliche Überlegungen, denn viele Bauern wären durch die neue Grenzziehung von den Märkten in Klagenfurt und Villach [202] abgeschnitten gewesen.[19] Wie dem auch sei – beide Lager zusammen machen die slowe­nischsprachige Minderheit aus. Die neutralen (also nicht nationalbewussten) und daher als „deutsch­freundlich“ bzw. „Kärnten-treu“ oder „Österreich-bewusst“ geltenden Slowenen wurden schon vor dem Ersten Weltkrieg „Windische“ genannt und bezeichneten sich z.T. auch selbst so; zu einem Politikum wurden diese „Windi­schen“ dann in den 1920er Jahren. Sie sind aber eindeutig (sprachlich gesehen) Slowenen („Sprach­slowenen“), bekennen sich aber nicht ausdrücklich zum slowenischen Volks­tum, v.a. politisch nicht. Die Mundarten dieser beiden Gruppen unterscheiden sich nicht voneinander; Unterschiede zwischen beiden Gruppen ergeben sich u.a. durch den bewussten Gebrauch der slowenischen Schriftsprache durch jene Personen, die einen entsprechenden Schulunterricht erhalten und durch ihre Muttersprache höhere Bildung vermittelt bekommen haben, was in der utraquistischen Schule gar nicht möglich war (s.o.). Diese Umstände muss man wissen, um die Hintergründe richtig verstehen zu können, wenn es um die so genannte „Windischen-Theorie“ geht.[20] Diese wurde (spätestens) in der nationalpolitischen Ausein­andersetzung der 1920er Jahre geboren, indem man bei der Erklärung des Verhal­tens von rund 40% der ab­stimmungsberechtigten Kärntner Slowenen am 10. Oktober 1920 ethnische, sprachli­che, bewusstseinsbildende und soziologische Kriterien miteinander vermengte – vor allem [203] in der Tagespolitik. (gemeinsam mit jenen Slowenen, die im SHS-Staat ihre nationalen Träume nicht verwirklicht sahen). Beide zusammen machen die slowe­nischsprachige Minderheit aus. Es drängt sich ein Vergleich mit den letzten Jahrzehnten der Österreichisch-Ungarischen Monarchie bzw. dem Nachkriegsösterreich der Ersten Republik auf, wo es auch zwei „deutsche“ Lager gab, ein großdeutsch orientiertes sowie den Anschluss ans Reich erstrebendes und ein auf Eigenstaatlichkeit bedachtes österreichisch-patriotisches, das erst nach dem tatsächlich erfolgten Anschluss 1938 (mit seinen katastrophalen Folgen) endgültig die Oberhand gewann.

2.3. Die Bevölkerungsentwicklung ist in Kärnten, seit statistische Aufzeichnungen vorliegen, zuungunsten der Slowenen verlaufen (von rund einem Drittel der Bevölkerung in der Mitte des 19. Jhdts. sank deren Anteil auf ca. ein Viertel bis 1900: ca. 90.500 gegenüber ca. 270.000, insges. ca. 367.000), auch 1910 gab es einen abermaligen Rückgang der Slowenen (ca. 82.000 gegenüber ca. 304.000, insges. ca. 396.000), wobei zu betonen ist, dass immer nur nach der Umgangssprache gezählt wurde, nicht nach der Muttersprache.[21]. Die Umgangssprache ist jene „Sprache, deren sich die Person im gewöhnlichen Umgange bedient“.[22] Sie festzustellen ist nicht immer leicht, zumal das wirtschaftliche und kulturelle Übergewicht des Deutschen in vielen Gegenden, v.a. in den Ballungszentren, eine Tatsache war, was zur Folge hatte, dass slowenische Umgangs- und Muttersprache nicht gleichzusetzen war, oder mit anderen Worten: ein Teil der Kärntner slowenischer Muttersprache kommunizierte im täglichen Leben überwiegend auf deutsch.[23] Von der Umgangssprache [204] ausgehend sind daher keine sicheren Rück­schlüsse auf die Nationalität zu ziehen, da diese auch durch eine Reihe von anderen Merkmalen zu bestimmen ist.[24] Politisch bestimmend war auf slowenischer Seite v.a. der Klerus, während unter den Deutschen die nationalliberalen Kräfte das Übergewicht hatten.[25] – In absoluten Zahlen, umgerechnet auf das heutige Kärntner Gebiet (also ohne Mießtal, Tarvis und Seeland) gab es 1880 u. 1890 ca. 85.000, 1900 ca. 75.000, 1910 ca. 66.500 Slowenen; 1923 waren es nur mehr ca. 34.500. Danach erreichten sie im Jahre 1939 noch einmal einen höheren Wert, indem ca. 43.000 Personen mit slowenischer Muttersprache erhoben wurden; dazu eine Tabelle:[26]

 

Jahr

Kärnten

Österreich gesamt

1910

66 463

74 210

1939

43 179 (inkl. „Windisch“)

47 639

1951

19 658 (bzw. 42 095a)

19 976

1961

24 911

f

1971

20 972b

23 579

1981

16 552c

18 640

1991

14 850 (inkl. „Windisch“)

17 379

2001g

12.586 (ohne Windisch“d)

17 953e (bzw. 24 855h)

2011

 

16.800i

 

Anmerkungen zur Tabelle:

a)    in allen Kombinationen (z.B. „deutsch-slowenisch“, „deutsch-windisch“ usw.).

b)   davon 3961 „Windisch“.                                                                                                          [205]

c)    davon 2348 „Windisch“.

d)   deren Zahl wird mit 567 Personen angegeben (davon in Österreich geboren: 547).

e)    österreichische Staatsbürger (davon in Österreich geboren: 13 225).

f)    in den von mir benützten Unterlagen keine gesamtösterreichischen Angaben.

g)   letzte amtliche Volkszählung in Österreich.

h)   davon 6891 Ausländer (zuzüglich eine Person „Windisch“).

i)     nach Angaben der „Slowenischen Community in Österreich“ (Personen mit Herkunft aus Slowenien.[27]

Die deutsch­freundlichen bzw. österreichbewussten (auch „heimattreuen“) Slowenen wurden schon vor dem 1. Weltkrieg „Windische“ genannt[28] und nannten sich z.T. auch selbst so; zu einem Politikum wurden die „Windi­schen“ seit den 1920er Jahren. Sie sind aber eindeutig (rein sprachlich gesehen) Slowenen („Sprachslowenen“), bekennen sich aber politisch nicht zum slowenischen Volks­tum und schließen sich keinen slowenischen (v.a. politischen) Organisationen an.[29] Die Mundarten dieser beiden Gruppen unterscheiden sich nicht voneinander; Unterschiede zwischen beiden Gruppen ergeben sich nur durch die Kenntnis der slowenischen Schriftsprache, die jenen Personen fehlt, die Schulunterricht nur auf deutsch erhalten haben. Doch die Möglichkeit, slowenischen Schulunterricht zu erhalten, ist gesetzlich gewährleistet (und war es – zumindest grundsätzlich – auch immer, von der NS-Zeit freilich abgesehen).

2.4. Das bisher Gesagte kann man also wie folgt zusammenfassen:

(1)     Kärnten hat seine Landeseinheit – wie in der Monarchie – in der Ersten Repu­blik bis in die Zweite Republik bewahren kön­nen;                                                                                    [206]

(2)     in Kärnten leben zwei ethnische Gruppen, aus historisch-ethno­graphischer Sicht Deutsche und Slowenen, und nur diese beiden (wobei die Zahl der Sprachslowenen wesentlich höher ist als die der Bekenntnisslowenen [ob man die Differenz zwi­schen beiden „Windische“, „Assimilanten“, „deutsch­freundliche Slowenen“ nennt, ändert nichts an den Tatsachen]; es gibt also eine Art Zwi­schen­gruppe, diese stellt aber kein eigenes (drittes) Volkstum dar,[30] s.u.);

(3)     das slowenische Element ist ein (nicht ablösbarer) Teil der Kärntner Identität;

(4)     Kärnten ist heute noch immer, trotz des relativ geringen Pro­zentsatzes von sloweni­schen Mitbürgern, zweisprachig, denn das slowenische Element ist konstitutiv für Sprachlandschaft, Dialektologie und Namengebung.

3.      Slowenen und „Windische“

3.1. Diese sogenannten „Windischen“ sind  also – rein sprachlich gesehen – Slowenen, bekennen sich aber nicht ausdrücklich zum slowenischen Volks­tum (wie ja auch die Österreicher nach 1945 – sprachlich gesehen – noch immer Deutsche sind, sich aber politisch nicht mehr als Deutsche betrachten). Diese Gruppe, also die politisch zur (deutschen) Mehrheitsbevölkerung tendierenden Slowenen, hat bei der Volks­abstimmung 1920 den Ausschlag gegeben, dass diese für Österreich günstig ausgegangen ist (s.o. 2.2). In der Folge wurden sie vom damaligen Kärn­ten als „Heimattreue Slowenen“ bezeichnet, von der slowenischen Presse [207] aber „traurige, in jeder Hinsicht demoralisierte Renegatenfi­guren“ genannt.[31] Dies muss man wissen, um die Hintergründe richtig verstehen zu können, wenn es um die so genannte „Windischen-Theorie“ geht.[32] Diese wurde (spätestens) in der nationalpolitischen Ausein­andersetzung der 1920er Jahre geboren, indem man bei der Erklärung des Verhal­tens von rund 40% der ab­stimmungsberechtigten Kärntner Slowenen am 10. Oktober 1920 ethnische, sprachli­che, bewusstseinsbildende und soziologische Kriterien miteinander vermengte –vor allem in der Tagespolitik. In der Wissenschaft sah man die Dinge anders und suchte sie in den Griff zu bekommen. Die wissenschaftliche Interpretation hat M. Wutte geliefert, sie ist nur aus jener Zeit heraus zu verstehen,[33] [208] allerdings sind seine Diktion und auch Interpretation aus heutiger Sicht nicht mehr nachvollziehbar, seine Schrift ist aber als zeitgeschichtliches Dokument, als Aussage eines Zeitzeugen im Zu­sammenhang mit der damaligen Diskussion um die von den Kärntner Slo­wenen angestrebte Kulturautonomie zu werten und nicht (aus heutiger Sicht leichtfertig) als „deutsch­national“ abzuwerten, denn er widerspiegelt die damals vorherrschende Meinung wie es auch viele heutige Historiker tun, indem sie ihn nach heutigen Maßstäben beurteilen.[34] Aus sprachwissenschaftlicher [209] Sicht hat er objektiv die slowenischen Kern­ge­biete sowie die gemischten Landesteile beschrieben.[35]

3.2. Durch die aufgezeigte Entwicklung wird die ganze  Tragik  der Geschichte der sloweni­schen Volksgruppe in Kärnten offenbar: gab es 1910 im Abstimmungsgebiet (Zone I) 68,6% Personen mit slowenischer Umgangs­sprache, haben 10 Jahre später nur 41% für den Anschluss an das neu ge­gründete SHS-Königreich gestimmt, d.h., rund 40% der Slowenisch­sprachigen hat mit seiner Stimme ein Bekenntnis zu Öster­reich und somit auch zum ungeteilten Kärnten abgegeben (s.o. 2.2). Oder anders ausgedrückt: die Mutter- oder Umgangs­sprache allein reichte nicht aus, sich von Österreich ab- und dem serbisch dominierten SHS-Staat zuzuwenden. Dass sie damit auch ein Bekenntnis zum Deutsch­tum abgege­ben haben, kann man daraus nicht schließen; sicher ist nur, dass sie am Ab­stimmungstag kaum daran gedacht haben, dass sie manche Politiker später zu „Windi­schen“ machen werden. Dieses Ab­stimmungsverhalten reflektiert das eigentliche Dilemma der Volks­gruppe: sprachliche Zugehörigkeit allein ist nicht gleich ethnisches Be­kenntnis – offensicht­lich ein Begleitphänomen polyethnischer Staaten und polyglotter Gesellschaften (und somit Erbe aus der Monarchie).

4.      Ist Windisch eine eigene Sprache?

Mit der „Windischen-Theorie“ ist automatisch auch die Frage ver­knüpft, ob das „Windi­sche“ etwa eine vom Slowenischen verschiedene Sprache [210] sei. Weit verbreitet ist die Ansicht, die Sprache der „Windi­schen“, „Windisch“, sei eine deutsch-slowenische Mischsprache, die mit der „landfremden“ slowenischen Schriftsprache nichts zu tun habe – eine kühne Behauptung, ist es doch in zweisprachigen Regionen und Gesell­schaften die Regel, dass die bodenständige Volkssprache von der überregionalen Staats- und/oder Verkehrssprache massenhaft Lehnwörter und Einflüsse bezieht. Entscheidend ist aber die Gramma­tik: die Grammatik des „Windischen“ ist die slowenische, identisch sind auch Hilfswörter und Grundwortschatz. Ein Pendant zum „Windi­schen“ ist die alte Sprache des Zaierfeldes (Sorško polje) in Krain (westlich von Bischoflack [Škofja Loka]), wo es in Huben (Spodnje Danje) 1941 noch zwei Sprachformen, das „Hubner Deutsch“ und die „Hubner Mischsprache“ gegeben hat. Diejenigen, die diese Misch­sprache gebrauchten, befanden sich im status assimilationis, deren Sprache im status fusionis.[36] Entscheidend für die Zugehörig­keit zu einer bestimmten Sprache ist letzten Endes das grammatische System. So, wie der Satz Der clevere Boss flirtete mit dem Call-Girl (den mein verehrter Lehrer A.V. Issatschenko konstruiert hat) deutsch ist (wegen der Grammatik!), ist auch der Satz motor je hāslaufał „der Motor ist heißgelaufen“ oder jas sm knɔp pǝr kāsǝ „ich bin knapp bei Kasse“[37] slowenisch, wie auch der aus Krain („Hubener Misch­sprache“) stammende Satz je for fir pa žekš bochn šterbou̯ [211] „er ist vor vier oder sechs Wochen gestorben“.[38] Offensichtlich ging der Sprachwechsel[39] nördlich und südlich der Karawanken spiegelverkehrt vor sich: zuerst setzte sich im Norden der deutsche Wortschatz und dann erst die deutsche Grammatik durch, im Süden zuerst die slowenische Grammatik und dann erst der slowenische Wortschatz, also die Griffener Sätze sind noch slowenisch, die Hubener schon slowenisch.[40]

Eine der „Hubener Mischsprache“ unmittelbar vergleich­bare Sprachform ist mir in Kärnten nicht bekannt, sehr wohl aber ist auch in den Kärntner slowe­nischen Mundarten der Anteil deutscher Lehnwörter sehr hoch[41] – sol­che Sprachformen machen es überhaupt erst möglich, dass nicht nur Einzelwörter, sondern auch strukturelle und suprasegmentale Merkmale von einer Sprache in die andere übergehen. Ohne „Windisch“, den bäu­erlich slowenischen Basisdialekt, wäre es kaum möglich, dass das Unter­kärntner Deutsch einen slowenischen Touch erhalten hätte, und ohne Krainer Deutsch gäbe es kaum die Elemente deutscher Herkunft in der slowenischen Umgangs­sprache und auch Schrift­sprache. Aus sprach­planerischen und -ästhetischen Gründen mag man Fremdein­flüsse als etwas Negatives betrachten – linguistisch gesehen sind sie normal und natürlich.[42] Eine zwei­sprachige Gesellschaft wäre arm, wenn es keine [212] sprach­grenz-überschreitende Kommunikation gäbe, die einmal zu Lasten der einen (dem Slowenischen in Kärnten bis heute), ein andermal zu Lasten der anderen (dem Deutschen in Krain bis 1945) ge­hen  kann . Eine solche linguisti­sche Feststellung darf aber nicht dazu verleiten, die eine Sprache, weil größer und mächtiger, als „wichtig“ einzuschätzen, die andere Sprache, weil kleiner und weniger durchschlagkräftig, als „unbedeutend, regional“ zu betrachten, denn jede Sprache, egal ob „klein“, ob „groß“, ist ein Stück Menschheits­geschichte und Teil des kulturellen Erbes, das zu bewahren lohnt. Aber einmal eingetre­tener Sprachwechsel ist (leider) unumkehrbar, er ist mit einem Verlust an kultureller Identität verbunden und führt nicht sofort zum Aufgehen in einer neuen Identität: dies dauert meist eine Generation. Personen im status assimilationis wären noch in der Lage, unter entsprechenden Bedin­gungen ihrer Muttersprache treu zu bleiben. Wenn in zweisprachi­gen Gebieten Ver­schiebungen von der einen zur anderen Sprache zu beobachten sind, zeigt dies ganz besonders deutlich, wie verbunden die beiden Sprachen sind, gehören sie doch beide zum historischen Erbe der Region. Hier ist im Falle Kärnten für „Windisch“ als eigene Sprache, auch als „Mischsprache“, kein Platz:[43] das Erbe kann nur „deutsch“ oder „slowe­nisch“ sein, beide sind konstitutiv und historisch gewachsen. „Windisch“ er­scheint als ein soziologisch und linguistisch nur schwer fassbarer vorübergehender Zustand, der an Einzelpersonen oder einzelne Fa­milien (die sich im status assimilationis befinden) gebunden ist, nicht aber an gefühlsmäßig zusammengehörige Gruppen.

5.      Das Slowenische in Kärnten als „zweite Landessprache“[44]

Das Slowenische war also – wie das Deutsche – immer schon in Teilen Kärntens heimisch, ist es daher eine der beiden „Landessprachen“? Der Begriff „Landessprache“ ist kein Rechtsbegriff, sondern die [213] Bezeichnung für die „Sprache, die von [dem überwiegenden Teil] der Bevölkerung gesprochen wird“ (so DUDEN – Deutsches Universalwörterbuch). So gesehen ist auf den ersten Blick Deutsch die Landessprache in Kärnten. In den österreichischen Gesetzen, die den amtlichen Gebrauch von Sprache regeln, wird immer der Begriff „Amtssprache“ verwendet. Grundsätzlich ist Deutsch in der gesamten Republik Österreich Amtssprache, wird also in der Verwaltung, im Schulwesen, bei Gericht, beim Bundesheer, im öffentlichen Verkehr usw. verwendet.

Aus dem Artikel 7 des Staatsvertrages[45] und dem so genannten Volks­gruppengesetz[46] geht hervor, dass in den Verwaltungs- und Gerichtsbezirken Kärntens mit slowenischer und gemischter Bevölkerung das Slowenische zusätzlich zum Deutschen als Amtssprache zugelassen ist. Darüber hinaus ist das Slowenische auch im Schulwesen präsent (zweisprachiger Unterricht in der Volksschule, slowenisches Gymnasium usw.) und 154 Ortschaften führen je einen deutschen und slowenischen amtlichen Namen. Daraus folgt, dass dem Slowenischen in Kärnten der Charakter einer zweiten offiziellen Sprache – als zusätzliche Amts- und Unterrichtssprache neben dem Deutschen – zukommt, wenn dies auch nur für einen (relativ großen) Teil des Bundeslandes zutrifft. Wenn man nun Deutsch als „Landessprache“ bezeichnet, wird es zur „ersten Landessprache“, das Slowenische folglich zur „zweiten Landessprache“. Diese beiden Bezeichnungen sind – wie eingangs erwähnt – keine Rechtstermini, sie treffen aber aus sprachwissenschaftlicher Sicht zu, zumal die Kärntner Sprachlandschaft in ihrer Gesamtheit deutsch und slowenisch geprägt ist, was übrigens auch für andere Bundesländer bzw. Teile von diesen zutrifft, ohne dass es dort heute noch einen slowenischsprechenden bzw. gemischtsprachigen Bevölkerungsanteil gibt.[47] [214]

6.      Das Schicksal der Slowenen im Zweiten Weltkrieg

6.1. Und nun ein Rückblick auf das Schicksal der Slowenen nach dem „Anschluss“ 1938 und im Zweiten Weltkrieg. Gleich nach dem „Anschluss“ Österreichs ans deutsche Reich begann die schleichende Demontage der slowenischen Organisationen seitens der Nazi in kleinen Schritten, doch nach der Zerschlagung des Königreiches Jugoslawien ging sie in die offen betriebene Entnationalisierung bzw. Vernichtung über. Diese bestand zunächst in einer zwangsweisen Germanisierung; ab 1941 wurden zahlreiche als nicht „eindeutschungsfähig“ eingestufte Familien sowie an ihren ethnischen Wurzeln festhaltende Personen deportiert oder zumindest terrorisiert. Viele von ihnen fielen auch der NS-Blutjustiz zum Opfer. Dass sich dann viele Angehörige der slowenischen Volksgruppe dem aktiven Widerstand gegen das NS-Regime angeschlossen haben, darf niemanden verwundern. Diese Menschen konnten nicht wissen, welche Vorstellungen für die Zeit nach dem Krieg in den Führungsetagen der Partisanen bestanden und daher sind sie nicht pauschal zu verurteilen. Dies gilt auch für die andere Seite, denn auf dem ehemaligen [215] jugoslawischen Staatsgebiet bzw. dem Gebiet der heutigen Republik Slowenien kam es zu einer Art Bürgerkrieg zwischen den antikommu­nistischen Kräften, der sogenannten slowenischen Heimwehr (Domobranzen), und den kommunistischen Partisanen, was dann zu einem hohen Grad von Polarisierung in der slowenischen Bevölkerung in den Jahren 1942-1946 geführt hat, der sich niemand entziehen konnte. Aus der Sicht der siegreichen kommunistischen Partisanen waren die Domobranzen „Kollaborateure“, mit denen man nach Kriegsende beliebig verfahren konnte, auch mit den Anti­kommunisten. Dies mündete dann im wohl dunkelsten Kapitel der jugoslawischen Nachkriegsgeschichte: in den Massentötungen und den Massengräbern. Die Ereignisse des Mai 1945 in Kärnten werden bekanntlich in Slowenien als „Tragödie von Viktring“, in Kroatien als „Tragödie von Bleiburg“ bezeichnet.[48]                                                                                      
[216]

6.2. Das slowenische Siedlungsgebiet war zerrissen und die Vorgangsweise der Nazi in den Jahren 1941/42 war, wie es Zeitzeugen damals bezeichnet haben, eine „Ge­waltpolitik“, die zu einem „unerträglichen Zustand“ geführt habe, der es notwendig mache, „dass nunmehr das slowenische Volkstum anerkannt wird und seine Pflege und Erhaltung im Rahmen des Deutschen Reiches gewährleistet würde“ – so der Kärntner Historiker Martin Wutte in seiner Denkschrift an den Gauleiter und Reichsstatthalter Friedrich Rainer.[49] Die von Wutte verwendeten Worte skizzieren die Lage, in der sich die Slowenen be­fanden. Wutte bezog sich hier auf Rainers Proklamation vom 27.9.1942, in der der Gauleiter in der typischen Nazi-Phraseologie indirekt zugibt, dass den slowenischen Bewoh­nern des Reichsgaus Kärnten, zu dem ja seit April 1941 auch Oberkrain gehörte, Unrecht geschehen sei, wenn er sagt: „Nach Monaten schwerer Bedrängnis und bitteren Leides für viele von Euch tretet Ihr mit heutigem Tage in ein gesichertes Rechtsverhältnis im Rahmen des Großdeutschen Reiches. Die Zeit der Ungewissheit und Unsicherheit ist vorbei.“[50]

Dies zeigt, dass die Nazi-Größen nicht zwischen Ursache und Wirkung unterschei­den konnten. In der zitierten Proklamation spricht Rainer zwar in der Einleitung davon, dass das „große über Krain hereingebrochene Unheil durch die Schuld verbrecherischer kommunistischer Elemente und Helfershelfer“ verursacht sei.[51] Vielmehr war es aber ja so, dass der Widerstand durch die von den Nazi durchgeführten Aussiedlungen von Slowenen provoziert war. Die „Richtlinien und Anweisungen des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums zur Aussiedlung von Slowe­nen“[52] sowie mehrere „Denkschriften“[53] [217] sprechen eine sehr deutliche Sprache; dazu kommt, dass schon 1940 Überlegun­gen zu Grenzverschiebungen nach Süden seitens des Deut­schen Reiches angestellt wurden.[54] Es ist als histori­sches Faktum zu betrachten, dass seitens der Nazi die „Auslöschung der eth­nischen Individualität der Slowenen beabsichtigt war“[55] – auch in Kärnten, wo es am 14. April 1942 überfallsartig zu den ersten Aussiedlungsaktionen kam[56] – ein Umstand, den die „deutsche“ Seite gerne vergisst und übersieht. Die Zahl der Kärntner ausgesiedelten Personen liegt bei über 900.[57] Die Eindeutschung der verbleibenden Slowenen sollte durch die bevorzugte bzw. beschleunigte Aussiedlung der sloweni­schen Intelligenz unterstützt werden, um „den einfachen Mann, der ohne volkseigene Führung beeinflussbar ist, zu gewinnen...“[58] sowie durch die „Ansiedlung bewährter deutscher Menschen“[59] beschleunigt werden.

6.3. Gegen diese Vorgangsweise der Nazi haben sich eine Reihe von Kärntner Persönlichkeiten zu Wort gemeldet, nicht nur der bereits genannte Historiker M. Wutte, sondern auch der Dichter und Schriftsteller Josef Fried­rich Perkonig, der Volkstumspolitiker Hans Steinacher,[60] Univ.-Prof. Dr. Erwin Aichinger, Weihbi­schof Rohracher, um einige zu nennen.[61] Teils kriegsbe­dingt, teils um Unruhe [218] zu vermeiden, kamen die Aussied­lungen vorübergehend zum Stillstand, doch vereinzelt gab es bis 1944 immer wieder solche Maßnahmen[62] (die wohl nach dem „Endsieg“ ihre Vollendung erfahren hätten). Ferner sei darauf hingewiesen, dass mit Rücksicht sowohl auf den Bundesgenossen Italien als auch auf die Verträge mit der Sowjetunion das Deutschtum in Südtirol, im Kanaltal und im italienischen Teil Krains sowie in den Stalin zugesprochenen baltischen, ostpolnischen und rumänischen Gebieten von den Nazis buchstäblich verraten wurde, indem man auch diese Deutschen ab-, um- bzw. aussiedelte und somit „heim in Reich“ holte. Als Beispiel sei das Schicksal der Gottscheer er­wähnt, die zunächst in der Untersteiermark auf abgesiedel­ten slowenischen Höfen angesiedelt wurden, um dann nach Kriegsende endgültig ihre Heimat zu verlieren.[63] Man siedelte also Slowenen aus, um ausgesiedelte Deutsche ansiedeln zu können – somit waren auch Deutsche im nationalsozialistischen Nationalitäten­schach bloß Figuren, die man beliebig hin- und herschieben und abtauschen konnte. Um im Bilde zu bleiben: am En­de der Partie gab es schachmatt für den größten Teil des Ost- und Südosteuropadeutschtums. Jahrhundertealte Kul­turarbeit und Symbiose wurde in wenigen Jahren gerade vor jenen vernichtet, die vorgaben, die Interessen des deutschen Volkes zu vertreten – und dies noch dazu zu Lasten der anderen Völker. Auch dies muss im Sinne einer objektiven Geschichtsbetrachtung deutlich ausgesprochen werden.[64]

Als Reaktion auf die gegen die Slowenen gerichteten Nazi-Maßnahmen musste sich zwangsläufig bald Widerstand er­heben. Dieser war in Kärnten zunächst ein spontaner, der erst nach und nach in die [219] kommunistisch geführte Osvobo­dilna Fronta (OF) eingegliedert wurde, die auch für den An­schluss Südkärntens an Jugoslawien kämpfte.[65] In den bis 1941 zu Jugoslawien gehörenden slowenischen Gebieten geriet der Widerstand schon früher unter kommunistische Führung. Die Befreiungsfront (Osvobodilna Fronta) ist am 27. April 1941 gegründet worden;[66] sie ist aus der einige Jahre zuvor hervorgetretenen Volksfront aus Kommunisten, christlichen Sozialisten und einigen anderen Gruppierungen entstanden[67] und war von Anfang an kommunistisch dominiert.[68]

6.4. Für viele Menschen jener Zeit, v.a. für Intellektuelle, erschien der Kommunismus als einzige Alternative zum Faschismus bzw. Nationalsozialismus, auch bei anderen Völkern, selbst bei deutschen (und österreichischen) Nazi-Gegnern. Dies hängt sicherlich damit zusammen, dass die Auswirkungen der braunen Diktatur mit ihrer Gewalttätigkeit und krausen Ideologie am eigenen Leib deutlich spürbar waren, hingegen man sich über die Zustände in Stalins Sowjetunion keine rechte Vorstellung machen konnte (und einige negative Berichte von dort für böswillige Propaganda hielt). Dazu kommt, dass dem Kommu­nismus ja durchaus humanistische und soziale Ideale zu­grunde liegen, die man dem Nationalsozialismus entgegen­setzen konnte, der sich ja ganz offen inhuman und menschenverachtend – eben rassistisch – verhielt. Außerdem hätte der Kommunis­mus zu keiner bürokratischen Tyrannei führen müssen, wenn man den sozialistischen Staat nach demokratischen Grundsätzen aufgebaut hätte. So aber war der Aufbau des „Ersten sozialistischen Staatswesens“ mit Massendeporta­tionen, Sozial­schichten­mord und Zwangsarbeit untrennbar verbunden; auch nach 1945 wurde diese Praxis fortgesetzt und nach dem Zusammenbruch des Kommunismus (1989) kam dann nach und nach die Wahrheit an den Tag. Dafür sind [220] die seinerzeitigen Kommunisten im antifaschistischen Wider­stand sicher nicht verantwortlich zu machen, die meisten von ihnen waren Idealisten, die aber – auch dies muss ein­mal ausgesprochen werden – zusammen mit anderen Widerstandsgruppen von Stalin und seinen Mitstreitern für den sowjetischen Imperialismus in Ost- und Südosteuropa miss­braucht worden sind. Allerdings gelang es zumindest den jugoslawischen Kommunisten die Früchte ihres Sieges selbst zu genießen (1948: Bruch zwischen Stalin und Tito). Die ju­goslawischen Kommunisten bejahten von Anfang an den Ge­samtstaat, hatten aber ein föderalistisches Konzept (da­her gab es eine eigene KP Sloweniens, Kroatiens usw.);[69] die jugoslawische KP bestand übrigens seit 1921, allerdings in der Illegalität.

7.      Die Slowenen zwischen Widerstand und „Titoismus“

Für Slowenien bedeutete dies, dass in diesem zutiefst katholischen Land Vertreter einer politischen Ideologie die Führung im „Volksbefreiungskampf“ übernahmen, die bei einem großen Teil der Bevölkerung keine große Zustimmung finden konnte, zumal ja die Kommunisten das Gesellschafts­system und somit die Eigentumsverhältnisse grundlegend verändern wollten. Ihre Taktik, vordergründig für die Be­freiung des Volkes zu kämpfen, hintergründig aber die Ziele der kommunistischen Revolution zu verfolgen, wurde von vielen durchschaut. Doch diese Entwicklung war für die Slowenen verhängnisvoll, weil sie zu einer Polarisierung beitrug. Viele Slowenen, die mit den von den Deut­schen über sie gebrachten Verhältnissen alles andere als einverstanden waren, sahen den Kampf gegen den Kommunismus als eine vordringliche Aufgabe an – analog, wie auch die Tito-Partisanen die Eliminierung der Domobranzen (und königstreuen četniks) als vorrangig betrachtet haben; 1943 wurde die slowenische Heimwehr (Domobranci) gegründet, die gegen die kommuni­stischen Partisanen eingesetzt wurde. Damit nahm der Kampf um nationale Befreiung die Dimension eines Bürger­kriegs [221] an[70] und am Ende des Krieges wurde die Nazifremd­herrschaft durch die kommunistische Diktatur, die sich formal demokratisch präsentierte, abgelöst, die dann mit den Antikommunisten brutal abrechnete: zehntausende Slowenen wurden in den Urwäldern der Gottschee erschossen (darun­ter 12 000 sehr junge Menschen!).[71] Auch für die Vertreibung der Deutschen und die Verschleppungen von Kärntnern sind die Kommunisten verantwortlich gewesen; ebensowenig, wie man die Naziverbrechen den deutschen Behörden, Beamten und Solda­ten pauschal zuschreiben darf, ist in diesem Zusammenhang auch eine pauschale Verurteilung der Partisanen und des Widerstandes entschieden abzulehnen. Da wie dort trugen Einzelpersonen die Haupt­verantwortung und machten andere Personen durch die Erteilung von entsprechenden Befehlen zu Mittätern und -schuldigen. Nicht nur in Kärnten, auf dem ganzen slowenischen Gebiet spielte sich der Kampf zwischen nationalsozialistischer und kommunistischer Diktatur mit seiner ganzen Grausamkeit ab – sich neutral, abseits zu halten, war unmöglich.[72] Und ein halbes Jahrhundert nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gelten für das Verhältnis zwischen Slowenen und Deutschen (bzw. Österreichern) die Worte des slowenischen Publizisten Mirko Bogataj: „Der Weg des Friedens ist der Weg der Wahrheit. Wahrhaftigkeit ist ebenso wichtig wie die Bereitschaft zum Frieden. Sollen für die eigene Sache günstige Wahrheiten geglaubt werden, so muss man auch den Mut haben, Tatsachen auszusprechen, die für eigene Sache nicht günstig sind.[73]

8.      Schlussbemerkungen

Zum Abschluss einige weitere Bemerkungen. Wie schon die slowenische Historikerin Tamara Griesser-Pečar[74] festgestellt hat, war für die [222] von Tito geleiteten jugoslawischen Partisanen der sogenannte „innere Feind“ ebenso wichtig wie der äußere, was bedeutete, dass sowohl die Armeeführung als auch die Kommunistische Partei (und ihr slowenischer Zweig) die Eliminierung der Domobranzen (und königstreuen četniks) als vorrangig betrachtet haben; erst danach kam dann der Kampf gegen die Okkupanten, denn die von den Kommunisten monopolisierte und instrumentalisierte „Befreiungsfront“ (OF) brachte mehr Energie auf, (sogenannte) Kollaborateure und Verräter als „Volksfeinde“ zu vernichten, als für den eigentlichen Volksbefreiungskampf; Massaker an wirklichen oder vermeintlichen Gegnern gab es aber schon in den Jahren 1942 im Karst/Kras sowie 1943 in der Gottschee/Kočevje (und anderswo). 1945 war die kroatische Armee auf ihrer Flucht vor den Kommunisten ins Schlepptau der sich zurückziehenden Wehrmacht nach Kärnten gelangt und hatte sich in Bleiburg/Pliberk den britischen Truppen ergeben.[75] Deren Angehörige wurden dann aber an die Partisanen ausgeliefert, die sie ermordet haben. So wurde der Gottscheer Hornwald zum Massengrab, auch für viele Slowenen, die bis 1946 auf der „falschen“ Seite standen. Die Massaker an den Domobranzen als Teil der Liquidierung der „bürgerlichen Klasse“ war lange Zeit Partei- und Staatsgeheimnis und blieb als Thema über Jahrzehnte hinweg tabu (bis in die Zeit der 1991 erlangten Unabhängigkeit Sloweniens). In einer solchen Tradition stehen noch heute viele der sogenannten „Antifaschisten“, was hier ausdrücklich festgestellt sei. In Slowenien selbst kam es vermehrt erst nach der Jahrtausendwende zu einer offiziellen Anerkennung („Entdeckung“) der Massengräber in den Fels- und Erdspalten im Karstgebiet, in stillgelegten Steinbrüchen, im Hornwald – nicht nur in unbewohnten oder dünn besiedelten Gebieten, sondern auch in der Nähe von Siedlungen. Dies führte dann zu staats­anwaltschaftlich gedeckten polizeilichen Untersuchungen. Daher [223] sollte für eine Traditions­pflege des Titoismus und eine Verklärung des untergegangenen Jugosla­wien, in dem man vielfach die gemäßigte Variante eines kommunistischen Staates erblickte, heute kein Platz mehr sein.[76] Dies gilt mutatis mutandis auch für unsere „rechten“ rückwärtsgewandten „Nationalen“, die im „Dritten Reich“ die letzte Chance für die Wiedererrichtung eines mächtigen Deutschen Reichs sehen. Doch der Nationalsozialismus war weder „national“ noch „sozialistisch“, sondern hat das Bekenntnis zum Deutschtum der von ihm verführten Personen zur Umsetzung seines militärischen Größenwahns und seiner rassistischen Vorstellungen schamlos missbraucht und somit das eigene Volk in den Abgrund geführt.

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[1]    Dazu vgl. ausführlich Pohl 2018, 199ff.

[2]    Aussprache [εtˈni:], Plural Ethnien [εtˈni:ǝn, auch εtˈni:n], von griechisch éthnos „Volk“, davon ethnisch ʻein bestimmtes Volkstum betreffend, einer sprachlich und kulturell einheitlichen Volksgruppe angehörend bzw. diese betreffendʼ.

[3]    Grundbedeutung ʻGeburtʼ, dann auch ʻVolksstamm, Völkerschaftʼ sowie ʻGeschlecht, Art, Gattungʼ (neben weiteren Bedeutungen).

[4]    Hier könnte man als Beispiel die Iren anführen, deren ethnische Intentität auf dem Katholizismus beruht und nicht auf der Sprache, zumal nur mehr eine kleine Minderheit das Irische (Gaeilge ʻGälischʼ) im Alltagsleben spricht (schätzungsweise 70.000); als Zweitsprache neben dem Englischen beherrschen es ca. 1,6 Mill. (von ca. 4,8 Mill. Einwohnern), obwohl das Irische Pflichtfach in der Schule ist.

[5]    transliteriert  rossijanin.

[6]    transliteriert  Rossijskaja Federacija bzw. Russkaja Federacija.

[7]    eine besonders im deutschen Sprachraum (nicht nur dort) sehr verbreitete Ansicht, die zu einer irrigen Gleichsetzung von Sprach- und Volkstumsbegriff geführt hat (vgl. Dressler 1974, 245).

[8]    „und wie man denkt, so ist man eben“ (Sornig 1998, 169 mit weiteren interessanten Hinweisen).

[9]    vgl. Fräss-Ehrfeld 1994, 295ff., vgl. auch Fräss-Ehrfeld 2000, 25ff.

[10] „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“, serbokroatisch Kraljevina Srba, Hrvata i Slovenaca, slowenisch Kraljevina Srbov, Hrvatov in Slovencev, ab 1929 Kraljevina Jugoslavija „Königreich Jugoslawien“.

[11] nach Wadl 1995, 181 (bei insg. über 37 000 Stimmen freilich eine vernachlässigbare Größe).

[12] Jahne 1914, 78. Dort wird auch bereits der Begriff „Südkärnten“ verwendet, der keineswegs erst 1920 oder später entstanden ist, wie immer wieder behauptet wird.

[13] Von der Öffentlichkeit unbemerkt erfährt die utraquistische Schule in Österreich eine Art Wiederbelebung in jenen Schulen, in denen als Unterrichtssprache Englisch verwendet wird. Hier gilt das gleiche Prinzip: Elementarunterricht zunächst in deutscher Sprache und schrittweises Erlernen der englischen Sprache, bis diese so gut beherrscht wird, dass der Unterricht überwiegend auf englisch erfolgen kann.

[14] Ein bemerkenswertes Zitat bei Jahne 1914, 78: „Bezeichnend ist die Ausage eines windischen Bäuerleins, dem der Pfarrer eine Begehrschrift für die rein slovenische Schule vorlegte: ‘Wenn mein Bub schon eine fremde Sprache lernen soll, so ist es mir lieber, er lernt deutsch!’ Dem Manne erschien also die neuslovenische Schriftsprache viel fremder als das Deutsche, das er täglich im Verkehr benötigt! “ Übrigens eine weit verbreitete Vorstellung, wie u.a. auch, dass „der Kärntner...Slovene...einen vielfach von deutschen Worten durchsetzten Dialekt “ spreche, der sich „wesentlich von der künstlich gemachten neuslovenischen Schriftsprache“ unterscheide (Jahne ebda. 75f.).

[15] Jahne 1914, 76.

[16] zumindest indirekt, vgl. Inzko 1988, 85 u. Kurz 1990.

[17] auch die Verwendung des Englischen als Unterrichtssprache (s.o. Anm. 13) kann man als Amerikanisierung bzw. Anglisierung betrachten, zumal auch für allgemein bildende Fächer britische Lehrbücher verwendet werden! In der altösterreichischen utraquistischen Schule wurde ja auch das deutsche Geschichtsbild vermittelt und die Welt durch die deutsche Brille erklärt – keine böse Absicht, sondern in den verwendeten Lehrmitteln begründet.

[18] beschrieben u.a. bei Jahne 1914, 75ff., Wutte 1927. – Dieses slowenische Nationalbewusstsein war in Kärnten vor allem auf die Gleichberechtigung der slowenischen Sprache – etwa als Unterrichtssprache oder im Amtsverkehr – ausgerichtet. Doch ein Teil der slowenischsprachigen Bevölkerung unterstützte diese emanzipatorische Bewegung nicht und sah im lokalen slowenischen Dialekt lediglich eine Art „Haus- und Hofsprache“, die nicht verschriftlicht werden sollte. Die slowenische Schriftsprache wurde daher abgelehnt.

[19] Vergleichbar mit diesen Slowenen sind rund 500 „Deutsche“, die aus welchen Gründen auch immer für Jugoslawien gestimmt haben. – Näheres dazu s. Fräss-Ehrfeld 2000, 193ff. (mit Lit.), zum Sprachlichen Pohl 2009, s. 3.2.

[20] „Windisch“ ist eigentlich das ursprüngliche, seit Mitte des 19. Jhdts. nur mehr volkstümliche Wort für „slowenisch“ (vgl. Pohl 2015, Abschnitt 4), heute obsolet. – Von den nationalbewussten Deutschen wie Slowenen wurden die „Windischen“ im wahrsten Sinne des Wortes misshandelt, indem die „Deutschen“ sie als „deutschfreundlich“ vereinnahm­ten und die „Slowenen“ sie als „Abtrünnige“ verstießen – zu sehr vermengte man Mutter­sprache und ethnisch-politisches Bekenntnis.

[21] In der Sprachwissenschaft meist Erstsprache bezeichnet, da diese nicht zwingend die der Mutter ist (s. u.a. https://de.wikipedia.org/wiki/Muttersprache, aufgerufen am 22.9.2019).

[22] Wutte 1906, 156, auch heute gültig (s. u.a. https://de.wikipedia.org/wiki/Umgangssprache, aufgerufen am 22.9.2019).

[23] Dies interpretierte man aus deutscher Sicht gerne als „Machteinfluss des deutschen Wesens“ (Jahne 1914, 80. Dieser gibt die nationalpolitische Stimmung in Kärnten aus deutsch-nationaler Sicht wieder, die slowenisch-nationale wird in „Aus dem Vilajet Kärnten“ [von J. Brejc 1913] kundgetan).

[24] vgl. Wutte 1906, 156f.

[25] vgl. Jahne 1914, 80f.