Erschienen in :
Kärntner Heimatdienst (Hg.): Hans Steinacher – Ein Kärntner in Licht
und Schatten.
Gesamtredaktion:
Andreas Mölzer. Klagenfurt 2020, S. 194–226 (ISBN: 978-3-950-4350-7-8)
Hinweis: Die Seitenzahlen wie im Original sind
in fetter
Schrift eingetragen,
somit bedeutet [195] „hier beginnt die S. 195“.
– Geringfügig ergänzt (v.a. Fußnote 60)
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[194]
Heinz-Dieter Pohl
Slowenen und
„Windische“ in Kärnten von der Volksabstimmung 1920 bis zum Kriegsende 1945
1. Zu den
Begriffen Ethnie, Nation, Volk, ethnische/nationale Identität
Die Begriffe Ethnie, Nation, Volk, ethnische/nationale Identität
bedeuten alle etwas Ähnliches, wobei in der Regel sprachlich-kulturelle
Gemeinsamkeiten im Vordergrund stehen, die besonders betont werden, seit dem
19. Jhdt. insbesondere durch die Sprache.
Betrachten wir zunächst die einzelnen Begriffe:[1]
(1) Die Ethnie[2]
wird traditionell als Gruppe von Menschen definiert, für die eindeutig soziokulturelle Charaktermerkmale im
Vordergrund stehen, die also der gleichen Kultur angehören, die hier im weitesten Sinn als ein wechselseitiger
in sich verflochtener Komplex aus Sprache, Religion, Wertnormen und Bräuchen zu
verstehen ist, an denen die Angehörigen einer solchen gesellschaftlichen Großgruppe
gemeinsam teilhaben. [195]
(2) Der Begriff Volk ist dagegen ein vielschichtiger,
sehr unterschiedlich definierter Begriff:
(2a) Historisch
gesehen (und heute veraltet) war dieses das „Kriegsvolk“, also die Angehörigen
eines Heeres. Diese Bedeutung hatte ursprünglich auch das Lehnwort Pulk aus dem Slawischen, das seinerseits
aus dem Germanischen entlehnt ist.
(2b) Die „breite Masse“
der „einfachen“ Mitglieder einer Gesellschaft, also die Grundschicht, nicht die
Oberschicht.
(2c) Die
ethnisch-spezifische Einheit einer Gruppe von Menschen im Sinne von Ethnie.
(2d) Eine Gruppe
von Menschen, die sich als ideelle Einheit begreift sowie als durch gemeinsame
Herkunft, Geschichte, Kultur und Sprache, zum Teil auch Religion verbundene
Gemeinschaft. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist dieses Verständnis des
Begriffes Volk nicht klar abgrenzbar
von dem der Nation; beide Begriffe
können insofern voneinander abgehoben werden, als Nation mehr Elemente der politischen Willensbildung enthält und Volk stärker emotionale Erfahrungen
anspricht (Nationalbewusstsein). Die Unbestimmtheit beider Begriffe förderte
aber und fördert noch immer deren demagogischen Gebrauch, was zur
Diskreditierung des Begriffs Volk
(und besonders des Adjektivs völkisch)
nach der nationalsozialistischen Zeit geführt hat, sodass er in der Wissenschaft kaum noch verwendbar ist, außer im
staatsrechtlichen Sinn, eben
(2e) als Träger der
Staatsgewalt (Staatsvolk), in einer Demokratie Inhaber der Souveränität
(Volkssouveränität), die in Abstimmungen und Wahlen ausgeübt wird.
(3)
Das der Nation zugrundeliegende lateinische Wort natio[3]
bezeichnete ursprünglich eine Gemeinschaft von Menschen gleicher Herkunft,
daran anschließend eine durch gemeinsame Sprache, Sitten und Bräuche kenntliche
Gemeinschaft. Doch die Betrachtung der „Nation“ im
historischen Sinn als eine auf gemeinsame Abstammung, gemeinsame Geschichte und
Tradition, Religion etc. zurückgehende [196] „Schicksalsgemeinschaft“ ist in der Regel
Fiktion, denn sie ist eher eine vorgestellte
politisch gewachsene Gemeinschaft, ein ideologisches Konstrukt, während die
„Ethnie“ (früher „Volk“) eine historisch gewachsene Realität ist, an der auch
immer sowohl Nachbarn als auch Ein-/Zuwanderer beteiligt waren. Der moderne
Begriff der „Nation“ ist eine staatliche Gemeinschaft, die nicht unbedingt mit
der entsprechenden „Ethnie“ deckungsgleich sein muss, wie uns dies u.a. die
Schweiz zeigt. Zu sehr war der Nationsbegriff im 19. und auch noch im 20. Jhdt.
mit Sprache und Kultur verknüpft wie davor mit Religion und
Herrschaftsgebieten.[4]
(4) Der Nationsbegriff ist aber vom Begriff der Nationalität zu trennen:
(4a) Im Staatsrecht
bedeutet Nationalität die
Zugehörigkeit zu einer Nation, im Rechtssinn
die Zugehörigkeit zu einem Staat, also die Staatsangehörigkeit
bzw. Staatsbürgerschaft.
(4b) Volksgruppen, die über keinen eigenen Staat verfügen, sind daher
eigentlich keine Nationen, sondern
einerseits als Ethnie und
andererseits als Nationalität zu
bezeichnen. So sind z.B. die Rhätoromanen und/oder Ladiner der Schweiz und
Südtirols bzw. die Basken in Spanien und Frankreich nur ethnisch gesehen
solche, aber staatsrechtlich Schweizer oder italienischer bzw. spanischer oder
französischer Nationalität. Das trifft auch auf zahlenmäßig große Ethnien zu
wie z.B. die Kurden, die auf mindestens 5 Staaten verteilt sind. Oder die
arabische Welt mit mehr als einem Dutzend Staaten.
(4c) Andererseits
wird (v.a. im Deutschen) Nationalität
auch für die Zugehörigkeit zu einem ethnisch definierten Volk über den Begriff
der Volkszugehörigkeit verwendet. [197]
(4d) Allerdings
ist zwischen Staatsbürgerschaft und Nationalität zu differenzieren und dies
wird in vielen Staaten auch in den amtlichen Dokumenten ihrer Staatsbürger
vermerkt. So konnte man in der DDR beispielsweise ein „deutscher
Staatsangehöriger sorbischer
Nationalität“ sein. In multinationalen Staaten wie Russland und der VR China
wird bis heute sprachlich eindeutig zwischen Staatsbürgerschaft einerseits und
Nationalität andererseits unterschieden. So bezieht sich das Wort россиянин[5] „Russländer“ auf alle Staatsbürger der
Russischen Föderation ungeachtet ihrer ethnischen Zugehörigkeit, während das
Adjektiv русский (russkij) als Ethnonym ausschließlich für
ethnische Russen verwendet wird.
Daher ist die deutsche Bezeichnung für Russland „Russische Föderation“ nicht
korrekt, denn auf Russisch heißt sie Российская
Федерация „Russländische Föderation, und nicht Рyсская
Федерация.[6] In China werden
chinesische Staatsbürger Zhōngguóren „Menschen aus den
Mittellanden“ bzw. „Menschen aus dem Reich der Mitte“ genannt, während ethnische
Chinesen als Hànrén „Menschen des
Han-Volkes“ bezeichnet werden.
(5) Bleibt
als letzter zu erläuternder Begriff ethnische und/oder nationale
Identität. Diese bezeichnet die
individuelle bzw. subjektive Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie und
Nation, also Selbstdefinition – wie
sich jedes Individuum selbst sieht, wobei es auch mehrere Identitäten geben
kann: So kann sich ein Kärntner Slowene selbst ethnisch gesehen als Slowene, ein Deutschkärntner als Deutscher definieren, aber beide sind
nach der Nationalität dennoch Österreicher.
2. Die Slowenen als Ethnie
2.1.
Für eine Volksgruppe bzw. für
ein Volk, in der Wissenschaft Ethnie oder
Ethnos stehen also als wichtigste Charaktermerkmale
nicht anthropologische, sondern eindeutig soziokulturelle im Vordergrund (s.o. 1 (1)). Eine solche Definition
entzieht romantischen Vorstellungen [198]
jede Grundlage, erst die Politisierung
der Sprache, ausgehend vom nicht
immer richtig verstandenen Herder’schen Nationsbegriff „Volk gleicher Zunge, daher Volk gleicher Kultur“, hat die modernen
(Sprach- bzw. Kultur-) Nationen hervorgebracht und mit der gemeinsamen
Hochsprache zu einem national- und kulturpolitischen Zusammenschluss recht
heterogener Teile eines größeren Sprachgebietes zu einer Sprach- bzw.
Kulturnation geführt (s.o. 1 (2d) u.
(3)), begründet in der Vorstellung,
es bestehe ein direkter Zusammenhang zwischen der Muttersprache und der
ethnischen Identität,[7] und dass man in
einem bestimmten Sprachsystem denkt.[8]
Ferner kam es auf Grund sprachwissenschaftlicher
Erkenntnisse zur Vorstellung von einer germanischen/slawischen/romanischen
Völkergruppe oder -familie – als Reflex der betreffenden Sprachfamilien.
Doch dass Engländer und Deutsche „Germanen“, Slowenen und Serben „Slawen“,
Franzosen und Italiener „Romanen“ sind, ist aber in erster Linie eine
Angelegenheit der höheren Bildung oder des geschulten politischen Bewusstseins,
aber nicht Ausfluss nationalen Empfindens und Erlebens. So hat es nie ein
gemeinsames „jugoslawisches“ ethnisches Bewusstsein gegeben, selbst die unter
dem gemeinsamen Dach einer Standardsprache vereinigten Serben und Kroaten
hatten ein ausgeprägtes Eigenbewusstsein. Dies gilt bis zu einem gewissen Grad
auch für die Deutschen, denn einerseits hat es immer ein ausgeprägtes
eigenstaatliches Bewusstsein der Österreicher und Schweizer und andererseits
eine regionale Identität der Baiern, Alemannen, Sachsen usw. gegeben.
„Slawe“, „Germane“, „Deutscher“ usw. zu sein ist also
ein durch die Sprache bzw. sprachwissenschaftlich begründeter Mythos, ein
Kärntner Slowene hat mit einem deutschen Kärntner, ein Deutscher aus
Pladen/Sappada mit einem Furlaner mehr gemeinsam als beispielsweise [199] ein deutscher Kärntner mit einem
Vorarlberger oder ein slowenischer Kärntner mit einem aus dem
Übermurgebiet/Prekmurje, denn die soziokulturellen Grenzen sind fließend und
stimmen nicht immer mit den sprachlichen und ethnischen Verhältnissen überein.
Eine solche Feststellung leugnet keineswegs die Bedeutung eines bestimmten
Sprachgebietes als bewusstseinsbildende Kommunikationsgemeinschaft über
politische und kulturelle (usw.) Grenzen hinweg, relativiert sie aber, denn
„Völker“ sind primär keine Abstammungsgemeinschaften, sondern Produkte von
natürlich entstandenen und/oder machtpolitisch organisierten Lebensräumen.
Daher war früher (bis ins 19. Jhdt.) die Sprache dem Landesbewusstsein und der
Religion nachgeordnet; es ist kein Zufall, dass sich das alte Herzogtum Kärnten
im 16. Jhdt. selbstbewusst „Windisches Erzherzogtum“ genannt hat[9] wie auch bei der
Zeremonie der Herzogseinsetzung beim Fürstenstein auf dem Zollfeld immer die
„windische“ (also slowenische) Sprache präsent war. Noch bei der
Volksabstimmung im Jahre 1920 war das gemeinsame Kärntner Landesbewusstsein
genug stark ausgeprägt und stand in Konkurrenz zum nationalpolitischen
Empfinden, haben doch rund 40% derer, die bei der Volkszählung 1910 Slowenisch
als Umgangssprache angegeben haben (dies waren rund 69%), für Österreich, also
für die Einheit (und gegen eine ethnographische Teilung)
Kärntens gestimmt (s.u. 2.2,
zusammen mit den rund 31% Personen deutscher Umgangssprache). Allerdings
sprachen sich auch einige „Deutsche“ für das neugegründete SHS-Königreich[10] aus, nämlich ca. 500 Personen.[11]
Im 19. Jhdt. kam es zur Ausbildung sowohl eines
deutschen als auch eines slowenischen, nach der Sprache orientierten
Nationalbewusstseins [200] und es
entstand einerseits die Bestrebung zur Gründung eines deutschen Nationalstaates
(dem allerdings der unüberbrückbare Gegensatz zwischen Österreich und Preußen
im Wege stand, sodass es nach dem Hinausdrängen Österreichs aus dem Deutschen
Bund mit der Reichsgründung 1871 zur kleindeutschen Lösung kam), und
andererseits keimte der Gedanke, alle slowenischen Länder verwaltungsmäßig zusammenzufassen
– freilich im Rahmen der Monarchie, aber dies hätte trotzdem eine
(administrative) Teilung des Landes Kärnten bedeutet, der sich selbst auch
Kärntner Abgeordnete slowenischer Abstammung widersetzten (z.B. der Abgeordnete
zum Kärntner Landtag Dr. Matthias Rulitz). Auch das slowenische
Pflichtschulwesen (seit 1855 in kirchlichen Händen) mit slowenischer
Unterrichtssprache musste 1869 neu organisiert werden, es kam zum Ausbau der
so genannten utraquistischen Schule, neben der es auch rein slowenische
Schulen gab (1914: St. Jakob im Rosental, St. Michael ob Bleiburg, Zell
[-Pfarre]).[12] Diese
utraquistische Schule (Prinzip: Elementarunterricht in slowenischer Sprache und
schrittweises Erlernen der deutschen Sprache, bis diese so gut beherrscht wird,
dass der Unterricht überwiegend deutsch erfolgen kann)[13] widersprach den
Vorstellungen slowenisch-nationaler Kreise, kam aber deutschfreundlichen
Slowenen entgegen[14] und wurde von den
Deutschen [201] als ein System
betrachtet, „das sich seit Menschenaltern treffend bewährte“.[15] Von den Slowenen
wurde die utraquistische Schule daher als „Germanisierungsinstrument“
betrachtet,[16] einer Ansicht, der
man bei objektiver Betrachtung folgen kann.[17]
2.2. Somit kam es unter den Kärntner Slowenen gegen Ende
des 19. Jhdts. zur Herausbildung zweier Lager: eines (slowenisch-)
emanzipatorischen und eines eher neutralen, die sprachliche und ethnische
Assimilation hinnehmenden und somit deutschfreundlichen.[18] Ersteres stimmte am 10. Oktober zu einem großen
Teil für Jugoslawien, letzteres für Österreich – so die weit verbreitete,
vorherrschende Ansicht. Doch das Abstimmungsverhalten ist keineswegs nur als
„national(bewusst)“ zu interpretieren, so haben viele Slowenen, die im SHS-Königreich
ihre nationalen Träume nicht verwirklicht sahen oder republikanisch gesinnt
waren, für die Republik Österreich gestimmt. Dazu kamen sowohl emotionale
Motive (Landes- und Heimatbewusstsein) als auch wirtschaftliche Überlegungen,
denn viele Bauern wären durch die neue Grenzziehung von den Märkten in
Klagenfurt und Villach [202] abgeschnitten gewesen.[19] Wie dem auch sei –
beide Lager zusammen machen die slowenischsprachige Minderheit aus. Die
neutralen (also nicht nationalbewussten) und daher als „deutschfreundlich“
bzw. „Kärnten-treu“ oder „Österreich-bewusst“ geltenden Slowenen wurden schon
vor dem Ersten Weltkrieg „Windische“ genannt und bezeichneten sich z.T. auch
selbst so; zu einem Politikum wurden diese „Windischen“ dann in den 1920er
Jahren. Sie sind aber eindeutig (sprachlich gesehen) Slowenen („Sprachslowenen“),
bekennen sich aber nicht ausdrücklich zum slowenischen Volkstum, v.a.
politisch nicht. Die Mundarten dieser beiden Gruppen unterscheiden sich nicht
voneinander; Unterschiede zwischen beiden Gruppen ergeben sich u.a. durch den
bewussten Gebrauch der slowenischen Schriftsprache durch jene Personen, die
einen entsprechenden Schulunterricht erhalten und durch ihre Muttersprache
höhere Bildung vermittelt bekommen haben, was in der utraquistischen Schule gar nicht möglich war
(s.o.).
Diese Umstände muss man wissen, um die Hintergründe richtig verstehen zu
können, wenn es um die so genannte „Windischen-Theorie“ geht.[20] Diese wurde
(spätestens) in der nationalpolitischen Auseinandersetzung der 1920er Jahre
geboren, indem man bei der Erklärung des Verhaltens von rund 40% der abstimmungsberechtigten
Kärntner Slowenen am 10. Oktober 1920 ethnische, sprachliche,
bewusstseinsbildende und soziologische Kriterien miteinander
vermengte – vor allem [203] in der Tagespolitik. (gemeinsam mit jenen Slowenen, die im
SHS-Staat ihre nationalen Träume nicht verwirklicht sahen). Beide zusammen
machen die slowenischsprachige Minderheit aus. Es drängt sich ein Vergleich
mit den letzten Jahrzehnten der Österreichisch-Ungarischen Monarchie bzw. dem
Nachkriegsösterreich der Ersten Republik auf, wo es auch zwei „deutsche“ Lager
gab, ein großdeutsch orientiertes sowie den Anschluss ans Reich erstrebendes
und ein auf Eigenstaatlichkeit bedachtes österreichisch-patriotisches, das erst
nach dem tatsächlich erfolgten Anschluss 1938 (mit seinen katastrophalen
Folgen) endgültig die Oberhand gewann.
2.3.
Die Bevölkerungsentwicklung
ist in Kärnten, seit statistische Aufzeichnungen vorliegen, zuungunsten der
Slowenen verlaufen (von rund einem Drittel der Bevölkerung in der Mitte des 19.
Jhdts. sank deren Anteil auf ca. ein Viertel bis 1900: ca. 90.500 gegenüber ca.
270.000, insges. ca. 367.000), auch 1910 gab es einen abermaligen Rückgang der
Slowenen (ca. 82.000 gegenüber ca. 304.000, insges. ca. 396.000), wobei zu
betonen ist, dass immer nur nach der Umgangssprache
gezählt wurde, nicht nach der Muttersprache.[21]. Die Umgangssprache ist jene „Sprache, deren
sich die Person im gewöhnlichen Umgange bedient“.[22] Sie festzustellen ist
nicht immer leicht, zumal das wirtschaftliche und kulturelle Übergewicht des
Deutschen in vielen Gegenden, v.a. in den Ballungszentren, eine Tatsache war,
was zur Folge hatte, dass slowenische Umgangs- und Muttersprache nicht
gleichzusetzen war, oder mit anderen Worten: ein Teil der Kärntner slowenischer
Muttersprache kommunizierte im täglichen Leben überwiegend auf deutsch.[23] Von der
Umgangssprache [204] ausgehend sind daher keine sicheren Rückschlüsse
auf die Nationalität zu ziehen, da diese auch durch eine Reihe von anderen
Merkmalen zu bestimmen ist.[24] Politisch
bestimmend war auf slowenischer Seite v.a. der Klerus, während unter den
Deutschen die nationalliberalen Kräfte das Übergewicht hatten.[25] – In absoluten
Zahlen, umgerechnet auf das heutige Kärntner Gebiet (also ohne Mießtal, Tarvis
und Seeland) gab es 1880 u. 1890 ca. 85.000, 1900 ca. 75.000, 1910 ca. 66.500
Slowenen; 1923 waren es nur mehr ca. 34.500. Danach erreichten sie im Jahre
1939 noch einmal einen höheren Wert, indem ca. 43.000 Personen mit slowenischer
Muttersprache erhoben wurden; dazu eine Tabelle:[26]
Jahr |
Kärnten |
Österreich gesamt |
1910 |
66 463 |
74 210 |
1939 |
43 179 (inkl. „Windisch“) |
47 639 |
1951 |
19 658 (bzw. 42 095a) |
19 976 |
1961 |
24 911 |
f |
1971 |
20 972b |
23 579 |
1981 |
16 552c |
18 640 |
1991 |
14 850 (inkl. „Windisch“) |
17 379 |
2001g |
12.586 (ohne Windisch“d) |
17 953e (bzw.
24 855h) |
2011 |
|
16.800i |
Anmerkungen
zur Tabelle:
a) in allen Kombinationen (z.B. „deutsch-slowenisch“,
„deutsch-windisch“ usw.).
b) davon 3961 „Windisch“.
[205]
c) davon 2348 „Windisch“.
d) deren Zahl wird mit 567 Personen angegeben
(davon in Österreich geboren: 547).
e) österreichische Staatsbürger (davon in
Österreich geboren: 13 225).
f) in den von mir benützten Unterlagen keine
gesamtösterreichischen Angaben.
g) letzte amtliche Volkszählung in Österreich.
h) davon 6891 Ausländer (zuzüglich eine Person
„Windisch“).
i) nach Angaben der „Slowenischen Community in
Österreich“ (Personen mit Herkunft aus Slowenien.[27]
Die deutschfreundlichen bzw. österreichbewussten
(auch „heimattreuen“) Slowenen wurden schon vor dem 1. Weltkrieg „Windische“
genannt[28] und nannten sich
z.T. auch selbst so; zu einem Politikum wurden die „Windischen“ seit den
1920er Jahren. Sie sind aber eindeutig (rein sprachlich gesehen) Slowenen
(„Sprachslowenen“), bekennen sich aber politisch nicht zum slowenischen Volkstum
und schließen sich keinen slowenischen (v.a. politischen) Organisationen an.[29] Die Mundarten
dieser beiden Gruppen unterscheiden sich nicht voneinander; Unterschiede
zwischen beiden Gruppen ergeben sich nur durch die Kenntnis der slowenischen
Schriftsprache, die jenen Personen fehlt, die Schulunterricht nur auf deutsch
erhalten haben. Doch die Möglichkeit, slowenischen Schulunterricht zu erhalten,
ist gesetzlich gewährleistet (und war es – zumindest grundsätzlich – auch
immer, von der NS-Zeit freilich abgesehen).
2.4.
Das bisher Gesagte kann man
also wie folgt zusammenfassen:
(1) Kärnten hat seine Landeseinheit – wie in
der Monarchie – in der Ersten Republik bis in die Zweite Republik bewahren können;
[206]
(2) in
Kärnten leben zwei ethnische Gruppen, aus historisch-ethnographischer Sicht
Deutsche und Slowenen, und nur diese
beiden (wobei die Zahl der Sprachslowenen wesentlich höher ist als die der
Bekenntnisslowenen [ob man die Differenz zwischen beiden „Windische“,
„Assimilanten“, „deutschfreundliche Slowenen“ nennt, ändert nichts an den
Tatsachen]; es gibt also eine Art Zwischengruppe, diese stellt aber kein eigenes (drittes) Volkstum dar,[30] s.u.);
(3) das
slowenische Element ist ein (nicht ablösbarer) Teil der Kärntner Identität;
(4) Kärnten
ist heute noch immer, trotz des relativ geringen Prozentsatzes von slowenischen
Mitbürgern, zweisprachig, denn das slowenische Element ist konstitutiv für Sprachlandschaft,
Dialektologie und Namengebung.
3. Slowenen und „Windische“
3.1.
Diese sogenannten
„Windischen“ sind also – rein sprachlich
gesehen – Slowenen, bekennen sich aber nicht ausdrücklich zum slowenischen
Volkstum (wie ja auch die Österreicher nach 1945 – sprachlich gesehen – noch
immer Deutsche sind, sich aber politisch
nicht mehr als Deutsche betrachten). Diese Gruppe, also die politisch zur
(deutschen) Mehrheitsbevölkerung tendierenden Slowenen, hat bei der Volksabstimmung
1920 den Ausschlag gegeben, dass diese für Österreich günstig ausgegangen ist
(s.o. 2.2). In der Folge wurden sie
vom damaligen Kärnten als „Heimattreue Slowenen“ bezeichnet, von der
slowenischen Presse [207] aber „traurige, in jeder Hinsicht
demoralisierte Renegatenfiguren“ genannt.[31] Dies muss man
wissen, um die Hintergründe richtig verstehen zu können, wenn es um die so
genannte „Windischen-Theorie“ geht.[32] Diese wurde
(spätestens) in der nationalpolitischen Auseinandersetzung der 1920er Jahre geboren,
indem man bei der Erklärung des Verhaltens von rund 40% der abstimmungsberechtigten
Kärntner Slowenen am 10. Oktober 1920 ethnische, sprachliche,
bewusstseinsbildende und soziologische Kriterien miteinander
vermengte –vor allem in der Tagespolitik. In der Wissenschaft sah man die
Dinge anders und suchte sie in den Griff zu bekommen. Die wissenschaftliche
Interpretation hat M. Wutte geliefert, sie ist nur aus jener Zeit heraus zu
verstehen,[33] [208] allerdings sind seine Diktion und auch Interpretation
aus heutiger Sicht nicht mehr nachvollziehbar, seine Schrift ist aber als
zeitgeschichtliches Dokument, als Aussage eines Zeitzeugen im Zusammenhang mit
der damaligen Diskussion um die von den Kärntner Slowenen angestrebte
Kulturautonomie zu werten und nicht (aus heutiger Sicht leichtfertig) als
„deutschnational“ abzuwerten, denn er widerspiegelt die damals vorherrschende
Meinung wie es auch viele heutige Historiker tun, indem sie ihn nach heutigen
Maßstäben beurteilen.[34] Aus
sprachwissenschaftlicher [209] Sicht hat er objektiv die slowenischen Kerngebiete
sowie die gemischten Landesteile beschrieben.[35]
3.2. Durch die aufgezeigte Entwicklung wird die
ganze Tragik der
Geschichte der slowenischen Volksgruppe in Kärnten offenbar: gab es 1910 im
Abstimmungsgebiet (Zone I) 68,6% Personen mit slowenischer Umgangssprache,
haben 10 Jahre später nur 41% für den Anschluss an das neu gegründete
SHS-Königreich gestimmt, d.h., rund 40% der Slowenischsprachigen hat mit
seiner Stimme ein Bekenntnis zu Österreich und somit auch zum ungeteilten
Kärnten abgegeben (s.o. 2.2). Oder anders ausgedrückt: die Mutter- oder Umgangssprache allein
reichte nicht aus, sich von Österreich ab- und dem serbisch dominierten
SHS-Staat zuzuwenden. Dass sie damit auch ein Bekenntnis zum Deutschtum abgegeben
haben, kann man daraus nicht schließen; sicher ist nur, dass sie am Abstimmungstag
kaum daran gedacht haben, dass sie manche Politiker später zu „Windischen“
machen werden. Dieses Abstimmungsverhalten reflektiert das eigentliche Dilemma
der Volksgruppe: sprachliche Zugehörigkeit allein ist nicht gleich ethnisches
Bekenntnis – offensichtlich ein Begleitphänomen polyethnischer Staaten
und polyglotter Gesellschaften (und somit Erbe aus der Monarchie).
4. Ist Windisch
eine eigene Sprache?
Mit der „Windischen-Theorie“ ist automatisch
auch die Frage verknüpft, ob das „Windische“ etwa eine vom Slowenischen
verschiedene Sprache [210] sei. Weit verbreitet ist die Ansicht, die
Sprache der „Windischen“, „Windisch“, sei eine deutsch-slowenische
Mischsprache, die mit der „landfremden“ slowenischen Schriftsprache nichts zu
tun habe – eine kühne Behauptung, ist es doch in zweisprachigen
Regionen und Gesellschaften die Regel, dass die bodenständige Volkssprache von
der überregionalen Staats- und/oder Verkehrssprache massenhaft Lehnwörter und
Einflüsse bezieht. Entscheidend ist aber die Grammatik: die Grammatik des
„Windischen“ ist die slowenische, identisch sind auch Hilfswörter und
Grundwortschatz. Ein Pendant zum „Windischen“ ist die alte Sprache des
Zaierfeldes (Sorško polje) in Krain (westlich von Bischoflack [Škofja Loka]),
wo es in Huben (Spodnje Danje) 1941 noch zwei Sprachformen, das „Hubner
Deutsch“ und die „Hubner Mischsprache“ gegeben hat. Diejenigen, die diese Mischsprache
gebrauchten, befanden sich im status
assimilationis, deren Sprache im status
fusionis.[36] Entscheidend für
die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Sprache ist letzten Endes das
grammatische System. So, wie der Satz Der
clevere Boss flirtete mit dem Call-Girl (den mein verehrter Lehrer A.V.
Issatschenko konstruiert hat) deutsch
ist (wegen der Grammatik!), ist auch der Satz motor je hāslaufał „der Motor ist heißgelaufen“ oder jas sm knɔp pǝr kāsǝ „ich
bin knapp bei Kasse“[37] slowenisch, wie auch der aus Krain („Hubener
Mischsprache“) stammende Satz je for fir
pa žekš bochn šterbou̯ [211]
„er ist vor vier oder sechs Wochen gestorben“.[38] Offensichtlich
ging der Sprachwechsel[39] nördlich und
südlich der Karawanken spiegelverkehrt
vor sich: zuerst setzte sich im Norden der deutsche Wortschatz und dann erst
die deutsche Grammatik durch, im Süden zuerst die slowenische Grammatik und
dann erst der slowenische Wortschatz, also die Griffener Sätze sind noch slowenisch, die Hubener schon slowenisch.[40]
Eine der „Hubener Mischsprache“ unmittelbar vergleichbare
Sprachform ist mir in Kärnten nicht bekannt, sehr wohl aber ist auch in den
Kärntner slowenischen Mundarten der Anteil deutscher Lehnwörter sehr hoch[41] – solche
Sprachformen machen es überhaupt erst möglich, dass nicht nur Einzelwörter,
sondern auch strukturelle und suprasegmentale Merkmale von einer Sprache in die
andere übergehen. Ohne „Windisch“, den bäuerlich slowenischen Basisdialekt,
wäre es kaum möglich, dass das Unterkärntner Deutsch einen slowenischen Touch
erhalten hätte, und ohne Krainer Deutsch gäbe es kaum die Elemente deutscher
Herkunft in der slowenischen Umgangssprache und auch Schriftsprache. Aus
sprachplanerischen und -ästhetischen Gründen mag man Fremdeinflüsse als etwas
Negatives betrachten – linguistisch gesehen sind sie normal und
natürlich.[42] Eine zweisprachige
Gesellschaft wäre arm, wenn es keine [212]
sprachgrenz-überschreitende Kommunikation gäbe, die einmal zu Lasten der einen
(dem Slowenischen in Kärnten bis heute), ein andermal zu Lasten der anderen
(dem Deutschen in Krain bis 1945) gehen kann . Eine solche linguistische Feststellung darf aber
nicht dazu verleiten, die eine Sprache, weil größer und mächtiger, als
„wichtig“ einzuschätzen, die andere Sprache, weil kleiner und weniger durchschlagkräftig,
als „unbedeutend, regional“ zu betrachten, denn jede Sprache, egal ob „klein“,
ob „groß“, ist ein Stück Menschheitsgeschichte und Teil des kulturellen Erbes,
das zu bewahren lohnt. Aber einmal eingetretener Sprachwechsel ist (leider)
unumkehrbar, er ist mit einem Verlust an kultureller Identität verbunden und
führt nicht sofort zum Aufgehen in einer neuen Identität: dies dauert meist
eine Generation. Personen im status
assimilationis wären noch in der Lage, unter entsprechenden Bedingungen
ihrer Muttersprache treu zu bleiben. Wenn in zweisprachigen Gebieten Verschiebungen
von der einen zur anderen Sprache zu beobachten sind, zeigt dies ganz besonders
deutlich, wie verbunden die beiden Sprachen sind, gehören sie doch beide zum
historischen Erbe der Region. Hier ist im Falle Kärnten für „Windisch“ als
eigene Sprache, auch als „Mischsprache“, kein Platz:[43] das Erbe kann nur „deutsch“ oder „slowenisch“
sein, beide sind konstitutiv und historisch gewachsen. „Windisch“ erscheint
als ein soziologisch und linguistisch nur schwer fassbarer vorübergehender
Zustand, der an Einzelpersonen oder einzelne Familien (die sich im status assimilationis befinden) gebunden
ist, nicht aber an gefühlsmäßig zusammengehörige Gruppen.
5. Das Slowenische in Kärnten als „zweite
Landessprache“[44]
Das Slowenische war also – wie das Deutsche – immer
schon in Teilen Kärntens heimisch, ist es daher eine der beiden
„Landessprachen“? Der Begriff „Landessprache“ ist kein Rechtsbegriff, sondern
die [213] Bezeichnung für die
„Sprache, die von [dem überwiegenden Teil] der Bevölkerung gesprochen wird“ (so
DUDEN – Deutsches Universalwörterbuch). So gesehen ist auf den ersten Blick
Deutsch die Landessprache in Kärnten. In den österreichischen Gesetzen, die den
amtlichen Gebrauch von Sprache regeln, wird immer der Begriff „Amtssprache“
verwendet. Grundsätzlich ist Deutsch in der gesamten Republik Österreich
Amtssprache, wird also in der Verwaltung, im Schulwesen, bei Gericht, beim
Bundesheer, im öffentlichen Verkehr usw. verwendet.
Aus dem Artikel 7 des Staatsvertrages[45] und dem so
genannten Volksgruppengesetz[46] geht hervor, dass
in den Verwaltungs- und Gerichtsbezirken Kärntens mit slowenischer und
gemischter Bevölkerung das Slowenische zusätzlich zum Deutschen als Amtssprache
zugelassen ist. Darüber hinaus ist das Slowenische auch im Schulwesen präsent
(zweisprachiger Unterricht in der Volksschule, slowenisches Gymnasium usw.) und
154 Ortschaften führen je einen deutschen und
slowenischen amtlichen Namen. Daraus
folgt, dass dem Slowenischen in Kärnten der Charakter einer zweiten offiziellen
Sprache – als zusätzliche Amts- und Unterrichtssprache neben dem Deutschen –
zukommt, wenn dies auch nur für einen (relativ großen) Teil des Bundeslandes
zutrifft. Wenn man nun Deutsch als „Landessprache“ bezeichnet, wird es zur
„ersten Landessprache“, das Slowenische folglich zur „zweiten Landessprache“.
Diese beiden Bezeichnungen sind – wie eingangs erwähnt – keine Rechtstermini,
sie treffen aber aus sprachwissenschaftlicher Sicht zu, zumal die Kärntner
Sprachlandschaft in ihrer Gesamtheit deutsch und slowenisch geprägt ist, was übrigens auch für andere
Bundesländer bzw. Teile von diesen zutrifft, ohne dass es dort heute noch einen
slowenischsprechenden bzw. gemischtsprachigen Bevölkerungsanteil gibt.[47] [214]
6. Das Schicksal der Slowenen im Zweiten
Weltkrieg
6.1. Und nun ein Rückblick auf das Schicksal der Slowenen nach dem „Anschluss“ 1938 und im Zweiten Weltkrieg. Gleich nach dem „Anschluss“ Österreichs ans deutsche Reich begann die schleichende Demontage der slowenischen Organisationen seitens der Nazi in kleinen Schritten, doch nach der Zerschlagung des Königreiches Jugoslawien ging sie in die offen betriebene Entnationalisierung bzw. Vernichtung über. Diese bestand zunächst in einer zwangsweisen Germanisierung; ab 1941 wurden zahlreiche als nicht „eindeutschungsfähig“ eingestufte Familien sowie an ihren ethnischen Wurzeln festhaltende Personen deportiert oder zumindest terrorisiert. Viele von ihnen fielen auch der NS-Blutjustiz zum Opfer. Dass sich dann viele Angehörige der slowenischen Volksgruppe dem aktiven Widerstand gegen das NS-Regime angeschlossen haben, darf niemanden verwundern. Diese Menschen konnten nicht wissen, welche Vorstellungen für die Zeit nach dem Krieg in den Führungsetagen der Partisanen bestanden und daher sind sie nicht pauschal zu verurteilen. Dies gilt auch für die andere Seite, denn auf dem ehemaligen [215] jugoslawischen Staatsgebiet bzw. dem Gebiet der heutigen Republik Slowenien kam es zu einer Art Bürgerkrieg zwischen den antikommunistischen Kräften, der sogenannten slowenischen Heimwehr (Domobranzen), und den kommunistischen Partisanen, was dann zu einem hohen Grad von Polarisierung in der slowenischen Bevölkerung in den Jahren 1942-1946 geführt hat, der sich niemand entziehen konnte. Aus der Sicht der siegreichen kommunistischen Partisanen waren die Domobranzen „Kollaborateure“, mit denen man nach Kriegsende beliebig verfahren konnte, auch mit den Antikommunisten. Dies mündete dann im wohl dunkelsten Kapitel der jugoslawischen Nachkriegsgeschichte: in den Massentötungen und den Massengräbern. Die Ereignisse des Mai 1945 in Kärnten werden bekanntlich in Slowenien als „Tragödie von Viktring“, in Kroatien als „Tragödie von Bleiburg“ bezeichnet.[48]
[216]
6.2. Das slowenische Siedlungsgebiet war zerrissen
und die Vorgangsweise der Nazi in den Jahren 1941/42 war, wie es Zeitzeugen damals
bezeichnet haben, eine „Gewaltpolitik“, die zu einem „unerträglichen Zustand“
geführt habe, der es notwendig mache, „dass nunmehr das slowenische Volkstum
anerkannt wird und seine Pflege und Erhaltung im Rahmen des Deutschen Reiches
gewährleistet würde“ – so der Kärntner Historiker Martin Wutte in seiner
Denkschrift an den Gauleiter und Reichsstatthalter Friedrich Rainer.[49] Die von Wutte
verwendeten Worte skizzieren die Lage, in der sich die Slowenen befanden.
Wutte bezog sich hier auf Rainers Proklamation vom 27.9.1942, in der der
Gauleiter in der typischen Nazi-Phraseologie indirekt zugibt, dass den
slowenischen Bewohnern des Reichsgaus Kärnten, zu dem ja seit April 1941 auch
Oberkrain gehörte, Unrecht geschehen sei, wenn er sagt: „Nach Monaten schwerer
Bedrängnis und bitteren Leides für viele von Euch tretet Ihr mit heutigem Tage
in ein gesichertes Rechtsverhältnis im Rahmen des Großdeutschen Reiches. Die
Zeit der Ungewissheit und Unsicherheit ist vorbei.“[50]
Dies zeigt, dass die Nazi-Größen nicht zwischen
Ursache und Wirkung unterscheiden konnten. In der zitierten Proklamation
spricht Rainer zwar in der Einleitung davon, dass das „große über Krain
hereingebrochene Unheil durch die Schuld verbrecherischer kommunistischer
Elemente und Helfershelfer“ verursacht sei.[51] Vielmehr war es
aber ja so, dass der Widerstand durch die von den Nazi durchgeführten
Aussiedlungen von Slowenen provoziert war. Die „Richtlinien und Anweisungen des
Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums zur Aussiedlung von
Slowenen“[52] sowie mehrere
„Denkschriften“[53] [217] sprechen eine sehr deutliche
Sprache; dazu kommt, dass schon 1940 Überlegungen zu Grenzverschiebungen nach
Süden seitens des Deutschen Reiches angestellt wurden.[54] Es ist als historisches
Faktum zu betrachten, dass seitens der Nazi die „Auslöschung der ethnischen
Individualität der Slowenen beabsichtigt war“[55] – auch in Kärnten,
wo es am 14. April 1942 überfallsartig zu den ersten Aussiedlungsaktionen kam[56] – ein Umstand, den
die „deutsche“ Seite gerne vergisst und übersieht. Die Zahl der Kärntner
ausgesiedelten Personen liegt bei über 900.[57] Die Eindeutschung
der verbleibenden Slowenen sollte durch die bevorzugte bzw. beschleunigte
Aussiedlung der slowenischen Intelligenz unterstützt werden, um „den einfachen
Mann, der ohne volkseigene Führung beeinflussbar ist, zu gewinnen...“[58] sowie durch die
„Ansiedlung bewährter deutscher Menschen“[59] beschleunigt
werden.
6.3. Gegen diese Vorgangsweise der Nazi haben sich
eine Reihe von Kärntner Persönlichkeiten zu Wort gemeldet, nicht nur der
bereits genannte Historiker M. Wutte, sondern auch der Dichter und
Schriftsteller Josef Friedrich Perkonig, der Volkstumspolitiker Hans
Steinacher,[60] Univ.-Prof. Dr. Erwin Aichinger, Weihbischof
Rohracher, um einige zu nennen.[61] Teils kriegsbedingt,
teils um Unruhe [218] zu vermeiden,
kamen die Aussiedlungen vorübergehend zum Stillstand, doch vereinzelt gab es
bis 1944 immer wieder solche Maßnahmen[62] (die wohl nach dem
„Endsieg“ ihre Vollendung erfahren hätten). Ferner sei darauf hingewiesen, dass
mit Rücksicht sowohl auf den Bundesgenossen Italien als auch auf die Verträge
mit der Sowjetunion das Deutschtum in Südtirol, im Kanaltal und im
italienischen Teil Krains sowie in den Stalin zugesprochenen baltischen,
ostpolnischen und rumänischen Gebieten von den Nazis buchstäblich verraten
wurde, indem man auch diese Deutschen ab-, um- bzw. aussiedelte und somit „heim
in Reich“ holte. Als Beispiel sei das Schicksal der Gottscheer erwähnt, die
zunächst in der Untersteiermark auf abgesiedelten slowenischen Höfen
angesiedelt wurden, um dann nach Kriegsende endgültig ihre Heimat zu verlieren.[63] Man siedelte also
Slowenen aus, um ausgesiedelte Deutsche ansiedeln zu können – somit waren auch
Deutsche im nationalsozialistischen Nationalitätenschach bloß Figuren, die man
beliebig hin- und herschieben und abtauschen konnte. Um im Bilde zu bleiben: am
Ende der Partie gab es schachmatt für den größten Teil des Ost- und
Südosteuropadeutschtums. Jahrhundertealte Kulturarbeit und Symbiose wurde in
wenigen Jahren gerade vor jenen vernichtet, die vorgaben, die Interessen des
deutschen Volkes zu vertreten – und dies noch dazu zu Lasten der anderen
Völker. Auch dies muss im Sinne einer objektiven Geschichtsbetrachtung deutlich
ausgesprochen werden.[64]
Als Reaktion auf die gegen die Slowenen gerichteten
Nazi-Maßnahmen musste sich zwangsläufig bald Widerstand erheben. Dieser war in
Kärnten zunächst ein spontaner, der erst nach und nach in die [219] kommunistisch geführte Osvobodilna Fronta (OF) eingegliedert
wurde, die auch für den Anschluss Südkärntens an Jugoslawien kämpfte.[65] In den bis 1941 zu
Jugoslawien gehörenden slowenischen Gebieten geriet der Widerstand schon früher
unter kommunistische Führung. Die Befreiungsfront (Osvobodilna Fronta) ist am
27. April 1941 gegründet worden;[66] sie ist aus der
einige Jahre zuvor hervorgetretenen Volksfront aus Kommunisten, christlichen
Sozialisten und einigen anderen Gruppierungen entstanden[67] und war von Anfang
an kommunistisch dominiert.[68]
6.4. Für viele Menschen jener Zeit, v.a. für
Intellektuelle, erschien der Kommunismus als einzige Alternative zum Faschismus
bzw. Nationalsozialismus, auch bei anderen Völkern, selbst bei deutschen (und
österreichischen) Nazi-Gegnern. Dies hängt sicherlich damit zusammen, dass die
Auswirkungen der braunen Diktatur mit ihrer Gewalttätigkeit und krausen
Ideologie am eigenen Leib deutlich spürbar waren, hingegen man sich über die
Zustände in Stalins Sowjetunion keine rechte Vorstellung machen konnte (und
einige negative Berichte von dort für böswillige Propaganda hielt). Dazu kommt,
dass dem Kommunismus ja durchaus humanistische und soziale Ideale zugrunde
liegen, die man dem Nationalsozialismus entgegensetzen konnte, der sich ja
ganz offen inhuman und menschenverachtend – eben rassistisch – verhielt.
Außerdem hätte der Kommunismus zu keiner bürokratischen Tyrannei führen müssen, wenn man den sozialistischen
Staat nach demokratischen Grundsätzen aufgebaut hätte. So aber war der Aufbau
des „Ersten sozialistischen Staatswesens“ mit Massendeportationen, Sozialschichtenmord
und Zwangsarbeit untrennbar verbunden; auch nach 1945 wurde diese Praxis
fortgesetzt und nach dem Zusammenbruch des Kommunismus (1989) kam dann nach und
nach die Wahrheit an den Tag. Dafür sind [220]
die seinerzeitigen Kommunisten im antifaschistischen Widerstand sicher
nicht verantwortlich zu machen, die meisten von ihnen waren Idealisten, die
aber – auch dies muss einmal ausgesprochen werden – zusammen mit anderen
Widerstandsgruppen von Stalin und seinen Mitstreitern für den sowjetischen
Imperialismus in Ost- und Südosteuropa missbraucht worden sind. Allerdings
gelang es zumindest den jugoslawischen Kommunisten die Früchte ihres Sieges
selbst zu genießen (1948: Bruch zwischen Stalin und Tito). Die jugoslawischen
Kommunisten bejahten von Anfang an den Gesamtstaat, hatten aber ein
föderalistisches Konzept (daher gab es eine eigene KP Sloweniens, Kroatiens
usw.);[69] die jugoslawische
KP bestand übrigens seit 1921, allerdings in der Illegalität.
7. Die Slowenen zwischen Widerstand und
„Titoismus“
Für Slowenien bedeutete dies, dass in diesem zutiefst
katholischen Land Vertreter einer politischen Ideologie die Führung im
„Volksbefreiungskampf“ übernahmen, die bei einem großen Teil der Bevölkerung
keine große Zustimmung finden konnte, zumal ja die Kommunisten das
Gesellschaftssystem und somit die Eigentumsverhältnisse grundlegend verändern
wollten. Ihre Taktik, vordergründig für die Befreiung des Volkes zu kämpfen,
hintergründig aber die Ziele der kommunistischen Revolution zu verfolgen, wurde
von vielen durchschaut. Doch diese Entwicklung war für die Slowenen
verhängnisvoll, weil sie zu einer Polarisierung beitrug. Viele Slowenen, die
mit den von den Deutschen über sie gebrachten Verhältnissen alles andere als
einverstanden waren, sahen den Kampf gegen den Kommunismus als eine
vordringliche Aufgabe an – analog, wie auch die Tito-Partisanen die
Eliminierung der Domobranzen (und königstreuen četniks) als vorrangig betrachtet haben; 1943 wurde die
slowenische Heimwehr (Domobranci) gegründet, die gegen die kommunistischen
Partisanen eingesetzt wurde. Damit nahm der Kampf um nationale Befreiung die
Dimension eines Bürgerkriegs [221] an[70] und am Ende des
Krieges wurde die Nazifremdherrschaft durch die kommunistische Diktatur, die
sich formal demokratisch präsentierte, abgelöst, die dann mit den
Antikommunisten brutal abrechnete: zehntausende Slowenen wurden in den
Urwäldern der Gottschee erschossen (darunter 12 000 sehr junge Menschen!).[71] Auch für die
Vertreibung der Deutschen und die Verschleppungen von Kärntnern sind die
Kommunisten verantwortlich gewesen; ebensowenig, wie man die Naziverbrechen den
deutschen Behörden, Beamten und Soldaten pauschal zuschreiben darf, ist in
diesem Zusammenhang auch eine pauschale Verurteilung der Partisanen und des
Widerstandes entschieden abzulehnen. Da wie dort trugen Einzelpersonen die
Hauptverantwortung und machten andere Personen durch die Erteilung von
entsprechenden Befehlen zu Mittätern und -schuldigen. Nicht nur in Kärnten, auf
dem ganzen slowenischen Gebiet spielte sich der Kampf zwischen
nationalsozialistischer und kommunistischer Diktatur mit seiner ganzen
Grausamkeit ab – sich neutral, abseits zu halten, war unmöglich.[72] Und ein halbes
Jahrhundert nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gelten für das Verhältnis
zwischen Slowenen und Deutschen (bzw. Österreichern) die Worte des slowenischen
Publizisten Mirko Bogataj: „Der Weg des
Friedens ist der Weg der Wahrheit. Wahrhaftigkeit ist ebenso wichtig wie die
Bereitschaft zum Frieden. Sollen für die eigene Sache günstige Wahrheiten
geglaubt werden, so muss man auch den Mut haben, Tatsachen auszusprechen, die
für eigene Sache nicht günstig sind.“[73]
8. Schlussbemerkungen
Zum Abschluss einige weitere Bemerkungen. Wie schon die slowenische Historikerin Tamara Griesser-Pečar[74] festgestellt hat, war für die [222] von Tito geleiteten jugoslawischen Partisanen der sogenannte „innere Feind“ ebenso wichtig wie der äußere, was bedeutete, dass sowohl die Armeeführung als auch die Kommunistische Partei (und ihr slowenischer Zweig) die Eliminierung der Domobranzen (und königstreuen četniks) als vorrangig betrachtet haben; erst danach kam dann der Kampf gegen die Okkupanten, denn die von den Kommunisten monopolisierte und instrumentalisierte „Befreiungsfront“ (OF) brachte mehr Energie auf, (sogenannte) Kollaborateure und Verräter als „Volksfeinde“ zu vernichten, als für den eigentlichen Volksbefreiungskampf; Massaker an wirklichen oder vermeintlichen Gegnern gab es aber schon in den Jahren 1942 im Karst/Kras sowie 1943 in der Gottschee/Kočevje (und anderswo). 1945 war die kroatische Armee auf ihrer Flucht vor den Kommunisten ins Schlepptau der sich zurückziehenden Wehrmacht nach Kärnten gelangt und hatte sich in Bleiburg/Pliberk den britischen Truppen ergeben.[75] Deren Angehörige wurden dann aber an die Partisanen ausgeliefert, die sie ermordet haben. So wurde der Gottscheer Hornwald zum Massengrab, auch für viele Slowenen, die bis 1946 auf der „falschen“ Seite standen. Die Massaker an den Domobranzen als Teil der Liquidierung der „bürgerlichen Klasse“ war lange Zeit Partei- und Staatsgeheimnis und blieb als Thema über Jahrzehnte hinweg tabu (bis in die Zeit der 1991 erlangten Unabhängigkeit Sloweniens). In einer solchen Tradition stehen noch heute viele der sogenannten „Antifaschisten“, was hier ausdrücklich festgestellt sei. In Slowenien selbst kam es vermehrt erst nach der Jahrtausendwende zu einer offiziellen Anerkennung („Entdeckung“) der Massengräber in den Fels- und Erdspalten im Karstgebiet, in stillgelegten Steinbrüchen, im Hornwald – nicht nur in unbewohnten oder dünn besiedelten Gebieten, sondern auch in der Nähe von Siedlungen. Dies führte dann zu staatsanwaltschaftlich gedeckten polizeilichen Untersuchungen. Daher [223] sollte für eine Traditionspflege des Titoismus und eine Verklärung des untergegangenen Jugoslawien, in dem man vielfach die gemäßigte Variante eines kommunistischen Staates erblickte, heute kein Platz mehr sein.[76] Dies gilt mutatis mutandis auch für unsere „rechten“ rückwärtsgewandten „Nationalen“, die im „Dritten Reich“ die letzte Chance für die Wiedererrichtung eines mächtigen Deutschen Reichs sehen. Doch der Nationalsozialismus war weder „national“ noch „sozialistisch“, sondern hat das Bekenntnis zum Deutschtum der von ihm verführten Personen zur Umsetzung seines militärischen Größenwahns und seiner rassistischen Vorstellungen schamlos missbraucht und somit das eigene Volk in den Abgrund geführt.
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Perkonig, Klagenfurt).
[1] Dazu vgl.
ausführlich Pohl 2018, 199ff.
[2] Aussprache
[εtˈni:], Plural Ethnien
[εtˈni:ǝn, auch
εtˈni:n], von
griechisch éthnos „Volk“, davon ethnisch ʻein bestimmtes Volkstum
betreffend, einer sprachlich und kulturell einheitlichen Volksgruppe angehörend
bzw. diese betreffendʼ.
[3] Grundbedeutung
ʻGeburtʼ, dann auch ʻVolksstamm, Völkerschaftʼ sowie ʻGeschlecht,
Art, Gattungʼ (neben weiteren Bedeutungen).
[4] Hier könnte man als Beispiel
die Iren anführen, deren ethnische
Intentität auf dem Katholizismus beruht und nicht
auf der Sprache, zumal nur mehr eine kleine Minderheit das Irische (Gaeilge ʻGälischʼ) im Alltagsleben spricht
(schätzungsweise 70.000); als Zweitsprache neben dem Englischen beherrschen es
ca. 1,6 Mill. (von ca. 4,8 Mill. Einwohnern), obwohl das Irische Pflichtfach in
der Schule ist.
[5] transliteriert
rossijanin.
[6] transliteriert
Rossijskaja Federacija bzw. Russkaja Federacija.
[7] eine
besonders im deutschen Sprachraum (nicht nur dort) sehr verbreitete Ansicht,
die zu einer irrigen Gleichsetzung von Sprach- und Volkstumsbegriff geführt hat
(vgl. Dressler 1974, 245).
[8] „und wie man
denkt, so ist man eben“ (Sornig 1998, 169 mit weiteren interessanten
Hinweisen).
[9] vgl. Fräss-Ehrfeld
1994, 295ff., vgl. auch Fräss-Ehrfeld 2000, 25ff.
[10] „Königreich der Serben, Kroaten
und Slowenen“, serbokroatisch Kraljevina Srba, Hrvata i Slovenaca, slowenisch Kraljevina
Srbov, Hrvatov in Slovencev,
ab 1929 Kraljevina Jugoslavija „Königreich Jugoslawien“.
[11] nach Wadl 1995, 181 (bei insg.
über 37 000 Stimmen freilich eine vernachlässigbare Größe).
[12] Jahne 1914, 78.
Dort wird auch bereits der Begriff „Südkärnten“ verwendet, der keineswegs erst
1920 oder später entstanden ist, wie immer wieder behauptet wird.
[13] Von der
Öffentlichkeit unbemerkt erfährt die utraquistische Schule in Österreich eine
Art Wiederbelebung in jenen Schulen, in denen als Unterrichtssprache Englisch
verwendet wird. Hier gilt das gleiche Prinzip: Elementarunterricht zunächst in
deutscher Sprache und schrittweises Erlernen der englischen Sprache, bis diese
so gut beherrscht wird, dass der Unterricht überwiegend auf englisch erfolgen
kann.
[14] Ein
bemerkenswertes Zitat bei Jahne 1914, 78: „Bezeichnend
ist die Ausage eines windischen Bäuerleins, dem der Pfarrer eine Begehrschrift
für die rein slovenische Schule vorlegte: ‘Wenn mein Bub schon eine fremde
Sprache lernen soll, so ist es mir lieber, er lernt deutsch!’ Dem Manne
erschien also die neuslovenische Schriftsprache viel fremder als das Deutsche,
das er täglich im Verkehr benötigt! “ Übrigens eine weit verbreitete
Vorstellung, wie u.a. auch, dass „der
Kärntner...Slovene...einen vielfach von deutschen Worten durchsetzten Dialekt “
spreche, der sich „wesentlich von der
künstlich gemachten neuslovenischen Schriftsprache“ unterscheide (Jahne
ebda. 75f.).
[15] Jahne 1914, 76.
[16] zumindest
indirekt, vgl. Inzko 1988, 85 u. Kurz 1990.
[17] auch die
Verwendung des Englischen als Unterrichtssprache (s.o. Anm. 13) kann man als
Amerikanisierung bzw. Anglisierung betrachten, zumal auch für allgemein
bildende Fächer britische Lehrbücher verwendet werden! In der
altösterreichischen utraquistischen Schule wurde ja auch das deutsche
Geschichtsbild vermittelt und die Welt durch die deutsche Brille erklärt –
keine böse Absicht, sondern in den verwendeten Lehrmitteln begründet.
[18] beschrieben
u.a. bei Jahne 1914, 75ff., Wutte 1927. – Dieses slowenische
Nationalbewusstsein war in Kärnten vor allem auf die Gleichberechtigung der
slowenischen Sprache – etwa als Unterrichtssprache oder im Amtsverkehr –
ausgerichtet. Doch ein Teil der slowenischsprachigen Bevölkerung unterstützte
diese emanzipatorische Bewegung nicht und sah im lokalen slowenischen Dialekt
lediglich eine Art „Haus- und Hofsprache“, die nicht verschriftlicht werden
sollte. Die slowenische Schriftsprache wurde daher abgelehnt.
[19] Vergleichbar mit
diesen Slowenen sind rund 500 „Deutsche“, die aus welchen Gründen auch immer
für Jugoslawien gestimmt haben. – Näheres dazu s. Fräss-Ehrfeld 2000, 193ff.
(mit Lit.), zum Sprachlichen Pohl 2009, s. 3.2.
[20] „Windisch“ ist
eigentlich das ursprüngliche, seit Mitte des 19. Jhdts. nur mehr volkstümliche
Wort für „slowenisch“ (vgl. Pohl 2015, Abschnitt 4), heute obsolet. – Von den
nationalbewussten Deutschen wie Slowenen wurden die „Windischen“ im wahrsten
Sinne des Wortes misshandelt, indem die „Deutschen“ sie als „deutschfreundlich“
vereinnahmten und die „Slowenen“ sie als „Abtrünnige“ verstießen – zu sehr
vermengte man Muttersprache und ethnisch-politisches Bekenntnis.
[21] In der
Sprachwissenschaft meist Erstsprache
bezeichnet, da diese nicht zwingend die der Mutter ist (s. u.a. https://de.wikipedia.org/wiki/Muttersprache, aufgerufen am 22.9.2019).
[22] Wutte 1906,
156, auch heute gültig (s. u.a. https://de.wikipedia.org/wiki/Umgangssprache, aufgerufen am 22.9.2019).
[23] Dies
interpretierte man aus deutscher Sicht gerne als „Machteinfluss des deutschen
Wesens“ (Jahne 1914, 80. Dieser gibt die nationalpolitische Stimmung in Kärnten
aus deutsch-nationaler Sicht wieder, die slowenisch-nationale wird in „Aus dem
Vilajet Kärnten“ [von J. Brejc 1913] kundgetan).
[24] vgl. Wutte
1906, 156f.
[25] vgl. Jahne
1914, 80f.