(teilweise) alles
zwischen wellen
I
immer von neuem reiben wir uns auf
treiben auseinander im wasserfarbenen blut
du und ich in richtungen, die gegen uns treten
uns die lampe nehmen, mit der wir unsere wirklichkeit
ausleuchten, wenige lumen reichen uns
für die gleißendsten möglichkeitsflutlichter, deren
schattenschläge die kontinente mit unseren rückkoppelungs-
gefühlen überschwemmen würden, wären da nicht
du und ich wir gegeneinander, ertrinkende
nicht zu erreichen, deren gesichter immer auch die unseren
sein müssen, immer auch das unsere ist treibgut der zugehörigen
knochen, wellenbrecher gegen die getaktete brandung
II
klamm liegt der schaum mir im mund
wenn ich morgens die ersten worte verschlucke
und später erst die lippen bewege, viel später
verweigerungen hinaustrage auf die müllhalden vor der stadt
auf denen sich die zurückgelassenen lebens-
momente, die niemanden über wasser halten
aneinander gedrückt und in sich
zusammen sinken, dunkelnde lichtwerke
der zu hitzig geliebten sonne, die flecken brennt
in die netze der augen das gesicht
mit den narben der zeit
III
ganz anders hättest du mir das auch sagen können
sage ich, sag irgendetwas, sage ich
doch du sagst nichts dazu, bist auf reisen, bist nicht mehr
hier in deinem kopf, bist nicht mehr der kopf, zu dem ich sage, dass du
etwas sagen sollst, dass dein mund etwas aus-
spucken soll, was mir gilt etwas das mir gilt, bitte ich, ich
bitte um alles und schalte dein fernsehen stumm und schlage
mit dem kopf gegen das bild, der kanal aber öffnet sich nicht
drinnen wie draußen bin ich nicht darstellung einer äußerlichkeit
habe keinen beweis keinen stempel, der dich mir aufdrückt
und du sagst nichts du schweigst lässt mich links liegen
und rechts liege ich ebenfalls, in einer lache meiner eigenen
aussichten: das bin ich, sage ich sag doch etwas, sagst du
sag etwas, damit ich dich erkennen kann
(das aber geht nicht)
IV
alles ist kalt, drüben und in mir, da
zwischen den fingern wo es taut, sobald
das gluckern im kopf und im bauch. die heizkörperorgane
unter der decke, in und neben mir auf mir
mit den tagesthemen beginnen, den klee mit den vier blättern zu gießen
heute kakteen und gespräche über den spatenstich, nur die erde
ist dicht vergeblich, wir hatten doch auch schon andere beweggründe (weißt du noch)
verworfen haben wir all unsere satzzeichen
getarnt in hülsen gewickelt
einer glasblase gleich, beharrlich
kreisend über dem feuer
V
der druck steigt wie das eiswasser der tauenden fuge
geschluckt um die adern zu wärmen. besänftigte
in der kälte der finsternis mischt neue dunkelheiten
unsichtbare sprossen der fluchtwege. nach lücken
sortieren himmelwärts ragen, zurufe
auf den lippen, im kopf siehst du nicht, meine abgewartete haut drückt
rinnen in unseren vergletscherten luftstrom
VI
länger kann ich nicht du kannst nicht länger, wir warten
länger nicht oder kürzer auch nicht länger sagst du, ich lache darüber
worte, die abperlen an uns, kleine scherze, die nicht weniger
wahrheiten klebstoffe sind alles tragfähigkeiten, sage ich
tragflächen zu schwer, um auf ihnen zu fliegen, zu leicht
alles hinter sich fallen zu lassen, zu wenig tragbar für den der allein
wieder wollen wir alles an uns reißen, mit uns
in den überhang
(der bricht, wenn du lachst)
VII
das meiste sind wir eingegangen, um es nicht zu berücksichtigen
keine gebühr zu erheben, keine proben zu nehmen stücke
darauf zu halten, verfärbungen an den rändern zu löschen. unsere ansprüche
wie bissigkeiten gegen die welt, die draußen, vor allen
eingängen die türen zugeschlagen hat
blau unsere hände, vom festhalten
VIII
wann können wir endlich gegenseitig die augen, die
zeiger der uhren noch einmal zurückdrehen ansuchen an
das licht sich später zu zeigen. vergessenes nachdunkeln
jenen trauen, die reste von tag nacht und allem
was nicht wurde, bleibt ungeliebt dränge ich nach
draußen einem vorhang aus andeutungen zum trotz
gegen luft und rotstich dem aufgang
einer schwellenden eintrittsstelle
gleich, durch die haut
IX
die wahrheiten trinken sich schluckweise vom löffel, den ich gegen den gaumen
gedrückt, bis der schmerz der ränder in die großhirnrinde sitzt, bis wir
jahr und tag aus den vorstellungen schälen, die wir uns gemacht
niemals eingetragen in die zeit. wider aller vorhaltungen
haben wir doch alles notwendige bekommen, forderungen
losungsworte gefunden, füreinander dagegen
sind wir angerannt und still, exerzierend im gefederten schlaf
vielleicht (irgendwann) doch zu erwecken
unter blättern
I
diese stadt ist keine fremde, wie alles
vor allem asphalt glas zeilen aus lebensmittel-
punkten die mit linien verbunden, die himmelsrichtungen
verwechseln nach süden dringt der osten, das ziel
stülpt sich ins umgekehrte in mir, kopfüber
sichtbeton die schattenseite auf den fahlen
wangen der konstrukte freiflächen, die ich beschlagen
übertrage in mich selbst hinein. das ziel als falsche
ausgangslage, wo zukunft haftet
am gefallenen blattwerk
II
lichtpunkte in der pupille getragene gewänder
wie gewinde, schraubkörper der tagesaktualitäten, sie
greifen nicht sie haben nicht begriffen. läuft
aus, was innen bleiben soll, sich drinnen drängt. im
zickzack schwimmen wir durch diese wirklichkeit, verlassen
wir uns alle behalten keine zeit, doch alles recht: komm schau,
der raum ufert in stromschwellen hinein die nächste
nähe reißt wie nähte aus-
einander (trennt die spreu von spreu)
III
gegenüber suche ich nach gegenüber
so wie drinnen nach drinnen, draußen nach ferne
hinausreden will sie aufsetzen wie tarn-
masken bälle, die sich ausspielen. völkerballschlachten in den
kindheitsresten, ausgrabungen sind stammbäume. mein lieber
ursprung, wir kennen uns nicht. ich bin die
fließgeschwindigkeit, du die bremse. niemandem sag ich
meinen namen, der nur aus papier gebaut, zusammen-
brechen muss gegen den zahlenstrahl der zeit
VI
ich greife nach verbindlichkeiten, binde maschen
in die worte, die sich schlagen um den ersten platz
am sockel der vergessenen gedanken, die nach-
schlagewerke auskratzen westwärts mit dem finger
spuren in die wortketten der erinnerungsufer, an
denen ausgetragen wird, was eingenommen wurde. stichhaltig
sind die proben, oder anders gefasst trage ich mich
vor, als muster für einen richtigen zeitpunkt. oder: dort
wo die leerstelle sich ausdehnt, drehe
ich mich mit meiner fassung hinein
V
die fakten sind gedehnt gestreckt über-
brücken den abgrund. nur die, die nicht müssen, halten sich
am alter der ansichten, wir wissen alles und davon zuviel
sagten sie, bräuchten sie worte dafür. ich selbst
behaupte es ebenso gründlich (wie nicht)
ringe mit büchern, schlage mich ein in die zeitungs-
papiere dem kopfkissen als stütze der lächelnden
lächerlichkeiten, die den tag auspolstern gegen bruch-
kanten der horizont kippt, schlägt sich auf
in zwischenstände der aktuellen
lage, stabil auf der ewig gleichen seite
VI
gesponnene schwachstellen, die sich anlehnen
mausern sich wie vögel, lassen sprachfetzen
fallen, splittern aus an den enden kleben wie spinnen-
netze, die im feuer glühen, wenn es den raum
erfasst und zerteilt in vormals und hinterher, in
höhlengemälde und gleichungen. wo schatten waren
sind scherenschnitte jetzt. so sagen die, die nicht mehr zu solchen
dingen hinschauen müssen. flugunfähig regnet es
ansätze vom himmel, mein kopf der auffangtrichter, in dessen
haaren sich behauptetes verfängt