Ihagee und Exakta
Kurze Geschichte der Fa. Ihagee - Teil 2

                                                                      Peter LAUSCH

 

 

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Das wechselvolle Schicksal der Ihagee in Dresden - Teil 2

Fortsetzung:

Rechtslage während des 2. Weltkriegs

   1940 wurden von den Nazis Regelungen für die rechtliche Behandlung von feindlichem Eigentum erlassen. Wesentlicher Inhalt dieser Regelungen war, dass Staatsangehörige von Feindstaaten, zu denen auch Holland gezählt wurde, über ihr Eigentum in Deutschland nicht mehr verfügen durften. Anfangs 1941 wurde die <Offene Handelsgesellschaft Ihagee Kamerawerk Steenbergen & Co in Dresden>, wie die Firma im Handelsregister aufschien, von den Nazis überhaupt konfisziert, blieb jedoch auch weiterhin im Eigentum Steenbergens und der übrigen Beteiligten. Zu einer eigentlichen Enteignung der Eigentümer kam es indessen nicht.

   1941 setzte das Hitler-Regime einen speziellen Verwalter ein, einen gestandenen Nazi, der die Mitglieder der bisherigen Geschäftsleitung, die auch Anteilseigner an der Firma waren, ebenso entließ wie die übrigen im Management der Firma tätigen holländischen Angestellten. Steenbergen schied daher im Oktober 1941 aus der Geschäftsführung aus. Es blieben ihm, so wie den übrigen Anteilseigentümern, die Anteilsrechte an der in zwei Nachfolgegesellschaften aufgeteilten Firma zwar erhalten, auf die eigentliche Geschäftsführung konnten sie jedoch keinen Einfluss mehr nehmen.

   Steenbergen zog sich mit seiner Frau nach Süddeutschland zurück und blieb als holländischer Staatsbürger zunächst unbehelligt. 1940 wurden sie für einige Tage von der Gestapo festgenommen. Nach der Entlassung reisten Steenbergen und seine Gattin in die Schweiz. Da die Gattin die amerikanische Staatbürgerschaft besaß, konnte Steenbergen anstandslos in die USA emigrieren, wo er die Jahre des 2. Weltkriegs verbrachte.

Rechtslage nach dem 2. Weltkrieg

   Wie viele andere Firmen der deutschen Industrie in der sowjetischen Besatzungszone wurde auch die Firma Ihagee Kamerawerk AG, wie sie seit 1941 hieß, von den Sowjets übernommen. Viel konnten sie damit nicht anfangen, denn durch den anglo-amerikanischen Bombenangriff auf Dresden im Februar 1945 waren auch die Produktionsanlagen zerstört worden. Ähnlich wie bei Zeiss waren jedoch viele Bestandteile der Exakta außerhalb von Dresden eingelagert worden, sodass die Fertigung von Kameras, wenn auch zunächst in notdürftig eingerichteten Räumen im Juli 1945 wieder aufgenommen wurde. An der Kamera wurden in der Folge geringfügige Änderungen vorgenommen, so wurde die Form der seitlichen Ösen für den Tragriemen geändert und die Verschlusszeit 1/10 Sekunde auf dem rechten Langzeitenknopf auf 1/5 Sekunde geändert. Geändert wurde bei den für den Export in angelsächsische Länder bestimmten Exemplaren auch die Schreibweise auf der Frontplatte von "Exakta" auf "Exacta". Mit den Exportergebnissen sollten notwendig benötigte Devisen beschafft und Reparationen an die Sowjetunion bezahlt werden.

   Die Firma selbst wurde weder von den Sowjets noch von der Regierung der DDR den Eigentümern zurückgegeben. Vermutlich wegen des holländischen Mehrheitsaktionärs Steenbergen wurde die Firma aber auch nicht ins Volkseigentum übergeführt. Statt dessen wählte man ab 1951 die Konstruktion, dass die Firma vom VEB Optik “verwaltet” wurde. So blieb die Rechtslage bis 1970. Damals wurde die Firma aufgelöst und ihr Vermögen an den VEB Pentacon übergeführt.

   Steenbergen versuchte nach seiner Rückkehr nach Europa, wiederum Einfluss auf seine Firma in der nachmaligen DDR zu gewinnen, die ja formal noch im Eigentum der seinerzeitigen Anteilseigentümer und deren Erben stand.  1960 wurde zu diesem Zweck die “Ihagee Kamerawerk AG” mit Sitz in Frankfurt am Main gegründet, die 1963 in “Ihagee Exakta Photo AG” mit Sitz in München umbenannt wurde. Ab 1960 wurde eine Reihe von marken- und namensrechtlichen Prozessen mit dem Ziel angestrengt, der Dresdner Firma die Verwendung traditioneller Bezeichnungen wie Ihagee und Exakta zu untersagen und die Verfügungsgewalt über die Firma zurückzugewinnen. Für die Prozessgegner in der DDR war der Ausgang der einschlägigen Gerichtsverfahren wohl voraussehbar. Es ging offenbar bloß darum, den Rechtsweg auszuschöpfen und Zeit zu gewinnen. Diese Rechtsstreitigkeiten waren freilich nicht dazu angetan, die Innovationsfreude anzuheben. Das alles führte dazu, dass zwar neue Modelle mit neuen Namen herausgebracht wurden, die sich jedoch bloß in Kleinigkeiten von den vorangegangenen Modellen unterschieden. Manches ist daran positiv: auch die jüngsten Suchereinsätze lassen sich in alle Exaktas einsetzen, unabhängig vom Erzeugungsdatum. Anderes wurde nie der Entwicklung angepasst. In keiner Exakta wurde jemals ein Springblendenmechanismus integriert, wie ihn die Konkurrenz in ihre Kameras einbaute - statt dessen half man sich mit "Auswüchsen" an den entsprechend ausgestatteten Objektiven, die naturgemäß teurer waren als Objektive ohne Auswuchs. Mit den Auswüchsen funktionierten die Objektive dann so ähnlich wie Objektive mit Springblendenautomatik an vorwiegend japanischen Kameras. Andere Entwicklungen wurden anscheinend einfach verschlafen und in ihrer Bedeutung nicht erkannt: der Rückkehrspiegel etwa, den es erst an der Exakta VX1000 ab 1967 gab.

   Mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 31. Jänner 1969 wurden die Namensrechte an die Erben übertragen. Steenbergen selbst erlebte diesen Prozesssieg nicht mehr, er war am 7. März 1967 verstorben.

   Von diesem Zeitpunkt war klargestellt, dass die Exakta eigentlich nur mehr im Ostblock Exakta heißen durfte, weil dieser der Jurisdiktion westlicher Gerichte entzogen war. In der DDR half man sich mit der Umbenennung der Kamera, zum Beispiel (je nach Modell) auf VX IIa, VX IIb oder VX 1000. Die VX1000 wurde auf verschiedenen Exportmärkten auch als Elbaflex bezeichnet. Im Wesentlichen spielte sich damit das Gleiche ab wie im Rechtsstreit zwischen Zeiss, Jena, und der Zeiss-Stiftung im Westen um die Namensrechte an der Contax, dem Sonnar, dem Tessar und anderen, schon vor 1945 verwendeten Bezeichnungen.

   Nicht erfasst wurden Bezeichnungen, die vor 1945 nicht verwendet worden waren bzw. danach neu geschaffen wurden. Aus diesem Grunde durfte daher das Werk in Jena ohne rechtliche Folgen die Exa in ihren verschiedenen Modellen weiterhin als Exa verkaufen.

   1968 wurde in der DDR das Vermögen der “Ihagee AG in Verwaltung” an den VEB Pentacon übertragen und hörte damit zu existieren auf. Pentacon erzeugte zwar noch einige Zeit die VX1000 und verschiedene Versionen der Billigausgabe Exa. Die Baureihe Exakta oder VX1000 wurde indessen 1970 eingestellt. Ersetzt wurde sie durch eine von Pentacon entwickelte, seinerzeit recht moderne Kamera, die Exakta RTL 1000, die mit der Exakta nur den Namen und das Bajonett gemeinsam hatte, nicht jedoch die Bauform – und auch nicht den Zauber der Exakta. Ab 1973 wurde auch die Exakta RTL 1000 nicht mehr hergestellt, die so ja auch nur im Ostblock geheißen hatte, im Westen jedoch meist als RTL 1000 verkauft wurde.

Weiteres Schicksal der Ihagee Exakta Photo AG

Schon 1963 wurde während der Photokina der erste Prototyp einer in wesentlichen Belangen neu entwickelten und durchaus modernen Exakta Real in München vorgestellt. Die Serienproduktion dieser Kamera lief - nach Beseitigung diverser Mängel des Prototyps - jedoch erst 1966 in Berlin in einer neu errichteten Produktionsstätte und mit extra ausgebildeten Mitarbeitern (ca. 70) an. Mangels ausreichenden finanziellen Rückhalts (und wohl auch wegen der Marktsituation) wurde die Produktion sehr rasch wieder eingestellt. Insgesamt wurden max. 1000 Stück der Exakta real gebaut. Damit endete der Bau eigener Kameras durch die Firma.

Die in “Ihagee AG” mit Sitz in Westberlin umbenannte Firma betätigte sich daraufhin noch einige Jahre als Importeurin verschiedener als Exakta bezeichneter Kameras auf Basis japanischer Modelle, bewies aber auch dabei keine glückliche Hand. Die von Cosina als Auftragsproduktion hergestellte Exakta Twin TL war ebensowenig erfolgreich wie die ausgerechnet von dem erfolglosen und bald danach in Konkurs gegangenen Petri-Kamerawerk hergestellten Modelle Exakta TL 1000, Exakta TL 500 und Exakta FE 2000, die bis auf den Namen mit den entsprechenden Modellen von Petri identisch waren. Konnten an der Twin TL wenigstens noch die alten Objektive mit dem Exakta-Bajonett, wenn auch mittels Adapter, verwendet werden, war dies bei den Modellen von Petri nicht mehr der Fall; sie besaßen ein M42-Schraubgewinde und einen ins Kameragehäuse integrierten Springblendenmechanismus.

Im Oktober 1967 wurde die Ihagee AG firmenrechtlich aufgelöst. Die von Steenbergen 1941 gegründete offene Handelsgesellschaft “Steenbergen & Co” wurde schließlich 1996 wegen faktischer Vermögenslosigkeit aufgelöst. Damit endet die Geschichte Steenbergens und seiner Exakta endgültig.

Einige nützliche Links zur Geschichte der Exakta:
Pacific Rim (Überblick über die einzelnen Modelle der Exakta und der Exa)
Wrotniak Net (Beschreibung und Abbildungen vieler Modelle)
Captain Jack (Abbildungen vieler Modelle der Exakta und der Objektive von wichtigen Fremdherstellern – unverzichtbar vor dem Kauf)
Gary Cullen
Stephen Gandy
Jan B. Jan’s Exakta Site

Drei Bücher zur Geschichte der Exakta:

Klaus Wichmann, Exakta, Lindemanns Verlag, 1995

Aguila & Rouah, Exakta, Hove Foto Books, 1989 (in Engrisch, siehe auch www.engrish.com )

Stephen Gandy's Exakta-Buch, in Vorbereitung

Falls Sie weiterlesen wollen:

Zur Vorstellung der Exakta VX1000

Zur kurzgefassten Bedienungsanleitung der Exakta VX1000,

Zur Beschreibung der Exa-Baureihe an Hand der Exa IIb

Zu meiner Kameraseite

Zu meiner Homepage

Zum Teil 1 der Geschichte der Ihagee und der Exakta

 

 

Geändert am 2.10.2002

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