2.3 Realisierungsanforderungen

Realisierungsforderungen gelten als entscheidende Größe, da sie die Leistungsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz eines E-Wahlsystems beeinflussen.

2.3.1 Skalierbarkeit

Eine der bedeutsamsten Eigenschaften offener Systeme ist die Skalierbarkeit. Das kleinste verteilte System basiert auf zwei Workstations und einem Server. Viele lokale Netze werden miteinander verbunden, um Internetzwerke (Internetworks) zu bilden. Diese können Tausende von Netzwerken enthalten, und die Ressourcen lassen sich von den Nutzern parallel nützen. Die E-Wahlinfrastruktur sollte als Gesamtheit gesehen bei einer ständig steigenden Zahl von Anwendern gleichbleibend gute Performance erbringen. Sie muß zusätzliche Belastungen eines offenen Systems bewältigen. Zentralistische Lösungen für Administrationen sind ungünstig, da sie der Vorstellung eines verteilten Systems widersprechen. Sie reduzieren Skalierbarkeit und Erweiterbarkeit. Eine einzige zentrale Administration würde bei einer mittleren Teilnehmerzahl durch hohe Kommunikationsbelastung und inakzeptable Antwortzeiten an Grenzen stoßen. Infolgedessen benötigt eine Demokratieinfrastruktur mehrere verteilte Administrationen. Die Skalierbarkeit eines elektronischen Wahlsystems läßt sich grob in 3 Kategorien einteilen:

2.3.2 Performance

2.3.2.1 Übertragungszeit

Wir definieren die Übertragungszeit eines Wahlscheins als die Zeitdauer zwischen dem Beginn der Transmission und dem Empfang bei der entsprechenden Administration (bzw. beim Auswertungs-Server) nach folgender Formel:

Wahlscheintransferzeit = Verzögerungszeit + Datenlänge / Durchsatzrate.

Die Verzögerungszeit betrifft Zeitverluste, die Client für Netzzugriffe aufbringen muß. Der Durchsatz ist die durchschnittliche Geschwindigkeit (Bit/s), mit der Daten nach Beginn der Transmission zwischen Client und Administration transferiert werden können. Die Datenlänge betrifft die Länge der Wahlscheindaten.

2.3.3 Durchsatz

2.3.3.1 Auswertungsdurchsatz

Der Auswertungsdurchsatz einer elektronischen Wahl ist die Anzahl der Wahlscheine, die pro Zeiteinheit (Wahlscheine/Sekunde) verifiziert und gezählt werden können. Je höher der Auswertungsdurchsatz ist, um so schneller sind die Resultate verfügbar. Ein System mit hohem Auswertungsdurchsatz kann eine große Zahl von E-Wahlscheinen in kurzer Zeit evaluieren.

Bei einer Regierungswahl darf meistens erst nach Ende der Wahlzeit mit der Auswertung begonnen werden. Es wäre wünschenswert, für die Auswertungszeit eine maximale Dauer zu definieren, damit die Ergebnisse vor dem Ende einer fixen Deadline feststehen.

Sei EZ die Entschlüsselungszeit, VZ die Verifikationszeit und ZZ die Zählzeit pro Wahlschein, dann benötigt ein Auswertungs-Server zur Auswertung eines Wahlscheins AZ=(EZ+VZ+ZZ)Sekunden.

Nachdem der Auswertungs-Server das Resultat ermittelt hat, kommt oft eine weitere Verzögerungszeit O hinzu (z.B. für das Signieren der Resultate, Erstellen von Statistiken, Kommunikation mit zentralen Instanzen etc.). Um eine Anzahl von n Wahlscheinen auszuwerten, benötigt ein Auswertungs-Server einen Zeitaufwand von

= + O Sekunden.

Im Testbetrieb können die einzelnen Zeitwerte gemessen und eine obere Zeitschranke zum Ermitteln des Resultates festgelegt werden.

Durch gleichmäßige Aufteilung der Arbeitslast auf m Auswertungs-Server  ist der Zeitaufwand weiter reduzierbar.

2.3.4 Portabilität

Portabilität gilt als Maß für den Aufwand, mit dem sich die Wahlapplikation von einer Umgebung in eine andere übertragen läßt. Eine Wahlapplikation ist dann portabel, wenn der Übertragungsaufwand wesentlich geringer als der Implementierungsaufwand ist. Da allgemein Programme länger leben als Rechner, gilt Portabilität als wichtige Größe. Wegen wirtschaftlicher Aspekte sollte ein Wahlprogramm auch plattformunabhängig funktionieren.

2.3.5 Ortsunabhängigkeit

Die elektronische Stimmabgabe darf keinesfalls auf die physische Präsenz der Wähler im Wahllokal eingeschränkt bleiben. Die Wahl über verteilte Systeme realisiert die Stimmabgabe von einer beliebigen Örtlichkeit. Die Ortsunabhängigkeit bedingt, daß die Wahl-Software rechnerunabhängig läuft.

2.3.6 Benutzerfreundlichkeit

Die Benutzerfreundlichkeit besteht aus den Größen Adäquatheit, Erlernbarkeit und Fehlertransparenz der Wahlanwendung.

2.3.6.1 Adäquatheit

Das User-Interface für Wahlapplikationen sollte sowohl aus der Sicht des Wählers als auch aus der Sicht der Administration einfach gestaltet sein. Es wird erwartet, daß Einfachheit zur Massenverwendung und diese zur globalen Akzeptanz führt. Die Stimmabgabe muß ohne mehrfache Eingabe von Informationen durchgeführt werden können. Die notwendigen Eingaben sollten bequem und die Darstellung der Wahlmöglichkeiten übersichtlich gestaltet sein. Für den Anwender zeichnet sich der Wahlprozeß durch einfache Zugänglichkeit aus. Es muß durch wenige, unkomplizierte Schritte möglich sein, einen Wahlschein abzugeben. Die Erfüllung dieser erwarteten Leistung ist während der Wahlzeit zu garantieren. Auch darf die Antwortzeit der Oberfläche - nach Eingabe des Kommandos zur Stimmabgabe - kaum merkbar sein.

2.3.6.2 Erlernbarkeit

Um die Erlernbarkeit des Systems auf Wählerseite bzw. Administrationsseite zu garantieren, sollten verständliche Benutzerdokumentationen, eine vertraute Benutzeroberfläche und ein Tutorial (Lernen durch Probieren) zur Verfügung gestellt werden.

2.3.6.3 Fehlertransparenz

Fehlertransparenz verbirgt den Ausfall einzelner Komponenten des E-Wahlsystems, indem nach einem geeigneten Ersatz im System gesucht wird. Das Ziel ist dabei, Fehlertoleranz zu erreichen. Der Wähler und die Anwendungsprogramme können die Stimmabgabe trotz Fehler erfolgreich durchführen. Das Gesamtsystem darf nicht von einem Ausfall der Teilkomponenten beeinflusst werden. Die Daten sollen konsistent bleiben. Ein Client oder Server maskiert einen Fehler, indem der Fehler versteckt wird. Fehler werden also (bis zu einem bestimmten Grad) vom System maskiert, wobei der Wähler davon nichts bemerkt.

Auch gehört zur Forderung Benutzerfreundlichkeit die Existenz von