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Paulaner Nachrichten:
September/Oktober 2013
Ins Gebet genommen
Andreas Knapp und Melanie Wolfers bringen in ihrem Buch: Glaube, der nach Freiheit schmeckt - eine Einladung an Zweifler und Skeptiker einen Abschnitt über das Gebet unter. Darin heißt es: "Es ist heute weniger peinlich, beim Schwarzfahren erwischt zu werden als beim Beten. Und wer im Freundes - oder Kollegenkreis die Frage stellt: "Betest du?", wird vermutlich eher ein betretenes Schweigen ernten als würde er fragen, ob jemand von den Anwesenden Geld in Steueroasen der Karibik angelegt hat. Denn gilt Beten nicht als Flucht auf eine Insel der Seligen, um sich vor den rauen Stürmen des Alltags zu schützen? Beten scheint irgendwie sinnlos zu sein.

Nur wer betet, kann mit der Zeit entdecken, ob Beten sinnvoll ist. Theoretisch lässt sich das nicht klären. In unseren alltäglichen Gesprächen und bei manchem Stoßseufzer haben wir manchmal den Eindruck, dass wir wie gegen eine Wand reden. Wer ernsthaft zu beten beginnt, kann erahnen, dass die Wände Ohren haben. Dass jemand da ist, der zuhört. Speziell im christlichen Gebet gilt: "Achtung! Freund hört mit!" Denn in Jesus Christus hat Gott allen Menschen das Du angeboten. Das Revolutionäre des christlichen Betens liegt darin, dass man Gott duzen kann. Als "Vater" ist er jederzeit anrufbar. Es gibt eine gebührenfreie Hotline, einen drahtlosen heißen Draht nach oben. Hier hat der Mensch unbegrenzte Redefreiheit.

Das biblische Beten ist daher von Spontaneität und großem Freimut gekennzeichnet. Die Glaubenden schütten Gott ihr Herz aus. Sie danken, bitten, klagen, schreien, verhandeln, kämpfen, fluchen, fragen, loben, beten an oder schweigen. Was immer einem Menschen auf der Seele liegt: Gott gegenüber kann er es ungeschminkt und geradeheraus sagen. Um dieses Vertrauen, dass wir bei Gott mit der ganzen Wahrheit unseres Lebens an der "richtigen Adresse" sind, wirbt der Heilige Geist. Er ist es, der wie ein Kraftstrom in der Tiefe die Beziehung zum Vater herstellt und in uns betet. (Röm. 8,26f.) Von diesem Zufluss zu Gott kann sich der Mensch einfach tragen lassen. Er darf darauf vertrauen, dass seine Worte und Gefühle, seine Ohnmacht und sein Schweigen in Gott münden.

Beten ist kein innerer Kreisverkehr um das eigene Ich, sondern es führt in eine geheimnisvolle Mitte. Ein solches Beten ist also kein Monolog, sondern ein Dialog. Christen beten nicht darum, dass Gott an ihrer Stelle etwas tut, sondern dass sie zur rechten Zeit an der Stelle sind, wo sie gebraucht werden. Das vom Beten inspirierte Handeln ist engagiert, ohne fanatisch zu sein. Es will etwas bewirken und lässt sich zugleich von Misserfolg nicht lähmen."
Und frei nach Goethe: Wie halten wir es mit dem Beten?.
fragt Ihr Pfarrer Franz Wilfinger


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