Sirius
Ich war in einer Tierhandlung um Laborpellets für Ratten (werden dort als Alleinfutter angeboten, unsere bekommen sie hin und wieder als besonderes Leckerli) zu besorgen. Wie üblich lies ich meinen Blick schweifen, um zu begutachten, ob alles OK ist. Da sah ich ihn. Ganz alleine in einem riesigen Käfig und am Mützen. Ich ging zu den Verkäuferinnen und fragte sie, ob sie auch Ratten führen würden. Man entgegnete mir, dass man im Moment nur noch den alten Herren hätte, es würde auch zwischen einer Woche und einem Monat dauern können, bis Nachschub kommen würde, da man keine Ratten mehr vom Händler führe, sondern nur noch von privaten Personen. Sehr löblich im Vergleich zu anderen Zoofachhandlungen in Wien. Ich bat darum, mir den Opi einmal aus der Nähe ansehen zu dürfen. Er kuschelte sich sofort auf meinem Arm ein und putzte meine Hand. Da war's auch schon um mich geschehen. Ich blieb noch eine Stunde in dem Laden und lies mir alles über ihn erzählen. Also er hieß Sirius, war über 2 Jahre alt, lebte seit etwa einem halben Jahr alleine (eine Aushilfe verkaufte seinen langjährigen Partner und Bruder), war seit der Geburt auf einem Auge blind (es war auch kleiner als das sehende) und hatte bereits eine Tumoroperation hinter sich. Er lebte immer schon in dem Laden und niemand wollte ihn. Ihr hättet dabei sein sollen, er sah so friedlich und glücklich aus. Als wir gingen waren die beiden Damen zu Tränen gerührt, dass ihr Liebling nun endlich einen Platz zum Altwerden gefunden hatte. Ach ja, bezahlt habe ich natürlich nichts für ihn. Zu Hause angekommen, kuschelte er erst einmal eine Runde mit Pascal und lernte Hund und Katzen kennen, dann lies ich unsere Jungs probeweise zu ihm. Es gab absolut keine Probleme und er wackelte hinter ihnen in den Käfig. Bis zum Ende war er glücklich im Familienverband und wurde von allen liebevoll behandelt. Er blühte richtig auf, war aktiver und kümmerte sich hinreißend um den Nachwuchs. Seinen Namen hatte Sirius vom gleichlautendem Stern (auch Canis Major genannt), der wieder rum ein wesentlicher Bestandteil des Sternbildes "Großer Hund" ist. Er hatte schon vor über 3000 Jahren vor unserer Zeitrechnung eine wichtige Bedeutung im Leben und Handeln der Menschen. Damals war Sirius in Ägypten als Sothis (auch Sopdet genannt, die ägyptische Göttin des Sirius) bekannt und diente als Grundlage für den gleichnamigen Kalender. Sein heliakischer Aufgang (das erste kurze Erscheinen kurz vor Sonnenaufgang) fand Mitte Juli statt und fiel mit der jährlichen Nilschwemme zusammen. Diese war wichtig für die Fruchtbarkeit im Nilbecken und Grundlage für das Leben und den Wohlstand in Ägypten. Für die Verbindung Sirius/Sothis existierten verschiedene Interpretationen. So sah man darin die Göttin Isis, Schwester und Gefährtin des Osiris, der mit dem Sternbild Orion gleichzusetzen war. Später verschmolz der Isis-Kult mit dem der Göttin Hathor und Sirius wurde der Stern der kuhköpfigen Isis-Hathor. Die Hundedarstellung ist jedoch der älteste Symbolismus. So verkörperte Sirius auch den schakalköpfigen Gott Anubis, der, wie der griechische Hermes, die Toten in die Unterwelt begleitete. Anubis gilt als
Erfinder des Einbalsamierens und überwachte die Bestattungsriten.
Er wog die Seelen der Verstorbenen auf der Waage der Gerechtigkeit,
um so ihr Leben nach dem Tode zu bestimmen. Sirius wird auch mit den
"Hundstagen" (40 Tage zu Beginn des Sothis-Jahres an denen
es am heißesten war) in Verbindung gebracht, daher wohl auch die
Bezeichnung Hundestern. Die Griechen übernahmen die alte Sirius-Legende
und adaptierten diese in ihre Mythologie. Sowohl der Große als
auch der Kleine Hund werden dem Jäger Orion zugeordnet. Auch in
der babylonischen Mythologie gab es einen Hund, der einem Riesen auf
dem Fuße folgt und sich auf den Hasen (Lepus) zu Orions Füßen
stürzen möchte. Einige Dichter, auch der Römer Ovid (43
v. Chr. - 17 n. Chr.) sahen in den Hunden Maira, den treuen Hund des
Ikarios (Rinderhirte, Bootes). Maira bedeutet leuchtend. Andere Überlieferungen
sagen, dass der Große Hund den dreiköpfigen Höllenhund
Zerberus darstellt, der das Tor zur Unterwelt, Hades, bewachte. Hier
werden die Parallelen sichtbar: Zerberus bewacht den Hades, das Totenreich,
Anubis war der Herr der Toten und Maira führte Erigone zum Grab
ihres Vaters - ein letzter Dienst an einem Toten. Für die Chinesen
war Sirius T'ien-lang, der himmlische Schakal. Die südlichen Sterne
verkörperten Pfeil und Bogen, mit denen T'ien-lang getötet
wurde, nachdem er die Ernte des chinesischen Kaisers verschlungen hatte.
Sirius war alt und es war uns klar, dass er nicht all zu lange bei uns
verweilen würde. Auch er bekam einige der typischen Alterserscheinungen
und starb schließlich an Altersschwäche. Dabei lag er auf
meinem Arm, drückte seinen Kopf in meine Hand, knusperte und schlief
ein, für immer.
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