LESEPROBE
»TAGEBUCH EINES WERDENDEN VATERS«
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(c) Manu Nitsch |
»Tagebuch eines werdenden Vaters«
Satirischer Roman
Wiesenburg 2003
ISBN 3-932497-93-7
350 Seiten
Euro 17,80
Dienstag, 12. Februar
Liebes Tagebuch,
heute Morgen, als wir gemütlich im Bett lagen, setzte sich meine
Herzallerliebste plötzlich energisch auf, ließ ihren Blick
prüfend über meine Rundungen schweifen und sagte:
„Scha-atz...“ Ich wusste aus Erfahrung, wenn Mona dieses spezielle
Wort zweisilbig betont, hat das gewöhnlich unangenehme Folgen für mich.
Und ich musste wieder einmal Recht behalten.
„Scha-atz, du bist zu dick“, erklärte meine Herzallerliebste
entschieden. „Du hast ziemlich viel Übergewicht!“
„Über Gewicht spricht man nicht“, erwiderte ich eisig und drehte
mich mit dem Rücken zu ihr. Ich hoffte, damit wäre die Diskussion
beendet, aber ich glaubte selbst nicht daran.
„Du glaubst doch selbst nicht“, sagte meine Herzallerliebste,
„dass damit die Diskussion beendet ist. Ich möchte jetzt über
dein hervorstechendstes Merkmal sprechen: Über deinen Bauch! Der ist
nämlich ziemlich groß!“
„Nicht so groß wie der, den du in ein paar Wochen haben
wirst“, replizierte ich und lachte herzhaft über meinen gelungenen
Scherz. Tja, ich war schon unglaublich schlagfertig.
Meine Herzallerliebste auch.
Ich holte aus der Küche Eiswürfel, wickelte sie in ein Handtuch und
kühlte damit mein langsam zuschwellendes rechtes Auge.
Meine Ehre stand auf dem Spiel; ich musste mich mit ganzem Gewicht einsetzen,
Mona davon zu überzeugen, dass ich nur an einigen wenigen
Körperstellen ein wenig... äh… von meiner jugendlichen
Eckigkeit eingebüßt hatte. Kein leichtes Unterfangen, aber ich
wusste Rat. „Ich passe noch immer in die Hose, in der Du mich vor zwei
Jahren kennen gelernt hast!“ Zum Beweis holte ich meine
Lederjeans aus dem Kleiderschrank hervor und schlüpfte ohne
Schwierigkeiten hinein! „Ha! Jetzt bleibt dir aber die Spucke
weg!“
Meine Herzallerliebste wirkte tief beeindruckt. „Super! Und jetzt
steig auch mit dem anderen Bein rein...“
Äh...
Im Badezimmer betrachtete ich im Spiegel mein Körperprofil. Also
gut, um ehrlich zu sein, wo einst ein schlanker Jüngling
herausblickte, glotzte mir jetzt ein Micheline-Männchen mit
ansehnlichem Schwimmreifen entgegen. Kein Grund zu
Panik; meine Leibesfülle bot auch Vorteile. Zum Beispiel eignete
sich mein Bauch als Mietfläche für
Werbeplakate! Kurz gesagt, ich war schon immer ein
stattlicher Mann, der insgesamt ein wenig untersetzt wirkte.
„Untersetzt?“ Meine Herzallerliebste runzelte
ärgerlich ihre Stirn. „Du bist 1,90 Meter groß. Du
bist nicht untersetzt, du bist dick. Aber so geht’s nicht weiter.
Schließlich musst du für unser Kind ein Vorbild sein. Und deshalb
hast du beschlossen, auf Diät zu gehen!“
Ich riss verdutzt mein Auge auf. Jungejunge, war ich spontan und
entschlussfreudig. Ich staunte über mich selbst. Andererseits, warum
auch nicht, es schadete sicher nicht, ein paar Kilos zu verlieren!
Gleich nächste Woche...
„Heute!“, sagte meine Herzallerliebste.
Äh, gut, fange ich gleich morgen...
„Ab sofort!“, sagte Mona im gleichen Tonfall, wie Clint Eastwood
Make my day durch seine Zähne presst.
Genau, ab sofort war ich auf Diät. Manche Dinge duldeten
offensichtlich keinen Aufschub, besonders wenn es mein
zukünftiges Kind betraf.
Das Frühstück fiel bereits ein wenig schmäler aus. Mona
(„Schließlich musst du für unser Kind ein Vorbild
sein“) servierte mir Kaffee, zwei trockene
Knäckebrötchen mit Diätmarmelade und ein Lächeln.
Ich lächelte tapfer zurück und verschlang alles mit zwei,
drei Bissen. Anschließend saß ich am Küchentisch
herum und sah meiner Herzallerliebsten beim Frühstücken zu.
Als mich das zu langweilen begann, schaltete ich das Radio ein, um die
Morgen-Nachrichten zu hören. Leider verstand ich
kein Wort, weil mein Magen so laut knurrte. Neiderfüllt beobachtete ich
unsere Katzen, wie sie sich die Wänste voll
schlugen – Lamm mit feinen Hühnchen-Stücken und Erbsen.
Leichte Konzentrationsschwierigkeiten;
die Arbeit ging mir gewöhnlich viel besser von der Hand. Der Vormittag zog
sich quälend lange hin.
Endlich Mittag.
Ich erhob mich vom Schreibtisch und freute mich auf das Mittagessen.
Diäthalten war gar nicht so schwer, wenn man - wie ich - über einen
eisernen Willen verfügte. Die ersten Stunden erwiesen
sich erfahrungsgemäß als die schwersten, aber man
gewöhnte sich daran. Ich fragte mich, welche
Köstlichkeiten sich meine Herzallerliebste fürs
Mittagessen einfallen hat lassen...
Nichts.
Es gab nichts.
Äh... Also... Na ja, passte ganz gut, ein ausführliches
Mittagessen kostete ohnehin zu viel Zeit. Ich wollte mir schnell
ein winziges Butterbrötchen schmieren, aber Mona verweigerte
mir entschlossen den Zugang zum Kühlschrank („Schließlich
Kind Vorbild“). Geschwächt aber ungebeugt wankte ich in
mein Arbeitszimmer zurück. Obwohl ich über die
Zähigkeit eines Ackergauls verfügte, zeigte mein Körper erste
Erschöpfungsanzeichen. Aber ich war zu stolz, um darauf
hinzuweisen. Diese Genugtuung würde ich meiner unerbittlichen Mona
nicht geben.
Wenigstens lenkte mich meine Arbeit ab; ich formulierte gerade
einige Werbetexte für ein Möbelhaus, und das hatte Gott sei Dank
absolut nichts mit Nahrung zu tun. Die Buchstaben auf der Computertastatur
begannen am Nachmittag vor meinen Augen zu tanzen. Zeitweise
verlor ich das Bewusstsein. In einem klaren Moment las ich, was ich in
den letzten fünf Minuten getippt hatte. Zum Thema
Kinderzimmer-Leuchten formulierte ich wie folgt: „Kinder sind das
Salz der Erde. Wer liebt sie nicht, besonders wenn sie gut durch sind.
Deshalb sollen sie auch die besten Kinderzimmer-Leuchten der Welt
erhalten und mit Speck, Salbei und Zwiebel in den Ofen schieben...“
Die restlichen Buchstaben ergaben nur mehr wirres Getippsel. Der Hunger
schlug sich auf meine Sinne. Wie lange spielte der Körper noch mit, wie
lange hielte ich noch durch?
Meine Herzallerliebste („Kind Vorbild!!!!!!“) munterte mich auf. Sie
versprach, wenn ich den ganzen Tag mannbar durchhielte, würde sie
fürs Dinner etwas Leckeres vorbereiten. Dieses
Versprechen aktivierte meine letzten Energiereserven.
Ein Hoffnungsschimmer glitzerte am Horizont; ich musste durchhalten.
Durchhalten! Plötzlich überkam mich eine Vision: Ich sah
ein Schnitzel vor mir am Schreibtisch tanzen - eines jener, die uns
meine Mutter immer mitbrachte, um uns vorm Verhungern zu
retten. Wie eine Stripperin, die sich aufreizend ihrer
Spitzenwäsche entledigte, schälte sich das Schnitzel zuerst
aus der Alu-Folie, dann aus der Mikrowellen-Folie, um zu guter Letzt
vor mir zu stehen in seiner ganzen prallen Fleischlichkeit
nackt und bloß, wie meine Mutter es geschaffen hatte... Vor
meinen Augen verwandelte sich die Computermaus in eine
knusprige Semmel... Am Bildschirm leuchtete wie von Zauberhand
geschrieben eine Schrift auf: Vernasch mich, beiß mich, gib mir
Biernamen! Nimm mich! Nimm mich... JETZT!
Computermäuse schmecken wäh, igitt, brrrrr… absolut
scheußlich und rangieren auf meiner persönlichen
Geschmacksskala eindeutig auf den untersten Plätzen.
Endlich, nach bangen Stunden des erwartungsvollen Harrens, rief mich meine
Herzallerliebste zum Essen. Ich kroch in die Küche,
Geschmacksknospen und Magennerven auf Steak mit
Bratkartoffeln in zerlassener Knoblauchbutter eingestellt.
Schließlich: Ich war heute brav!
Es gab... Salat.
Ganz recht, richtig gelesen: Frischen, knackigen,
KALORIENLOSEN Salat.
Tief unten, kaum sichtbar am Boden der Salatschüssel, versteckte
sich ein Stückchen Thunfisch. „Wie möchtest du deinen Salat
angerichtet?“, fragte meine Herzallerliebste.
„Mit Steak und Bratkartoffeln!“
Ich sprang – metaphorisch gesprochen – in den Salat und
würgte das abgrundtief gesunde Zeugs hinunter. Mit
neiderfüllten Blicken bemerkte ich, Whisky und Wodka hatten mehr
Fleisch in ihren Schüsseln als ich. Da erkannte ich die bittere
Wahrheit: Mona liebte unsere Katzen mehr als mich. Ich lenkte die beiden
vierbeinigen Piranhas erfolgreich ab und schnappte mir zwei Happen
Wachtel in feiner Gelatine mit Kaviar. Die Katzen jagten mir
- unter Monas anfeuernden Zurufen - meine Beute wieder ab.
Immerhin, ich schaffte es erfolgreich, ein
Kaviarkörnchen zu verschlucken. Labsaal! Ambrosia!
Nervenzusammenbruch!
Meine Herzallerliebste schleppte mich ins Schlafzimmer; dort
krümmte ich mich zusammen, schluchzte haltlos vor mich hin und
schlief nach einer Weile vor Erschöpfung ein. Im Hintergrund hörte ich
ihre Stimme leise durch die dichten Nebelschwaden der Ohnmacht dringen:
„Schließlich musst du für das Kind ein Vorbild
sein!“ Gerne, falls ich in diesem derart geschwächten Zustand die
restlichen sieben Monate durchstehe.
Einige Stunden später weckte mich Mona auf. „Schläfst du? Ja?
Dein Glück! Sonst wärst du mein
Hauptverdächtiger…“
„Was ist los?“, fragte ich gähnend.
Meine Herzallerliebste hatte versehentlich die
Vorratskammertür offen stehen lassen, so berichtete sie
mir. „Stell dir vor, unsere beiden Katzen haben einen Gugelhupf, zwei
Päckchen Soletti, eine Salami, drei Toastwecken, zwei Gläser
Einweck-Kirschen, sämtliche Orangen, einen
Emmentaler-Käse und einen Scheuerlappen
gefressen.“ Sie schnaubt wütend durch die Nase.
Scheuerlappen!? Ups! Das erklärte, warum sich das Fleischlaibchen
so zäh kauen ließ. „Katzen kennen eben im Gegensatz zu
mir keine Selbstbeherrschung!“, murmelte ich, drehte mich um
und schlief weiter.
Wenn Sie einen Blick "hinter die Kulissen" des Romans werfen möchten, lade ich Sie herzlich ein, auf Manus und Roberts privater Homepage vorbeizuschauen. Außerdem freue mich auch über jeden Kommentar. Schreiben Sie einfach an robert.sonnleitner@chello.at. Ich antworte bestimmt, sobald ich ein bißchen Zeit habe.