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  87–89: FALLENDE VORHÄNGE
  
  Sparpaket, Pensionsreform, Lucona, Noricum, „Heldenplatz“ – 
  in den Jahren 1987 bis 89 wurde das Land von Sparmaßnahmen und Skandalen 
  gebeutelt.
  
  
  Sparmaßnahmen
  
  Nach der vorgezogenen Nationalratswahl im Jahr 1986 bildete die SPÖ unter 
  Franz Vranitzky eine große Koalition mit der ÖVP. 1987 kam es in 
  Österreich zu folgenden Sparmaßnahmen: 
  
  SPARPAKET: im öffentlichen Dienst Verschiebung der Pensionsanpassung, 
  Aussetzung der Gehaltserhöhungen und Reduktion von Überstunden, Nichtnachbesetzung 
  von 50% der frei werdenden Dienstposten; weiters Einsparungen bei Post und ÖBB, 
  Anteilsverkäufe bei Staatsbetrieben, Abschaffung der 1971 eingeführten 
  Heiratsbeihilfe. - Insgesamt sollten die Maßnahmen das Nettodefizit mit 
  70 Mrd. Schilling begrenzen.
  
  PENSIONSREFORM: Der Bemessungszeitraum wurde von 10 auf 15 Jahre erhöht, 
  die automatische Anrechnung von Ersatzzeiten für Schule und Universität 
  entfiel, es konnten aber Zeiten nachgekauft werden.
  
  STEUERREFORM: Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer (der Höchstsatz 
  sinkt von 62 auf 50%), Verdopplung von Freibeträgen für Kleinunternehmer, 
  Reduktion der Gewerbesteuer, Teilbesteuerung von Kapitalzinsen.
  
  Außerdem wurde eine Einigung in der jahrelang diskutierten LADENSCHLUSSZEITEN-Frage 
  erzielt: Ab September 88 durften Geschäfte wahlweise an einem Tag in der 
  Woche bis 20 Uhr oder an einem Samstag pro Monat bis 17 Uhr offenhalten.
  
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  Missgeburt
  
  Österreich war nach wie vor von politischen Skandalen gebeutelt. Im Fall 
  Lucona wurde im März 88 gegen Udo Proksch Anklage erhoben. Dieser hatte 
  1977 den Frachter LUCONA gechartert, auf 212 Millionen Schilling versichert 
  (die angebliche Uranerzaufbereitungsanlage existierte aber nicht) - und versenken 
  lassen, wobei 6 Menschen ums Leben kamen.
  
  88 wurde ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt, in dessen 
  Folge der Nationalratspräsident Leopold Gratz zurücktrat. Der Gerichtsprozess 
  gegen Proksch endete 1992 mit einem Schuldspruch wegen sechsfachen Mordes und 
  einer Verurteilung zu lebenslanger Haft. 
  
  Ein Untersuchungsausschusses wurde auch in der Waffenlieferaffäre "NORICUM" 
  beschlossen (und Innenminister Karl Blecha musste abdanken): Die VOEST-Tochter 
  Noricum hatte den Iran mit Kanonen belieferte und damit gegen ein gerade erst 
  verschärftes Bundesgesetz verstoßen, das Waffenlieferungen an kriegführende 
  Staaten untersagte.
  
  Seinen Posten verlor auch Hannes ANDROSCH (als CA-Generaldirektor), nachdem 
  er wegen falscher Zeugenaussaeg vor dem AKH-Untersuchungsausschuss verurteilt 
  worden war.
  
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  Noch nicht zurücktreten müsste Jörg HAIDER, der 1989 mit 
  den Stimmen der ÖVP zum Landeshauptmann von Kärnten gewählt wurde, 
  obwohl er 88 im Inlandsreport gemeint hatte: "Die österreichische 
  Nation war eine ideologische Missgeburt, denn die Volkszugehörigkeit ist 
  die eine Sache, und die Staatszugehörigkeit eine andere".
  
  Im April 89 beschloss dieses Land einen Antrag auf Aufnahme in die EG.
  
  Mehr Internationales: Michail Gorbatschow hatte der UdSSR 85 Glasnost und 87 
  Perestroika verordnet. In Wien merkte man das 89 (da wurde auch der „EISERNE 
  VORHANG “ symbolisch zerschnitten) an unzähligen tschechoslowakischen 
  Gästen.
  
  Im Juni 88 besucht auch Papst Johannes Paul II Österreich. (Im Jahr davor 
  kam es zu Demonstration gegen die Bischofsweihe Kurt KRENNs: Dieser musste 
  beim Betreten des Stefansdomes über einen „Menschenteppich“ 
  steigen, und viele Gläubige verließen, zum Teil mit verklebtem Mund, 
  nach seinem Eintritt den Dom.)
  
  Wien bewarb sich 88 gemeinsam mit Budapest für die Weltausstellung 
  95 und bekam auch die Zusage (- doch die Bevölkerung sprach sich 91 gegen 
  die geplante „EXPO“ aus).
    
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  Vorwärts
  
  Bei den nationalen Medien tat sich einiges: Um den Hälfteeigentümer 
  an der Kronenzeitung, Kurt Falk, nach heftigen Kontroversen auszahlen zu können, 
  verkaufte Hand Dichand 1987 45% der Zeitung an die WAZ (Westdeutsche Allgemeine 
  Zeitung), die kurz darauf auch 45% der Anteile am Kurier erwarb; gleichzeitig 
  wurde für Krone und Kurier eine – „MEDIAPRINT“ 
  genannte - Kooperation bei Druck und Vertrieb vereinbart.
  
  Diese übernahm 88 die traditionsreiche sozialistische Druck- und Verlagsanstalt 
  "Vorwärts AG". 89 verkaufte die Sozialistische Partei die "Neue 
  AZ" - und Robert Hochner wurde Chefredakteur. (Im November 91 wurde 
  diese endgültig eingestellt; unter http://www.arbeiter-zeitung.at/ 
  sind die Ausgaben der Zeitung von 1945 bis 89 allerdings online abrufbar.)
  
  Im Oktober 88 erschien außerdem die erste Nummer der Tagszeitung "DER 
  STANDARD".
  
   In diesen Medien wurde unter anderem berichtet von den Schwestern, 
  die im Krankenhaus LAINZ seit 82 mehr als vierzig alte Patienten getötet 
  hatten, von den Anti-OPERNBALL-Demonstrationen (89 wurden etwa 50 Menschen 
  verletzt – die Hälfte davon Polizisten) und von der Enthüllung 
  des umstrittenen MAHNMALs gegen Krieg und Faschismus von Alfred Hrdlicka 
  am Wiener Albertinaplatz.
    
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  Courage
  
  Umstritten war auch Thomas Bernhards „HELDENPLATZ“: Das Stück 
  wurde vor allem in konservativen Medien noch vor der Uraufführung als Staatsbeschimpfung 
  und Beleidigung des österreichischen Volkes skandalisiert (Zitat: "Der 
  Staat eine Kloake stinkend und tödlich/die Kirche eine weltweite Niedertracht/die 
  Menschen um einen herum/abgrundtief häßlich und stumpfsinnig"). 
  - Bernhard erlebte nicht mehr, dass das (immer „beliebtere“) Stück 
  bis April 99 117mal auf dem Spielplan stand: Er starb 1989.
  
  Im Zeitraum 87-89 starben unter anderen außerdem der Schriftsteller Erich 
  Fried, der Dirigent Herbert von Karajan und der Verhaltensforscher Konrad Lorenz. 
  Wir aber wollen an die Schauspielerin, Kabarettistin und Theaterleiterin STELLA 
  KADMON erinnern: Diese hatte (mit dem 42 in Auschwitz ermordeten Autor Peter 
  Hammerschlag) 1931 die erste politische Kleinkunstbühne in Wien eröffnet. 
  Zum Ensemble vom „Lieben Augustin“ gehörten u.a. Gusti Wolf, 
  Leo Aschkenazy (Leon Askin), Fritz Muliar und Fritz Eckhardt.
  
  Nach dem "Anschluß" emigrierte Kadmon nach Palästina, kehrte 
  jedoch 1947 zurück und übernahm den "lieben Augustin" wieder. 
  48 wandelte sie die Kleinkunstbühne in eine Schauspielbühne um, änderte 
  den Namen in „Theater der Courage“ und brachte dort bis 81 vor allem 
  zeit- und gesellschaftskritische Stücke (u.a. von Kaiser, Brecht, Borchert) 
  und Werke junger österreichischer Autoren heraus. (Emmy Werner übernahm 
  dieses dann "Drachengasse" genannte Theater bis 87.)
  
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  Quellen:
  Kleindel Österreich, Ueberreuter, Wien, 1995
  Kunst & Kultur in Österreich: Das 20. Jahrhundert, Verlag Christian 
  Brandstätter, 1999
  Wikipedia – http://de.wikipedia.org, 
  2001
  ff.http://www.graphix.at/bernhard
  http://www.kabarettarchiv.at
  
  © Augustin 2005
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