Teil 15   20x3   Journalistische Arbeiten   Startseite 

Seite drucken

90–92: "AUSLÄNDER RAUS"

Wir sind mit der Serie „20x3“ bei den Jahren 1990 bis 92 angelangt: Während der Kriege in Irak/Kuwait und in Ex-Jugoslawien werden in Österreich Flüchtlings-Kontingente beschlossen und Nachbar in Not veranstaltet; es gibt Neonazi-Umtriebe und SOS-Mitmensch entsteht.


„Na, das hat's im Dritten Reich nicht gegeben, weil im Dritten Reich haben sie ORDNETLICHE BESCHÄFTIGUNGSPOLITIK Beschäftigungspolitik gemacht, was nicht einmal Ihre Regierung in Wien zusammenbringt. Das muss man auch einmal sagen“. – Nach dieser Aussage wird Jörg haider als Kärntner Landeshauptmann abgesetzt.

In Wien wird die FPÖ zweitstärkste Partei. Kurz zuvor attackiert ORF-Mann Josef Broukal Haider in einem Interview: "Vielleicht sollten Sie noch wissen, ich gehe seit einem Jahr im 6. Bezirk spazieren. Seit Ihre Wahlkampagne begonnen hat, steht dort auf jeder Parkbank 'Ausländer raus' und auf einigen das Hakenkreuz. Herzlichen Dank."

Tatsächlich häufen sich zu dieser Zeit NEONAZI-Aktivitäten: Im Jänner 92 wird der Rechtsradikale Gottfried Küssel verhaftet, die Polizei hebt die schwer bewaffnete „Wehrsportgruppe Trenck“ aus, Innenminister Franz Löschnak erklärt im Nationalrat: „Wehret den Anfängen“. Kurz darauf warnt der damalige FPÖ-Bundesrat und jetzige „Zur Zeit“-Herausgeber Mölzer vor der „drohenden Umvolkung der deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft“. Ende Februar beschließt der Nationalrat eine Novelle des „NS-Verbotsgesetzes“, die auch verringerte Strafausmaße vorsieht und damit Verurteilungen eher möglich macht.

nach oben

Zwischen 89 und 92 beträgt die ZUWANDERUNG 271.000 Menschen; dazu kamen noch 73.000 Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien. Von den rund 8 Millionen Einwohner waren 582.000 Ausländer. Zwischen 90 und 92 wurde etwa 5.600 Menschen der Flüchtlingsstatus zuerkannt. - Im Mai 90 einigen sich die Bundesländer in der Frage der Aufteilung von Flüchtlingen: Wien und Niederösterreich etwa 20%, Oberösterreich und Steiermark etwa 17,5% der Rest unter 10%.

Im Juni 92 beschließt der Nationalrat ein neues AUFENTHALTSGESETZ, das den Zuzug von Ausländern nach Österreich regelt. Der Aufenthalt von Fremden bedarf künftig einer Bewilligung, ausgenommen sind Touristen sowie die unter das Asylgesetz fallenden Flüchtlinge und Asylwerber; jährlich wird eine Höchstzahl an Bewilligungen festgesetzt. Im Oktober 92 genehmigt der Ministerrat auch ein neues Fremdengesetz mit Neuregelungen für Ein- und Ausreise sowie über Abschiebung, Zurückweisung und Transit. Jörg Haider ist dies zu wenig: Er plant ein Anti-Ausländer-Volksbegehren. Gegen dieses formiert sich im Dezember 92 die Plattform SOS-MITMENSCH, die sich seither für die Durchsetzung der Menschenrechte in Österreich engagiert.

92 wird auch „NACHBAR IN NOT“ ins Leben gerufen. ORF, Caritas und das Rote Kreuz wollen damit die Notstandsgebiete des ehemaligen Jugoslawiens mit Hilfsgütern versorgen. Bis Ende 97 werden (auch unter Mithilfe anderer europäischer Rundfunkanstalten) insgesamt 1,1 Milliarden Schilling gespendet und damit 3676 Lkw-Ladungen (zirka 73.520 t Hilfsgüter) finanziert, womit mehr als 300.000 Flüchtlinge und Vertriebene ohne Rücksicht auf Herkunft und Religion versorgt werden.

Nach dem Sparpaket von 1987 stellt die Große Koalistion ein SOZIALPAKET auf die Beine. Dieses brachte unter anderem die Einführung des Pflegegeldes, steuerliche Entlastungen für Familien (Einführung von Kinderabsetzbeträgen mit Mehrkinderstaffel, Anhebung des Alleinverdienerabsetzbetrages, Lehrlingsfreifahrt), Ausweitung des Mutterschutzes, Besserstellungen für Teilzeitbeschäftigte (auch in der Karenzzeit), Kündigungsschutz für behinderte ArbeitnehmerInnen, die Einführung der Gleitpension und Verbesserungen der pensionsrechtlichen Anrechung von Kindererziehungszeiten, aber auch die Psychotherapie auf Krankenschein. Hinzu kam ein "Gleichbehandlungspaket", das neben der gesetzlichen Verankerung des Grundsatzes "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" erstmals einen (arbeits-)rechlichen Schutz der Frauen vor Diskriminierung und sexueller Belästigung samt Strafenkatalog brachte.

nach oben

Was sonst noch geschah:


Der im Mai 90 aufgrund von Interventionen vorzeitig aus der Strafhaft entlassene Häfenliterat Jack UNTERWEGER wird wegen Mordes an mehreren Prostituierten international gesucht, verhaftet und auf eigenen Wunsch nach Österreich ausgeliefert. (94 wird er verurteilt und begeht Selbstmord.)

Innenminister Franz Löschnak startet eine Aktion, wonach jeder Staatsbürger das Recht hat, gebührenfrei in seinen bei der STAATSPOLIZEI (möglicherweise) angelegten Akt einzusehen. In vier Monaten gibt es 18.000 Anfragen.

Beim Zivildienst wird die GEWISSENSPRÜFUNG abgeschafft.
Maria SCHAUMAYER wird Nationalbanks-Präsidentin und Johanna DOHNAL erste österreichische Bundesministerin für Frauenangelegenheiten.
Die SPÖ nennt sich in „Sozialdemokratische Partei“ um, Erhard BUSEK wird ÖVP-Parteiobmann und Erwin PRÖLL Landeshauptmann von Niederösterreich.

Die EG-Kommission veröffentlicht eine positive Stellungnahme zum Beitritt Österreichs. Die BEITRITTSVERHANDLUNGEN können aufgenommen werden.
Geschäfte dürfen in einem Rahmen von 60 Stunden ab Juli 91 an Werktagen bis 19.30h und einmal die Woche bis 21h offen gehalten werden.

Das AMS lässt nun auch Privatfirmen vermitteln; im Staatseigentum befindliche Immobilien werden in eine privatrechtliche Verwaltung überführt; auch Schönbrunn samt Tierpark werden PRIVATISIERT.

Seit 86 wird am MUSEUMSQUARTIER herumgeplant – 91 ist von einem Leseturm die Rede; eröffnet werden (trotz Bürgerinitiative) das neue, von Hans Hollein erbaute Haashaus, das KunstHaus Wien sowie das Literaturhaus Wien und die Schule für Dichtung; von Wien aus geht die Gründung vom „Lomographischen Gesellschaften“ mit basisdemokratischem Kunstansatz (- jeder kann mit seinen Fotos bei den Ausstellungen dabei sein).

Der wieder von Gerd Bacher geleitete ORF lässt sich von Neville Brody ein neues graphsiches Gesamtkonzept verpassen – und produziert die Serie „KAISERMÜHLENBLUES“.

Franz MUHRI gibt den KPÖ-Vorsitz ab und die Volksstimme wird eingestellt. Außerdem bringt Kurt Falk „TÄGLICH ALLES“ heraus - und „NEWS“ kommt.

Von uns gingen u.a. Ernst Happel ("Ein Tag ohne Fußball ist ein verlorener Tag"), Berta Karlik (erste Uni-Professorin Österreichs), Bruno Kreisky (siehe Teil 13), Rudolf Sallinger (Wirtschaftskammer-Präsident), Hilde Spiel (Schriftstellerin) und Hilde Wagener („Künstler helfen Künstlern“, Künstler-Altersheim).

---
Quellen:

Kleindel Österreich, Ueberreuter, Wien, 1995
Kunst & Kultur in Österreich: Das 20. Jahrhundert, Verlag Christian Brandstätter, 1999
Wikipedia – http://de.wikipedia.org, 2001 ff


© Augustin 2005

Seite drucken

Teil 17   20x3   Journalistische Arbeiten   Startseite