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  93–95: IM BANNE VON FRANZ FUCHS
  
  1993 bis 95: Österreich entzündet ein „Lichtermeer“, wird 
  von Briefbombenterror heimgesucht, will in die EU und wird auch aufgenommen, 
  die röm-kath.Kirche hat Probleme, das Rundfunkmonopol wackelt und der Konsum 
  fällt.
  
  
  Ende 93 fängt der BRIEFBOMBEN-Terror an: Von den neun Briefbomben, 
  die vom 3. bis zum 6. Dezember ihre Empfänger erreichen, explodieren vier. 
  Erste Opfer sind der Pfarrer August Janisch und Silvana Meixner, Mitarbeiterin 
  der Minderheitenredaktion des ORF, der damalige Wiener Bürgermeister Helmut 
  Zilk und eine Anwaltssekretärin. Alle vier werden zum Teil schwer verletzt. 
  Sprengsätze, die an Caritas-Präsident Helmut Schüller, die Grünen-Politikerinnen 
  Madeleine Petrovic und Terezija Stoisits, Wolfgang Gombocz, Obmann des slowenischen 
  Vereines Artikel VII, und die damalige Frauenministerin Johanna Dohnal adressiert 
  sind, werden frühzeitig entdeckt. – Zu den Taten bekennt sich eine 
  „Bajuwarische Befreiungsarmee“, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit 
  sind das Motiv.
  
  Im August 94 werden dem Polizisten Theo Kelz beim Versuch eine Rohrbombe zu 
  entschärfen beide Hände weggesprengt. Der Sprengsatz war zuvor an 
  der zweisprachigen Rennerschule in Klagenfurt angebracht gewesen. 
  
  Die zweite Serie von Briefbomben im Oktober 1994 besteht wegen eines Konstruktionsfehlers 
  ausschließlich aus Blindgängern. Die Empfänger sind der Wieser-Verlag 
  in Klagenfurt, ein Verein zur Ausländerbetreuung in Dornbirn, die Papierfabrik 
  Hallein und der Abt von Stift Wilten in Tirol.
  
  Am 5. Februar 1995 werden in OBERWART vier Roma, Peter Sarközi, 
  Josef Simon, Karl und Erwin Horwath, durch eine Sprengfalle getötet. Die 
  Rohrbombe ist an einem Schild mit der Aufschrift „Roma zurück nach 
  Indien“ angebracht. Am folgenden Tag wird in Stinatz ein Mitarbeiter der 
  Müllabfuhr durch eine Sprengfalle an der Hand verletzt.
  
  Die dritte Briefbomben-Serie wird Anfang Juni 1995 unter anderem an Arabella 
  Kiesbauer und eine Partnervermittlung in Linz verschickt. Drei MitarbeiterInnen 
  erleiden Verletzungen. Bei der vierten Serie Mitte Oktober 1995 werden ein ausländischer 
  Arzt und die Flüchtlingshelferin Maria Loley verletzt.
  
  Zwei der vier Briefbomben der fünften Serie explodieren am 11. Dezember 
  1995 frühzeitig in einem Postkasten, die zwei anderen können abgefangen 
  werden. Unter den Adressaten sind das Wiener UN-Flüchtlingskommissariat, 
  ein ungarisches Partnervermittlungsbüro, Angela Resetarits und eine aus 
  Indien stammende Wiener Familie.
  
  Ende 1996 explodiert ein an Lotte Ingrisch adressierter Brief bei der Untersuchung 
  durch die Polizei. Dies ist der letzte Vorfall bis zur Verhaftung von Franz 
  Fuchs, die ein Jahr später erfolgt.
    
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  Dieser zündet im Oktober 1997 bei einer Verkehrskontrolle eine Rohrbombe, 
  weil er glaubt, man habe ihn entlarvt. Der Selbstmordversuch trennt ihm beide 
  Hände ab und verletzt die Beamten. Fuchs wird festgenommen und im März 
  1999 zu lebenslanger Haft verurteilt. Am 26. Februar 2000 begeht er in seiner 
  Zelle SELBSTMORD, indem er sich mit dem Kabel seines Rasierapparates 
  erhängt.
  
  Was sonst noch geschah:
  
  1993 initiiert Jörg Haiders FPÖ (die er 95 zu einer „Bewegung“ 
  umfunktioniert) das Volksbegehren „Österreich zuerst“, das 
  über 400.000 Menschen unterschreiben. Gegen die darin zum Ausdruck kommende 
  Anti-Ausländer-Haltung demonstrieren allein in Wien 300.000 mit einem von 
  SOS Mitmensch organisierten „LICHTERMEER“, der bisher größten 
  Protestkundgebung der zweiten Republik.
  
  FPÖ-Parteiobmann-Stellvertreterin Heide Schmidt gibt – gemeinsam 
  mit Thomas Barmüller, Friedhelm Frischenschlager, Klara Motter und Hans 
  Helmut Moser) ihren Parteiaustritt bekannt, weil sich die FPÖ von ihren 
  Grundsätzen wegbewegt habe. Die fünf Abgeordneten bilden als „ 
  LIBERALES FORUM“ (LIF) einen eigenen Klub im Nationalrat.
  
  Die Grün-Abgeordnete Madeleine Petrovic spricht anlässlich einer Tropenholz-Debatte 
  aus Protest 10,5 Stunden zu nur einem Tagesordnungspunkt. Und rund 7.000 Menschen 
  demonstrieren gegen den umstrittenen Diözesanbischof Kurt Krenn.
  
  PRIVAT-TV und –RADIO steht nichts mehr im weg, als der Europäische 
  Gerichtshof feststellt, das Österreichische Rundfunkmonopol widerspreche 
  der Menschenrechtskonvention.
  
  Durch eine Novelle zum MEDIENGESETZ dürfen durch die Veröffentlichung 
  des Namens von Tätern und Opfern keine schutzwürdigen Interessen verletzt 
  werden, ein neues AUFENTHALTSGESETZ regelt den Zuzug von Ausländern 
  nach Österreich und das SICHERHEITSPOLIZEIGESETZ umfasst die Organisation 
  und Tätigkeit der Sicherheitsbehörden und der Exekutivorgane.
   
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  Insgesamt 5000 PLEITEN (inklusive „Assmann“ und „Hallein-Papier“) 
  vernichten 17.000 Arbeitsplätze. Durch das neue Gewerberecht werden die 
  konzessionierten Gewerbe abgeschafft. Und das ÖIAG-Gesetz vom Dezember 
  1993 ist die Basis für eine stufenweise PRIVATISIERUNG der verstaatlichten 
  Industrie. Viele Betriebe werden in Folge verkleinert, aufgelassen, ganz oder 
  teilweise privatisiert.
  
  Die gesamte Wiener Innenstadt wird Kurzparkzone, die U3 fährt bis zum Westbahnhof; 
  außerdem Baubeginn der „Donau-City“.
  
  Das siebenstufige PFLEGEGELDgesetz tritt in Kraft. Eine Pensionsreform 
  bestätigt das unterschiedliche Eintrittsalter für Frauen und Männer 
  bis zum Jahr 2018. Die Regierung plant ein Maßnahmenpaket gegen die hohe 
  Arbeitslosigkeit (ca. 250.000). Die STAATSSCHULDEN übersteigen erstmals 
  die Billionengrenze.
  
  Der erste „LIFE BALL“, mittlerweile Europas größtes 
  Charity-Event im Kampf gegen AIDS, wird veranstaltet.
  
  Bei der Nationalratswahl 1994 verliert die SPÖ-ÖVP-Koalition ihre 
  Zwei-Drittel-Mehrheit, die FPÖ und die Grünen gewinnen Mandate und 
  das LIF schafft den Einzug ins Parlament. Außerdem wird Michael HÄUPL 
  STATT Helmut ZILK Bürgermeister.
  
  Eine umfangreiche Steuerreform sowie das PRIVATSTIFTUNGSRECHT treten 
  in Kraft (Stiftungen dürfen nun ohne den bisher notwendigen Nachweis der 
  Gemeinnützig- und Mildtätigkeit geschaffen werden). Gewerkschaften, 
  ÖAAB und andere Interessensvertretungen protestieren gegen das SPARPAKET 
  der Regierung.
  
  Die Post wird aus dem Budget und der Arbeitsmarktservice aus der Bundesverwaltung 
  ausgegliedert. Durch das neue Fernmeldegesetz können PRIVATE TELEKOMMUNIKATIONSDIENSTE 
  angeboten werden (97 wird auch das Telefonmonopol beendet).
  
  ORF-Generalintendant Gerd Bacher übergit sein Amt an Gerhard Zeiler.
  1995 wird Österreich EU-MITGLIED.
  
  Der Nationalrat verabschiedet ein Gesetz, das erstmals eine finanzielle Entschädigung 
  für OPFER DES NATIONALSOZIALISMUS in Österreich vorsieht.
  
  Der Wiener Erzbischof Hans Hermann GROER steht unter dem Verdacht des 
  sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen, legt sein Amt nieder und schweigt zu 
  den Vorwürfen bis zu seinem Tod 2003. – Der katholischen Bischofskonferenz 
  wird das Ergebnis einer als „KIRCHEN-VOLKSBEGEHREN“ bezeichneten 
  Unterschriftenaktion übergeben. Über eine halbe Million Menschen haben 
  die Forderung nach Mitsprache bei der Bischofsernennuhng, Zulassung von Frauen 
  zum Priesteramt, Aufhebung des Zölibats und positiver Bewertung der Sexualität 
  unterzeichnet.
  
  Der Jugendsender FM4 nimmt seinen Sendebetrieb auf.
  
  Zur Konsumpleite (der Schuldenberg erreichte 95 die Rekordhöhe von knapp 
  1,89 Mrd. Euro – bis heute die größte Wirtschaftspleite der 
  Zweiten Republik) siehe auch Teil 12.
  
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  Quellen:
  Kleindel Österreich, Ueberreuter, Wien, 1995
  Kunst & Kultur in Österreich: Das 20. Jahrhundert, Verlag Christian 
  Brandstätter, 1999
  Wikipedia – http://de.wikipedia.org, 
  2001 ff
  
  © Augustin 2005
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