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  96–98: SPAREN, SCHENGEN, ROSENSTINGL
  
  1996 bis 98: Die vorläufig letzte große Koalition beschert uns ein 
  Sparpaket, Schengen sorgt für „sichere“ Grenzen, die BA-CA 
  entsteht, Semperit wird geschlossen und die Rechtschreibreform sorgt für 
  Unmut.
  
  
  1996 gehen SPÖ und ÖVP eine Koalition ein, die gleich einmal mit einem 
  SPARPAKET aufwartet: Es sieht im Bereich des Öffentlichen Dienstes 
  die Einführung eines Pensionssicherungsbeitrages für Beamte, Einmalzahlungen 
  statt Gehaltserhöhungen und den Abbau von 10.500 Dienstposten vor. Der 
  Karenzurlaub wird um ein halbes Jahr verkürzt, die Körperschafts- 
  und Kapitalertragssteuer erhöht, die Sonderausgaben für Besserverdienende 
  reduziert. Eine Steuer auf Strom und Gas und die Erhöhung der Tabaksteuer 
  vervollständigen das Budgetkonsolidierungsprogramm, das die Netto-Neuverschuldung 
  von fünf auf 3,7 Prozent reduzieren sollte. – Vergeblich protestieren 
  die Gewerkschaften und StudentInnen gegen Einsparungen im Sozial- und Bildungsbereich.
  
  Eine REGIERUNGSKRISE löst die Übernahme der („schwarzen“) 
  Creditanstalt durch die („rote“) Bank Austria für 17,2 Milliarden 
  Schilling aus.
  
  In Österreich geht der Verkauf großer Unternehmen an ausländische 
  Eigentümer weiter: So verkauft zum Beispiel Karl Wlaschek in diesem Jahr 
  sein BILLA-IMPERIUM an den deutschen Rewe-Konzern (Rewe Austria setzt 
  sich aus den österreichischen Handelsfirmen Billa, Merkur, Mondo, Emma 
  und Bipa zusammen). 
  
  Zwei von drei Industrie-Arbeitsplätzen stehen bereits unter ausländischer 
  Kontrolle. Nicht selten mit fatalen Folgen - etwa für die SEMPERIT-MitarbeiterInnen 
  (- die Continental AG kaufte 1985 75% der Aktien der Semperit Reifen AG, begann 
  1990 mit einer Expansion in den ehemaligen „Ostblock“ und beschloss 
  1996, das Semperit-Werk zu schließen).
  
  96 wird die Kampagne „Ganze Männer machen HALBE-HALBE“ 
  gestartet. Ein Jahr später wird das Volksbegehren zur verfassungsrechtlichen 
  Verankerung der Gleichberechtigung von Mann und Frau von rund 650.000 Stimmberechtigten 
  unterzeichnet, das Volksbegehren nach Verbot von Produktion und Verkauf gentechnisch 
  veränderter Lebensmittel von rund 1,23 Millionen.
   
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  97 wird auch von Österreich das SCHENGENER ABKOMMEN unterzeichnet: 
  Während innerhalb der EU die Grenzkontrollen wegfallen, wird an den Außengrenzen 
  genau kontrolliert. Nach unabhängigen Schätzungen sind an der deutschen 
  Ostgrenze von 1993 bis 2003 etwa 145, hingegen an der Schengen-Südgrenze, 
  insbesondere an der Meerenge von Gibraltar und in der Ägäis, zwischen 
  1994 und 2004 mehr als 5.000 Menschen beim versuchten Grenzübertritt ums 
  Leben gekommen. - Paralell dazu verschärft ein noveliertes Ausländergesetz 
  die ASYLVERFAHREN in Österreich.
  
  Im EU-MITGLIEDSSTAAT ÖSTERREICH werden nicht nur die geplante EU-Osterweiterung, 
  die Neutralität und ein möglicher NATO-Beitritt heftig diskutiert, 
  sondern auch die Anonymität der Sparbücher. Es geht um 23 Millionen 
  Konten mit mehr als 1.500 Milliarden Schilling.
  
  Bei der BUNDESPRÄSIDENTENWAHL 1998 verlieren die evangelische Bischöfin 
  Gertraud Knoll und LIF-Chefin Heide Schmidt gegen den nochmals antretenden Thomas 
  Klestil.
    
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  NS-Vermögensentzug
  
  Im Oktober 98 wird die Historikerkommission der Republik Österreich mit 
  folgendem Mandat eingesetzt: „Den gesamten Komplex Vermögensentzug 
  auf dem Gebiet der Republik Österreich während der NS-Zeit sowie Rückstellungen 
  bzw. Entschädigungen (sowie wirtschaftliche oder soziale Leistungen) der 
  Republik Österreich ab 1945 zu erforschen und darüber zu berichten“.
  
  Aus dem Schlussbericht von 2003: Die wirtschaftliche Schädigung durch die 
  Nationalsozialisten zerstörte die soziale und individuelle Existenz von 
  Jüdinnen und Juden. Die Maßnahmen richteten sich gegen alle, die 
  nach den „Nürnberger Gesetzen“ als Juden definiert wurden. 
  Dazu gehörten Menschen jüdischen Glaubens sowie Personen mit jüdischen 
  Vorfahren. Motive waren neben Antisemitismus und Rassismus auch unmittelbare 
  Bereicherung, sozialpolitische Erwägungen (etwa Wohnraumbeschaffung für 
  Volksgenossinnen und Volksgenossen) und wirtschaftliche Interessen (Firmenübernahmen, 
  Kapitalverflechtung, Ausschaltung von Konkurrenz, Kriegsfinanzierung). Der Vermögensentzug 
  geschah unter breiter Beteiligung der Bevölkerung. Die Beraubungspolitik 
  ging mit der Vertreibung einher und ist im Rückblick als eine Vorstufe 
  der Deportation und Ermordung der jüdischen Bevölkerung zu sehen.
  
  Aus unterschiedlichen ideologischen, politischen und ökonomischen Gründen 
  wurde auch anderen Minderheiten, stigmatisierten Gruppen und Regimegegnerinnen 
  und -gegnern Vermögen entzogen. Traditionelle Stereotypen, vom Nationalsozialismus 
  verschärfte Feindbilder und „moderne“ rassistische Vorstellungen 
  begründeten auch die Verfolgung der Sinti und Roma. Der Vermögensentzug 
  ist hier jedoch eher als Begleiterscheinung der Repressions- und Verfolgungsmaßnahmen 
  zu sehen.
  
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  Was sonst noch geschah:
  
  1996 verbietet die EU Großbritannien den Export von Rindfleisch, das im 
  Verdacht der BSE-Verseuchung steht.
  
  Im Juli 1996 verpflichteten sich auch Österreich, bis August 1998 eine 
  neu geregelte Orthographie einzuführen. Damit beginnen die Kontroversen 
  um die RECHTSCHREIBREFORM, die seit August 2005 für Ämter und 
  Schulen verpflichtend ist.
  
  1997 sorgt das Klonschaf „DOLLY“ für Aufregung, während 
  die Kinder ihr Tamagotchi hüten.
  
  Schloß und Park von Schönbrunn werden auf die UNESCO-Liste des WELTERBEs 
  aufgenommen und bei der Biennale in Venedig wird an die „wiener gruppe“ 
  erinnert. Erstmals wird as Volksmusikfestival „glatt und verkehrt“ 
  veranstaltet, die bei einem Brand verwüsteten Redoutensäle werden 
  wiedereröffnet und das Funkhaus in der Argentinierstraße nennt sich 
  ab sofort „Radio Kulturhaus“. Außerdem wird – nach dem 
  Planungsbeginn 1990 – endlich mit dem Bau des MUSEUMSQUARTIER angefangen.
  
  Viktor E. FRANKL, Psychiater und Neurologe, Begründer der Logotherapie 
  und Existenzanalyse, stirbt in seiner Geburtstadt Wien. Werke: Ein Psychologe 
  erlebt das Konzentrationslager (1946) und Trotzdem ja zum Leben sagen (1986).
  
  Ab 1998 belebt VIAGRA die Sinne. In Österreich braucht man ab sofort 
  eine Autobahn-VIGNETTE und die Promillegrenze wird von 0,8 auf 0,5 
  hinabgesetzt.
  
  FPÖ-Nationalrats-Abgeordneter und Finanzjongleur Peter ROSENSTINGL 
  (er verspekulierte geschätzte 200 Millionen Schilling) setzt sich kurzfristig 
  nach Brasilien ab. Nachfolger des in den Finanzskandal ebenfalls verwickelten 
  NÖ-Landesobmanns Bernhard Gratzer wird Hans-Jörg Schimanek (derzeit 
  BZÖ Wien).
  
  Der Nationalrat beschließt einstimmig ein Gesetz über die Rückgabe 
  jener Kunstgegenstände, die in der Nazi- und Nachkriegszeit erbeutet oder 
  abgepresst wurden.
  
  Roland Düringers Film „HINTERHOLZ 8“ erzielt einen Einnahmenrekord.
  
  FALCO (der Künstlername stammt übrigens vom DDR-Skispringer 
  Falko Weißpflog) stirbt bei einem Autounfall ins seiner Wahlheimat Dominikanische 
  Republik. Stationen: Halluzination Company, Drahdiwaberl, „Ganz Wien“, 
  „Der Kommissar“, „Rock me Amadeus“, „Vienna Calling“, 
  „Jeanny“, „Titanic“, Donauinselkonzert 1993 vor über 
  100.000 Menschen, „Mutter, der Mann mit dem Koks ist da“, Album 
  „Out Of The Dark“ (posthum).
  
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  Quellen:
  Kunst & Kultur in Österreich: Das 20. Jahrhundert, Verlag Christian 
  Brandstätter, 1999
  http://www.kabarettarchiv.at/Wikipedia 
  – http://de.wikipedia.org, 
  2001 ff
  80 Jahre Radio – http://oe1.orf.at/highlights/17754.html
  http://www.historikerkommission.gv.at/
  http://www.wien.gv.at/verwaltung/restitution/ 
  
  
  © Augustin 2005
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