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57–59: DEMOKRATIE-POLITISCH BEDENKLICH
Die Serie 20x3 widmet sich diesmal den Jahren 1957 bis 59, in denen die österreichische
Sozialpartnerschaft institutionalisiert wurde.
Die Sozialpartnerschaft
Sozialpartnerschaft ist ein System der Zusammenarbeit zwischen den Organisationen
der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer mit dem Ziel, zwischen den Interessensvertretungen
in sozial- und wirtschaftspolitischen Fragen eine grundsätzliche Übereinstimmung
zu erreichen. In der wissenschaftlichen Literatur wird ihr ideologischer Gegensatz
zur marxistischen Theorie des Klassenkampfes ausdrücklich betont. In Österreich
wurde die Sozialpartnerschaft 1957 im Rahmen der "Paritätischen Kommission“
institutionalisiert.
Dieser Kommission gehören Mitglieder der Bundesregierung an, die Präsidenten
der vier Interessensvertretungen (Arbeiterkammer, Österreichischer Gewerkschaftsbund,
Wirtschaftskammer, Landwirtschaftskammer) und einzelne zuständige Beamte;
stimmberechtigt sind aber nur die Vertreter der Interessensorganisationen.
Ein Zeichen für die Struktur der „Paritätischen Kommission“
ist das Prinzip der Gleichberechtigung (Parität). Das heißt, dass alle
Teilnehmer gleichwertig sind, unabhängig von der Größe ihrer Organisation
oder ihres politischen Einflusses. Die Kommission basiert nicht auf einer gesetzlichen
Regelung, sondern auf der freien Übereinkunft der Beteiligten. Die Verhandlungen
werden nicht öffentlich geführt und die Beziehungen sind weitgehend
informell. Dieser Umstand wurde oft kritisiert, denn er verhindert die Transparenz
der Paritätischen Kommission und ist daher demokratie-politisch bedenklich;
umgekehrt besteht nur so die Bereitschaft, offen zu diskutieren. Allerdings: Indem
man die paritätische Kommission einfach gesetzlich nicht definierte, wurde
der Verfassungsgerichtshof als demokratische Kontrollinstanz umgangen.
Spätestens seit 1995 werden die Sozialpartner auf die Kernbereiche der Wirtschafts-
und Sozialpolitik zurückgedrängt. Der autonome Spielraum nationaler
Wirtschaftspolitik geht durch die zunehmende Globalisierung mehr und mehr verloren.
Die Regulierung der nationalen Nachfrage über die Paritätische Kommission
wirkt nicht mehr. Im November 1996 kündigt der „Standard“ die
Artikelreihe „Götterdämmerung der Sozialpartnerschaft“ an.
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1957
Jänner |
Der Leichnam von Bundespräsident Körner wird im Großen
Festsaal des Wiener Rathauses aufgebahrt.
Erster druckknopfgesteuerter Fußgängerübergang.
Von den 2.500 betriebstauglichen Straßenbahnwagen sind 1.543
beheizbar. |
Februar |
Die Gemeinde Wien verwaltet 14 Lager mit insgesamt 4.360 ungarischen Flüchtlingen.
Darüber hinaus werden 3.556 Flüchtlinge, die privat untergebracht
sind, durch die städtischen Fürsorgeämter betreut. |
Juli |
Der erste städtische Bücherbus, „Book-Mobil“ genannt,
nimmt seinen Dienst auf. |
September |
Zum ersten Mal hält der Kabarettist und Simpl-Chef Karl Farkas seine
„Bilanz des Monats“ im Fernsehen. |
November |
Beim Hauptzollamt wird das Einkaufszentrum AEZ eröffnet. |
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1958
Februar |
Der erste Gelenkwagen nimmt auf der Linie 71 seinen Betrieb auf. |
April |
In ganz Wien gibt es nur noch drei Personen, die sich mit einer Werkelmann-Lizenz
ausweisen können. Solche Lizenzen wurden auch anstatt einer Unterstützung
an invalide Personen übergeben.
Der Lyriker Theodor Kramer stirbt; sein Hauptthema waren die unteren
sozialen Schichten und gesellschaftliche Randgruppen. |
Juni |
9.000 Menschen besuchen die Eröffnungsfeier der Stadthalle mit 2.000
Mitwirkenden aus Sport und Kultur. |
September |
Rekordbeschäftigung mit 2,271.781 ArbeitnehmerInnen.
Der Wiener Gemeinderat stimmt einer Ausdehnung der Kreditaktion zur
Verbesserung der Wohnverhältnisse auf den Einbau von modernen Küchen
und die Anschaffung von Kühlschränken zu.
Beschluss, einen Architektenwettbewerb für das Allgemeine Kankenhaus
auszuschreiben. |
Oktober |
Tod des Volksschauspielers Karl Skraup. |
November |
In den neuen städtischen Wohnhausbauten gibt es – um ca. 3
Schilling pro Quadratmeter – Parkett- statt Weichholzbretterboden,
eingebaute Badewanne sowie Verfliesungen im Badezimmer und in der Küche. |
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1959
Februar |
Die 45-Stunden-Woche tritt in Kraft (1975 folgt die 40-, 1985 die 38,5-Stunden-Woche).
Am Flötzersteig wird eine Müllverbrennungsanlage in Aussicht
genommen. |
März |
Für Kurzparkzonen in Teilen des ersten Bezirks wird eine Parkscheibe
notwendig. |
April |
Nach der Einstellung im Jahr 1944 erscheint die Kronenzeitung erstmals
wieder.
Das Historische Museum wird eröffnet, der Ausbau des Floridsdorfer
Krankenhauses abgeschlossen. |
Mai |
Eröffnung des Verkehrsbauwerks Südtirolerplatz. Der Autotunnel
ist der erste in Wien, dessen Wände mit schallschluckenden Lochsteinen
verkleidet sind. |
Juni |
Maria Jacobi ist als erste Amtsführende Stadträtin Wiens für
das Wohlfahrtswesen zuständig.
Start einer Kreditaktion zur Modernisierung von Handels-, Gewerbe-
und Landwirtschaftsbetrieben.
Tod des populären Schlager-Komponisten Hermann Leopoldi. |
Juli |
Der Ausbau des Praterstadions auf über 92.000 Plätze wird abgeschlossen. |
August |
Eröffnung des Laaerbergbades.
In der Stadtbahnstation Meidlinger Hauptstraße wird ein Fahrscheinautomat
installiert. |
September |
In Wien gibt es über 230.000 Kraftfahrzeuge. |
Oktober |
Eröffnung eines Blindengartens und einer Sonderschule für körperbehinderte
Kinder.
Start einer fahrbahren Schulzahnklinik. |
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Quellen:
Wiedergeburt einer Weltstadt, Jugend und Volk, Wien, 1965
Kleindel Österreich, Ueberreuter, Wien, 1995
Sozialpartnerschaft, Patrick Horvath, Proseminararbeit Zeitgeschichte, Wien 1997
Sozialpartnerschaft, Ludwig-Boltzmann-Institut für Kriegsfolgen-Forschung
Kunst & Kultur in Österreich: Das 20. Jahrhundert, Verlag Christian Brandstätter,
1999
Wien im Rückblick, wien.at, 2004
© Augustin 2005
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