Behinderung durch Armut, das vergessene Übel...
Eine der Hauptursachen für die unglaubliche Zahl an Menschen mit
Behinderungen weltweit ist Armut. Große Defizite für Menschen mit
Behinderungen in der 3. Welt gibt es in den Bereichen
Rehabilitation, medizinische Versorgung und Zugang zum
Arbeitsmarkt.
Armut und Behinderung sind oft ein Kreislauf: Nach Angaben der
Weltbank haben 20 Prozent aller in extremer Armut lebenden
Menschen Behinderungen. Der Großteil aller Menschen mit
Behinderungen lebt in Entwicklungsländern. Kinder und Frauen sind
am stärksten betroffen. In Afrika sind 6,4 % aller Kinder unter 14
Jahren behindert. Das sind wesentlich mehr als in den Ländern mit
hohem Einkommen (2,8 %). Kinder mit Behinderungen haben weit geringeren Zugang zu Schulbildung
als nichtbehinderte Kinder. Die UNESCO veröffentlichte 2004, dass 98% der
Kinder mit Behinderungen nicht zur Schule gehen.
Die Weltgesundheitsorganisation hat vor einigen Jahren geschätzt, dass nur 1-
2% der Menschen mit Behinderung Zugang zu medizinischen
Rehabilitationsmaßnahmen haben. Es fehlt an Infrastruktur und entsprechend
ausgebildetem Personal. In Ländern wie z. B. Burkina Faso gibt es pro 10.000
Einwohner nur einen Physiotherapeuten, in Finnland 21.
Der Mangel an orthopädischen Hilfsmitteln ist eklatant. Nach Schätzungen von
Whirlwind Wheelchair International besitzt 1% der Bedürftigen einen
Rollstuhl oder hat Zugang dazu, da die medizinische Versorgung in
Entwicklungsländern nur die grundlegendsten Bedürfnisse abdeckt.
Die Anschaffung eines Rollstuhles aus eigenen finanziellen Mitteln ist für die
überwiegende Mehrheit von Menschen mit Behinderungen unmöglich, da sie
aufgrund ihrer Situation vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind und in den
meisten Fällen von ihren Familien zuhause versteckt am Leben erhalten werden.
Doch gerade die Versorgung mit einem Rollstuhl ist im Falle einer Behinderung
wie z. B. Querschnittslähmung oder Multipler Sklerose von immenser
Bedeutung, da er für die Betroffenen die einzige Möglichkeit darstellt, das Bett
zu verlassen. Komplikation wie die Ausbildung von Druckgeschwüren der Haut
("Dekubitus"), die entstehen weil es bei den Hüftgelenken keine abfedernde
Muskulatur mehr gibt und die Knochen bei Liegen direkt auf die Haut drücken,
können nur durch die Mobilisation im Rollstuhl vermieden werden. Ein
Dekubitus verursacht einem Betroffenen permanent starke Schmerzen, die
meist nur mit entsprechenden Schmerzmitteln zu stillen sind. Der in der Regel
zwei- bis dreimal täglich stattfindende Verbandswechsel stellt sowohl für den
Patienten als auch für die entsprechende
Pflegekraft eine enorme Belastung dar.
Doch wenn die finanziellen Mittel weder
für Medikamente noch für Verbandsmaterial reichen, kann eine
Dekubitalläsion eine ganze Reihe schwerwiegender und unter
Umständen auch tödlicher Folgeerkrankungen wie
Lungenentzündung (Pneumonie) oder sogar Blutvergiftung
(Sepsis) nach sich ziehen. Die Versorgung mit einem Rollstuhl kann
daher für einen Menschen mit einer entsprechenden Behinderung
sprichwörtlich über Leben und Tod entscheiden.
In der westlichen Welt ist die Versorgung mit modernen
funktionstüchtigen Rollstühlen für Betroffene nach einem Unfall eine Selbstverständlichkeit.
Versicherungen und Krankenkassen übernehmen die Finanzierung, Krankenhäuser und Pflegeheime sind
mit adäquaten Heilbehelfen bestens ausgestattet. Im Gegensatz zu Entwicklungsländern, in denen
Menschen mit Behinderungen großteils keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben, ist die
Versorgungslage bei uns entsprechend gut. Daher werden viele
gebrauchte aber durchaus funktionstüchtige Rollstühle und
andere Heilbehelfe durch neuwertiges Equipment ersetzt und in den
meisten Fällen einfach als Altmetall entsorgt, obwohl sie von
Menschen mit Behinderungen in der Dritten Welt dringendst
gebraucht würden. Unser Verein hat sich deshalb zur Aufgabe
gemacht, nicht mehr benötigte Rollstühle zu sammeln, und sie nach
einer entsprechenden Wartung zu jenen Menschen zu bringen, die
aufgrund von Armut keinen Zugang zu einer adäquaten Versorgung
haben.