Kaiserin Elisabeth

und die historische Wahrheit

Ein Report von Walter & Renate Hain

Wien, im Januar 2010

    Es gibt zahlreiche Biographien über das Leben der Kaiserin Elisabeth von Österreich, genannt auch "Sisi". Doch was ist Wahrheit, was Legende, was Mythos. Mehrere Spielfilme und Dokumentationen tragen ebenso dazu bei, ein Bild der Kaiserin Elisabeth zu schaffen, dass noch immer kontrovers und nicht ganz geklärt ist. Fast jede Neuerscheinung will die "Wahrheit" für sich beanspruchen. Wahrscheinlich gibt es gar keine endgültige Wahrheit über die  Person Kaiserin Elisabeth von Österreich.. Wer kann schon wirklich wissen, was und wie sie wirklich gefühlt hat; was ihre tatsächlichen Neigungen, ihre Absichten, ihre Interessen waren. Man kann sich nur ein Bild aus dem zahlreichen Nachlass machen, der inzwischen umfangreich dokumentiert ist. Vieles ist gedeutet und interpretiert worden, vieles ist verstanden aber auch missverstanden worden. Teile aus ihrem Leben wurden herausgenommen und auf ihre gesamte Persönlichkeit hin projiziert. Sisi war wohl weder die Märchenprinzessin, die viele in ihr sehen wollen, noch die ewig Todessehnsüchtige. Will man sich ein wahres Bild von der Kaiserin Elisabeth von Österreich machen, dann wird man wohl alle Biographien und schriftlichen Aufzeichnungen (jedenfalls die bedeutendsten) berücksichtigen müssen, denn jede von ihnen beinhaltet gewisse Wahrheiten und Richtigkeiten.

    Sisi, die Kaiserin Elisabeth von Österreich, war nicht immer die gleiche Persönlichkeit, wie alle anderen Menschen auch. Zuerst wohl das kleine liebliche, stürmische Kind, dann die junge schüchterne Prinzessin, dann die junge Kaiserin - die sich dem Hofzeremoniell unterordnen musste - und später in reiferen Jahren, die oft melancholische und nachdenkliche, sich zurückziehende, oft auch einsame Frau. Jeder Lebensabschnitt muss anders gesehen, anders berücksichtigt werden. Sie war weder das Eine noch das Andere generell. Sie war, wie jeder Mensch, Gefühlsschwankungen und Umwelteinflüssen ausgesetzt und sie hat sie auf sich zukommen lassen oder sich dagegen gewehrt. Sie ist in einem Umfeld aufgewachsen, das für sie bestimmend war. Sie ist in ein Leben gedrängt worden, das viel von ihr abverlangt hat. Sie hat es gemeistert und manchmal nicht gemeistert. Sie hat manches erreicht und manches nicht erreicht. Sie hat jedenfalls den ungarischen Grafen Andrássy "zur höchsten Bewunderung" (Thiele. Elisabeth, S. 712) ihrer Person gebracht. Mag das ein schwärmerischer Ausdruck des von der Schönheit Sisis - und darüber sind sich praktisch alle Biographíen einig - betörten Grafen sein, so sind auch andere Zeitgenossen von der persönlichen Ausstrahlung und manchem Handeln der Kaiserin beeindruckt gewesen.

    Das allgemeine Interesse an Sisi brach zweifelsohne auf, nach der Marischka-Trilogie mit Romy Schneider in den Jahren 1955, 1956 und 1957. Viele fragen sich seither, wie die Kaiserin wirklich war und ob das alles stimmt, was da filmisch gezeigt wird. Zahlreiche Fans wollen näheres über die Kaiserin "Sissi" (mit zwei "s" geschrieben in den Filmtiteln) wissen. Vor allem die praktisch gleichaltrige Romy Schneider, in den Anfängen der Verlobung mit Kaiser Franz Joseph und des späteren Hoflebens, begeisterte die Zuseher. Die drei Filme hatten demnach auch die entsprechend hohen Zuschauerquoten in vielen Ländern der Welt. Schon der Anfang gibt dem ganzen einen märchenhaften Charakter. Zwei Schwestern buhlen unbeabsichtigt um die Gunst des jungen Kaisers. Freilich nichts ahnend wie es ausgehen wird. Die eine im heiratsfähigen Alter, die andere fast noch ein Kind und als eher unbedeutend angesehen in dieser Angelegenheit. Beide vorgeführt von ihren Müttern. Schließlich entscheidet sich Franz Joseph für die jüngere und eigentlich nicht als Braut vorgesehene Sisi. Zuerst etwas überrascht, begrüßen die beiden Mütter schließlich die Wahl des jungen Kaisers. Später beeindruckten besonders die Gegensätze der unbeschwerten, natürlichen Art der jungen Sisi mit den strikten Anordnungen der Kaisermutter Erzherzogin Sophie das Publikum. Das ungestüme, in ländlicher Idylle aufgewachsene Mädchen gegen das strenge, ordnungsliebende Hofzeremoniell. Ein Märchen wie "Cinderella" war geboren. Die böse Schwiegermutter gegen ein unbeholfenes junges Mädchen. Doch war es wirklich so?

War die Schwiegermutter, Erzherzogin Sophie, gar nicht so böse?

    Die im Jahr 2008 von der Kunsthistorikerin Gabriele Praschl-Bichler veröffentlichten Briefe der Erzherzogin, lassen das ganze anscheinend wie ein Kartenhaus zusammenstürzen.  Die Autorin glaubt nun die Wahrheit herausgefunden zu haben. Das "Verhältnis zwischen den beiden Damen", schreibt sie, "hätte nicht besser und inniger sein können". Sie stellt in mehreren zitierten Briefen der Erzherzogin, ein familiäres und fast idyllisches Bild zwischen den beiden Frauen dar. Sie wählte deshalb auch den Buchtitel "Unserer liebe Sisi", weil das die Erzherzogin manchmal in ihren Briefen so schreibt. Manchmal schreibt sie aber auch "arme Sisi". Jedenfalls soll die Erzherzogin keineswegs so streng gewesen sein, wie in manchen Biographien und Filmen dargestellt. Sie hat sich immer wieder über die Anwesenheit von Sisi gefreut und ihre Schönheit bewundert. Sie war immer auch ganz entzückt von ihren Kindern. Gabriele Praschl-Bichler meint, dass mit ihrer Publikation, "die Biographien Kaiserin Elisabeths und Erzherzogin Sophies neu geschrieben werden müssen" (S. 35). Man fragt sich nur, wie dann die anderen Biographen zu ihrer Meinung kamen und warum das nicht schon früher so gesehen wurde. Angeblich hat ja Caesar Conte Corti sogar mit Nachfahren gesprochen. Und warum hat keiner von ihnen schon nach der Marischka-Trilogie heftigst protestiert?

    Für die junge Kaiserin Sisi bestellte die Erzherzogin eine enge Vertraute: Sophie Esterházy. Sie war praktisch Sisis erste Gouvernante und "Erzieherin", was das höfische Zeremoniell betrifft und eine sittenstrenge Frau. Sisi hatte von Anfang an eine tiefe Abneigung gegen sie. Auch andere am Hof, wie der kaiserliche Flügeladjutant Weckberger, waren von ihr nicht begeistert (Hamann, S. 68). Als Sisi selbstbewusster war, hatte sie die Gräfin abgesetzt - das war 1862.

    Die Kaiserin wäre durchaus "ihrer Erziehung und Persönlichkeit nach" eine mildtätige "Mutter des Volkes" geworden, meint z.B. die Historikerin Brigitte Hamann (Elisabeth, S. 93). "Dass ihre besten Eigenschaften nun mit Gewalt unterdrückt wurden, ist dem strengen ´System´ der Erzherzogin Sophie und deren übertriebener Auffassung vom Gottesgnadentum der Habsburger zuzuschreiben", so Hamann. Die Erzherzogin hatte stets eine Stellung wie Sisi als junge Kaiserin angestrebt. Sie musste zusehen, wie die sechzehnjährige Sisi nun ihren Platz einnahm. "Auf die ganz offensichtlichen Depressionen Sisis ging Sophie gar nicht ein, ja sie nahm sie nicht ernst. Sie sah nur die glückstrahlende Miene ihres verliebten ´Franzl´ (Hamann, S. 85) oder ´Franzi´, wie in den Briefen der Erzherzogin zu lesen. Während der Schwangerschaft mit Sophie nötigte die Erzherzogin ständig Sisi, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen. "Kaum war sie da, schleppte sie mich schon hinunter in den Garten und erklärte, es sei meine Pflicht, meinen Bauch zu produzieren, damit das Volk sehe, dass ich tatsächlich schwanger bin. Es war schrecklich, Dagegen erschien es mir als Wohltat, allein zu sein und weinen zu können", sagt Sisi später zu ihrer Hofdame Marie Festetics (Hamann, S. 97; Festetics, 14.6.1873, Orig. Ung.). Die Erzherzogin bestimmte, dass die "Kindskammer" in ihrer Nähe eingerichtet wurde, "nicht in der Nähe des Kaiserpaares" (Hamann, S. 97). Auch bei der Wahl der Kinderfrau hatte Elisabeth nicht mitzureden. Die Erzherzogin bestimmte die Baronin Welden, die Witwe des Feldzeugmeisters. Man hatte Sisi tatsächlich die ersten drei Kinder weggenommen, wie sie selbst sagt (Hamann, S. 107; Festetics, 26.6.1872).

    "An die E... denke ich nur mit Schaudern, und die Entfernung (zu ihren Kindern, Anm.) macht sie mir nur noch zuwiderer", schrieb Sisi an Graf Grünne aus Madeira 1861 (Hamann, Elisabeth, S. 155; Grünne, Funchal, 19,12,1860). Sisi glaubte in Graf Grünne einen Freund zu haben, doch schon bald unterstellte er ihr in Korfu eheliche Untreue, was Sisi äußerst erboste. Als er abreiste sagte sie zu ihm, "es sehe nicht so aus, als ob wir uns bald, oder überhaupt je wieder sehen sollten" (Hamann, S. 160; Grünne, Korfu, 22.8.1861). Noch 1872 schreibt Sisi an Marie Festetics: "Der Mensch hat mir soviel angethan, dass ich glaube, selbst in meiner Todesstunde kann ich´s ihm nicht verzeihen" (Hamann, S. 159; Festetics, 3.11.1872). Grünne hat seinen Vorwurf vielleicht nur angedeutet, doch in dieser Beziehung war Sisi sehr empfindlich. Untreue war für sie untragbar. Grünne hat  ihr Vertrauen missbraucht.

    "Durch den langen erbitterten Kampf" mit der Erzherzogin, schreibt Brigitte Hamann, "entzog sie der Monarchie und der kaiserlichen Familie eine vielversprechende, begabte Persönlichkeit und trieb Elisabeth in die Isolation" (S. 113). Man fragt sich ja wirklich, wenn das Verhältnis angeblich so harmonisch gewesen sein soll, wieso dann die Kaiserin am 27. August 1865 das Ultimatum stellen musste (Hamann, S. 183), bezüglich der Erziehung ihrer Kinder, nachdem sie von der zu strengen Behandlung ihres Sohnes Rudolf in der Militärakademie erfahren hatte. Selbst als Sisi der Erzherzogin die letzte Ehre erweisen musste, tat sie das nicht aus Liebe. Sie raste mit einer Kutsche zur Hofburg und war besorgt, dass es keinen Unfall geben möge, "weil sie sonst gesagt hätten - ich hätte es absichtlich getan, um bei Sophie nicht anwesend sein zu müssen, weil ich sie hasse. So sehr hasse ich sie" (Hamann, S. 305; Marie Festetics, 17.4.1872). Die Dominanz der Erzherzogin am Hof war derart groß, dass es bei der Beisetzung geheißen hat "wir haben jetzt unsere Kaiserin begraben" (Hamann, S. 306). Die "Erzherzogin Sophie ist gewöhnt, mit ihrer ausgesprochen energischen Persönlichkeit die Individualität aller Menschen um sich herum zu brechen", schreibt Corti (S. 52). Auch der kaiserliche Leibarzt Dr. Seeburger bemerkte, dass zwischen der Erzherzogin und der Kaiserin "eine eisige Kluft" bestehe (Hamann, S. 134).

    Die Autorin Praschl-Bichler will beweisen, dass Sisi 1855, nach der Geburt ihrer ersten Tochter, nicht von Wien nach Bayern geflohen ist (S. 18, 111,). Tatsächlich war Sisi aber im Juni 1855 in Possenhofen. Und fünf Jahre später wieder, als sie die ewigen Auseinandersetzungen mit der Erzherzogin nicht mehr ausgehalten hat (Thiele, S. 248; Hamann, S. 145). Mitte Juli 1860 reiste Elisabeth zunächst nach München. Der Kaiser folgte ihr am 12. August. Dann reisten beide nach Possenhofen, wo sie den Geburtstag des Kaisers feierten. Am 19. August fuhren beide nach Wien zurück (Wiener Zeitung, 20. August 1860).

    Ein vollkommener Unsinn ist die unterschwellige Randbemerkung wonach Sisi  "bi- oder homosexuell" gewesen sein soll (Praschl-Bichler, S. 174). Sisi konnte Frauen gegenüber lediglich "liebevoll, ja geradezu schwesterlich sein" (Hamann, S. 191). Die großen Biographien (Corti, Hamann, Thiele) stimmen weitgehend. Wir müssen die Geschichte nicht umschreiben!

Die politische Sisi

    Sisi war keineswegs unpolitisch. Nicht nur in Ungarn 1866/1867 beweist sie ihr politisches Talent (Thiele, S. 325). Auch in Venedig 1856 und in Mailand 1857 trägt sie wesentlich zur Entspannung der unruhigen politischen Lage bei durch ihre Anwesenheit gemeinsam mit Franz Joseph. Zu ihrem griechischen Vorleser Christomanos sagt sie: "Nach hundert Jahren wird wahrscheinlich kein einziger Königsthron sein" (Thiele, Elisabeth, S. 739). Es stimmt nicht, "dass Sisi eine politisch völlig desinteressierte Frau war" schreibt auch Brigitte Hamann  (Elisabeth, S.155). "Auch die Aufhebung der Kettenstrafe in Gefängnissen wurde Elisabeths Initiative zugeschrieben", sowie die "übliche Strafe des Spießrutenlaufens" (Hamann, S. 109) im Militärstrafgesetz 1855. Im Herbst 1888 offenbarte sie ihre politische Meinung zum österreichischen Ministerpräsidenten Graf Taaffe, weil er ein Gegner von Graf Andrássy war (Hamann, S. 540). Überhaupt war die Kaiserin liberal eingestellt, auch in Kirchenfragen, und erzeuge so manchen Unmut in der monarchietreuen Hofgesellschaft. Tatsächlich ging der durch Sisi und Andrássy aufkommende Liberalismus durch Taaffe nach 1879 zu Ende. Ab dieser Zeit traute sich Sisi ihre politische  Meinung nicht mehr öffentlich zu sagen, weil sie sich damit viele Feinde gemacht hat. Sie träumte, wie ihr Sohn Rudolf, von einer Republik. Die späteren Ereignisse und der Zerfall der Monarchie haben ihr recht gegeben. Der junge deutsche Kaiser Wilhelm II. bemerkte 1890, dass Sisi "eine der politisch am klarsten und objectivsten denkenden Fürstinnen des Jahrhunderts" ist (Hamann, S. 573).

Elisabeth und die Liebe

    Die ihr angedichteten Liebesverhältnisse mit Graf Andrássy oder Bay Middleton entbehren jeder historischen Grundlage.  Sisi "war die unnahbare, kalte Schöne, die sich bis zur Selbstaufgabe des Mannes huldigen ließ, nie aber die allerkleinste Annäherung erlaubte" (Hamann, Elisabeth, S. 191). Das zeigte sich auch bei den Annäherungsversuchen eines Fritz Pacher nach einem Maskenball im Musikverein im Jahr 1874. Sie hatte mit ihm mehrere Brief ausgetauscht, mehr nicht (Thiele: Elisabeth, S. 462; Hamann: Elisabeth, S. 383). Ebenso die merkwürdige Begegnung mit einem "Alfred" (Alfred Gurniak Edler: Hamann, poet. Tagebuch, S. 344). In einem Gedicht von 1888 macht sie sich über ihn lustig und verhöhnt ihn sogar. Sisi spielt  mit den Galanen, mehr nicht. "Für mich keine Liebe, für mich keinen Wein; die eine macht übel, der andre macht spei´n!", schrieb sie im September 1885 in einem ihrer Gedichte. So entbehren auch alle bi- oder homosexuellen Unterstellungen jeder Grundlage. Sisi selbst sagte später zum Verhältnis mit Andrássy: "Ja, das war eine treue Freundschaft, und sie war nicht durch Liebe vergiftet" (Hamann, S. 382). Marie Valerie wurde nur deshalb als "das ungarische Kind" bezeichnet, weil sie nach dem Ausgleich 1868 in Budapest geboren wurde. Wer sich die Bilder von ihr ansieht, erkennt unzweifelhaft die Gesichtszüge von Kronprinz Rudolf. Ihre amourösen Abenteuer spielten sich nur in ihrem Kopf ab (Thiele, S. 593). Ihr Hang zu Hungerkuren und zu einer starken Bewegungsmanie wird von modernen Psychologen "auf eine tiefe Abneigung gegen alles Köperlich-Üppige, vor allem gegen die Sexualität, zurückgeführt" (Hamann, S. 405).

Elisabeth und die "Hungerkuren"

    Sisi turnte an Ringen am Barren und mit Gewichten. Sie war also die erste Fitnesssportlerin und damit ihrer Zeit weit voraus. Sisi hatte meistens ein Körpergewicht von "rund 50 kg" (Hamann, S. 190). Manchmal erreichte sie aber auch ein Gewicht von 46,6 kg (93,20 Pfund) und einmal, in Cap Martin 1894, sogar nur 43,5 kg (87 Pfund) was für ihre Körpergröße von 172 cm recht wenig ist (Hamann, S. 592). Das ist ein Body-Mass-Index von 14,70 bis 16,90. Als Normalwerte werden  in einem Alter von 19 bis 24 Jahren 19 bis 24 angesehen. In einem Alter von 45 bis 54 Jahren 22 bis 27. Sisi lag also weit darunter und würde heute zu den Risikogruppen gehören. Dennoch gibt es heute Leistungssportler und Supermodels, die einen Body-Mass-Index von nur 18 bis 19 haben -  bei gesunder Lebensweise. Sisi war ausgesprochen zäh und ausdauernd. Sie hätte durchaus ein hohes Alter erreichen können, hätte sie nicht das furchtbare Attentat 1898 im Alter von fast 61 Jahren aus dem Leben gerissen.

 

    Ihr Taillenmaß betrug stets etwa 50 cm. Bei dem überlieferten Hüftmaß von 62 bis 65 cm sind allerdings Zweifel anzumelden, meint Brigitte Hamann. Damals wurde offenbar anders gemessen. Als junges Mädchen hatte sie jedoch ein "rundes Bauerngesicht" (Hamann, S. 189), was auf den Bildern aus dieser Zeit zu sehen ist. "Elisabeth hat keine Neigung zur Selbstquälerei" (Thiele, Elisabeth, S. 413). "Sie nimmt die Askese nur ganz unbefangen, ja instrumentell in Anspruch,.." Sie möchte leicht sein wie eine Feder, "unbeschwert vom Druck der Erde, der irdischen Existenz". Sie aß manchmal an einem Tag nichts anderes als sechs Orangen.  Ihr Fehler war daher die zu einseitige Ernährung. Manchmal hat sie aber auch deftig zugeschlagen, aß kräftig Speiseeis (Veilchen-Eis), Mehlspeisen, trank heiße Schokolade, dunkles Bier und Wein.

 

    Dr. Eisenmenger fand 1897 bei Sisi starke Hautanschwellungen, als Folge der Hungerkuren (Hamann, S. 591 - 593) was zur Diagnose "Hungerödem" führte. Bei ihr wurde daher Magersucht (anorexia nervosa, Hamann, S. 405) diagnostiziert.  Sisi lehnte alle Diätvorschläge ab. Die Kammerdienerin Marianne Meissl bedauerte, dass die Kaiserin so "aufgetrieben" ist und ihre Augen so angeschwollen sind, besonders morgens. Eine anderer Dienerin, Marie Henike, kritisierte die Dampfbäder und die darauffolgenden extrem kalten Bäder. Sisi lief auch  sehr warm angezogen schnell den Berg hinauf und war dann völlig verschwitzt. Der Kaiser war damals besorgt, dass Sisi ihre "Kuren" auch seiner etwas fülligen "Freundin" Katharina Schratt nahebringen könnte. 

Hatte Sisi geraucht?

   Katrin Unterreiner schreibt auch auf Seite 81, "dass Elisabeth rauchte und möglicherweise als Folge des filterlosen Tabakkonsums verfärbte Zähne hatte (also doch schlechte Zähne!). Dies würde bedeuten, dass Sisi schon rauchte als sie 1854 als junge Braut nach Wien kam und die Erzherzogin ihre schlechten Zähne bekrittelte. In keinem der Tagebücher ihrer Hofdamen, ihrer Tochter Marie Valerie, oder der Gräfin Larisch, in keinem der Ärzteberichte, wird erwähnt, dass Sisi geraucht hat. Brigitte Hamann beruft sich allerdings auf ein Tagebuch des Polizeiministers Kempen von 1848 bis 1859 der schreibt, dass der Schlosshauptmann "die Haltung der Kaiserin" tadelte, weil sie "während des Kutschierens rauche" (Hamann: Elisabeth, S. 134, 618).  Arrigo Petacco (Die Heldin von Gaeta, S. 197f.) erwähnt, dass Sisis Schwester Marie (vermutlich 1861) "auf dem Kutschbock sitzend" geraucht hat (siehe auch: Sokop, Brigitte: Jene Gräfin Larisch, Böhlau 2006, S. 29). Da Marie ebenso schön war wie ihre Schwester Sisi, und sie ihr in allem gleich sein wollte, ist es durchaus möglich, dass sie mit der Kaiserin verwechselt wurde und so das falsche Gerücht in die Welt gesetzt wurde, dass man Sisi rauchend gesehen habe. Marie war aber ab Februar 1859 das ganze Jahr nicht in Wien. Auch eine Beobachtung in einer Konditorei, in Aix-les-Bains, während einem Kuraufenthalt von Elisabeth im September 1895 (Haslinger, Tafeln mit Sisi, S. 29), sowie ein Aschenbecher und eine Zündholzdose aus Messingguss, im Inventar eines Eisenbahnwaggons der Kaiserin, zu bewundern im Technischen Museum Wien, sind keine Beweise, dass Sisi geraucht hat. Das wurde uns von den Restauratoren bestätigt.

   Angeblich soll der englischen Königin Viktoria der Vorfall von 1859 zu Ohren gekommen sein. Sie soll entsetzt gewesen sein, "von der schockierenden Tatsache, dass die junge österreichische Kaiserin – ebenso wie ihre Schwester Marie von Neapel – rauche" (Hamann, S. 134). Brigitte Hamann beruft sich auf Roger Fulford (Dearest Child, London 1964, S. 286), der die Korrespondenz zwischen der Königin Viktoria und ihrer Tochter, der Kronprinzessin von Preußen Viktoria Adelaide Mary Louise (1840-1901) veröffentlichte. Aus der betreffenden Textstelle, S. 286, geht aber hervor, dass Marie, die Königin von Neapel, rauchte, und nicht die Kaiserin. Von der Kaiserin weiß sie nichts:  I send you (to look at only) a wonderful photo: of the Queen of Naples, which Countess Bernstorff gave me. It must be in her hunting costume - for she is a great sports-woman and an excellent shot. Pity she didn't shoot Garibaldi - Papa says. She certainly smokes, but I don't know about the Empress of Austria. (Berlin, November 20, 1860).

   Der ganze Gesundheitszustand der Kaiserin, die Probleme mit ihrer Lunge und ihr ständiges Verlangen nach der frischen Luft in den Bergen oder in den Parks von Ischl oder Lainz, ihre sportliche Betätigung, und ihr Bedachtsein auf die Schönheit ihrer Haare (der Rauch von Zigarillos wäre für diese schädlich gewesen), lässt eine rauchende Elisabeth als sehr unwahrscheinlich erscheinen und man kann wohl davon ausgehen, dass sie nicht geraucht hat. Auch Marie Wallersee, die Gräfin Larisch, schreibt  in ihrer Biographie "Kaiserin Elisabeth und ich" über einen Five o'clock Tee im Mai oder Juni 1884 in Amsterdam, dass all rauchen durften, "die Kaiserin natürlich ausgenommen".

Hatte Sisi ein künstliches Gebiss?

   Die Autorin Katrin Unterreiner schreibt in ihrem Buch "Sisi - Kaiserin Elisabeth von Österreich. Ein biografisches Portrait" (Herder 2010, S.81), dass es eine "Legende" sei, dass die Kaiserin ein künstliches Gebiss trug. Im Obduktionsbefund der Kaiserin werden "ausdrücklich die guten Zähne ('bonne dentation") der Kaiserin hervorgehoben", schreibt die Autorin. Zu dem Gerücht, dass Sisi ein künstliches Gebiss trug, kam es durch eine Beobachtung der Schauspielerin Rosa Albach-Retty, die im Jahre 1898 die Kaiserin in Ischl, "in der Konditorei Zauner" oder in einem "Landgasthaus" (Hamann, Brigitte: Elisabeth - Kaiserin wider Willen, Amalthea 1982, S. 587, 588) beobachtet hat, wie Elisabeth "sekundenlang vor sich hin" schaute, und dann "mit der linken Hand nach ihrem Gebiss" griff, es herausnahm, und es mit einem Glas Wasser abspülte, und es anschließend blitzschnell wieder in den Mund schob. Elisabeth war in Begleitung ihrer Hofdame Irma Sztáray, die von der Schauspielerin offenbar sofort erkannt wurde. Die Kaiserin trug ein schwarzes, hochgeschlossenes Kleid, schwarze Schnürstiefel und einen schwarzen Hut.

   Dass Sisi schlechte (gelbe) Zähne hatte, wird immer wieder erwähnt. Angeblich hatte sie, aufgrund ihres schlechten Zahnstatus, "Teilprothesen und Kronen bekommen" (Stadtlaender, Chris: Die geheimen Schönheitsrezepte der Kaiserin und des Hofes, Edition S, 1995, S. 90, 91).

   Katrin Unterreiner legt keine Belege vor, die eindeutig sind. Die Bemerkung "bonne dentation" ist zu wenig. Tatsächlich steht in dem Befund "bonne dentition" und das heißt übersetzt nicht "gute Zähne", sondern "gute Bezahnung", was auch eine Prothese beinhalten kann. Der Gerichtsmediziner und Pathologe Hans Bankl erwähnt in seinem Bericht über den Obduktionsbefund der Kaiserin, dass diese kurze Erwähnung "nach einer sehr oberflächlichen Besichtigung" gemacht wurde und dass Sisi eine Zahnprothese trug (Bankl, Hans: Krankengeschichte und Obduktionsbefund der Kaiserin Elisabeth von Österreich, Mitteilungen des Pathologisch-Anatomischen Bundesmuseums, Wien, Nr. 1, 1989, S. 25).

   Über die Zähne Elisabeths gibt es von den Zeitzeugen, von Historikern, sowie von Buchautoren widersprüchliche Aussagen. Am 26. Juni 1862 allerdings meldete die Zeitung "Die Presse" durch Zeugen aus dem Familienkreis, dass die Kaiserin während ihrer Kur in Bad Kissingen "leider mehrere ihrer schönsten Zähne einbüßte". Das bedeutet, dass Sisi zwar nicht sehr schlechte Zähne, doch tatsächlich weniger gute, mit Zahnkronen und zumindest einer Teilprothese, hatte. Von den Aussagen, den Umständen und den Ereignissen her, ist es möglich, dass sie nicht besonders schöne Zähne hatte, wie die meisten Menschen in der damaligen Zeit. Den Galanen und ihren Bewunderern scheint das aber nicht gestört zu haben oder sie haben höflich darüber geschwiegen. Andererseits hatte sie die besten Zahnärzte und ihr Zahnstatus war einigermaßen zufrieden stellend.

War Sisi rauschgiftsüchtig?

   Definitiv nein! Kokain und Opium (mit Äther) wurden ihr von Ärzten erst im fortgeschrittenen Alter verabreicht, zur Linderung der Schmerzen gegen Ischias und Rheuma, wie das damals medizinisch durchaus üblich war. In ihrer Reiseapotheke hatte Sisi immer, in einer kleinen Schatulle, eine "Kokainspritze" mitgenommen, die lange Jahre bis 2006 im Sisi-Museum in München zu sehen war.

War Sisi geschlechtskrank?

   Es wird auch behauptet, die Kaiserin wäre geschlechtskrank gewesen; sie leidete an einer "sexuell übertragbaren Krankheit". Das soll einerseits, als sie gerade Kaiserin wurde und noch vor der Geburt ihrer vier Kinder gewesen sein - also vor 1855. Andererseits während der Affäre des Kaisers mit Anna Nahowsky, also zwischen 1875 und 1889. Es wurden an der Kaiserin "schmerzhafte Schwellungen an den Ellenbogen- und Kniegelenken" festgestellt, als Folge einer derartigen Krankheit und eines Seitensprunges (Größing, 99 Fragen). Auch das Musical "Elisabeth" von Michael Kunze und Sylvester Levay, das "die wahre Geschichte" beansprucht, spielt auf diesen Umstand an und belegt den jungen Kaiser mit der "französischen Krankheit", der Syphilis. Dazu muss gesagt werden, dass eine derartige Krankheit sehr bald zu massiven Veränderungen im Aussehen führt und auch für die Außenstehenden nicht unentdeckt bliebe. Zudem kann die Krankheit zu Fehlgeburten führen und auf die Kinder übertragen werden. Von der Kaiserin und auch vom Kaiser (der schließlich 86 Jahre alt wurde) ist diesbezüglich nichts zu bemerken. Die großen Historiker berichten davon nichts. Die Kaiserin nahm in den Jahren 1875 bis 1882 an exzessiven Reitjagden teil und blieb auch im Alter weitgehend fit. Wäre sie geschlechtskrank gewesen, hätte sich das anderes abgezeichnet. Ihre Beschwerden an den Ellenbogen- und Kniegelenken waren die Folgen von Rheuma und Ischias (Hamann, Kaiserin wider Willen, S. 443), weshalb sie in späteren Jahren öfters einen Gehstock benutzen musste.

Das "Sisi-Syndrom"

   In dem Buch von Gabriele Praschl-Bichler "Kaiserin Elisabeth - Mythos und Wahrheit", mit Kommentaren der beiden Psychologen Gerti Senger und Walter Hoffmann, wird ein "Sisi-Syndrom" postuliert, das inzwischen durch die Literatur und die öffentlichen Meinungen geistert. Ihre "neurotischen Essstörungen", ihr "magersüchtiges Verhalten" (S. 246 bis 248) soll ein "Kampf gegen die sexuelle Versuchung" gewesen sein, die "auf der oralen Ebene ausgetragen" wurde. Verglichen wird das mit den magersüchtigen Models der Neuzeit. Klingt das schon sehr seltsam, weil Sisi andere Gründe hatte sich der Sexualität zu entsagen, die aus ihren Gedichten hervorgehen, so gibt es andere wissenschaftliche Aussagen, die ein "Sisi-Syndrom" nicht bestätigen.

   "Eine unabhängige Forschergruppe überprüfte die verbreiteten Behauptungen und kam Anfang 2003 zu dem Schluss, dass diese wissenschaftlich unbegründet sind. Das 'Sissi-Syndrom' ist also keine eigenständige nosologische Krankheit." (Sissi-Syndrom, wikipedia).

   Von Autorinnen und Filmemachern werden immer wieder nicht belegbare Einzelheiten herausgegriffen, um irgendetwas vermeintlich Neues zu präsentieren. Die frühen großen Biographien haben die Kaiserin Elisabeth weitgehend richtig dargestellt. Man muss nicht Neues erfinden. Man kann bestenfalls das schon Gesagte und Geschilderte nochmals aufgreifen und deutlicher hervorheben, was in einer neuen, ordentlich gemachten Biographie noch geschehen könnte (z.B. eine bildliche Darstellung von Franz Joseph und Sisi in ihren tatsächlichen Körpergrößen).

Sisi war 172 cm groß, Franz Joseph vermutlich 168 cm.

   Es ist zwar bekannt, dass der Kaiser einige Zentimeter kleiner war als die Kaiserin, doch wird das nirgends bildhaft dargestellt. Sisi sprach den Kaiser in ihren Briefen manchmal als "mein Kleiner" an.

Bild: Links die Fotomontage zur Silberhochzeit 1879. Rechts die richtige Darstellung der Körpergrößen.

Bild: Auch eine Statuette aus Biskuitporzellan von 1854, die das Paar als Verlobte zeigt, wurde so angefertigt, dass der Kaiser größer ist als Sisi. Links das Original, rechts eine Fotomontage mit den richtigen Körpergrößen.

   Die Kaiserin und der Kaiser sind seit April 2011 in ihren richtigen Körpergrößen bei Madame Tussauds im Wiener Prater zu sehen - allerdings getrennt voneinander.

Ein Aktfoto von Sisi?

   Ein angebliches Aktfoto der Kaiserin entpuppt sich als plumper Erpressungsversuch an den Kaiser im Jahre 1872. Es ist eine simple Fotomontage, die ein schwer verschuldeter Spielwarenhändler an den Kaiser geschickt hat und ihn zu einer Zahlung eines größeren Geldbetrags nötigte, ansonsten er das Bild veröffentlichen werde. Aus einem Bild vom Hoffotografen Ludwig Angerer aus dem Jahre 1864 wurde der Kopf der Kaiserin ausgeschnitten und in ein Bild einer barbusigen Dame mit einer Lyra (einem Saiten-Musikinstrument) einmontiert. Der Erpresser wurde bald ausgeforscht und verhaftet (Mraz, Gerda; Fischer-Westhauser, S. 66).

Elisabeth, die Wohltätige

    Sisi hatte nach der Schlacht von Solferino 1859 in Laxenburg ein Spital für die Verwundeten eingerichtet und diese auch selbst versorgt (Hamann, S. 137).  Nach dem schleswig-holsteinischen Krieg, im Februar 1864, versorgte die Kaiserin abermals Verwundete im Nordbahnhof, 1864 (Hamann, S. 178). Ebenso stellte sie ihre Samariterdienste zur Verfügung nach der Schlacht bei Königgrätz 1866, wo sie wieder Verwundete im Nordbahnhof betreute (Hamann, S. 236). Sisi besuchte und tröstete auch Verwundete in Schönbrunn und in Budapest nach dem bosnischen Feldzug, dem russisch-türkischen Krieg, 1878 (Corti, S. 301, 302). Sisi besuchte Waisenhäuser in Böhmen und Mähren im Juni 1854 (Hamann, S. 87; Corti, S. 55); ein Choleraspital in München 1874 (Hamann, S. 291) und eine Krankenanstalt im Jahr 1882 (Hamann, S. 290, 291). Sie kam stets unangemeldet und setzte dabei wegen der Ansteckungsgefahr ihr Leben aufs Spiel. Sie kostete sogar das Anstaltsessen, gab Ratschläge und spendete Geld und Zuspruch. Sie nahm auch an den jährlichen Fußwaschungen von betagten Menschen teil. Der Kaiser hatte das Hofbudget 1866 für 1867 auf 5 Millionen Gulden herabgesetzt (Hamann, S. 249) weil nach dem Krieg gegen die Preußen gespart werden musste. Sisi hat ihre jährliche Apanage von 100.000 Gulden auf ein Schweizer Bankkonto gelegt. Sie hinterließ ihrer Tochter Valerie ein beachtliches Vermögen von "10 Millionen Gulden in soliden Papieren" (Hamann, S. 605) und mehrere Immobilien. Ihre Reitausflüge und andere Reisen hat der Kaiser aus seinem Privatvermögen finanziert. Davon haben etliche Mitläufer (Hofmeister, Offiziere, Stallpersonal, Handwerker etc.) profitiert.

Elisabeth, die Todessehnsüchtige

    Das Bild der todessehnsüchtigen Elisabeth stimmt nur partiell. Als Kind und als junge Kaiserin hat sie wohl keinen Grund dazu gehabt. Erst als sie einige Todesfälle im engsten Familienkreis, von Freunden oder ihr nahestehenden Personen miterleben musste, machte sie sich Gedanken darüber. Im späteren Alter verstärkt. Zuerst starb ihre Tochter Sophie 1857; dann 1867 der Bruder von Franz Joseph, Max Ferdinand, durch eine Hinrichtung in Mexiko; dann 1872 Erzherzogin Sophie, was ihr wohl nicht so sehr zugesetzt hat. Als jedoch 1886 König Ludwig von Bayern starb und besonders ihr Sohn Rudolf 1889, war sie wohl dem Tod eher zugeneigt. Sie trug seitdem nur mehr schwarze Kleider. Sisi war aber nie wirklich selbstmordgefährdet. Noch kurz vor ihrem Tod durch das Attentat erfreute sie sich am schönen Genfer See und den Schweizer Bergen. Während ihrer Fahrt nach Madeira 1860 läßt sie sich mit einem Stuhl am Deck des Schiffes anbinden und trotzt so den Elementen (Thiele, S. 263). So etwas macht keine Selbstmordkandidatin. Obwohl sie ab Mitte der achtziger Jahre gewisse Selbstmordgedanken gehabt hat, ist sie doch davon wieder abgekommen und hat sich wie "ein feiger Hund... nach Haus geschlichen" (Hamann, S. 438).

Elisabeth, die Fehlerhafte

    Sicherlich hatte Sisi auch ihre Fehler gehabt und man sollte nichts davon beschönigen. Sie war manchmal überempfindlich; sie hat manchmal überreagiert. Sie konnte auch energisch sein. "Als einmal auf einem Hoffest der päpstliche Nuntius sich mit seinen Füßen in die lange Schleppe der Kaiserin verwickelte, reißt Elisabeth,.. die Schleppe mit einem so gewaltigen Ruck an sich, dass der Diplomat des heiligen Vaters ins Wanken gerät und fast zu Boden gestürzt wäre" (Thiele, S. 254). Sie konnte aber auch verständnisvoll sein. Als Sisi einmal 1858 eine andere Friseuse hatte, die heimlich einige Haare aus der Haarbürste für sich entfernte, und die Kaiserin das bemerkte, schnitt sie einfach einige Haarbüschel ab und schenkte sie dem unter Tränen aufgelösten Mädchen (Praschl-Bichler, Cachée, S. 47, 48). Gewöhnlich war sie aber nicht so großzügig, was ihre Haare betraf. Sie konnte auch nachtragend sein. Sie "vergißt, was sie sie anderen antut, erinnert sich aber in allen Einzelheiten, wenn ihr etwas angetan wird" (Thiele, S. 482). Natürlich hat sie nach ihrem Ultimatum 1865 in der Hofburg energisch ihre Forderungen durchgesetzt, doch bald wieder resigniert, weil der Druck der Hofgesellschaft zu groß war. Keineswegs hat sie, wie die Autorin Praschl-Bichler meint " die Puppen tanzen lassen".

Elisabeth, die Missverstandene

    Wer will es der Kaiserin Elisabeth heute verdenken, wenn sie versucht hat sie selbst zu sein - wenigstens in wenigen Augenblicken. Sollte Elisabeth eine zweite Maria Theresia werden? Eine gute Matrone, eine "gute Hausfrau" wie Andrássy gemeint hat, familär, häuslich und  mit möglichst vielen Kindern? Die Zeit war anders geworden. Liberale Ideen haben sich entwickelt. Auch ihre Schwestern machten dabei teilweise mit und nicht zuletzt Kronprinz Rudolf. Sisi räumte mit vielen alten Vorstellungen auf - auch was die Kleidung, die Mode betrifft. Viel ist über Sisi geschrieben worden. Viel ist gedeutet und manches missverstanden worden. Auch wenn sich teilweise Neues ergeben sollte, müssen wir deshalb nicht die Geschichte umschreiben. Wir sollten aber vielleicht manches neu bewerten und besser verstehen. Das hoffte auch Sisi in ihren Gedichten "An die Zukunfts-Seelen!", dass sie von diesen besser verstanden wird. Sie glaubte aber, dass sie "vorübergehen" wird, "ohne eine Spur in Österreich zu hinterlassen" (Hamann, Elisabeth, S. 563; Valerie, 18.2.1889). Das Gegenteil  ist eingetreten. Sie wird geliebt und verehrt wie keine andere aus dem Kaiserhaus. Sie ist, wie Conte Corti schreibt, "in jeder Beziehung eine einmalige Gestalt gewesen" (Vorwort, S. VI).

Sisi, Sissi oder Lisi?

   Der bayrische Antiquar Paul Heinemann behauptete 1998, dass Sisi eigentlich „Lisi“ hieß. Der vielzitierte Namenszug „Sisi“ muss eigentlich als „Lisi“ gelesen werden. Der erste Buchstabe entspricht dem „L“ in der Handschrift der Kaiserin – deutlich zu erkennen in der Anrede ihres Gedichtes „An die Zukunfts-Seele“. Graphologisch gesehen muss das richtig sein, denn auch andere Handschriften aus dieser Zeit, wie von Kronprinz Rudolf und Kaiser Franz Joseph, zeigen das groß geschriebene „L“ mit einer Linksschlaufe oben und einer Rechtsschlaufe unten. Der Kaiser schrieb "Sisi" (Faksimile von Briefen liegen uns vor). Das „S“ in der Handschrift der Kaiserin ist deutlich anders geschrieben als das „L“. Somit ist der Namenszug „Lisi“ nicht als Sisi-Logo zu verwenden und in dieser Beziehung unrichtig. Die junge Elisabeth soll als 16jährige einen Brief an ihren Vater geschrieben haben, den sie mit „Deine gehorsame Lisi“ unterzeichnete. Daher der Namenszug. Später unterschrieb sie meistens mit „Elisabeth“. Der Moderator und Journalist Karl Hohenlohe, aus der österreichischen Familie Hohenlohe, meint, dass man Sisi, französisch ausgesprochen "Siesie", mit zwei langen "i", gerufen hat, wie auch bei ihrer Schwester Helene, nämlich "Néné". Daran könnte etwas wahres sein, hat man doch am österreichischen und auch am bayerischen Hof vielfach französisch gesprochen.

 

Quellen:

Conte Corti, Egon Caesar: Elisabeth -  Die seltsame Frau, Salzburg 1934 (36. Auflage,

                         Graz-Wien-Köln 1974).

Fulford, Roger: Dearest Child, Private Correspondence of Queen Victoria and the Crown Princess of Prussia 1858- 

                         61 (London 1964).

Größing, Sigrid-Maria: 99 Fragen zu Sisi, Verlag Ueberreuter (Wien 2015).

Hamann, Brigitte: Elisabeth - Kaiserin wider Willen (Wien-München 1982).

Larisch, Marie-Louise Wallersee: Meine Vergangenheit/Elisabeth und ich, Meistersprung Literatur

                         (Deutschland/USA 2016).

Mraz, Gerda; Fischer-Westhauser, Ulla: Elisabeth - Wunschbilder oder: Die Kunst der Retouche

                         (Wien-München 1998).

Petacco, Arrigo: Die Heldin von Gaeta, Verlag Styria (Graz-Wien-Köln 1994).

Praschl-Bichler, Gabriele; Cachée, J.: "...von dem müden Haupte nehm´ die Krone ich herab",

                         (Wien-München-Berlin 1995)

Praschl-Bichler, Gabriele: Kaiserin Elisabeth - Mythos und Wahrheit (Wien 1996).

Praschl-Bichler, Gabriele: Unserer liebe Sisi - Die Wahrheit über Erzherzogin Sophie und

                         Kaiserin Elisabeth (Wien 2008).

Schad, Martha und Horst (Hrsg.): Marie Valerie - Das Tagebuch der Lieblingstochter von

                         Kaiserin Elisabeth von Österreich (München 1998).

Sokop, Brigitte: Jene Gräfin Larisch (Wien-Köln-Weimar 2006).

Sztaray, Irma: Aus den letzten Jahre der Kaiserin Elisabeth (Wien 2004).

Thiele, Johannes: Elisabeth - Das Buch ihre Lebens (München 1996).

Unterreiner, Katrin: Sisi - Kaiserin Elisabeth von Österreich. Ein biografisches Portrait

                       (Freiburg im Breisgau 2010).

 

 

Renate Hain

(Sisi-Sammlerin)

 

Walter Hain

(Wissenschafts- und Sachbuchautor)

 

Siehe auch:

Sisi in Film und Musical >>

Der Aktfoto-Erpressungsversuch >>

Ein letztes Foto von der Kaiserin? >>

 

Unser Buch dazu:

Kaiserin Elisabeth und die historische Wahrheit >>

BoD-Verlag, 2016.

 

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