The Day After Tomorrow
USA 2004, 124 Min.
Regie: Roland Emmerich
Edel geht die Welt
zugrund... zumindest in den Katastrophenfilmen von Roland Emmerich. Waren in
seinen bisherigen Besuchen dieses Genres fiese Aliens und ein großes
japanisches Monster für die drohende Zerstörung der Welt (oder zumindest New York
City
)
verantwortlich, so ist es diesmal ein deutlich "coolerer" Feind: Das Wetter!
Nur wenige Tage, nachdem Klimaforscher Jack Hall (Dennis Quaid) erfolglos versucht hat, die führenden Nationen ob der anhaltenden Umweltverschmutzung vor einem Klimawandel zu warnen, wird sein Horrorszenario grausame Realität. Nach einer plötzlichen Abkühlung des Golfstroms spielt das Wetter auf der ganzen Welt verrückt: In Japan regnet es fußballgroße Hagelkörner, und New York wird von den heftigsten Regenschauern in der Geschichte der Stadt heimgesucht. Die größte Bedrohung sind aber die riesigen Stürme, die sich gebildet haben. In deren Zentrum herrschen nämlich derart niedrige Temperaturen, dass alles, was dieser Kälte ausgesetzt wird, binnen Sekunden erfriert. Eben solch eine Sturmfront bewegt sich direkt auf New York zu... wo sich Hall's Sohn Sam (Jake Gyllenhaal) mit seiner Schulklasse befindet, um an einem Wissenswettbewerb teilzunehmen. Nachdem es Sam und seinen Schulkollegen gerade in letzter Minute gelungen ist, sich vor der riesigen Flutwelle zu retten, und man verzweifelt versucht, in der darauffolgenden eisigen Kälte am Leben zu bleiben, macht sich Jack auf den beschwerlichen Weg nach New York, um seinen Sohn zu retten...
Filme dieses Genres laufend üblicherweise nach einem ganz bestimmten Schema ab: Die Katastrophe rückt mit jeder Filmminute näher bzw. steigert sich, ehe das Schlimmste dann entweder in einem großen Showdown am Ende doch noch abgewendet wird, oder die Welt zugrunde geht (wobei letzteres nicht allzu oft vorkommt). "The Day After Tomorrow" hingegen beugt sich nicht diesem 08/15-Aufbau: So ist die eigentliche Katastrophe bereits zur Mitte des Films vorbei. Nicht, dass es danach keine spannenden Momente oder tolle Bilder mehr geben würde... doch die größten Schauwerte hat man, nachdem die Flut einmal über New York hereingebrochen ist, eindeutig hinter sich. Danach konzentriert sich Emmerich eigentlich gänzlich darauf, wie die Menschen mit dieser Situation umgehen bzw. um ihr Überleben kämpfen. Eine recht eigenwillige Herangehensweise, die wohl nicht jedermanns Sache sein dürfte, mir jedoch durchaus gefallen konnte, wurde dadurch doch endlich mal für einen Hauch von Innovation im ansonsten so monotonen Katastrophenfilm-Genre gesorgt.
Dieser
Aufbau hätte jedoch nicht funktioniert, wenn Emmerich nicht bei
der Charakterisierung seit "Independence Day" und "Godzilla"
etwas dazugelernt hätte. Während in seinen bisherigen
Ausflügen ins Genre die eigentliche Bedrohung die Hauptrolle inne hatte, stehen
diesmal eindeutig die Figuren im Mittelpunkt. Auch werden uns diesmal im
Gegensatz zu Emmerich's bisherigen Katastrophenfilmen keine eindimensionalen und
klischeehaften Schablonen als Charaktere verkauft, denn auf seine alten Tage
scheint es der Schwabe langsam aber sicher zu verstehen, seinen Figuren eine
gewisse Tiefe zu verleihen. Nicht, dass das Wort "Tiefe" angesichts der
Charakterisierung wirklich angebracht und passend wäre, denn eigentlich kommen
die Figuren immer noch etwas unoriginell und einseitig daher. Aber zumindest
hat es Emmerich geschafft, seinen Charakteren ausreichend Leben einzuhauchen, damit es dem Zuschauer möglich wird,
eine Bindung zu ihnen aufzubauen und ob deren weiteren Schicksals mitzufiebern - angesichts der sehr auf die Figuren konzentrierten und
eher ruhigen 2. Hälfte eine absolute Notwendigkeit, damit
der Film funktioniert und keine Langeweile aufkommt.
Einen großen Anteil daran haben naturgemäß auch die Schauspieler. Dennis Quaid liefert zwar keine überragende, aber eine durchaus überzeugende Vorstellung ab als Vater mit leichten Schuldgefühlen, da er sich oftmals zu sehr auf seine Arbeit konzentriert und seine Familie, insbesondere seinen Sohn, vernachlässigt. Jake Gyllenhaal kann schon allein aufgrund der Rolle längst nicht so glänzen wie in "Donnie Darko", stellt aber auch hier ein weiteres mal sein Talent zur Schau. Vor allem die Natürlichkeit, mit der es ihm gelingt, seine Rollen auf den Bildschirm zu bringen, ist bemerkenswert. Gleiches kann über seine junge Schauspielkollegin Emmy Rossum gesagt werden, die bereits in "Mystic River", wenn auch in einer relativ kleinen Rolle, eine bemerkenswerte Talentprobe abgegeben hat. Auch die Nebenrollen sind allesamt gut besetzt, wobei vor allem Ian Holm als Leiter einer Forschungsstation hervorsticht. Die Szene, in der er dem Zuschauer die Einsamkeit seiner Figur vor Augen führt, gehört zu den berührendsten Momenten des Films. Man fühlt mit diesen 3 Männern in der Forschungsstation wirklich mit, wenn diesen bewusst wird, dass sie dem Untergang geweiht sind. In gewisser Weise hat sich Emmerich also auch hier weiterentwickelt: Er braucht jetzt nicht mehr unbedingt Unmengen von Pathos, Patriotismus und/oder Heldenmut für einen bewegenden Moment. Doch nicht nur in dieser Szene zeigt sich die im Vergleich zu bisherigen Emmerich-Streifen deutlich ausgefeiltere Inszenierung. So wird durch die Entscheidung, den Zuschauer ab einem gewissen Punkt über das weitere Schicksal von Sam und seinen Leidensgenossen in der Bibliothek im Unklaren zu lassen, bis sein Vater New York erreicht, die Spannung nochmal enorm gesteigert.
Doch
etwas größeres Augenmerk auf die Charaktere zu richten und eine etwas
ausgefeiltere Inszenierung sind nicht die einzigen Aspekte, in denen Emmerich in
den letzten Jahren Fortschritte gemacht hat. Zwar hat sich der schwäbische
Hollywood-Export schon immer darauf verstanden, den Zuschauer mit
beeindruckenden und erinnerungswürdigen Bildern und Einstellungen zu
verwöhnen, doch selbst hier hat sich Emmerich meiner Ansicht nach noch einmal
deutlich gesteigert. Wo er sich früher vor allem auf Bombast und Spektakel
konzentriert hat, versteht er es mittlerweile, auch ruhigeren Szenen abseits von
Chaos und Zerstörung eine gewisse Klasse zu verleihen. Dies zeigt sich bereits beim hervorragenden
Intro, wo
die Kamera über das Eis der Antarktis segelt und sich die Namen der
Verantwortlichen im Wasser spiegeln, und setzt sich eigentlich den ganzen Film über
fort. Eines der beeindruckendsten Bilder, das wohl jedem Zuschauer länger in Erinnerung
bleiben wird (und das bereits im Trailer zu sehen war), ist die Einstellung, in
der man von einem Punkt über der zugefrorenen und eingeschneiten
Freiheitsstatue auf Jack und seinen Kumpel herabblickt, die soeben New York
erreicht haben. Und auch das Ende geizt nicht mit beeindruckenden und
bewegenden Bildern...
Apropos Ende: Auch hier umgeht Emmerich einen altbekannten und insbesondere bei Katastrophenfilmen sehr beliebten Fehler, nämlich (Achtung, Spoiler!) dass komischerweise nur die Personen überleben, deren Schicksal im Film näher beleuchtet wird (also dieses "Die einzigen Überlebenden"-Syndrom). Stattdessen verlassen in der (wirklich wundervollen und durchaus auch bewegenden) Schlussszene mehrere Menschen ihre Häuser, um von den Hubschraubern abgeholt zu werden (Spoiler Ende). Ebenfalls erwähnenswert erscheint mir die herrlich-satirische Szene, als hunderte von Amerikanern illegal über die Grenze nach Mexico flüchten, sowie die Bücherverbrennung in der Bibliothek. Zuletzt muss auch noch unbedingt auf den wirklich tollen Soundtrack vom Österreicher Harald Kloser eingegangen werden. Nicht, dass seine Filmmusik unbedingt etwas sonderlich herausragendes wäre, aber gerade nach der Enttäuschung mit Horner's absolut katastrophalem Soundtrack zu "Troja" ist mir Kloser's Untermalung für "The Day After Tomorrow" besonders positiv aufgefallen. Der Soundtrack ist sehr passend und unterstützt die Bilder bzw. die Emotionen einer Szene wirklich perfekt, egal, ob es sich dabei einfach um beeindruckende und schöne Bilder, einen spannenden Moment oder auch ein tragisches Ereignis handelt. Ich hoffe sehr, dass dieser Score für ihn endlich den Durchbruch in Hollywood bedeutet...
Gibt
es eigentlich irgend eine Kritik vorzubringen? Nun, kaum. Es gibt ein paar
Logik-Löcher (so fragt man sich unwillkürlich, wie die Wölfe nur die Flut
überleben konnten), einige Szenen sind etwas zu dick aufgetragen (allen voran
der Vize-Präsident, der seinen Fehler einsieht, verspricht , es von jetzt an
besser zu machen und sich sogar bei seinen Bürgern entschuldigt), und der
Handlungsstrang rund um Jack's Frau und dem krebskranken Kind kann nicht ganz so
packen, wie das von Emmerich wohl gedacht war. Davon einmal abgesehen sind
eigentlich nur mehr die CGI-Wölfe als Schwäche des Films zu erwähnen. Man
sieht ihnen ihre Pixel-Herkunft einfach ein bisschen zu deutlich an, weshalb
einem teilweise bewusst wird, dass Jake Gyllenhaal und Konsorten eigentlich vor
NICHTS davonlaufen... was der Spannung der Szene naturgemäß schadet. Jedoch
sind das nur marginale Kritikpunkte in einem ansonsten wirklich
gelungenem Film...
Fazit: Ganze 5 Monate hat es gedauert, bis im Jahr 2004 endlich das erste große Highlight in den Kinos gestartet ist: "The Day After Tomorrow" ist ohne Zweifel der Film, an dem sich zukünftige Katastrophenfilme messen werden müssen, setzt er doch praktisch in allen Belangen neue Maßstäbe. Egal ob Handlung, Inszenierung, Kamera, Soundtrack... alles erste Sahne. Aufgrund von ein paar Logik-Löchern, einigen etwas zu klischeehaften Szenen und der Tatsache, dass die besten und beeindruckendsten Szenen leider schon im Trailer vorweggenommen wurden, kann ich mich jedoch nicht zur Höchstnote durchringen. Nichtsdestotrotz gibt es 9/10 Punkte für einen wirklich hervorragenden, sehr unterhaltsamen und packenden Katastrophenfilm mit erstaunlich ernsten ökologischen und politischen Untertönen...
Wertung:
(9/10)
Verfasser: cornholio
Titelbild und Filmausschnitte © 2004 20th Century Fox