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Eine Kuvon Pierantonio Rismondo

Finanzminister Dr.Erich Gruen war muede. Im heutigen Ministerrat, wie immer an einem Dienstag, fanden seine Vorschlaege zur Sanierung der Staatskassen kaum Aufmerksamkeit. Im Vorfeld, beim informellen Gespraech mit dem Bundeskanzler, beschloss dieser, den Punkt von der Tagesordnung zu streichen. Seine Begruendung, das ist mit dem Koalitionspartner nicht akkordiert, die Idee nicht ausgereift. Grundsaetzlich kann er solche unpopulaeren Vorschlaege im Hinblick auf die baldigen Wahlen nicht brauchen. Dr. Gruen muesse dies verstehen, sachlich sind seine Vorschlaege wie immer brillant, das Budget-Defizit wuerde sicherlich dadurch verringert. Aber im Konflikt zwischen Staatsraeson und Parteipolitik ist eben das Interesse der Partei, der greifbare Sieg bei den naechsten Wahlen, der Vorzug zu geben.

" Du denkst zu wenig politisch, pragmatisch, Erich." Diesen Stehsatz des Kanzlers kannte Dr. Gruen zur Genuege. Wieder einmal der dezente Hinweis des Profi-Politikers an den Quereinsteiger.

"Es stimmt schon", dachte der Minister, "als Freiberufler", er war bis vor einem Jahr Wirtschaftsanwalt gewesen, "denkt man halt anders , wirtschaftlicher, weniger in Partei-Dimensionen".

Er hatte im letzten Jahr viel dazu gelernt, das Denken in Vierjahres-Zyklen, von einer Wahl zur naechsten. Der Satz: "Wer Parteifreunde hat, braucht keine Feinde" fiel ihm ein. Sehr abgedroschen, sehr zynisch, aber ein Funken Wahrheit steckte doch drin.

Dr. Gruen war muede. Bei der Pressekonferenz nach dem Ministerrat, ein Ritual seit Kreiskys Zeiten, hatte der Kanzler ihn an die Wand gespielt. Sein Freund aus Jugend-Tagen, der ihn ueberredet, pardon, motiviert hatte, in die Politik einzusteigen und gemeinsam fuer dieses Land etwas zu tun. Sein Freund also hatte einige seiner Ideen aufgegriffen und als eigene an die Journalisten verkauft. Natuerlich war es fuer den Minister ein Triumpfgefuehl, wenn seine Ideen wenigstens auf diesem Weg an die Oeffentlichkeit gelangten.

Er bewunderte seinen Freund fuer sein Durchsetzungsvermoegen, seine Macher-Eigenschaften, fuer den letztlich doch gemeinsamen Erfolg. War das alles, die Stellvertreter-Karriere?

Die Muedigkeit drohte Dr. Gruen zu laehmen. Mit 52 Jahren hatte er das ideale Alter fuer einen Politiker, aber die Energie, die dieser Beruf erfordert, kam ihm zeitweise abhanden. Dreissig sein mit der Erfahrung seines Alters, das waere ideal.

Er nahm einen Schluck Tee, in seiner Villa in Hietzing, in der Auhofstrasse. Der Minister genoss es, heute schon um Sieben zu Hause zu sein. Eine kleine Sensation bei seinem Terminkalender. Natuerlich, da war noch dieser Empfang heute Abend, mit dem ueblichen koestlichen Bueffet. Er wuerde erst in zwei Stunden hinfahren muessen, mit seiner Frau.

Wenigstens bei diesen Abend-Terminen konnte Helene ihn begleiten. So sah er sie nicht nur beim Davon-Eilen in der Frueh, oder Spaetnachts, todmuede, vor dem Schlafengehen. Helene zog sich gerade um, das dauerte noch eine Weile, sodass er ein bisschen Zeit fuer sich hatte.

Das Telefon klingelte. Sie hatten keine Geheim-Nummer, ein Relikt aus seiner Anwaltszeit. Ein Anwalt mit Geheim-Nummer, der Widerspruch war ihm zu gross. Es tat ihm leid, die glaenzend gehende Kanzlei aufgegeben zu haben. Als Politiker verdiente er nicht einmal ein Drittel. Aber war denn Geld wirklich alles. Er fand es seltsam, er lebte in einer fuer einen Minister standesgemaessen Villa, doch kam das Geld dafuer aus seiner Anwaltstaetigkeit. Er versuchte auszurechnen, wie viele Jahre er als Minister taetig sein muesste, um sich vom Politikergehalt sein Domizil leisten zu koennen. Er fand es schizophren, der beruehmte Kleine Mann auf der Strasse erwartete natuerlich von einem Minister ein standesgemaesses Leben. Aber hoch sollte eine Politiker-Gage auch nicht sein, da war die Neid-Genossenschaft zu gross. Wenn allerdings nur Reiche Politiker werden konnten, war das auch nicht recht, wo bleibt denn da der demokratische, der sozialistische Gedanke?

Endlich hob der Minister das Telefon ab, das penetrante Klingeln hinderte ihn am Weiterspinnen seiner ketzerischen Gedanken.

- "Peters Magazin fuer den Mann", meldete sich Herr Bischof, "Guten Abend, spreche ich mit Herrn Minister Gruen?" Er bejahte, fand den fuer einen Politiker angemessenen verbindlichen Ton und wollte reflexartig auf freundliche Weise abwimmeln.

-"Herr Minister, wir haben ein sehr attraktives Angebot, wenn wir Sie fuer die Titel-Seite unserer naechsten Ausgabe ablichten duerfen."

Herr Dr. Gruen kannte das Magazin nicht, war aber neugierig geworden.

- "Es ist die deutsche Erstausgabe des amerikanischen Magazins." Erläuterte Herr Bischof und bot 1 Million DM als Honorar an. -"Wieso ist Ihnen der oesterreichische Finanzminister am Titel-Blatt so viel wert?

- Wir wuerden Sie gerne ohne Bekleidung ablichten. Wir hatten in Amerika immer mit dem Voirwurf zu kaempfen, nur junge Damen am Cover zu bringen. Fuer unsere Erstausgabe am deutschen Markt ist daher unsere Strategie, einen - vezeihen Sie - reiferen Mann, moeglichst prominent, zu placieren und einen intellektuellen Touch einzubringen. Die Damen heben wir uns fuer das Blatt-Innere auf.

-Wieso kommen Sie gerade auf mich?

- Nun, unsere Zielgruppe ist der gesamte deutsch-sprachige Raum. Wir dachten an einen allgemein bekannten Politiker. Finanz-Minister ist ideal fuer den Anspruch auf geistiges Niveau, wobei die Nacktheit als Anspielung auf die leeren Staatskassen der "Aufhaenger" ist. Das trifft ja europaweit zu, denken Sie an die Maastricht-Kriterien. Der deutsche Finanz-Minister war uns eine Schuhnummer zu gross, der Schweizer hat empoert abgelehnt. Sie als Oesterreicher sind Garant fuer Charme und bringen sicherlich den noetigen Humor mit." Dr. Gruen uebte sich in Schlagfertigkeit.

-Fuer eine Million DM ist der oesterreichische Finanz-Minister nicht zu kaufen. Wenn Ihr Konzern bereit ist, 100 Millionen DM zu zahlen, dann rufen Sie noch einmal an. Guten Abend."

Helene war umgezogen, im neuen Abenkleid sah sie entzueckend aus. Sie gingen auf den Empfang.

Nach einer Woche, beim Kaffee im Minister-Buero entschuldigte sich seine Sekretaerin, ein Herr Bischof liesse sich am Telefon nicht abwimmeln.

"-Guten Morgen Herr Minister", jubelte Herr Bischof am anderen Ende der Leitung, "ich kann Ihnen die freudige Mitteilung machen, dass wir unser Angebot auf 10 Millionen DM erhoehen."

"_ Unter 100 Millionen DM ist nichts zu machen" aergerte sich Dr. Gruen ueber die Frechheit und legte auf.

Der naechste Ministerrat frustierte den Finanz-Minister wieder. Nach der Pressekonferenz verband ihn seine Sekretaerin wieder mit Herrn Bischof. "- 50 Millionen ist unser neues Angebot", sagte er knapp. "- Unter 80 Millionen gehe ich nicht", erwiderte Dr. Gruen, legte auf und dachte, damit die Sache elegant erledigt zu haben.

Ein Monat verging, der Wahlkampf hatte begonnen. Fuer Dr. Gruen, dem Quereinsteiger, eine neue Phase seines lebens. Nervenaufreibend, frustrierend, anstrengend, irgendwie entwuerdigend. Der erste Adventsonntag war da, die Wahl fand noch vor Weihnachten statt.

Herrn Bischof war es wieder gelungen, Dr. Gruen ans Telefon zu kriegen. "_ Wir haben lange nichts voneinander gehoert, ich habe die Zeit genutzt, in Amerika in der Konzern-Zentrale die Einwilligung zu bekommen. Die 80 Millionen DM sind O.K., wann koennen wir uns treffen?

Automatisch blaetterte Dr. Gruen in seinem Terminkalender. "-Naechsten Donnerstag um 15.00 Uhr".

Herr Bischof hatte sein Ziel erreicht, Dr. Gruen war zermuerbt vom Wahlkampf, jetzt war es ein leichtes Spiel. Das Angebot war einfach unwiderstehlich. Veroeffentlichung erst im Jaenner, ein gutes Timing.

Weihnachten verging, die Partei errang wi erwartet den Sieg. Das neue Jahr begann mit dem Paukenschlag. Das neue Magazin war lanciert in Deutschland, in der Schweiz, in Oesterreich. Als Dr. Gruen das Neujahrskonzert der Philharmoniker verkatert verliess, benerkte er, dass ihn mehr Journalisten als bei den Pressefoyers nach dem Minnisterrat umringten.

"-Sie werden versatehen, dass ich privaten Medien nur gegen Millionenbetraege fuer ein Interview zur Verfuegung stehe." , entkam er den aufgeregten Journalisten. Zu Hause am telefon, natuerlich der ORF. Der ist schliesslich oeffentlich-rechtlich, argumentierte der Journalist. Selbstverstaendlich eine Sonder-"Zeit-im-Bild", auch zu Neujahr, aus aktuellem Anlass, Gast, Der Minister, wer sonst. Am naechsten Sonntag auch die "Presse-Stunde", und auch "Zur Sache" , willigte Dr. Gruen ein. Aber dann ist Schluss. Herr Bischof hatte ihm freundlicherweise ein Feriendomizil organisiert, in Amerika, gleich neben Thomas Gottschalk. Die Ruhe wuerde er schon brauchen, nach dem Presse-Rummel.

Dort angelangt, blaetterte Dr.Gruen im Pressespiegel des ORF. Seine "message" hatte er "hinuebergebracht": Natuerlich, der Betrag war unwiderstehlich, er habe aber auch das System wachruetteln wollen. Warum ist es selbstverstaendlich, dass ein Spitzensportler oder ein Entertainer Millionen verdienen darf, ein Politiker nicht. Demokratie, die nichts kosten darf, das leisten wir uns.