Juni 2009 -
Änderung des Gewaltschutzgesetzes (2. Gewaltschutzgesetz)
Nunmehr ist bei
Stalking/Beharrlicher Verfolgung das Bezirksgericht des Wohnortes des Opfers
zuständig für die Beantragung einer Einstweiligen Verfügung zwecks
Kontaktverbot (vorher das Bezirksgericht des Wohnorts des Stalkers).
Betretungsverbot und Wegweisung zum Schutz vor Gewalt
§ 38a. (1) Die
Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, einem Menschen,
von dem auf Grund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen eines
vorangegangenen gefährlichen Angriffs, anzunehmen ist, dass er einen
gefährlichen Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit begehen werde
(Gefährder),
1. das Betreten einer Wohnung, in der ein
Gefährdeter wohnt, und deren unmittelbarer Umgebung oder
2. sofern es sich bei dem Gefährdeten um einen
unmündigen Minderjährigen handelt, das Betreten
a) einer vom gefährdeten Unmündigen zur
Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht im Sinne des Schulpflichtgesetzes 1985,
BGBl. Nr. 76/1985, besuchten Schule oder
b) einer von ihm besuchten institutionellen
Kinderbetreuungseinrichtung oder
c) eines von ihm besuchten Horts samt eines
Bereichs im Umkreis von fünfzig Metern,
zu untersagen.
(2) Bei Anordnung eines Betretungsverbotes haben die Organe des
öffentlichen Sicherheitsdienstes
1. dem Gefährder den räumlichen Bereich, auf den
sich das Betretungsverbot bezieht, zur Kenntnis zu bringen, wobei der
Geltungsbereich des Betretungsverbotes nach Abs. 1 Z 1 nach Maßgabe
der Erfordernisse eines wirkungsvollen vorbeugenden Schutzes zu bestimmen ist,
2. ihn, im Falle einer Weigerung, den vom
Betretungsverbot nach Abs. 1 umfassten Bereich zu verlassen, wegzuweisen,
3. dem Gefährder alle in seiner Gewahrsame
befindlichen Schlüssel zur Wohnung gemäß Abs. 1 Z 1 abzunehmen,
4. ihm Gelegenheit zu geben, dringend benötigte
Gegenstände des persönlichen Bedarfs mitzunehmen und sich darüber zu
informieren, welche Möglichkeiten er hat, unterzukommen.
Bei einem Verbot, in die eigene Wohnung zurückzukehren, ist
besonders darauf Bedacht zu nehmen, dass dieser Eingriff in das Privatleben des
Betroffenen die Verhältnismäßigkeit (§ 29) wahrt. Sofern sich die Notwendigkeit
ergibt, dass der Betroffene die Wohnung oder eine Einrichtung nach Abs. 1
Z 2, deren Betreten ihm untersagt ist, aufsucht, darf er dies nur in
Gegenwart eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes tun.
(3) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind
verpflichtet, vom Gefährder die Bekanntgabe einer Abgabestelle für Zwecke der
Zustellung der Aufhebung des Betretungsverbotes, der Ladung zu einer
präventiven Rechtsaufklärung (Abs. 6a) oder einer einstweiligen Verfügung
nach §§ 382b und 382e EO zu verlangen. Unterlässt er dies, kann die
Zustellung solcher Schriftstücke so lange durch Hinterlegung ohne
vorausgehenden Zustellversuch erfolgen, bis eine Bekanntgabe erfolgt; darauf
ist der Gefährder hinzuweisen.
(4) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind weiters
verpflichtet,
1. den Gefährdeten von der Möglichkeit einer
einstweiligen Verfügung nach §§ 382b und 382e EO und von geeigneten
Opferschutzeinrichtungen (§ 25 Abs. 3) und
2. sofern Unmündige gefährdet sind, unverzüglich
a. den örtlich zuständigen Kinder- und
Jugendhilfeträger gemäß § 37 Bundes-Kinder- und
Jugendhilfegesetz 2013 (B-KJHG 2013), BGBl. I Nr. 69, und
b. den Leiter einer Einrichtung gemäß Abs. 1 Z 2
für die das Betretungsverbot verhängt wurde
zu informieren.
(5) Bei der Dokumentation der Anordnung eines Betretungsverbotes
ist nicht bloß auf die für das Einschreiten maßgeblichen Umstände, sondern auch
auf jene Bedacht zu nehmen, die für ein Verfahren nach §§ 382b und 382e EO
oder für eine Gefährdungsabklärung im Sinne des § 22 B-KJHG 2013
durch den zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträger von Bedeutung sein können.
(6) Die Anordnung eines Betretungsverbotes ist der
Sicherheitsbehörde unverzüglich bekanntzugeben und von dieser binnen
48 Stunden zu überprüfen. Stellt die Sicherheitsbehörde fest, dass das
Betretungsverbot nicht hätte angeordnet werden dürfen, so hat sie dieses dem
Gefährder gegenüber unverzüglich aufzuheben; der Gefährdete ist unverzüglich
darüber zu informieren, dass das Betretungsverbot aufgehoben werde; die
Aufhebung des Betretungsverbotes sowie die Information des Gefährdeten haben
nach Möglichkeit mündlich oder schriftlich durch persönliche Übergabe zu
erfolgen. Die nach Abs. 2 abgenommenen Schlüssel sind mit Aufhebung des
Betretungsverbotes dem Gefährder auszufolgen, im Falle eines Antrages auf
Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach §§ 382b und 382e EO beim
ordentlichen Gericht zu erlegen.
(6a) Ist das Betretungsverbot nach Abs. 6 nicht
aufzuheben, so kann der Gefährder von der Sicherheitsbehörde während eines
aufrechten Betretungsverbots (Abs. 8) vorgeladen werden, um über
rechtskonformes Verhalten nachweislich belehrt zu werden, wenn dies wegen der
Persönlichkeit des Gefährders oder der Umstände beim Einschreiten erforderlich
erscheint (präventive Rechtsaufklärung). § 19 AVG gilt.
(7) Soweit ein Betretungsverbot nach Abs. 1 Z 2
gemeinsam mit einem Betretungsverbot nach Abs. 1 Z 1 verhängt wird,
kann ersteres auch für den örtlichen Wirkungsbereich einer anderen
Sicherheitsbehörde (§§ 8 und 9) angeordnet werden; diese ist unverzüglich
zu verständigen. Der über die Überprüfung des Betretungsverbotes (Abs. 6)
hinausgehende Vollzug obliegt der jeweils örtlich zuständigen
Sicherheitsbehörde.
(8) Die Einhaltung eines Betretungsverbotes ist zumindest einmal
während der ersten drei Tage seiner Geltung durch Organe des öffentlichen
Sicherheitsdienstes zu überprüfen. Das Betretungsverbot endet zwei Wochen nach
seiner Anordnung.Wird die Sicherheitsbehörde binnen dieser Frist vom ordentlichen
Gericht über die Einbringung eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen
Verfügung nach §§ 382b und 382e EO informiert, so verlängert sich das
Betretungsverbot bis zum Zeitpunkt der Zustellung der Entscheidung des ordentlichen
Gerichts an den Antragsgegner, längstens jedoch auf vier Wochen ab Anordnung.
Im Falle einer Zurückziehung des Antrages endet das Betretungsverbot zwei
Wochen nach seiner Anordnung, bei Zurückziehung des Antrags nach Eintritt der
Verlängerung des Betretungsverbotes, sobald die Sicherheitsbehörde von der
Zurückziehung durch Mitteilung des ordentlichen Gerichts Kenntnis erlangt.
(9) Das ordentliche Gericht hat die örtlich zuständige
Sicherheitsbehörde von der Einbringung eines Antrages auf Erlassung einer
einstweiligen Verfügung nach §§ 382b und 382e EO und dessen Umfang sowie
von einer allfälligen Zurückziehung unverzüglich in Kenntnis zu setzen.
Außerdem werden
Verstöße gegen Einstweilige Verfügungen gem. §§ 382b, 382e Abs. 1 Z 1 und Z 2 erster
Fall und § 382g Abs. 1 Z 1 und 3 als
Verwaltungsübertretungen geahndet und können von der Landespolizeidirektion
oder der Bezirkshauptmannschaft bestraft werden.
Jänner 2016 –
Strafrechtsänderungsgesetz 2015
Am Tatbestand der
der „Beharrlichen Verfolgung“ (§ 107a StGB) selbst wurde nichts verändert.
Die hier angeführten Veränderungen betreffen Straftatbestände deren
Tathandlungen oft mit der Beharrlichen Verfolgung einher
gehen.
Gefährliche Drohung
§ 74 Abs. 1 Z 5. gefährliche Drohung: eine
Drohung mit einer Verletzung an Körper, Freiheit, Ehre, Vermögen oder des höchstpersönlichen
Lebensbereiches durch Zugänglichmachen, Bekanntgeben oder Veröffentlichen
von Tatsachen oder Bildaufnahmen, die geeignet ist, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse
und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten
Übels begründete Besorgnisse einzuflößen, ohne Unterschied, ob das
angedrohte Übel gegen den Bedrohten selbst, gegen dessen Angehörige oder
gegen andere unter seinen Schutz gestellte oder ihm persönlich nahestehende
Personen gerichtet ist.
„Cybermobbing“ - Fortgesetzte
Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems (§ 107c)
§ 107c. (1) Wer im Wege einer Telekommunikation oder unter
Verwendung eines Computersystems in einer Weise, die geeignet ist, eine
Person in ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, eine längere
Zeit hindurch fortgesetzt
1.
eine Person für eine größere Zahl von Menschen wahrnehmbar an der Ehre
verletzt oder
2.
Tatsachen oder Bildaufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereiches einer
Person ohne deren Zustimmung eine für eine größere Zahl von Menschen
wahrnehmbar macht,
ist
mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720
Tagessätzen zu bestrafen.
(2) Hat die Tat den Selbstmord oder
einen Selbstmordversuch der im Sinn des Abs. 1 verletzten Person zu Folge,
so ist der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.“
Die Schaffung
des § 107c dient dazu, das umgangssprachlich als „Cybermobbing“ bezeichnete
Phänomen in Form der verbotenen fortgesetzten Belästigung im Wege einer
Telekommunikation oder eines Computersystems strafrechtlich in vollem Umfang
zu erfassen. § 107c ist eine spezielle Form der beharrlichen Verfolgung.
Tatbestandselemente:
Als Tatmittel
kommen „Telekommunikation“ (z.B. E-Mails, MMS,
SMS und Sprachanrufe) und die Verwendung eines Computersystems (§ 74
Abs. 1 Z 8) in Betracht.
Der Begriff „längere
Zeit hindurch fortgesetzt“ ist – wie bei der beharrlichen Verfolgung
gemäß § 107a - an den Umständen des Einzelfalles auszulegen. Die
Veröffentlichung von Nacktfotos des Opfers ohne dessen Zustimmung im
Internet kann bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen eine Strafbarkeit
nach § 107c begründen, wenn diese Bilder eine längere Zeit hindurch nicht gelöscht
werden. Bei Belästigungen im Wege der Telekommunikation sind nur
wiederholte Tathandlungen tatbildlich.
Die Wahrnehmbarkeit
für eine größere Zahl von Menschen ist ab etwa 10 Personen zu bejahen.
Eine Verletzung
an der Ehre stellt laut den EB jede
Verminderung des Ansehens und der Achtung einer Person in den Augen der für
sie maßgeblichen Umwelt dar. Schutzobjekt des StGB ist nicht das subjektive
„Ehrgefühl“ des oder der Betroffenen im Sinne einer größeren oder
geringeren Selbstachtung, sondern die Ehre eines Menschen in ihrer
objektiven Bedeutung (EvBl 1976/147, SSt 53/44, RIS-Justiz
RS0092487).
Tatsachen
des höchstpersönlichen Lebensbereiches sind
z.B. Krankheiten, Behinderungen oder religiöse Bekenntnisse.
Bildaufnahmen
des höchstpersönlichen Lebensbereiches sind
nicht nur Fotos, die das Opfer selbst im Privatleben (z.B. Fotos bei einer
Feier oder auch Nacktfotos) zeigen, sondern auch Fotos der Wohnräume des
Opfers (siehe dazu Art. 8 EMRK).
Für eine
Strafbarkeit nach § 107c müssen die Tathandlungen darüber hinaus die Eignung
haben, das Opfer unzumutbar in seiner Lebensführung zu beeinträchtigen.
In den EB wird dazu ausgeführt: Eine tatsächliche Beeinträchtigung der
Lebensführung ist nicht erforderlich. Bei der Beurteilung ist ein
gemischter (objektiv-subjektiver) Maßstab anzulegen. Es kommt darauf an, ob
das Verhalten derart unerträglich ist, dass bei einer ex-ante-Betrachtung
auch ein Durchschnittsmensch in dieser Situation auf Grund der Handlungen
möglicherweise seine Lebensgestaltung geändert hätte (Schwaighofer
in WK² StGB § 107a Rz 11). Ob die Handlungen
geeignet sind, das Opfer unzumutbar in seiner Lebensführung zu
beeinträchtigen, hängt von den konkreten Umständen im Einzelfall ab. Bei
der Bekanntgabe oder Veröffentlichung von Tatsachen oder Bildaufnahmen des
höchstpersönlichen Lebensbereiches kann eine solche Eignung jedoch nur dann
angenommen werden, wenn eine solche (objektiv) geeignet ist, das Opfer
bloßzustellen.
Abgrenzung zur gefährlichen Drohung:
Kommt es zur
Veröffentlichung von Tatsachen oder Bildaufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereiches
einer Person ohne deren Zustimmung, werden diese aber keiner größeren
Anzahl von Personen zugänglich, kann eine gefährliche Drohung (§ 107)
vorliegen, sofern die Veröffentlichung geeignet ist, der bedrohten Person
mit Rücksicht auf die Verhältnisse und ihre persönliche Beschaffenheit oder
die Wichtigkeit des angedrohten Übels begründete Besorgnisse einzuflößen.
Widerrechtlicher Zugriff auf ein
Computersystem (§ 118a)
§ 118a. (1) Wer sich zu einem Computersystem, über das er nicht
oder nicht allein verfügen darf, oder zu einem Teil eines solchen durch
Überwindung einer spezifischen Sicherheitsvorkehrung im Computersystem in
der Absicht Zugang verschafft,
1.
sich oder einem anderen Unbefugten Kenntnis von personenbezogenen Daten zu
verschaffen, deren Kenntnis schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des
Betroffenen verletzt, oder
2.
einem anderen durch die Verwendung von im System gespeicherten und nicht
für ihn bestimmten Daten, deren Kenntnis er sich verschafft, oder durch die
Verwendung des Computersystems einen Nachteil zuzufügen,
ist
mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360
Tagessätzen zu bestrafen.
(2)
Wer die Tat in Bezug auf ein Computersystem, das ein wesentlicher
Bestandteil der kritischen Infrastruktur (§ 74 Abs. 1 Z 11) ist, begeht,
ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.
(3)
Der Täter ist nur mit Ermächtigung des Verletzten zu verfolgen.
(4)
Wer die Tat nach Abs. 1 im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begeht, ist
mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, wer die Tat nach Abs. 2 im Rahmen
einer kriminellen Vereinigung begeht, mit Freiheitsstrafe bis zu drei
Jahren zu bestrafen.
Zur Schließung
der Strafbarkeitslücken und der weiteren Umsetzung der RL
Cybercrime wurde § 118a novelliert. Bislang waren
nur solche Fälle erfasst, die mit besonderen Absichten begangen wurden
(Spionage-, Benützungs- oder Verbreitungs- und Bereicherungsabsicht bzw. in
Schädigungsabsicht). Aufgrund der engen Vorsatzerfordernisse waren jedoch
einige Fälle des Hackings (z.B. „Bot-Netze“) nicht erfasst.
Nunmehr bedarf
es nur noch der Absicht entweder auf Kenntnisverschaffung von personenbezogenen
Daten, deren Kenntnis schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des
Betroffenen verletzt, oder auf die Verwendung von im Computersystem
gespeicherte Daten, um einem anderen einen Nachteil zuzufügen.
|