EU-Liste der „spezifisch österreichischen Ausdrücke“
laut Protokoll
Nr. 10 über die Verwendung spezifischer
österreichischer Ausdrücke der deutschen Sprache im Rahmen der Europäischen
Union
(zuletzt bearbeitet 22.7.2013)
ÖSTERREICH |
EU (1) |
1
A |
2 A
|
3
D |
4
D |
5 D |
6
B |
EBNER |
ÖWB |
DUDEN |
AMMON |
SEIBICKE |
ZEHETNER |
||
Beiried |
Roastbeef |
+ |
+ |
Ö |
Ö |
- |
- |
Eierschwammerl |
Pfifferlinge |
+ |
Ö CH (2) |
Ö CH |
Ö (3) |
(B) |
|
Erdäpfel |
Kartoffel |
SD |
+ |
Ö L |
B Ö |
SD |
B |
Faschiertes |
Hackfleisch |
+ |
+ |
Ö |
Ö |
Ö |
- |
Fisolen |
Grüne Bohnen |
+ |
+ |
Ö |
(Ö) |
Ö |
- |
Grammeln |
Grieben |
B |
+ |
B |
B Ö |
B |
B |
Hüferl
|
Hüfte |
+ (4) |
Ö |
Ö |
- |
- |
|
Karfiol |
Blumenkohl |
+ |
+ |
Ö |
Ö |
SD |
(B) |
Kohlsprossen |
Rosenkohl |
+ |
+ |
Ö |
Ö |
Ö |
- |
Kren |
Meerrettich |
SD |
+ |
B Ö |
B Ö |
B |
B |
Lungenbraten |
Filet |
+ |
+ |
Ö |
Ö |
- |
- |
Marillen |
Aprikosen |
+ |
+ |
Ö |
Ö |
Ö |
- |
Melanzani |
Auberginen |
+ (6) |
+ |
Ö |
Ö |
- |
- |
Kugel |
(-) |
+ |
(-) |
+ (8) |
(-) |
- |
|
Obers
|
Sahne |
+ (9) |
L (9) |
Ö (9) |
Ö |
B |
- |
Paradeiser |
Tomaten |
+ (10) |
+ (12) |
Ö |
Ö |
Ö |
(B) |
Powidl |
Pflaumenmus |
+ (11) |
+ |
Ö (12) |
Ö |
Ö |
- |
Ribisel |
Johannisbeeren |
+ (13) |
+ |
Ö |
Ö (13) |
Ö |
(B) |
Rostbraten (14) |
Hochrippe |
- |
+ |
+ |
+ |
- |
- |
Schlögel |
Keule |
SD |
L Ö
CH (15) |
SD |
SD |
B |
|
Topfen |
Quark |
B |
+ |
B |
B Ö |
B |
B |
Vogerlsalat |
Feldsalat |
+ |
+ |
Ö |
(Ö) |
Ö |
- |
Weichseln |
Sauerkirschen |
- |
+ |
L CH |
SD |
- |
B |
kursiv: „echte“, also speziell „österreichische“ Wörter;
fett: mit
Bayern (zumindest ursprünglich) gemeinsame Wörter.
Quellen (A = Wörterverzeichnisse für
Österreich, B = Wörterverzeichnis für Bayern, D = Gesamtdeutsche
Wörterverzeichnisse):
1 Ebner, J.: Wie sagt man in Österreich?
Wörterbuch der österreichischen Besonderheiten. Mannheim-Wien-Zürich,
DUDEN-Verlag 1998, 3. Auflage; 4., völlig überarbeitete Auflage mit dem Untertitel „Wörterbuch des österreichischen Deutsch“ 2009.
2 Österreichisches
Wörterbuch, 40. Auflage 2006, 41. Auflage 2009 (Wien, öbv&htp). – Nahezu
übereinstimmende Angaben auch bei Fussy,
H.: Auf gut Österreichisch. Ein Wörterbuch der Alltagssprache. Wien,
öbv&hpt 2003 (nur Nuss fehlt, da es ja
"gemeindeutsch" lt. AMMON et alii 4 ist).
3 Duden. Die deutsche Rechtschreibung.
24. Auflage 2006 (Mannheim-Leipzig-Wien-Zürich).
4 Ammon, U. et alii: Variantenwörterbuch
des Deutschen. Berlin-New York, Walter de Gruyter 1996. – Eine Ergänzung
dazu ist Sedlaczek, R.: Das
österreichische Deutsch. Wie wir uns von unserem großen Nachbarn unterscheiden.
Wien, Ueberreuter 2004 (weist auf Unterschiede innerhalb Österreichs und
Übereinstimmungen mit Nachbarregionen hin, nur Nuss fehlt, da es ja "gemeindeutsch" lt.
AMMON et alii ist).
5 Seibicke, W.: Wie sagt man anderswo?
Landschaftliche Unterschiede im deutschen Sprachgebrauch. Mannheim-Wien-Zürich,
DUDEN-Verlag 1983.
6 Zehetner, L.: Bairisches Deutsch.
Lexikon der deutschen Sprache in Altbayern. Regensburg, edition vulpes 2005.
Zeichenerklärung zur Tabelle (wie die einzelnen Wörter in den
Quellen bewertet werden):
+ enthalten
(in 1
und 2
als bevorzugt gebrauchte Wörter in Österreich lt. EBNER und ÖWB)
- nicht
enthalten bzw. (-) nicht in dieser Bedeutung;
B „bairisch“,
also in Bayern und Österreich üblich;
(B) in Bayern regional (neben anderen
Ausdrücken) oder veraltend bzw. veraltet;
CH Schweiz
Ö in
Österreich üblich;
(Ö) in
Österreich nicht allein üblich;
L landschaftlich
bzw. regional, also nicht im ganzen Sprachraum bzw. lt. ÖWB nicht in ganz
Österreich
SD süddeutsch
(zumindest A+B+CH)
B Ö zwar
„bairisch“ wie oben, aber die einzige in Österreich übliche Bezeichnung
Neun
dieser „spezifisch österreichischen Ausdrücke“ (16)(oder 40%) können nicht in Anspruch
nehmen, solche zu sein, da sie entweder „süddeutsch“ oder „gemeinbairisch“,
also auch außerhalb Österreichs gebräuchlich sind; einige gelten nicht in ganz
Österreich, so sagt man u.a. statt Fisole und Vogerlsalat in
Kärnten gewöhnlich Strankerl und Rapunzel. Das südbairische
Kärnten unterscheidet sich also grundsätzlich nicht vom alemannischen
Vorarlberg, wo auch nicht alle „Austriazismen“ üblich sind, aus unserer Liste
v.a. Faschiertes, Paradeiser und Ribisel, für die in
diesem Bundesland Hackfleisch, Tomate und Johannisbeere gilt.
Die Relativität dieser Liste zeigt auch das Wort Obers: es ist (als ursprünglich
ostösterreichisches Wort erst) erst durch die Gastronomie zum Austriazismus
geworden, umgangssprachlich (und mundartlich) ist im Westen und Süden
Österreichs Rahm üblich (wie auch in Bayern).
An
dieser Liste ist von mehreren Autoren (v.a. Germanisten und Linguisten)
wiederholt Kritik geübt worden (17). Darüber hinaus ist die Tatsache
bemerkenswert, dass es eine entsprechende Liste für staatsrechtliche und
juristische Termini nicht gibt (18). Zur Entstehung und Vorgeschichte
des „Protokolls Nr. 10“ ist zu sagen (19), dass diese Liste keine
sprachpolitische Entscheidung war, sondern andere Motive vorlagen (20).
Die Berücksichtigung „spezifisch österreichischer Ausdrücke“ hatte eher
psychologische Gründe und entsprang dem Wunsch, der im Vorfeld des EU-Beitritts
in weiten Kreisen verbreiteten „Angst vor dem Einheitsdeutsch“ und der Sorge um
die „österreichische Identität“ entgegenzuwirken. Ferner erwartete man dadurch
auch eine größere Zustimmung zum EU-Beitritt beim bevorstehenden Referendum (21). Die Endfassung des „Protokolls Nr. 10“
wurde schließlich von den Verantwortlichen am 31.3.1994 bei einem Mittagessen
beschlossen.
Zur
österreichischen Varietät hinsichtlich der kulinarischen Terminologie in
Wörterbüchern siehe hier.
Anmerkungen:
(1) Im Originalwortlaut Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften im Anhang zum sogenannten
Protokoll Nr. 10 über die Verwendung
spezifischer österreichischer Ausdrücke der deutschen Sprache im Rahmen der
Europäischen Union, Teil des österreichischen Beitrittsantrages. Dazu s. Markhardt, H.: Das Österreichische
Deutsch im Rahmen der EU. Frankfurt am Main usw., Peter Lang 2005, S. 158ff.
(2) Eierschwamm Westösterreich (wie
übrigens auch Pfifferling!) und Schweiz, Eierschwammerl v.a.
Ostösterreich.
(3) lt.
Eintrag „Eierschwamm (in Oberösterreich)“ (S. 119), wohl ein Irrtum.
(4) in
der 39. Auflage 1998 nur in der Zusammensetzung Hiefer-/Hüferschwanzl, in der 41. Auflage 2006 Haupteintrag Hieferl
„bes[onders] Wien“.
(5) „besonders Wien“; Hüferl ist die
sprachhistorisch korrekte Schreibung; erstmals in der 38. Auflage enthalten
(ÖWB-Haupteintrag Hieferl).
(6) in
Deutschland selten auch Melanzane.
(7) so
in alter Rechtschreibung für „Kugel“ (doch „Nuss“ ist auch in Deutschland
geläufig).
(8) „gemeindeutsch“
(9) „besonders
ostösterreichisch“ (im Westen und Süden Österreichs ist eher Rahm
üblich)
(10) „außer Tirol und Vorarlberg“, doch auch sonst
immer neben Tomate.
(11) v.a. im Osten Österreichs.
(12) „besonders ostösterreichisch“.
(13) ohne Vorarlberg.
(14) der Hochrippe entspricht eher die (auch das) Ried, woraus dann
der Rostbraten geschnitten wird.
(15) Haupteintrag Schlegel (dies ist auch die historisch richtige
Schreibung).
(16) Dies
bedeutet nicht, dass sie keine Austriazismen wären, denn sie sind ja für den
Sprachgebrauch in Österreich charakteristisch und gelten nicht im ganzen
deutschen Sprachraum. Die österreichische staatsnationale Varietät ist also
nichts anderes als die Summe aller sprachlichen Phänomene der deutschen
Sprache in Österreich,
wobei der Begriff Austriazismus besagt, dass die betreffende
sprachliche Erscheinung für Österreich typisch ist, wobei jedoch nicht
ausgeschlossen ist, dass diese auch in anderen deutschsprachigen Ländern
(Regionen) üblich ist. Man kann einerseits vier Gruppen von
Austriazismen unterscheiden:
(1) staatsräumliche
Austriazismen:
v.a. Verwaltungs-, Rechts- und Mediensprache sowie der gesellschaftsgebundene
Verkehrswortschatz (v.a. Küche) und einige Berufstitel;
(2) süddeutsche
Austriazismen:
der österreichische Wortschatz auf Grund der Zugehörigkeit des Landes zum
süddeutschen Sprachraum;
(3) bairische
Austriazismen:
der mit (Alt-) Bayern gemeinsame Wortschatz des größten Teils von Österreichs
auf Grund der Zugehörigkeit beider Länder zum bairischen Großdialekt; den tiefgreifenden
Gemeinsamkeiten zwischen dem bayerischen und österreichischen Bairischen stehen
allerdings auch Unterschiede gegenüber;
(4) regionale Austriazismen (Untergruppen zu 1/2/3):
ost-/west-/südösterreichische Besonderheiten und solche einzelner
Bundesländer;
andererseits aber auch zwischen primären*
und sekundären Austriazismen**
(17) dazu
ausführlich Heidemarie Markhardt,
Das österreichische Deutsch im Rahmen der EU. Frankfurt am Main, Peter Lang
2005 (Österreichisches Deutsch – Sprache der Gegenwart, hg. v. R. Muhr u. R.
Schrodt, Bd. 3),
207-211 (mit Lit.).
(18) eine gute Übersicht
dazu bietet Heidemarie Markhardt,
Wörterbuch der österreichischen Rechts-, Wirtschafts- und
Verwaltungsterminologie. Frankfurt am Main, Peter Lang 2006 (Österreichisches
Deutsch − Sprache der Gegenwart, hg. v. R. Muhr u. R. Schrodt, Bd. 7).
(19) dazu s. Markhardt
2005 (wie 17), 162f.
(20) „Hauptmotivation war
ein demonstrativer und symbolischer Akt, der die Wahrung der österreichischen
Identität innerhalb eines supranationalen Gebildes garantieren sollte“ –
so Markhardt 2005 (wie 17) , 327.
(21) vgl. Markhardt 2005 (wie 17), 163 u. 327.
* mehr oder weniger auf Österreich
beschränkte Ausdrucksweisen;
** auch außerhalb von Österreich übliche
Ausdrucksweisen.
zurück: http://members.chello.at/heinz.pohl/Sprachkontakt.htm bzw. http://members.chello.at/heinz.pohl/Kueche1.htm