© Heinz Dieter Pohl

Zum österreichischen Deutsch im Lichte der Sprachkontaktforschung

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Zuletzt aktualisiert und bearbeitet am 2.8.2011

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Inhaltsübersicht:

1. Allgemeines zu den Österreichern. 2. Österreichisches Deutsch im Lichte von Sprachkontakt und Varietätenkontakt. 3. Beispiele für Sprachkontakt.

4. Österreichisches und Bayerisches/Bairisches Deutsch. 5. Austriazismen“ – Versuch einer Klassifikation. 6. Zusammenfassung.

 

Wir sind eine deutsche Sprachgemeinschaft, die sich von der deutschen Sprachgemeinschaft distanziert

(R. Menasse, Das Land ohne Eigenschaften, Suhrkamp-Taschenbuch 2487, 11995, S. 24)

 

1. Allgemeines zu den Österreichern

Die übliche und weitverbreitete Ansicht über den Zusammenhang zwischen Österreichischem Deutsch und Sprachkontakt findet sich in unzähligen Publikationen, meist in Verbindung mit romantischen Hypothesen über die Herkunft der Österreicher ein Beispiel etwa Gabriele Holzer (1):

Die wahrhaft multiethnische (und -nationale) Geschichte des Schmelztiegels Österreich wurde und wird, auch in Österreich, bisweilen übersehen und geleugnet. Schon der legendäre Bürgermeister...Karl Lueger tat einen kalkulierten Mißgriff, als er Zuwanderern aus den nichtdeutschsprachigen Gebieten der Monarchie...ein Bekenntnis zum Deutschtum abverlangte. Gerade Menschen, deren Herkunft besonders stark gemischt und alles andere als germanisch oder auch nur bayerisch war, gebärdeten sich dann oft als die treuesten Deutschen...

Die Spuren dieser Geschichte der Vielfalt, die Einfalt nicht wahrhaben will, sind in grenzüberschreitenden Verwandtschaften und Kontakten, in Koch- und Lebensgewohnheiten, in Sprachgrenzen überschreitender verwandter Weltsicht, in Telephonbüchern, Regierungslisten (der österreichische Bundespräsident, der Bundeskanzler, der Vizekanzler (2) und etliche Minister haben slawische Namen) und auch in manchen Sprachwendungen und Intonationen, wie dem slawischen Wiener L lebendig [Hervorhebung von mir, H.D.P.] (3).

Es stimmt zwar, wie Holzer meint: Sie sind für jeden sichtbar, der sie nicht übersehen will. Doch so einfach ist es auch wieder nicht; insbesondere die Namen haben es den Schmelztiegel-Theoretikern, die meist gar nicht in der Lage sind, einen Familiennamen slawischer oder ungarischer Herkunft einigermaßen richtig auszusprechen, angetan und setzen Namen und Herkunft gleich, aus dem bereits zitierten Buch (4):

Der Aufruf zur Volksabstimmung über Österreichs Unabhängigkeit ... am 13. März 1938 ... galt einem deutschen Österreich. Und ... [es] sprach Kurt Schuschnigg, österreichischer Kanzler slowenischer Abstammung, davon, daß kein deutsches Blut fließen solle.

Name und Sprache haben aber mit Blut gar nichts gemeinsam, daher sind Begriffe wie deutsches Blut, slowenisches Blut usw. abzulehnen (5), denn das Blut aller Menschen auf dieser Welt unterscheidet sich nur nach Blutgruppen! Daher sind zum Leidwesen vieler deutsch/slowenisch / usw. Gesinnter, aber auch jener, die uns Österreicher so gerne als Mischvolk sehen Abstammungsmythen aller Art abzulehnen, denn wir haben 2 Eltern, 4 Großeltern, 8 Urgroßeltern usw., vor 10 Generationen über Tausend, vor 20 Generationen über eine Million und vor 30 Generationen über eine Milliarde Vorfahren so viele Menschen gab es vor 900 Jahren (= 30 Generationen) auf der ganzen Welt nicht. Damit bricht jede Abstammungshypothese in sich selbst zusammen, sowohl die von der reinen germanischen/slawischen/usw. Abstammung als auch die multiethnische bzw. multikulturelle Schmelztiegeltheorie. Deutscher, Slowene bzw. Österreicher wird man durch Sozialisation, Erziehung und Bildung, nicht nur durch Geburt. Ob ein durch den Erwerb seiner Muttersprache deutschsprachig gewordener Österreicher oder slowenischsprachig gewordener Kärntner sich nun als Deutscher, Österreicher oder Slowene fühlt, ist seine subjektive Entscheidung, die er auf Grund von Lebenserfahrung, Weltanschauung und Wissen zu treffen hat, wobei Doppelbekenntnisse durchaus möglich sind, z.B. politisch Österreicher zu sein, aber ethnisch-sprachlich Deutscher bzw. Slowene.

Meines Wissens war Kurt Schuschnigg Tiroler, genauer Südtiroler, und viele Südtiroler führen bekanntlich italienische Namen, ohne Italiener zu sein (z.B. Magnago, Scrinzi), wie ja auch in Wien eine Politikerin einen Kärntner bedeutenden Familiennamen führt, ohne kärntnerisch und noch weniger slowenisch zu sein, nämlich Korosec (slowenisch Korošec [ko'ro:ʃets]), vulgo ['korosek]. Man hat auch im sich multikulturell fühlenden Wien seine Schwierigkeiten, Namen anders als deutsch zu lesen.

Diese hier angesprochene Problematik hat der Wiener Germanist Hermann Scheuringer (6) schon vor Jahren auf den Punkt gebracht:

Den staatlichen Sonderwortschatz und damit auch gleich die kraß überzeichnete Tatsache multikultureller Wurzeln, die implizit gemeint und im Grunde nur auf Wien anwendbar Österreich von Deutschland unterscheide, begründen viele mit einer Art von Schmelztiegel-Theorie (7) mit dem Wiener Telefonbuch als ihrem herausragenden Topos, die so auch für Wien härtere Tatsachen romantisch verklärt und für das restliche Österreich und besonders dessen westliche Hälfte überhaupt nicht zutrifft.

Hierzu auch das im Rahmen der zeitgeschichtlichen Diskussion um das Deutschsein Österreichs wiederholt angeführte Zitat..., daß sich die meisten Österreicher in Triest, in Prag oder in Zagreb mehr zu Hause fühlen als in Hamburg oder in Kiel, wo doch deutsch gesprochen wird (...), eine Aussage, die, wenn sie tatsächlich auf ganz Österreich und Deutschland umlegbar wäre, auch beinhalten müsse, daß sich z.B. auch ein Schärdinger in Zagreb wohler fühlen müsse als in Passau, ein Innsbrucker sich in Prag mehr zu Hause fühlen müsse als in München usw. ausgehend von einer Verherrlichung Kakaniens, symptomatischer Mißachtung Westösterreichs und bewußt distanzierender Gleischstellung nur norddeutscher Städte mit Deutschland. In der bewußt simplifizierenden und pauschal vereinnahmenden Diktion v.a. ostösterreichischer Historiker: die meisten Westösterreicher fühlen sich in Lindau, in München oder Passau mehr zu Hause als in Graz oder Wien, wo doch auch Österreich ist. Argumentationen dieser Art sind einer objektiven Zeitgeschichtsschreibung nicht zuträglich.

Die Menschen deutscher Sprache und Kultur sind keine Abstammungsgemeinschaft, sondern ein Volk im soziokulturellen Sinne. In vielen Teilen des alten (ostfränkischen, später deutschen) Reiches vermischten sich Germanen mit Kelten, Slawen und anderen Völkern. Im heute österreichischen Gebiet setzten sich die Baiern (im äußersten Westen auch Alemannen) durch, was eine kulturelle und sprachliche Germanisierung bedeutete. Ebenso verfehlt wie der Irrglaube an die gemeinsame Abstammung der Deutschen von den Germanen und der Mythos von der ethnischen Reinheit ist die Überbetonung der nichtgermanischen und nichtdeutschen Anteile an der Siedlungs- und Bevölkerungsgeschichte Österreichs und der Mythos vom einzigartigen österreichischen Mischvolk“ – so als ob die anderen europäischen Staatsvölker Inzuchtprodukte seien! (8) Ein österreichischer Kollege verstieg sich sogar zur Behauptung, ethnisch säubernde Germanisten und Historiker haben übersehen, dass Österreich in Wirklichkeit ein slawischer Name sei und Spitzberg bedeute (9). So weit einige einleitende Bemerkungen, um die ideologiebelastete Diskussion über die österreichische Identität und ums österreichische Deutsch (10) aufzuzeigen, die ich hier nicht weiterführen will, sondern ich will aufzeigen, wo Sprachkontakt beim österreichischen Deutsch tatsächlich eine Rolle spielt.

2. Österreichisches Deutsch im Lichte von Sprachkontakt und Varietätenkontakt

Gesamtösterreichisch gesehen spielt der Sprachkontakt eine widersprüchliche Rolle, wobei meist Wien der Bezugspunkt ist, sind doch über Wien zahlreiche Ausdrücke aus den Sprachen der Österreichisch-Ungarischen Monarchie in Österreich eingebürgert worden. Diese betreffen in erster Linie die Alltagskultur, wie sie sich im täglichen Leben sowohl auf der privaten als auch amtlichen Ebene manifestiert und die außerhalb von Österreichs vielfach kaum bzw. gar nicht gebraucht werden wie z.B. Krida fahrlässig oder betrügerisch herbeigeführte Zahlungsunfähigkeit (aus dem Italienischen) oder Fogosch Zander, Schill (aus dem Ungarischen). Viele unter diesen Wörtern sind auch in Bayern üblich, wie z.B. sekkieren quälen, belästigen, ärgern usw., Salettl Gartenhäuschen, -laube, mitunter auch im ganzen süddeutschen Raum wie z.B. Strizzi Strolch, leichtsinniger und arbeitsscheuer Mensch, Zuhälter (11). Wie oberflächlich hier oft recherchiert wird, zeigt u.a. das Wort Maroni, das dem österreichischen Deutsch zugerechnet wird, obgleich es im gesamten süddeutschen Raum landschaftlich (12) verbreitet ist. Wo der Plural Maroni nicht üblich ist, heißen die wohlschmeckenden Edelkastanien Maronen (13), womit sich der Unterschied auf die Morphologie reduziert, ähnlich wie beim erfolgreichen bair. Mädel, das morphologisch mit dem Plural-s aufgenordet wurde: in Korrespondenz zu Jungs entstand eben auch Mädels, durch innerdeutschen Sprachkontakt (besser: Varietätenkontakt, s.u.) heute auch in Österreich geläufig.

Verliefen die Lehnbeziehungen einst in Österreich durch seine geographische Lage einerseits und Eingebundenheit in das Habsburger-Reich andererseits verschieden vom reichs- bzw. bundes- (und binnen-) deutschen Raum, verlaufen sie heute ziemlich gleich, v.a. betrifft dies die modernen Fremdwortbewegungen, wie z.B. die Anglizismen und Amerikanismen (14). Mit diesen wird nun Österreich v.a. über die Massenmedien zusammen mit dem bundesdeutschen Sprachgebrauch überrollt. Statt Arbeitsplatz spricht man von Job, statt Ö-3-hörender Autofahrer von Ö-Driver (15), statt Knabe/Bub von Junge und statt Stiege(nhaus) von Treppe(nhaus). Völlig kritiklos wird dabei auch norddeutscher Substandard und binnendeutscher Standard mit übernommen (z.B. Rausschmiss statt Hinauswurf, Reinfall Misserfolg, Enttäuschung, gut drauf sein in guter Verfassung sein, etwas dabei haben etwas bei sich haben, mit sich führen usw.), selbst im ORF (16), auch in manchen Tageszeitungen, sogar in der Qualitätspresse und im amtlichen Gebrauch, z.B. Fleischer statt Fleischhauer, das Gehalt (17) statt (wie früher in österreichischen Gesetzestexten) der Gehalt. Und dies in einem Land, das sich zu rund 90% nicht als deutsch fühlt (18), was offensichtlich beim Sprachverhalten keinen Widerhall findet (19). Analoges findet auch im Freistaat Bayern statt, wo ein stark entwickeltes Landesbewusstsein die sprachliche Aufnordung nicht verhindern kann. Am ehesten ist noch bei der Aussprache (20) sowie atmosphärisch (21) auf Anhieb österreichisches Deutsch zu erkennen:

Die Gesamtheit der standardsprachlichen Differenzen zwischen dem in Österreich und dem in Deutschland verwendeten Deutschen, die sich in Form von Merkmalen an einzelnen Wörtern festmachen lassen, mag auf den ersten Blick nicht groß genug sein, um von einem österreichischen Deutsch zu sprechen. Dennoch sind es diese Unterschiede dazu kommen Nuancen im Sprachverhalten , die dem Deutschen in Österreich eine unverwechselbare und nicht austauschbare Individualität verleihen und von denen jene sprachliche Atmosphäre [Hervorhebung von mir, H.D.P.] ausgeht, an der sich etwa literarische Texte österreichischer Herkunft als solche erkennen lassen.

2.1. Zur EU-Liste österreichspezifischer Ausdrücke

Doch wollen wir diese Entwicklungen und Feststellungen zur Kenntnis nehmen und uns wieder dem Österreichischen Deutsch zuwenden, denn wie sehr hier oft Wunschdenken und Realität auseinanderklaffen, zeigt die berühmte EU-Liste österreichspezifischer Ausdrücke (22): siehe hier (EU-Liste).

2.2. Sprachkontakt und „Varietätenkontakt“

Handbücher zum Sprachkontakt kennen nur Interferenzen und Kontakte zwischen einzelnen Sprachen und/oder Dialekten, stellen aber sehr wohl einen Zusammenhang zwischen Sprachwandel und Varietäten her (23). Der Fall, wie er sich beim Einwirken des „Bundesdeutschen“ aufs Österreichische Deutsch darstellt, ist von den Sprachkontaktforschern offensichtlich nicht vorgesehen. Daher liegt hier ein terminologisches Defizit vor. Grundsätzlich haben wir drei nationale Varietäten des Deutschen, Bundesdeutsch, Schweizerdeutsch und Österreichisches Deutsch, und drei sprachgeographische Varietäten, Nord-, Binnen- und Süddeutsch vor uns. Weder „Bundesdeutsch“ noch „Süddeutsch“ sind absolut einheitlich, man braucht nur an den bairischen Großdialekt denken, der sowohl „Bundesdeutsch“ als auch „Österreichisches Deutsch“ und noch dazu „Süddeutsch“ ist. Auf Grund der historischen Entwicklung ist „Binnendeutsch“ über die BR Deutschland samt ihrer kultur- und wirtschaftspolitischen Potenz aus süddeutscher und österreichischer Sicht zum „Bundesdeutschen“ schlechthin geworden (24) und übt somit einen alle anderen Varietäten verdrängenden Einfluss auf. Ähnlich wie deutsch-slowenischer Sprachkontakt in Kärnten, slowenisch-deutscher Sprachkontakt in Krain oder englisch-irischer Sprachkontakt in Irland (weitestgehend) zur Durchsetzung der deutschen, slowenischen und englischen Sprache geführt hat, zieht auch binnendeutsch-süddeutscher „Sprachkontakt“ die Durchsetzung bundesdeutscher Sprachformen nach sich. Da sich dieser Kontakt innerhalb des deutschen Sprachgebietes abspielt, ist wohl „Sprachkontakt“ kein adäquater Begriff. Ich möchte diese Erscheinung als Varietätenkontakt bezeichnen. Die „bundesdeutsche“ nationale Varietät übt dabei einen viel stärkeren Einfluss auf die anderen Varietäten aus als umgekehrt. Grundsätzlich sind Übernahmen wie pusten/Puste, tschüs(s) und es macht keinen Sinn bzw. jemand anders (statt blasen/Atem, servus und es hat keinen Sinn bzw. jemand anderer) in Österreich und Bayern gleich zu bewerten wie englisch Job, Drink und Event im deutschen Sprachraum. Englische Wörter sind Sprachkontaktphänomene, bundes- bzw. binnendeutsche Wörter und Wendungen Erscheinungen von Varietätenkontakt; beides gibt es auch umgekehrt, wie dt. Kindergarten (engl. kindergarten) und süddeutsch Mädel im Binnendeutschen zeigen.

Das österreichische Deutsch bildet keine absolute Einheit, sondern weist vielmehr eine innere Schichtung – in der gesprochenen Sprache weit deutlicher als in geschriebener – und verschiedenartige Beziehungen zu den anderen süddeutschen Varietäten auf (25); allzu sehr ist man geneigt, was für Wien typisch ist, für ganz Österreich anzunehmen. Doch Wien war in der Geschichte die Drehscheibe, über die viel Sprachgut aus anderen Sprachen der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (nicht nur) ins österreichische Deutsch gelangt ist (z.B. Powidl aus dem Tschechischen, s.u., Palatschinke über tschech. palačinka aus dem Ungarischen, < palacsinta ‘Eierkuchen’, Lehnwort < rumän. plăcintă ‘Pastete’ < latein. placenta), und über Wien sind auch viele binnendeutsche Ausdrücke in Österreich „eingebürgert“ worden (z.B. Tischler gegenüber bair. Schreiner). Dies trifft auch auf zahlreiche jiddische Wörter zu, wie umgangssprachlich Ezzes pl. ‘Ratschläge’, Schmattes ‘Trinkgeld’, Tinnef ‘wertloses Zeug’, Geseres/Geseire ‘Gejammer, unnützes Gerede’ (bayer. Geseier), Bahöl (mundartl., Wien) ‘Lärm, Wirbel’ usw.

3. Beispiele für Sprachkontakt

Der Sprachkontakt auf der Ebene der österreichischen Varietät(en) des Standarddeutschen macht sich nur im Wortschatz und in einigen (allerdings meist umgangssprachlichen) Redewendungen bemerkbar. Einige Beispiele aus dem Italienischen: Stampiglie ‘Stempel(gerät)’, Krida ‘fahrlässig oder betrügerisch herbeigeführte Zahlungsunfähigkeit’, Fisole ‘Bohne’, Korrespondenzkarte ‘Postkarte’ (nach italien. carta di correspondenza (26)); aus dem Ungarischen: Fogosch ‘Zander’, Schinakel ‘Ruderboot, kleines Boot’, Palatschinke ‘Pfann(en)kuchen’ (s.o.); aus slawischen Sprachen: Klobasse ‘Selchwurst’, Kolatsche ‘eine Mehlspeise’, Powidl ‘Pflaumen-, Zwetschkenmus’ (27). Eine solche Liste lässt sich mit Hilfe des Duden und ÖWB beliebig fortsetzen, z.B. Jause ‘Zwischenmahlzeit, Brotzeit’ (aus dem Slowenischen (28), nur Ost- und Südösterreich, im Westen aus dem Romanischen Marende), Brimsen ‘ein Schafkäse’ (aus dem Slowakischen). Doch in der Regel scheint es eher so zu sein, dass Sprachkontakt weniger für das Österreichische Deutsch in seiner Gesamtheit, sondern vielmehr regional seine Wirkungen ausübt (bzw. ausgeübt hat), bis in die regionale, landesübliche Verkehrs- und geschriebene Sprache, z.B. in Kärnten: Koper ‘Dille’ (< slowen. koper), Sasaka ‘Verhacktes (aus Speck als Brotaufstrich)’ (< slowen. zaseka), Jauk ‘Föhn’ (< slowen. jug ‘Süden’), Potitze ‘eine Mehlspeise (Rollkuchen)’ (< slowen. potica ‘Kuchen’), Strankerl (s.o.), Pogatsche (auch Pohatscha wie slowen.ma. [po'ha:tʃa]) ‘ein (süßes) Weißbrot bzw. Kuchen’ (29), Maischel ‘Netzlaibchen’ (< slowen. majželj aus dem Dt., zu bair. Maisen ‘Schnitte’) usw. Insgesamt gibt es in Kärnten ca. 180 slowenische Lehnwörter, von denen nicht ganz die Hälfte heute noch in der bäuerlichen Mundart üblich ist, aber immerhin sind über 15% in der Kärntner Umgangssprache allgemein gebräuchlich. Näheres dazu siehe Kärnten. Ein zweites Kontaktgebiet ist Wien (Näheres siehe Tschechisch), über das einige gemeinbairische (z.B. Kren ‘Meerrettich’ < tschech. křen, Kolatsche/Golatsche [-á-] ‘eine Mehlspeise’ < tschech. koláč ‘Kuchen’, Ainetze ‘Gabeldeichsel’ < tschech. ojnice, Strizzi s.o. usw.), gemeindeutsche ((30) z.B. Stieglitz ‘Distelfink’ < tschech. stehlec, stehlík, Zeisig < tschech. čížek, Preiselbeere < tschech. bruslina, Polka < tschech. půlka, Sliwowitz ‘Zwetschkenschnaps’ < tschech. slivovice usw.) und ostösterreichische (wie z.B. Powidl ‘Zwetschkenmus’ < tschech. povidla ‘Mus’) in unsere Sprache gelangt ist. Zu trennen davon sind die spezifischen Wiener Lehnwörter aus dem Tschechischen wie z.B. schetzkojedno ‘alles eins’ (in der Redewendung das ist mir schetzkojedno ‘das ist mir Wurst’, veraltend, < tschech. všecko jedno) oder pomali [po'ma:li] ‘langsam’ (< tschech. po málu) sowie Mischbildungen wie Feschak ‘Schönling’ (dt. fesch + tschech. -ák). Aus der Küchensprache (31) wären zu erwähnen u.a. Buchtel/Wuchtel ‘Germgebäck, Hefeküchlein’ (zu tschech. buchta ‘aufgegangene Hefemehlspeise’ + bair. Diminutiv -el), Haluschka ‘Teigwarenspeise mit Topfen (und Speck)’ (< tschech. haluška ‘kleiner Kloß, kleine, dicke Nudel’), Liwanze ‘eine Mehlspeise, Küchlein’ (< tschech. lívance pl., zu líti ‘gießen’; sie werden als flüssiger Teig in eine Pfanne mit Vertiefungen gegossen und mit Zimt und Zucker bestreut serviert (32)) oder Skubanki/Stubanki pl., auch -en ‘eine Kartoffelspeise (Erdäpfelnockerln, Schupfnudeln)’ (< tschech. škubánky zu škubati ‘rupfen, zupfen’), diese werden aus dem Kartoffelteig ‘ausgestochen’ und in Fett gebacken.

Dazu kommen noch eine ganze Reihe tschechischer Einflüsse auf die (ostmittelbairische) Wiener Mundart v.a. in der Phonetik/Phonologie, wie z.B. der Verlust der Nasalvokale, Neigung zur Monophthongierung der Diphthonge und Verlust des geschlossenen e und o, um einige wichtige zu nennen (33). Beim r bestehen Übereinstimmungen zwischen Tschechisch und Wienerisch einerseits und Slowenisch und Kärntnerisch andererseits (34).

Auch einige Redewendungen (35) sind Folge des Sprachkontaktes, mit italienischen Wörtern z.B. einen Gizzi haben ‘zornig, ärgerlich sein’ (v.a. Wien, zu italien. guizzo ‘Zucken’), ein Gspusi mit jemandem haben ‘eine Liebschaft haben’ (auch bayerisch, zu italien. sposi ‘Brautpaar’), auf etwas einen Gusto haben ‘begehrlich nach etwas sein’ (auch bayerisch, zu italien. gusto ‘Geschmack, Freude’); mit tschechischen Wörtern z.B. auf Lepschi gehen ‘sich vergnügen, sich herumtreiben’ (zu tschech. lepší ‘besser’), mit Familiennamen: erzählen Sie das der Frau Blaschke! ‘das ist unwahr!’, ich bin immer der Novak ‘ich zahle immer drauf’. Durch H. Qualtingers Figur (recte) Trávníček entstand die Redewendung Travniček täte sagen... ‘nach landläufiger Meinung würde ich sagen...’. Auf einer ungarischen Wendung beruht immer der Teschek sein ‘immer der Dumme sein’ (zu ungar. tessék ‘bitte(sehr)’); ein anderes ungarisches Wort begegnet in einen Mulatschag machen ‘ein ausgelassenes Fest veranstalten’ (zu ungar. mulatság ‘Amüsieren’). – Unklarer Herkunft ist die weitverbreitete Phrase tschari (tschali) gehen ‘verloren gehen’; Beispiel für eine von Wien ausgehende „österreichische“ Redewendung ist Vurschrift ist Vurschrift, etwa ‘Vorschriften müssen um jeden Preis eingehalten werden, auch wenn sie als Schikane empfunden werden’. Ein gemeinsamer bayerisch-österreichischer Archaismus ist in jemandem etwas zu Fleiß (in Bayern: mit Fleiß) tun ‘etwas mit Absicht tun (meist boshaft)’ (die mittelhochdeutsche Bedeutung ‘Eifer, Streit, Ärger’ widerspiegelnd).

4. Österreichisches und Bayerisches/Bairisches Deutsch

Dies alles zeigt, dass Sprachkontakt am bairischen bzw. süddeutschen Charakter des Deutschen in Österreich – diese Bezeichnung wird den Tatsachen eher gerecht als „Österreichisches Deutsch“ – nur sehr wenig geändert hat. Signifikant haben die nicht-deutschen Sprachen der Österreichisch-Ungarischen Monarchie das Deutsche in Österreich jedenfalls nicht beeinflusst. Vielmehr ist dieses eine durch die Eigenstaatlichkeit Österreichs bedingte nationale Varietät in der Hinsicht, dass die Kommunikation innerstaatlich zu den eigenen Zentren hin gerichtet ist, wodurch auch Unterschiede zum nächstverwandten Bayerischen entstanden sind, nicht auf Basis der bairischen Volksmundarten, sondern vielmehr auf der Ebene der Schul- und Verkehrssprache, was auch nicht geleugnet werden kann und schon vor einigen Jahren von Hermann Scheuringer beobachtet und zuletzt von Ludwig Zehetner in einer Wortliste dokumentiert wurde (36). So wird in der Leseaussprache in Österreich das a immer „hell“, in (Alt-) Bayern meist „dunkel“, fast wie å, ausgesprochen, auch in jüngeren Lehnwörtern und fremden Namen wie Bank (Geldinstitut) und Amerika (also [å]). Die diesseits und jenseits der Staatsgrenze mundartlich als Lenes realisierten stimmlosen Plosive werden verschieden ausgesprochen, z.B. einem gemeinsamen dialektalen [dae] ‘Teil’ entspricht verkehrssprachliches bayerisches [thael] vs. österreichisches [dael]. Die von Wien ausgehende Neigung zur Monophthongierung von au und ai bleibt auf das österreichische Staatsgebiet beschränkt usw. (37) Ganz offenkundig sind die bayerisch-österreichischen Unterschiede im Wortschatz, sie stehen entweder mit der staatlichen Verwaltung in Zusammenhang (und betreffen dann die gesamte BR Deutschland), z.B. Abitur vs. Matura, Vorfahrt vs. Vorrang und (amtssprachlich) Januar vs. Jänner oder es handelt sich um „Austriazismen“, die ursprünglich für Wien und den Osten bzw. Südosten Österreichs typisch waren und sich bis zur Staatsgrenze ausgebreitet haben, z.B. Jause vs. Brotzeit, Tischler vs. Schreiner oder Rauchfangkehrer vs. Kaminkehrer. Heute noch gilt in Vorarlberg Schreiner und in Tirol und Teilen von Salzburg Kaminkehrer – Hinweis, dass es sich um eine sekundäre „Bereinigung“ nach der Staatsgrenze (38) handelt, die relativ jung und noch nicht ganz abgeschlossen ist.

Insgesamt sind aber dennoch die Unterschiede im Wortschatz zwischen Österreich und Bayern eher gering (39): in Zehetners Umkehrwörterbuch (40) „Einheitsdeutsch – Bairisches Deutsch“ sind von über 2500 Wörtern nur rund 50 oder 2% als „österreichisch“ ausgewiesen; eine genaue Durchsicht des Materials scheint die Zahl eher noch zu senken, nicht aber zu erhöhen, wie folgende Beispiele zeigen:

Ass ‘Eiß, Abszess’ (Ass ist nach ÖWB mundartlich, es ist nicht als „österreichisch“ im engeren Sinne zu bezeichnen, denn die oa-Mundarten haben Oass wie in Bayern selbst und z.B. in Tirol und Salzburg. Allen liegt gemeinsames bairisches Eiß zugrunde; diese Lautung hat sich von Wien aus weit nach Westen verbreitet und wird daher von Bayern als „österreichisch“ empfunden)

faschen, Fasche(n) ‘fatschen, Fatsche(n)’ („bayerische“ Aussprache auch in Österreich regional mundartlich und umgangssprachlich üblich, z.B. in Kärnten, umgekehrt -sch- nach Zehetner „seltener“ auch in Bayern)

Schas ‘Darmwind, Furz; (in Bayern:) Scheiß, Pfurz’ (laut ÖWB „derb“, bezüglich a gilt dasselbe wie bei Ass, s.o., vgl. Tirol Schoass)

Sellerie (die) ‘der Sellerie’ (laut ÖWB beides zulässig, der auch in weiten Teilen Österreichs üblich, u.a. in Kärnten, meist Séller(ie) betont; vgl. Wien der Zeller)

Waserl ‘Waiserl’ (laut ÖWB ostösterreichisch bzw. „mundartlich, landschaftlich“, u.a. hat Salzburg Woaserl, eine Aussprache, die auch Zehetner angibt, was zeigt, dass bezüglich des a derselbe Fall wie bei Ass vorliegt)

Zwetschke ‘Zwetschge’ (nur orthographischer Unterschied wie u.a. Küken neben bair.-öst. Kücken).

Die Wörter aus dieser verdienstvollen Liste im einzelnen:

Bassena ‘Ausguss; Waschlavor’ (in Wien bedeutet Bassena ‘gemeinsamer Wandbrunnen auf dem Gang alter Wohnhäuser’)

Bauchfleck ‘Baucherer’

Dachgleiche ‘Hebwein, Richtfest’

Eierschwammerl (nach ÖWB „ostösterreichisch, landschaftlich“) ‘Reherl, Rehling’ (nach anderen Angaben ist auch Eierschwammerl in manchen Teilen Altbayerns üblich; in Kärnten sagt man auch Füchsling, in Tirol auch Pfifferling; Reherl o.ä. kommt auch in der Steiermark vor)

Eierspeise ‘Rühreier’

Eiklar ‘Eiweiß’

faschiertes Laiberl ‘Fleischpflanz(er)l’ (je ein „Kennwort“ für das jeweilige Land, doch ein relativ junges; dem bair. Wort liegt Pfannzelte, eine Art Pfannkuchen, zu Grunde, das sich auch in alten österreichischen Kochbüchern findet, z.B. Kärnten Türkenpfanzel ‘Art Mais-Pfannkuchen’, Blutpfanzel ‘ein Pfannkuchen aus Blutwurst- [Blunzen-] masse’ usw.)

Fetzen ‘(Putz-) Hadern, Lumpen’

Fleischhacker, -hauer ‘Metzger’ (so auch Westösterreich!)

Fleischlaiberl s. faschiertes Laiberl

Fliegenpracker ‘Fliegenpatscher, -tatscher’

Fridattensuppe (recte bzw. nach ÖWB Frittaten) ‘Pfannenkuchensuppe’

Gelse ‘Schnack, Muck(en), Sta(u)nze(n)’

Geseres ‘Geseier’ (ÖWB: Ostösterreich)

Gleiche = Dachgleiche

Jause ‘Brotzeit’ (je ein „Kennwort“ für das jeweilige Land!)

Kipferl ‘Hörndl, Beugerl’ (in der Bedeutung ‘längliche Semmel, kleines Beugerl’ auch in Bayern üblich)

Marende (v.a. Tirol) ‘Brotzeit’

Masel ‘Massel’ (Aussprache und Schreibung)

Matura ‘Abitur; Abi [fehlt im Wörterbuchteil], Abs’ (nur letzteres im Wörterbuchteil, doch Abs entspricht nicht der österreichischen Matura)

nachtmahlen ‘abendessen’ (nachtmahlen bzw. Nachtmahl (41), ost- und südostösterreichisch, der Westen hat Nachtessen, die an Bayern grenzenden Bundesländer Salzburg und Oberösterreich haben meist ebenfalls Abendessen)

nimmermehr ‘nimmer’

Obers ‘Rahm’ (m.W. ist Obers hauptsächlich ostösterreichisch und z.T. auch in Bayern üblich; im Westen und Süden Österreichs ist auch Rahm, v.a. im Westen nur Rahm üblich)

Panier ‘Panade; (in Bayern:) Pànàt’

Pickerl (laut ÖWB ‘salopp’, amtlich Vignette) ‘Wapperl’

Presskopf, -wurst ‘Presssack, Schwartenmagen’

Ringlotte ‘Reineclaude; (in Bayern:) Ringlo’

Sakkó ‘Sákko’ (Betonung; das Diminutiv Sackl gibt’s auch in Österreich)

Schill ‘Zander’

Schlag(obers) ‘Schlagrahm’ (s.o. Obers)

Schnackerl ‘Schnackler, Hetscher’

Schwedenbombe ‘Mohrenkopf’

Selcher ‘Metzger’ (genauer: ‘wer selcht’ [das Grundwort ist in Bayern gang und gäbe], daneben regional in Österreich auch Selcher ‘Selchwurst, geräucherte Brühwurst’)

Stil ‘Stil’ (mit Aussprache [ʃti:l] wie Stiel, der man allerdings auch in Österreich begegnet)

Stockerl ‘Hocker, Schemel; Schame(r)l’

Stoppel ‘Stopsel’

Sutzel (u.a. Oberösterreich; fehlt im ÖWB) ‘Schnuller; Diezel’

Tischler(ei) ‘Schreiner(ei)’ (je ein „Kennwort“ für das jeweilige Land!)

törisch ‘tore(r)t’ (laut ÖWB „mundartlich, landschaftlich“)

Vogerlsalat ‘Feld-, Nisselsalat’ (nur Ostösterreich, der Westen hat ebenfalls Feldsalat, der Süden Rapunzel)

Zugeherin ‘Zugehfrau’ (laut ÖWB beides v.a. im Westen Österreichs üblich)

Zuzel ‘Diezel’.

Das Umkehrwörterbuch ist ein ganz wichtiger Teil von Zehetners verdienstvollem und multifunktionalem (42) Wörterbuch Bairisches Deutsch und zeigt auf, dass nicht so sehr die Staats-Grenzen das Deutsche in Österreich von seinen unmittelbaren Nachbarn trennen, sondern dass es vielmehr menschliche Grenzen der Wahrnehmung sind, die das eine oder andere Wort als (un)bayerisch bzw. (un)österreichisch erscheinen lassen. Je weiter man im Osten und Südosten Österreichs sprachlich verankert ist, desto mehr „Austriazismen“ wird man finden – weil einem der westösterreichische, mit Bayern und Süddeutschland in vielem übereinstimmende Sprachgebrauch gar nicht bewusst wird. Dies zeigt nicht zuletzt auch die „EU-Liste“, die zu 40% nicht aus „Austriazismen“ im engeren Sinne des Wortes besteht. Auch ein weiterer Aspekt sollte beachtet werden: während „österreichisch“ orientierte Germanisten und Linguisten einen weit größeren spezifisch österreichischen Wortschatz zu entdecken glauben (43), ist dieser bei „bayerisch“ orientierten eher gering – dies zeigt nicht zuletzt Zehetners Liste. Darüber sollte man ernsthaft diskutieren und nicht sprachliche Vereinnahmung wittern (44). Und man sollte auch den innerösterreichischen Unterschieden entsprechende Beachtung schenken, z.B. (Tirol) Fleischkäse, (sonst meist) Leberkäse oder Karotte neben Möhre und (gelbe) Rübe, (Westösterr.) Lüngerl, (der/die) Sellerie / (Ostösterr.) Beuschel, (der) Zeller, (Kärnten) Strankerl / (sonst meist) Fisole usw.

5. „Austriazismen“ – Versuch einer Klassifikation

Unter Einbeziehung „plurinationaler“ (45) und „pluriarealer“ Gesichtspunkte (46) zu den traditionellen „plurizentrischen“ (47) lassen sich die Austriazismen in 3 bis 4 Gruppen zusammenfassen (genauer siehe Österr. Deutsch):

(1)    staatsräumliche Austriazismen: v.a. Verwaltungs- und Mediensprache (48) wie z.B. Landesgericht (vs. Landgericht), Bezirksgericht (vs. Amtsgericht), Landeshauptmann (vs. Ministerpräsident), Erlagschein (vs. Zahlkarte), Tischler (vs. Schreiner, so auch in Vorarlberg), Jause (vs. Brotzeit), weiters Kundmachung, Matura, Vorrang (vs. Vorfahrt), Korrespondenzkarte (vs. Postkarte, s.o.) usw. – diese Wörter „enden“ an der Staatsgrenze (49); Scheuringer (50) spricht hier von „einem stark staatsräumlich bestimmten Bereich“, daher auch der von mir gewählte Terminus. Dazu kommt noch der von Wien ausgehende gesellschaftsgebundene Verkehrswortschatz wie z.B. Energieferien (umgangssprachlich für „Schulsemesterferien“) oder Allfälliges (statt binnendeutsch Verschiedenes auf der Tagesordnung) sowie Produktbezeichnungen (z.B. Obers-/Apfelkren, Heuriger, Sturm, Most) und einige Berufstitel (z.B. Primarius) usw.

(2)    süddeutsche Austriazismen: der österreichische Wortschatz auf Grund der Zugehörigkeit des Landes zum süddeutschen Sprachraum) wie z.B. Bub (vs. Junge), heuer (vs. dieses Jahr), kehren (vs. fegen), Maut ‘Zoll’, Brösel ‘Paniermehl’ usw.;

(3)    bairische Austriazismen: der mit (Alt-) Bayern gemeinsame Wortschatz des größten Teils von Österreichs auf Grund der Zugehörigkeit beider Länder zum bairischen Großdialekt, z.B. Kren (vs. Meerrettich), Scherzel, Einbrenn(e) usw., v.a. aus dem Bereich Küche und Kochkunst: Beuge(r)l, Blaukraut, Blunzen, Bries, Brösel, Dampfl, Einbrenn(e), Erdäpfel- (Kartoffel-) püree, -fleck (in Kuttelfleck usw.), Geröstete (‘Bratkartoffeln’), Geselchtes, Gugelhupf, Häuptel (-salat), Hendl, -junge (in Hühner-, Enten- usw. statt -klein), Kipfe(r)l, Kletzen, Knödel, Krapfen, Kraut(-kopf, -wickel), Kutteln, Leberknödel, Laib (Brot), Marmelade, Nockerl, Orange, (der) Petersil, Porree, Radi, Rahm, Rindsbraten, Ripperl, rote Rübe, Sauerkraut, Scherzel, Schweinsbraten, Schmarren, Schwammerl, Semmel, Sur (-fleisch, -braten), Tafelspitz, Tellerfleisch, Truthahn, Wecken (Brot), Weißwurst, Wurzelwerk, Zipf (z.B. Polsterzipf ‘mit Marmelade gefülltes Gebäck’) und viele andere! (51)

(4)    regionale Austriazismen (Untergruppen zu 1/2/3): ost-/west-/südösterreichische Besonderheiten und solche einzelner Bundesländer, z.B. großräumig (Ost) Obers, Nachtmahl vs. (West/Süd) Rahm bzw. (West) Abend-/Nachtessen, kleinräumig (52) z.B. Strankerl ‘Fisole, grüne Bohne’ (Kärnten) oder Fraktion ‘Gemeindeteil’ (v.a. Tirol) oder Hotter ‘Gemeindegrenze’ (Burgenland).

6. Zusammenfassung

Diese Beobachtungen zeigen, dass das Verhältnis zwischen dem Deutschen in Österreich und in der BR Deutschland (einschließlich des Freistaates Bayern) ein sehr verwickeltes ist. Sprachkontakt (im engeren Sinn) hat kaum zur Differenzierung beigetragen, viel entscheidender und folgenschwerer ist der „Varietätenkontakt“ (2.2), der die Integrierung Österreichs in den gesamtdeutschen Sprachraum festigt und die österreichischen Besonderheiten in den Hintergrund drängt (53). Innerstaatlich konditionierter Dialektkontakt mit verschieden verlaufenden Kommunikationsströmen, bedingt durch die Eigenstaatlichkeit, spätestens seit 1866/71, ließ einerseits die „staatsräumlichen Austriazismen“ der Amts- und Verwaltungs- bzw. Küchen- und Mediensprache entstehen (54) und lieferte andererseits den Rahmen dazu, dass süddeutsche und bairische Besonderheiten in unserem Lande ihre Position gegenüber binnen- und bundesdeutschen Varianten besser behaupten konnten als etwa im Freistaat Bayern. Dazu kommt die Randlage Österreichs im Süden des deutschen Sprachgebietes und Randgebiete sind bekanntlich konservativer als Binnenräume. Auch dies ist mit ein Grund für das Bewahren archaischen Sprachgutes. Sprachkontakt selbst hat zwar in früherer Zeit dem österreichischen Deutsch einige Wörter vermittelt, ist aber nur regional (heute nur mehr in Kärnten und Wien) von Bedeutung, denn entscheidend war für Österreich die Einbindung in die einheitliche gesamtdeutsche Standardsprache seit dem 18. Jhdt., die einerseits die areale Gliederung des pluriarealen (55) deutschen Sprachgebietes reflektiert, in Österreich im kleinen, in Deutschland im großen, andererseits die deutschen Großdialekte überdacht und damit die Kommunikation sicherstellt. Die plurizentrische Gliederung des deutschen Sprachgebietes ist sekundär und historisch jünger und reflektiert die neuzeitliche politische Entwicklung (56).

 

Anmerkungen

 

1.                 (1995:163f.  bzw. Matzner-Holzer 2005:168f.). – Ich habe dieses Buch schon kurz nach seinem Erscheinen sehr aufmerksam gelesen. Es ist das genaue Gegenteil einer „deutsch orientierten“ Darstellung. In solchen wird ja jede historisch-kulturelle Besonderheit Österreichs konsequent übergangen. Holzers „austronationaler Standpunkt“ – wie ich dies nennen möchte – hingegen will alles Deutsche wegprojizieren. Ich persönlich kann mit beiden Gesichtspunkten nichts anfangen, die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte, wie es ja auch sprachlich der Fall ist: Österreichisches Deutsch ist nicht nur „österreichisch“, sondern gleichzeitig auch süddeutsch (oder oberdeutsch) und nur relativ Weniges deckt sich mit der Staatsgrenze. Die ernstzunehmende österreichische Geschichtsschreibung setzt sich sehr wohl mit dem Anteil deutscher Vergangenheit unseres Landes auseinander, u.a. wird im Sammelband Die Habsburgermonarchie 1848-1919, Bd. III „Die Völker des Reiches“ (Wien, Verlag der ÖAW 1980) die heute tabuisiert meist „Altösterreicher“ oder „deutschsprachige Österreicher“ genannte Bevölkerung (beide Metaphern werden auch für die Deutschen Ungarns verwendet) konkret „die Deutschen“ genannt, auch Bruckmüller (1996:276ff.) spricht (Kap. IV.4) von Die deutschen Österreicher vom „heiligen“ zum „großdeutschen“ Reich. Vgl. dazu auch Scheuringer 1992.

2.                 gemeint ist Busek, dessen Name aber drei Deutungen zulässt: (1) Kurzform zu tschech. Bohuslav o.ä. (eher wäre dann Buschek [nach Bušek] zu erwarten, in der BR Deutschland gibt es auch die Variante Buske (usw.), in jedem Fall zu einem mit slaw. bogъ „Gott“ beginnenden Personennamen gehörig; (2) nach einem dt. Ortsnamen Buseck bei Gießen, der ebenfalls mit slaw. bogъ zusammenhängt; und (3) norddeutsch Buseke, Übername zu ma. buse „Fischerboot“. – Gerade dieser Name zeigt uns, dass slaw. Familiennamen keine österreichische Spezialität sind, sondern eine gesamtdeutsche Dimension haben: typisch sind sie für den deutschen Osten und österreichischen Südosten.

3.                 Slawischer Herkunft ist manches am Wiener und (noch viel mehr) Kärntner Deutsch (s. 3), doch gesamt-österreichisch gesehen hat die vielsprachige Monarchie nur wenige Spuren im Österreichischen Deutsch hinterlassen, was dieser Beitrag aufzeigen soll. Was am „Wiener Vorstadt-L“ slawisch sein soll, ist und bleibt unklar und man fragt sich, wieso Autoren, die keine Linguisten sind, solche Behauptungen aufstellen.

4.                 Holzer 1995:59  bzw. Matzner-Holzer 2005:61.

5.                 wenn auch – nicht nur im deutschen Sprachraum – die Ideologie des Blutes noch immer nicht überwunden ist. Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht eine Äußerung eines slowenischen Politikers (die ich aber nicht kommentieren will): „Nach der Abstammung Slowene ist...jemand, der in sich etwas Slowenisches hat, ...z.B. dass wenigstens einer der Großeltern seiner Abstammung nach Slowene war, das aber bedeutet, dass wenigstens 12,5% slowenisches Blut in jemandem fließt...[und], dass er...ein Slowene sein will...“ – so der slowenische Staatssekretär P. Vencelj im Marburger „Večer“ am 15.1.1994.

6.                 1992:171 u. Anm. 22.

7.                 auch „Mischvolk-Hypothese“ – genaues Gegenteil einer in die gesamtdeutsche Geschichte eingebetteten (bis 1938/45 üblich gewesenen) österreichischen Geschichtsauffassung. Während jede „nationale“ Geschichtsschreibung mit verschiedenen Abstammungs- und Entstehungsmythen verknüpft ist, haben sich auch die Vertreter des „Schmelztiegels Österreich“ ihre eigenen Mythen geschaffen, beide sind Varianten des Abstammungsmythos, einmal des „germanischen“, ein anderes Mal des „multikulturellen bzw. -ethnischen“ (so berichtet Holzer 1995:164 exemplarisch von ihren „vielfältigen niederösterreichischen, kärntnerischen, bayerischen, slowenischen, kroatischen und montenegrinischen Ursprünge[n]“). – Vgl. Anm. 8.

8.                 Eine solche Sichtweise ist nichts anderes als die Rückseite des deutschtümelnden Spiegels, denn für eine Volksgruppe bzw. für ein Volk (in der Wissenschaft Ethnie oder Ethnos) stehen als wichtigste Charaktermerkmale nicht anthropologische, sondern eindeutig soziokulturelle im Vordergrund. Kultur wird im weitesten Sinn als ein wechselseitiger in sich verflochtener Komplex aus Sprache, Religion, Wertnormen und Bräuchen verstanden, an denen die Angehörigen einer solchen gesellschaftlichen Großgruppe gemeinsam teilhaben. Eine solche Definition entzieht romantischen Vorstellungen jede Grundlage, erst die Politisierung der Sprache, ausgehend vom nicht immer richtig verstandenen Herder’schen Nationsbegriff „Volk gleicher Zunge, daher Volk gleicher Kultur“, hat die modernen (Sprach- bzw. Kultur-) Nationen hervorgebracht und auf Grund sprachwissenschaftlicher Erkenntnisse zur Vorstellung von einer germanischen/slawischen/romanischen Völkergruppe oder -familie geführt – als Reflex der betreffenden Sprachfamilien. Doch dass Engländer und Deutsche „Germanen“, Slowenen und Serben „Slawen“, Franzosen und Italiener „Romanen“ sowie Esten und Ungarn „Finnougrier“ sind, ist in erster Linie eine Angelegenheit des geschulten politischen Bewusstseins oder der höheren Bildung, aber nicht Ausfluss nationalen Empfindens und Erlebens. „Slawe“, „Germane“ usw. zu sein ist ein sprachwissenschaftlich begründeter Mythos, ein Kärntner Slowene hat mit einem deutschen Kärntner, ein Deutscher aus Pladen/Sappada mit einem Furlaner mehr gemeinsam als beispielsweise ein deutscher Kärntner mit einem Vorarlberger oder ein slowenischer Kärntner mit einem aus Prekmurje, denn die soziokulturellen Grenzen sind fließend und stimmen nicht immer mit den sprachlichen und ethnischen Verhältnissen überein. Eine solche Feststellung leugnet keineswegs die Bedeutung eines bestimmten Sprachgebietes als Kommunikationsgemeinschaft über politische und kulturelle (usw.) Grenzen hinweg, relativiert sie aber. Man darf dies aber auch nicht umdrehen, indem man auf Grund eines romantisierenden Österreichbegriffs behauptet, man fühle sich als Österreicher in Prag bzw. Laibach mehr zu Hause als in München oder Berlin; dies mag auf viele Wiener bzw. Klagenfurter zutreffen, sicher aber nicht auf Salzburger oder Innsbrucker in Bezug auf München. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass gerade der sich an der Sprache orientierende Nationalismus jene Nationalitätenkonflikte hervorgebracht hat, die heute noch immer historisch gewachsene zwei- oder mehrsprachige Länder entzweien; allzuoft endeten (und enden noch immer!) solche Konflikte tragisch – mit „ethnischer Säuberung“. „Völker“ sind also primär keine Abstammungsgemeinschaften, sondern Produkte von natürlich entstandenen und/oder machtpolitisch organisierten Lebensräumen. Daher war früher (bis ins 19. Jhdt.) die Sprache dem Landesbewusstsein und der Religion nachgeordnet.

9.                 wie (Hoch-) Osterwitz in Kärnten, vgl. Kronsteiner 1996:133f.; dieser Beitrag erschien in kürzerer Fassung auch in der Tageszeitung „Der Standard“ 30.11./1.12.1996, von wo er u.a. den Weg auf die von R. Muhr (Graz) betreute „home-page“ Österreichisches Deutsch fand. Dies zeigt, dass alle Beiträge, die das „Deutsche“ in Österreich in irgendeiner Weise in Frage stellen, in manchen Kreisen voreilig und unkritisch rezipiert und sofort als neue „wissenschaftliche“ Erkenntnisse präsentiert werden (zur Kritik an Kronsteiner 1996 vgl. Pohl 1999:275f.).

10.             vgl. auch Anm. 25 u. 47.

11.             Herkunft umstritten, entweder zu tschech. strýc ‘Onkel, Vetter’ oder zu italien. strizzare ‘auspressen’.

12.             lt. Duden (bzw. mundartlich Kästen).

13.             lt. Duden französischer Herkunft, was nur für die binnendeutsche Form Marone, pl. -en zutrifft. Lt. ÖWB und bei Zehetner 1997 gilt Maroni auch als Singular (formal eigentlich Plural und weist eindeutig auf italienische Herkunft).

14.             in einem ähnlichen Sinn Ebner 1988:164.

15.             zu sprechen [ø 'draivə(r)], ein (an sich originelles) Kunstwort aus dt. Ö 3, dem Namen eines populären österreichischen Rundfunkprogrammes, das regelmäßig Verkehrsinformationen sendet, und engl. driver ‘Fahrer, Chauffeur’ – eine Bezeichnung für autofahrende Informanten des Ö 3-Verkehrsdienstes.

16.             = Österreichischer Rundfunk. – Der ORF wird immer mehr zum Vermittler bundesdeutscher Ausdrucksweisen, angefangen von den Zahlwörtern die Zwei/Drei usw. (nicht nur in der Werbung!) über abweichendes grammatisches Geschlecht (das Gehalt) bis zur Aussprache (König, Honig, zwanzig [-ich]) und Betonung (Rókoko, Plátin, Labór, Kónsum, Merkúr usw., aber noch nicht Mathematík und Káffee). Zuletzt zur Betonung Wiesinger 1999.

17.             Zu grammatischen Besonderheiten vgl. Tatzreiter 1988.

18.             1993 fühlten sich 80% der Österreicher als Nation, 12% „begannen sich langsam als Nation zu fühlen“ (Angaben nach Bruckmüller 1996:65).

19.             Vielleicht auch eine Spätfolge der NS-Zeit: „Einer der Gründe...ist die Tatsache, dass viele Österreicher, die in der Zeit des nationalsozialistischen Regimes zwischen 1938 und 1945 aufgewachsen sind und in die damalige Überfremdung des österreichischen Sprachgebrauchs hineinwuchsen, unsicher geworden sind. Gewisse Erscheinungen, die nach Ausweis der österreichischen Literatur gänzlich legitim sind, kommen ihnen unkorrekt, veraltet oder dialektal vor“ (Hornung 1987:111f.).

20.             dazu Back 1995 und Lipold 1988.

21.             nach Greil-Wolkerstorfer 1997:514.

22.             sogenanntes Protokoll Nr. 10, Teil des österreichisches Beitrittsantrages (dazu vgl. De Cillia 1995, zuletzt 1998:78ff., Markhardt 2005:158ff. sowie Pollak 1994:152ff., zur dialektologischen und sprachgeographischen Kritik vgl. Pohl 1996:41 u. 1997a u. 1997b:19ff. und Markhardt 2005:207-211 mit Lit.). – Sprachpolitisch gesehen wurde mit dieser kurzen Liste eine große Chance vertan: je größer die Anzahl der (eigentlichen wie süddeutschen) Austriazismen gewesen wäre, desto mehr wäre das Süddeutsche ganz allgemein gestärkt bzw. aufgewertet worden und gerade im Hinblick auf die Regionen in der EU hätte die Vielfalt der regionalen Alltagskultur ihren sprachlichen Reflex finden müssen – dies ist meine Hauptkritik. Pollaks Kritik geht auch in eine andere Richtung, er sieht in der seiner Meinung nach mangelnden Gleichberechtigung österreichischer Ausdrücke gegenüber bundesdeutschen eine Gefährdung „der sprachlichen Identität der Österreicher“, deren „Sprachkultur ... eine integrale Komponente der österreichischen Kulturnation“ sei (Pollak 1994:152). Dies ist aber eine Neuauflage des alten, Herder’schen Konzeptes der Kulturnation: da Österreich nach seinem Selbstverständnis eine Nation ist, müsse es auch eine „Nationalsprache“ haben. Die Vertreter dieser Auffassung, außer Pollak v.a. Muhr u. Wodak, berücksichtigen zu wenig die historischen und dialektogischen Grundlagen des Deutschen in Österreich: Muhr (1998) spricht von der „Wiederkehr der Stämme“, wenn die sprachliche Eigenständigkeit Österreichs relativiert wird und die Gemeinsamkeiten mit Bayern und dem süddeutschen Raum hervorgehoben werden und Wodak (1994:26) meint aus einer Untersuchung schließen zu können, dass „die ältere Generation Dudendeutsch höher wertet [als österr. Deutsch, H.D.P.], Rechtsstehende und Deutschnationale ebenfalls“ (vgl. auch Anm. 44). Auch De Cillia (1997:120) gibt Angaben von Informanten unkritisch wieder, ohne die arealen und dialektologischen Hintergründe zu berücksichtigen (z.B. in Bezug auf Pfifferling und Hackfleisch in Vorarlberg: Eierschwammerl und Faschiertes sind dort unüblich, vgl. Wiesinger 1988:192 u. 217 sowie hier Anm. 43). Aus einer solchen defizitären Sicht muss auch die EU-Liste der Austriazismen entstanden sein, die auf den österreichischen Osten zugeschnitten ist und in dieser Form – wenn überhaupt – nur für Wien gültig ist.

23.             z.B. Bechert-Wildgen 1991:2 u. 81.

24.             sodass vielfach „binnendeutsch“ als „überholt“ betrachtet wird (z.B. Muhr-Schrodt 1997:5).

25.             vgl. Walla 1992:174. – Ausdrücklich sei festgestellt, dass auch Vertreter des „österreichisch-nationalen Ansatzes“ (so Schrodt 1997:15) wie u.a. Rudolf Muhr (durchaus in Einklang mit Vertretern des „österreichisch-integralen bzw. -integrativen Ansatzes“ [so Schrodt ebda.]) einräumen: Daß es innerhalb Österreichs sprachliche Unterschiede gibt, ist bekannt. Üblicherweise werden das Ostösterreichische und das Westösterreichische unterschieden...(Muhr 1997a:54), die Frage sei nur wie groß diese Unterschiede sind (ebda. mit Lit.). – Um meine persönliche Ansicht zu skizzieren: mit Rudolf Muhr bin ich bewusster Sprecher des österreichischen Deutsch, das ich mit Hermann Scheuringer als „süddeutsch“ betrachte, da ich die österreichisch-deutsche Staatsgrenze nur als politische, nicht aber ethnographische (und sprachlich nur als sekundäre) Grenze sehe.

26.             bis 1938 allgemein üblich, nach 1945 eher umgangssprachlich, heute veraltet (vgl. Hornung 1987:112).

27.             alle Beispiele nach Ebner 1988:165-169.

28.             < slowen. južina ‘Mittagessen’, welche Bedeutung Jause heute noch im Kärntner Lesachtal hat; die Jause selbst wird im Slowen. mala južina ‘kleines Mittagessen’ genannt, in Kärnten meist [máwʒna] ausgesprochen. Zusammen mit Jausenstation ist dieses Wort zu einem Parade-Austriazismus geworden.

29.             z.T. dem Kärntner ‘Reindling’ entsprechend, z.T. auch abweichend davon (vgl. zwei Rezepte bei Angerer 1997:50 u. 177).

30.             rechnet man die gemeindeutschen u. -bairischen Lehnwörter aus dem Tschechischen kritiklos als „Austriazismen“, erhöht sich freilich die Zahl der slawischen Lehnwörter im österreichischen Deutsch erheblich.

31.             alle Wörter auch bei Pohl 2004 und 2007.

32.             Einem jüngst erschienenen Kochbuch zur „Hausmannskost aus Südkärnten“ (Angerer 1997) entnehme ich diese Speise auch für den slowenischen Raum: livanci „Gerstenplatteln“ (aus dem Rosental, Angerer 1997:154), hergestellt aus Gerstenmehl mit Ei und als dünne Fladen herausgebacken (als Suppeneinlage oder als Hauptspeise mit Kompott).

33.             eine Zusammenfassung des Standes der Forschung zum tschechischen Einfluss aufs Österreichische Deutsch und „Wienerische“ siehe hier.

34.             Der aufmerksame Leser wird Angaben zum Burgenland vermissen, doch dort (ging und) geht der Sprachkontakt nur in eine Richtung: vom Deutschen (und Ungarischen) zum Kroatischen hin, nicht zuletzt durch dessen Sprachinselsituation (vgl. dazu Neweklowsky 1997:1824ff.).

35.             alle Beispiele nach Malygin 1996.

36.             Scheuringer 1990:372ff. bzw. Zehetner 1997: insb. 341ff.

37.             alle Angaben nach Scheuringer 1990:373.

38.             vgl. Scheuringer 1995 (mit Karten).

39.             Dass viele „Austriazismen“ eigentlich „Bajuvarismen“ sind, zeigt auch mein Kommentar zur „EU-Austriazismen-Liste“ (s.o.).

40.             Zehetner 1997:342ff.

41.             gerade Nachtmahl gilt als Paradebeispiel „austronationalen“ (vgl. Anm. 1), besser vielleicht austrozentristischen Denkens. Weil (der aus dem Innviertel stammende) Scheuringer zu Nachtmahl feststellt, „so würde ich nicht sagen“, sieht der (von mir übrigens sehr geschätzte) Richard Schrodt nicht ein, warum er statt dessen „Abendbrot (oder etwas entsprechendes) sagen muss. Hier kann es die gute funktion einer ‘hochoffiziellen patronanz’ sein“, ihm sein Nachtmahl zu erlauben (tribüne 1996/4:9). Abendbrot hat Scheuringer sicher nicht gemeint, vielmehr Abendessen – doch der Gebrauch dieses Wortes steht ihm als Oberösterreicher aus dem Innviertel zu, wie ja auch das Nachtmahl dem Wiener Schrodt, das auch für mich als gebürtiger Wiener und in Kärnten lebender ganz normal ist und auf die Frage nach dem Gebrauch des Wortes Abendessen gäbe ich die gleiche Antwort „so würde ich nicht sagen“! Abendessen und Nachtmahl sind in Österreich Synonyme (Ebner 1988:155 u. 153), doch im Osten und Süden ist Nachtmahl das Normalwort, während es im Westen keine mundartliche Deckung hat (und in Vorarlberg überhaupt ungebräuchlich ist, vgl. Forer-Moser in Wiesinger 1988:214 u. 219). Daher ist die Feststellung, dass das „Phänomen der sprachlichen Entäußerung...[das] auch österreichischen Sprachexperten nicht fremd“ sei (Muhr 1995:83), nicht zutreffend. Vielmehr zeigt sich, dass das, was als „standardsprachlich“ empfunden wird, subjektiv ist, so würde ich die anderen Beispiele (Muhr a.a.O. u. Ammon 1995:449) auch nicht allgemein als standardsprachlich qualifizieren: geröstete Erdäpfel sind für mich nur in einem österreichischen (nicht internationalen) Kochbuch oder auf einer Speisekarte standardsprachlich, allfällig ist m.E. nur am Ende einer Tagesordnung (als letzter Tagesordnungspunkt „Allfälliges“ einer Sitzung o.ä.) möglich, sonst wirkt es „geschraubt“ und ist durch etwaige zu ersetzen, und schließlich ist für mich sowohl Pölster als auch Polster (pl.) Standard (im Gegensatz zu Scheuringer). – Leider bewegen sich viele Diskussionen um „Austriazismen“ auf dieser Ebene.

42.             „multifunktional“ deshalb, da es sowohl die geschriebene („standard-süddeutsche“) als auch die gesprochene (volkstümliche) Sprache (Alt-) Bayerns umfasst, also auch die Funktion (bezüglich des Standards) des ÖWB erfüllt.

43.             vgl. Anm. 47 und das in Anm. 41 zu Nachtmahl Gesagte; dieses Wort ist symptomatisch für die „Qualität“ der Auseinandersetzung ums österreichische Deutsch. Weitere solche Wörter sind z.B. die in diesem Artikel genannten Wörter Paradeiser, Vogerlsalat, Powidl, Obers, Eierschwammerl usw.

44.             wogegen u.a. auch Scheuringer 1996:148. – Ich glaube nicht, dass das Wort „Vereinnahmung“ (u.a. bei Wodak 1994:26) in diesem Zusammenhang angebracht ist. Von vielen Österreichern werden die heutigen Vorstellungen kritiklos ins 19. Jhdt. zurückprojiziert, so, als ob wir immer schon (bloß deutschsprachige) „Österreicher“ gewesen wären, und keine „Deutschen“. Die deutsche und österreichische Geschichte verlief mindestens bis zur Gründung des Bismarck-Reiches 1871 und längstens bis 1945 gemeinsam, die „österreichische“ Geschichte ist bis 1918 eine des Hauses Habsburg bzw. eine Geschichte der einst im Reichsrat vertretenen Länder und erst seit 1945 eine österreichische „Nationalgeschichte“. – Auch die Subsumierung der österreichischen Literatur unter dem Begriff „deutsche Literatur“ bedeutet m.E. keine „Vereinnahmung“, solange man diese analog zu „Deutsche Sprache“ als „Literatur in deutscher Sprache“ interpretiert. Dazu vgl. Muhr 1997b:90-92 (mit Lit.), auch zu den „Leiden“ österreichischer Autoren, die ihre österreichischen, süddeutschen und oft auch Wiener Ausdrücke nach dem Willen bundesdeutscher Lektoren nicht in die (gesamt-) deutsche Literatur(sprache) einbringen dürfen. Bemerkenswert erscheint mir die Tatsache, dass selbst ein/e (sehr) „deutschnational“ gesinnte/r Autor/in, der/die mir persönlich bekannt ist, sich über Veränderungen und Eingriffe in den (auf Grund des Themas in typischem österr. Deutsch gehaltenen) Originaltext bitter beschwert (Muhr 1997b [genaues Zitat unterbleibt mit Rücksicht auf den/die Autor/in]), was zeigt, dass das bewusste Verwenden von bzw. das Eintreten für österr. Deutsch nichts mit politischer Einstellung („deutschnational“ vs. „austronational“) zu tun hat (wie dies Wodak a.a.O. meint [vgl. hier auch Anm. 22]). Doch diese Eingriffe bundesdeutscher Lektoren sind keine Vereinnahmung (wie Muhr 1997b:91 andeutet), sondern sprachliche Gleichschaltung (ein anderes Vokabel fällt mir nicht ein) des geschriebenen Wortes, beim Fernsehen schon längst Realität, auch bei österreichischen Produktionen: sprach man z.B. in den in Wien gedrehten Folgen des „Tatortes“ in den 70er Jahren noch „österreichisch“, ist dies beim „Kommissar Rex“ der 90er Jahre nicht mehr der Fall, v.a. gilt dies für den Kommissar (vgl. Muhr 1995:80), während die anderen Personen größtenteils ostösterreichisch/wienerisch (oder was man dafür hält) reden, eine Sprachform, die man im ORF auch bei in westlichen österreichischen Bundesländern spielenden Fernsehfilmen hören kann.

45.             Ammon 1996:159

46.             Scheuringer 1996, Wolf 1994.

47.             Muhr 1993 u. 1995, Pollak 1992 u. 1994. – Ich halte den „plurizentrischen“ und „pluriarealen“ Ansatz nicht unbedingt für Gegensätze, wenn ich auch, sprachgeographisch gesehen, den pluriarealen als angemessener betrachte (vgl. Pohl 1997d:69). Eines wird allerdings oft übersehen: der Gültigkeitsbereich sprachlicher Erscheinungen auf Ebene des Standards ergibt sich eindeutig auf Grund der nationalen Varietäten einer Sprache (so gelten viele Wörter in Österreich als Standard, in Bayern aber nicht, z.B. Jänner, Ribisel, Jause, was auch auf einige grammatische Besonderheiten zutrifft wie z.B. der Gehalt, vergessen auf usw.) und nicht auf Grund arealer Gliederung in Großdialekte. Diese aber lieferten (zusammen mit den historischen und politischen Fakten) die Voraussetzungen dazu, dass überhaupt nationale Varietäten entstehen konnten. Ich glaube, dass sich die „Bevorzugung“ eines der beiden Gesichtspunkte aus den wissenschaftlichen Schwerpunkten und Interessen jener ergibt, die sich mit dem Österreichischen Deutsch beschäftigen, daher neigen Kollegen wie Rudolf Muhr, die sich v.a. um das Österreichische Deutsch im Unterricht „Deutsch als Fremdsprache“ verdient gemacht haben, eher zum „plurizentrischen“ Ansatz, Kollegen wie Hermann Scheuringer (und ich) eher zum „pluriarealen“ (ähnlich äußert sich auch Grzega 1997:152). S.a. Anm. 25.

48.             vgl. Ebner 1980:215.

49.             vgl. Wiesinger 1988:25f.

50.             1988:69.

51.             vgl. Pohl 1997a: 1. u. 2. Teil.

52.             es stellt sich die Frage, ob hier von Austriazismen zu sprechen noch gerechtfertigt ist.

53.             dies ist eine lapidare Feststellung, die man als Linguist zu treffen hat, auch wenn man sie persönlich bedauert.

54.             in einem ähnlichen Sinne auch Hornung 1987:112.

55.             dieser treffende Begriff stammt von Scheuringer 1996 (ich habe ihn schon in Pohl 1997d rezipiert).

56.             vgl. Anm. 47.

Zitierte und weiterführende Literatur

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Abkürzungen (in Auswahl): dt. = deutsch, ma. = mundartlich, vs. = versus.

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