Slowenisches im Kärntnerischen
(s.a. Schriftenverzeichnis Nr. 118,
135, 163-164, 192, 199, 202, 253, 263, 270, 284)
Die Koexistenz zweier
Sprachen in Kärnten, der bäuerlichen südbairischen Mundart und
städtisch-österreichischen Verkehrssprache einerseits und der slowenischen
Mundarten andererseits haben zu einer starken gegenseitigen Beeinflussung
geführt. Mitte des 19. Jhdts. sprach fast ein Drittel der Kärntner Bevölkerung
slowenisch, Mitte des 20. Jhdts. waren es nur mehr ca. 10%; heute sprechen nach
den Volkszählungsergebnissen noch rund 3% slowenisch und einige weitere Prozent
beherrschen die Sprache. Im gemischtsprachigen Gebiet Kärntens sind viele
Kinder zum zweisprachigen Schulunterricht angemeldet; eine mehr oder weniger
rein slowenische Gemeinde ist Zell/Sele, größere Anteile von Slowenen haben
u.a. Globasnitz/Globasnica,
Ludmannsdorf/Bilčovs, Feistritz
ob Bleiburg / Bistrica nad Pliberkom bzw. pri Pliberku und Eisenkappel-Vellach / Železna Kapla-Bela sowie einige andere
Gemeinden im Jaun-, Rosen- und Gailtal.
Hier nur kurze Zusammenfassung
(ausführlich hier)
Einige weiter verbreitete slowenische Lehnwörter
(† = veraltet bzw. veraltend)
Jause (im Lesachtal
mundartlich ‘Mittagessen’, < slowenisch južina ‘Mittagessen’; das
slowenische mala južina ‘Zwischenmahlzeit’ ergab in der Mundart [máwžna]
und wurde so zu einer slowenischen Parallele zum ‘Austriazismus’ Jause).
Gaislitz † ‘eine säuerlich schmeckende
Mehlspeise’ (< frühslowenisch *kiselica
‘Säuerliches’, im Mittelhochdeutschen giselitz,
geyslitze).
Keusche, mundartlich Kaischn ‘kleines Bauernhaus, Kate’ (<
slowenisch hiša, germanisches Lehnwort).
Paier ‘Quecke’ (ein
Ackerunkraut, Agriopyrum repens, < slowenisch pirje).
Poganze † ‘ein
gefüllter Kuchen (mit Topfen oder Nüssen)’ aus Strudel- oder Germteig), Windische Poganzen
aus Mürbteig.
noch heute regional in Österreich bekannt (z.B. Steiermark (ältere Variante von slowenisch pogača und geht auf romanisch focatia / focacea, mittellateinisch focantia
zurück und bezeichnete früher eine Art Weißbrot, vgl. in Tirol Fochaze ‘eine Brotart aus Weizenmehl
ohne Germ zu bestimmten Zeiten gebacken’. In die deutschen Mundarten Kärntens
ist es als Fochenze eingegangen,
zuletzt nur mehr in Oberkärnten gebräuchlich, schon seit althochdeutscher Zeit
belegt, z.B. vochanza (Kloster
Mondsee).
Pogatsche (in
dieser Form kaum noch in der österreichischen Küchensprache präsent, das
Diminutiv dazu Pogatscherl jedoch
sehr wohl; < slowenisch pogača ‘Kuchen,
Weißbrot, Festtagsbrot usw.’, Herkunft wie Poganzen,
in Kärnten vorwiegend für den ‘Rein(d)ling’ gebraucht).
Pogatscherl † bairische
Diminutivbildung zu Pogatsche, v.a.
in der Zusammensetzung Grammel-Pogatscherl geläufig. Meist aus Germteig
mit Grammeln unter Zusatz von Wein gebacken. Altösterreichische Kochbücher
bieten Rezepte für süße (mit Zucker, Zimt und Zucker) und gesalzene Pogatscherln.
Potitze ‘Rollkuchen, Art
Reinling’ (ein Kuchen aus
Germteig mit verschiedenen Füllen, < slowenisch po(vi)tica).
Talggen = Munggen
† (s.u., früh entlehnt aus slawisch *tălkъna,
russisch toloknó ‘Haferbrei,
-grütze’, polnisch tłokno
‘Speise aus Hafermehl, heißem Wasser und Milch’)
Wābm
(mundartlich, umgangssprachlich) ‘altes Weib (meist
abfällig)’ (< slowenisch baba ‘alte Frau’).
Einige slowenische Lehnwörter in Kärnten und Osttirol
Daber ‘Klamm, Schlucht’ (Osttirol, < slowenisch deber ‘Talschlucht’,
regional mundartlich daber).
Hudítsch
‘Teufel’
(< slowenisch hudič), als Fluch.
Jaukh † ‘Föhn’
(< slowenisch jug ‘Süden’).
Koper ‘Dille’ (<
slowenisch koper).
Kopriz
(mundartlich) ‘ein Almkraut (Futterpflanze)’
(Mölltal, Lesachtal, auch Osttirol, < slowenisch koperc ‘Fenchel’).
Maischl, Maischele, -erl ‘Netzlaibchen’ (rückentlehnt aus slowenisch majželj
< bair. *Maiselein ‘kleine Schnitte’; eine ähnliche Speise heißt
im Lavanttal und Nordkärnten lēbəlan [Plural]). moidúsch
‘meiner Seel’’ (< slowenisch (pri) moji duši).
Munggen
† ‘einfache bäuerliche Speise aus geschrotetem Getreide’
(< frühslowenisch *mo(n)ka ‘Mehl’, heute slowenisch moka) = Talggen (s.o.).
Patsche
/ Påtsche ‘Eber’
(< slowenisch pačej aus dem Deutschen, zu Bock).
Plēschn
† ‘großer
Acker’ (< slowenisch pleša ‘kahle Stelle’).
Polsn (mundartlich) ‘Heuschlitten’ (< slowenisch polza ‘Tragbaum,
Pflugschleife, Holzriese’).
Puaklat
†
‘vorderer Teil des Heufuders’ (Mölltal, < slowenisch mundartlich pod ‘unter’
+ klet ‘Haufen’).
Sāsaka
‘Verhacktes,
ausgelassener geräucherter Speck’ (< slowenisch zaseka).
Schwachta
/ Schwåchta ‘Sippschaft
(abwertend)’ (< slowenisch mundartlich žłahta ‘Geschlecht’ aus
dem Deutschen).
Strankele
‘Fisole,
grüne Bohne’ (< altslowenisch stro(n)k- ‘Schote, Hülse’, heute
slowenisch strok).
Topanitz † ‘ein einfaches Gebäck’ (Osttirol,
< frühslowenisch *topenica
‘Gebähtes, Gebackenes’).
zwīln (mundartlich, umgangssprachlich) ‘klagen, jammern’ (< slowenisch cviliti).
Bemerkenswert sind
die semantischen Gleichungen nach romanischen Vorbildern wie Unterdåch ‘Dachboden’
(wörtlich ‘Unterdach’ wie slowenisch podstrešje und furlanisch sotèt
< romanisch subtum tectum) oder Auswart † ‘Frühling’ (wörtlich
‘auswärts’, vgl. slowenisch vigred [wörtlich ‘Ausgang’] und furlanisch insude
< romanisch *in-exitus).
Slowenischer Einfluss im Satzbau
Ein eindeutig
slowenischer Einfluss ist die Ellipse (der Wegfall) des Pronomens es bei
unpersönlichen Verben, z.B. hait rēgnet ‘heute regnet es’, gestern
wår åber khålt ‘gestern war es aber kalt’. Diese Konstruktion ist v.a. in
Unterkärnten verbreitet, aber auch Klagenfurt und Villach nicht fremd. Häufig
ist das Verbum an den Anfang des Satzes gerückt, insbesondere im Dialog, bei
Antworten u. dgl., z.B. khum i glai ‘ich komme gleich’, khumt/khimp ǝ(r)
schon ‘er kommt schon’, saint se schon untǝwēgs ‘sie sind
schon unterwegs’ usw. Initialstellung des Verbs ist auch im Slowenischen sehr
weit verbreitet; dadurch, dass das Pronominalsubjekt (ich, du...) meist
wegfällt, steht rein statistisch das Verb noch häufiger am Satzanfang als es
ihm wortfolgetheoretisch eigentlich zukommt, was somit seine Auswirkungen auf
das Kärntner Deutsch hat. Hingegen dürfte die Doppelsetzung des Personalpronomens
in der 1. Person Plural mir håmə(r)
‘wir haben’ (< wir haben wir) damit
nicht zusammenhängen, denn in der 2. Person Singular ist sie gemeindeutsch (-st < -s + du), in der 2. Person
Plural gemeinbairisch (-ts < -t + ëʒ).
Auffällig ist auch
der adverbiale Gebrauch von nichts [niks] im Sinne von ‘nicht’ (als
Negation), was z.T. dem slow. nič entspricht, z.B. er is niks då
‘er ist nicht da’ (slowenisch mundartlich won či tle), im
Fragesatz: a khumst/khimst hait niks tsu uns? ‘kommst du heute nicht zu
uns?’. Die slowenischen Formen gehen auf nič
ne biti ‘nicht sein’ (verneinte Kopula, verstärkt, wörtlich ‘nichts sein’)
zurück und dies wurde im Deutschen nachgeahmt. Dieses Beispiel enthält die für
Kärnten typische und häufig verwendete Fragepartikel a, die auch im
Slowenischen geläufig ist. Da sie sonst in den bairisch-österreichischen
Mundarten – außer vielleicht in den angrenzenden Gebieten der Steiermark – nicht
vorkommt, dürfte sie ebenfalls auf Sprachkontakten beruhen. Sie kommt sowohl
alleine (wie oben) als auch in Verbindung mit Fragepronomina (z.B. a wer
khimp/khumt den då? ‘wer kommt denn da?’) vor.
In der slowenischen
Umgangssprache wird die Konjunktion pa ‘aber’ pleonastisch recht oft verwendet,
v.a. zur Einleitung eines neuen Gedankens oder Themas. Dies widerspiegelt sich
auch in der deutschen Umgangssprache des ehemaligen bzw. bestehenden
gemischtsprachigen Gebiets, z.B. frai i mi åbǝ, dås i di
sīch/sīg ‘ich freue mich, dass ich dich sehe’, weəmə åbǝ åle hintn ainštaigŋ ‘wir alle werden hinten einsteigen’.
Ob die
präpositionslose Richtungskodierung slowenischer Herkunft ist oder bloß ein allgemeines
Sprachkontaktphänomen, kann nicht entschieden werden (Beispiel: i får
Khlågnfurt ‘ich fahre nach Klagenfurt’; in echter bäuerlicher Mundart würde
hier auf [bzw. af] stehen). – Unsicher ist slowenischer Ursprung
für Konstruktionen wie i pin gschlåfn ‘ich habe geschlafen’ (mit bin statt
habe wie im Slowenischen bei allen Verba; da aber schlafen ursprünglich
‘schlaff liegen’ bedeutet hat, kann das Hilfszeitwort sein hier auch alt
sein wie die bei liegen, stehen [i bin glēgŋ/gštåndn] usw. der Fall ist).