DIE
KÄRNTNER (UND ÖSTERREICHISCHEN) MUNDARTEN
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29.5.2012 (u. 15.3.2017)
(Karten unter Kärnten, Österreich, Oberdeutsch,
Kärntner
Slowenisch)
(Näheres zum slowenisch-deutschen
Sprachkontakt siehe Slowenisches)
Einige interessante
Links:
Wiener Mundart: http://www.echtwien.at/home
Österreich
allgemein: http://www.ostarrichi.org/
1.Kärnten
Nähere Informationen
liefern meine Arbeiten Nr. 71, 202, 208, 211, 228, 253, 291, 317, 328 laut Schriftenverzeichnis.
Erschienen im Herbst 2007: Pohl, Heinz-Dieter: Kleines Kärntner Wörterbuch.
Klagenfurt, Heyn 2007.
2.
Auflage, 191 S., 3 Karten; ISBN 978-3-7084-0243-7, € 10,50
Siehe
unter http://www.heyn.at/list?back=b581ca35eecb30792a5be5e89c023159&xid=2912805
Dieses kleine Wörterbuch ist eine verbesserte und erweiterte
Neuauflage meines vor 13 Jahren (1994) erschienenen „Kärntnerisch von A-Z“. Wie
bei diesem handelt es sich auch bei dem vorliegenden Buch um ein eher
populärwissenschaftliches Werk. Die Einleitung gibt einen kurzen Überblick über
alle in Österreich gesprochenen Dialekte und versucht dann die Eigenart der
südbairischen Kärntner Mundart vorzustellen, die am südlichen Rand des
deutschen Sprachgebietes gesprochen wird. Auch die engen sprachlichen
Beziehungen zum slowenischen Nachbarn fanden entsprechende Berücksichtigung.
Enthält über 3000 Wörter und einige Mundarttextproben.
Im Allgemeinen
teilt man die Kärntner Mundarten in Ober-, Mittel- und Unterkärntnerisch ein.
Keine „echt“ kärntnerische Mundart wird im Lesachtal gesprochen – dieses gehört
mundartkundlich eher zu Tirol; ferner haben sich im Katschtal und im obersten
Mölltal salzburgische und um den Obdacher Sattel auch auf Kärntner Gebiet
steirische Merkmale durchsetzen können. Die Grenze zwischen der Ober- und
Mittelkärntner Mundart verläuft etwa von Ober-/Untervellach bei Hermagor im
Gailtal nach Nordwesten über Stockenboi, geht westlich an Spittal an der Drau
vorbei und dann nordwestlich über das Reißeck und die Hochalmspitze bis zur
Landesgrenze. Zu Oberkärnten im mundartkundlichen Sinn gehören also das obere
Gailtal, das Mölltal und das obere Drautal mit dem Lurnfeld. Mittelkärntnerisch
wird im Liesertal, unterem Gail- und Drautal sowie im Villacher und
Klagenfurter Becken, in der „Gegend“, im Metnitz-, Gurk- und Glantal sowie auf
dem Zoll- und Krappfeld gesprochen; dem gleichen Mundarttyp gehört auch das
heutige gemischtsprachige (vormals mehrheitlich slowenische) Gebiet
Unterkärntens an (seit Anfang unseres Jahrhunderts nicht ganz zutreffend auch
„Südkärnten“ genannt). In mundartlicher Hinsicht ist „Unterkärnten“ das
Görtschitz- und Lavanttal. Keiner dieser drei genannten Mundarträume ist in
sich einheitlich, sondern in weitere kleinere Einheiten untergliedert.
Siehe
auch die Karte Kärnten.
Außer einer
räumlichen ist auch eine soziologische Unterteilung der Kärntner Mundart
feststellbar: es gibt die allgemeine landesübliche Verkehrssprache und die
zwischen ihr und der eigentlichen bäuerlichen Mundart stehende „Stadtsprache“.
Oberkärntnerisch
gliedert sich
in die Mundarten des oberen, mittleren und unteren Mölltales, des oberen Drautales,
des Gailtales, des Gitschtales und des Gebietes um den Weißensee. Geographisch
gesehen gehört auch das Lesachtal dazu. In lautlicher Hinsicht ist v.a. die
Aussprache von st im Inlaut als št in der westlichen Hälfte sowie ein
heller Vokal in auslautenden Silben in Wörtern wie sūne „Sonne“, mīlech
„Milch“ oder hirbišt „Herbst“ zu
erwähnen. Ferner ist charakteristisch die Aussprache des r, einst fast im ganzen Bezirk Spittal im Anlaut mit h-Einsatz (z.B. Ross [hrous] oder Bergname Hruckenkopf,
schriftsprachlich „Rücken“ enthaltend); einst muss diese Aussprache in fast
ganz Kärnten verbreitet gewesen sein, denn die sekundär entstandene Lautfolge gr- (< ge-r...) wird allgemein zu khr-,
z.B. khret „geredet“, oder in
Ortsnamen wie Kreut usw. „Gereute“.
Stark gerollt
wird das r u.a. im Gailtal; das
Gitschtal hat ein (dem englischen r
ähnliches) kakuminales r. In weiten
Gebieten wird o vor r wie å gesprochen (z.B. dårf
„Dorf“). Typisch die Hebung von ea
und oa vor Nasalen zu iə und uə (giən „gehen“ gegenüber gean
in Mittelkärnten, luən „Lohn“ gegenüber loan
in Mittelkärnten). Örtlich (v.a. im Mölltal) palatale Aussprache der Vokale
(z.B. röükh „Rock“, häüs „Haus“ usw.).
Mittelkärntnerisch
umfasst den Kärntner
Zentralraum und nimmt das größte Gebiet ein. Man kann es in vier Gruppen
unterteilen, und zwar in Westmittelkärntnerisch (westlich von Sirnitz,
Himmelberg und Treffen, mit Spittal an der Drau und dem Liesertal),
Übergangszone zum Oberkärntnerischen hin; Nordmittelkärntnerisch (Gurk-
und Metnitztal sowie Krappfeld und Wimitz) mit dem Hauptmerkmal oa (< mhd. ei, s.u. Anm.) und sowie stark
gerolltem Zungen-r; Zentralmittelkärntnerisch
(im Bereich des Städtevierecks Klagenfurt – St. Veit an der Glan – Feldkirchen
– Villach) mit dem Hauptmerkmal ā
(< mhd. ei); Südmittelkärntnerisch
im unteren Gailtal, Rosen- und Jauntal einschließlich der deutschsprechenden
Kanaltaler). Letzterem fehlt der sonst zu beobachtende Unterschied zwischen
städtischer und bäuerlicher Sprachform; man kann es daher als einen Ableger der
städtischen Variante vom Zentralmittelkärntnerischen betrachten – mit einem
höheren Anteil slowenischer Einflüsse als im Kärntner Durchschnitt.
Anmerkung: Die Verteilung von oa und ā < mhd. ei ist unabhängig
von Ober-, Mittel- und Unterkärntnerisch. Ein relativ schmaler Streifen im
Norden Kärntens steht einem breiteren Streifen im Süden gegenüber (siehe Karte Kärnten und Österreich). Das Osttiroler Gailtal und das
Lienzer Becken haben oa, die
benachbarte Sprachinsel Pladen/Sappada in Italien und Teile des Tiroler
Pustertales haben ebenfalls ā (auf
der Karte nicht so deutlich sichtbar).
Durch das
Wirken des Kärntners Mundartdichters Gerhard Glawischnig und seine Bedeutung
(zusammen mit Justinus Mulle) bei der Entstehung des „Neuen Kärntner Liedes“
ist der von ihm in seinen Werken und Liedtexten verwendete Glantaler Dialekt zu
einer Art „Kärntner Koiné“ geworden und genießt das bei weitem höchste Ansehen.
Viele Liedtexte aus anderen Gegenden Kärntens sind an diese Sprachform
angeglichen worden.
Unterkärntnerisch
umfasst das
Görtschitz- und Lavanttal; während das Görtschitztal dem
Nordmittelkärntnerischen recht nahe steht, erinnert die Mundart des Lavanttales
in vielem an weststeirische Mundarten. In der älteren Mundart wird die
Lautgruppe rn > dn, z.B. štǟdn „Stern“ (mit langem ä), khǡdn (mit langem å) „Korn“ oder Vokal + r zu silbischem r, z.B. khrchn „Kirche“,
wrbm „Wurm“; da in anderen Gegenden
Kärntens (v.a. im Zentralraum) vor r ein
ə gesprochen wird (khiərchn, wuərm), ergeben sich hier deutliche und hörbare Unterschiede.
Ganz Kärnten gehört
– zusammen mit dem größten Teil von Tirol, dem Salzburger Lungau und den
angrenzenden steirischen Gebieten (v.a. die Bezirke Murau, Judenburg, Voitsberg
und Deutschlandsberg) dem südbairischen Dialektareal an. Dieses Gebiet
gehört zu den altertümlichen bairischen Mundarten, deren Altertümlichkeit nur
durch die vorgelagerten Sprachinselmundarten (siehe
Sprachinseln,
z.B. in Italien Pladen/Sappada, Friaul, in Slowenien Zarz/Sorica [erloschen],
Gottschee [durch Aussiedlung erloschen; die Gottscheer, deren Gebiet Hitler
Italien zugesprochen hatte, wurden 1941 ausgesiedelt und in anderen Gebieten,
v.a. der Südsteiermark, wieder angesiedelt; nach Kriegsende konnten sie nicht
mehr zurückkehren, sondern mussten fliehen]) übertroffen wird. Dementsprechend
finden wir sehr viele südbairische Merkmale in den Kärntner Mundarten:
was Kärnten mit Tirol verbindet, aber deutlich von den mittelbairischen
Mundarten abhebt, ist das Bewahren der Vorsilbe ge- im Mittelwort der Vergangenheit (PPP) vor allen
Verschlusslauten: es heißt er håt
gepētet / getrībm / gekhocht (gegenüber mittelbair. er håt pēt / trībm / kocht).
Die Aussprache des e in ge- ist schwankend, z.T. gehoben, also
etwa [gi-] gesprochen, z.T. ist die
Aussprache offener, etwa [gε-],
oder leicht reduziert, etwa [gə-]. Mitunter fehlt das Präfix auch im
Südbairischen, z.B. in „kommen“, vgl. er
is tswēgŋ khem „er ist des Weges gekommen“, doch dies ist keine
Ausnahme, sondern ein Archaismus. Weiters bleibt der Selbstlaut im Artikel die immer erhalten, es heißt im
Südbairischen immer de oder di Khia „die Kühe“, de oder di Muater „die Mutter“, nie (wie in anderen bairischen Gebieten) d' Kia bzw. d' Muater. Auch das „affrizierte“ k [also Verschlusslaut + entsprechender Reibelaut (wie pf und z [ts])], von mir
geschrieben kh, genauer [kch], gehört hierher; im Südbairischen
wurde jedes alte k
affriziert, im Gegensatz zum Mittel- und Nordbairischen sowie zur deutschen
Hochsprache. Wir haben also Aussprachen wie khem „gekommen“, Khua
„Kuh“, khōchn „kochen“ usw. Ein
weiters südbairisches Merkmal ist die Verkleinerungsform -le, in der Flexion -len
(so meist in Oberkärnten) bzw. -lan (in
Unterkärnten, z.T. auch im Lesach-, Gail- und Gitschtal), z.B. Diandle bzw. Deandle „Mädchen“, Fēgele
bzw. Fōgəle „Vöglein“ (Pl. -len
bzw. -lan).
Ein
konservativer Zug des Südbairischen ist auch das Unterbleiben der Nasalierung
und der r- und l-Vokalisierung. Ein mittelbairisches šẽ „schön“, i wui
oder wǖ (mit langem ü) „ich will“ und wiat „Wirt“ lautet im Südbairischen šean, i wil und wirt.
Allerdings muss festgestellt werden, das die r- und l-Vokalisierung nach
Wiener Vorbild immer mehr um sich greift; auch die Rundung von e und i vor l ist zumindest in
den Städten heute recht allgemein (z.B. göld
„Geld“, štül „still“).
Mittelbairische Formen wie kafa
„kaufen“ oder kema „kommen“ sind
aber im Süden bis heute nicht üblich, es heißt nur khāfn und khem(an).
Manches spricht dafür, dass nasalierte Formen früher in weiten Teilen Kärntens
üblich waren, wie bestimmte Restformen zeigen, wie z.B. ādlə „Großmutter“ < Ahnlein (woraus andl im Mittelbairischen). Aus dem Gebiet des Millstätter Sees sind
auch Relikte wie hādl
„Hähnlein“ und khoas „keines“
bekannt.
Weitere
Besonderheiten: In der Formenlehre haben wir südbairisch dēs „ihr“ (statt mittelbairisch ess) sowie die Endung der 2. Person Mehrzahl des Zeitwortes auf -ts (wie auch in den anderen bairischen
Mundarten), z.B. dēs khemts / khemps „ihr kommt“, entstanden
aus der Verbindung der Endung -(e)t
mit dem nachgestellten Pronomen ess
(< mhd. ëʒ). In manchen bairischen Mundarten
wiederholt sich dies bei der 1. Person Mehrzahl, in Österreich nur in Kärnten
(der größere Teil von Oberkärnten, v.a. Lesach- und oberes/mittleres Mölltal
ist ausgenommen): mir ēsmə „wir essen“ (< {essen + wir}),
allerdings in Unterkärnten (und nur dort) auch im Nebensatz und Fragesatz
möglich, z.B. iatsən weamə ēsn wås mə gekhaft hǡmə „jetzt werden wir essen was wir
gekauft haben“, ēsmə mir ane fīš ? „essen wir Fische?“. eŋkh (mhd. ënk) für „euch“ ist in den bäuerlichen Mundarten noch verbreitet, doch
sein Gebrauch ist heute stark rückläufig. Auffallend sind ferner die hybriden
Bildungen wie šrainan „schreien“
(neben šrain), flǡšnan „Flaschen“ und puəman „Buben, Knaben“ (neben flǡšn und puəm) und geghεərt „gehört“ (PPP, ziemlich allgemein), also mit
Verdoppelung der Endung ({schreien + en}, {flaschen + en} und {ge + gehört}).
Wie auch in
den anderen bairischen Mundarten spielt der unbestimmte Artikel ein auch die Rolle des
Teilungsartikels, also i hǡb an huŋger und an duršt „ich habe Hunger und Durst“, i trinkh gern a pīr „ich trinke
gerne Bier“. Doch auch in der Mehrzahl ist der Gebrauch des unbestimmten
Artikels allgemein, z.B. hōl ane
epfl aus də špais „hole Äpfel aus der Speis (Vorratskammer)“, dås sant då ane peasn waiber ! „das
sind doch böse (zänkische) Weiber!“.
Ziemlich
allgemein ist im Bairischen der „Einheitsplural“, d.h., es gibt beim Hauptwort
nur mehr eine einzige Kasusform, z.B. di
oder de khinder „die/den Kinder(n)“;
im 3. Fall Mehrzahl (auch im 3. Fall Einzahl bei den weiblichen Hauptwörtern)
gibt es einen präpositionalen Dativ, z.B. gib
dås in di khinder bzw. in də muater „gib das den Kindern bzw. der Mutter“ (in der Mehrzahl
auch gib dås de khinder, in der
Einzahl [heute meist] gib dås də muater). Ob dieser präpositionale 3. Fall auch bei den
männlichen und sächlichen Hauptwörtern anzunehmen ist, bleibt aus Sicht der
heutigen Sprache unklar, da sowohl der Artikel „dem/den“ als auch „in dem/in
den“ zu mundartlich in (oder ən) geworden ist, z.B. in
mǡn „dem/den Mann“ und in
pεrg „im/in den Wald“.
Die Vorsilben er- und zusammen- heißen auch in Kärnten der- (meist [də-]) und tsåm- und haben ein breiteren Anwendungsbereich als in der
Schriftsprache, z.B. derpåkhŋ
„zu etwas fähig sein, vollbringen (wörtlich: erpacken)“ oder tsåmpåkhŋ „zusammenpacken (auch
übertragen)“. – Einige bemerkenswerte Partizipia der Vergangenheit: geprent „gebrannt (transitiv)“, geprūnan „gebrannt (intransitiv)“,
gšnībm „geschneit“, gwaicht oder gwīchn „geweiht“, (tsåm)khrōchn
„(zusammen)gerecht (mit dem Rechen)“.
Ein besonderes
Merkmal ist die sogenannte Kärntner Dehnung, diese den Klang (das
„phonologische System“) der Kärntner Mundarten nachhaltig geprägt hat. Sie ist
aus einer Umwandlung der mittelhochdeutschen Gruppen kurzer Selbstlaut +
verdoppelter Reibelaut in langer Vokal + einfacher Reibelaut
hervorgegangen; später folgten auch die Gruppen mit t. Beispiele: mhd. hoffen,
macchen, gewisse, waʒʒer, fischen > kärntnerisch hōfn „hoffen“, mǡchn „machen“, gwīs
„gewiss“, wǡser „Wasser“, fīšn
„fischen“. Eine Folge dieser Entwicklung besteht darin, dass Wörter wie offen und Ofen, Wiese und wissen gleich lauten, nämlich [ōfn] und [wīsn]. Später folgte auch t,
daher heißt „Mitte“ heute [mītn].
Vor Mitlautgruppen tritt die Kärntner Dehnung nicht ein, es heißt zwar ēsn „essen“, aber dēs ests „ihr esst“, daher das
Schwanken von Lang- und Kurzvokal in offenen und (primär) geschlossenen Silben,
z.B. „ich gebe/esse“ i gīb /
īs, aber „er gibt/isst“ er gip
(< gipt) / ist. Lautgeschichtlich ist die „Kärntner Dehnung“ eine
Ersatzdehnung unter den Bedingungen des slowenisch-deutschen Sprachkontaktes (siehe Slowenisches).
Weiteres aus
der Lautlehre: Im Wortauslaut
werden die Gruppen Verschlusslaut + -t vereinfacht, z.B. er såk < er sagt, ghåp < gehabt, nach Dental schwankt
der Gebrauch, es heißt u.a. nur er ret
< er redet, khret < geredet,
aber er tritet „er tritt“, selten trit (dazu 2. Person tritest, aber retst). Nach stdt. (c)k
bleibt -t stets erhalten, z.B. er håkht < er hackt, ghåkht < gehackt, weil dieses ja zur
Affrikate wurde. Ähnlich wird auch -ts
> -s vereinfacht (z.B. dēs
geps, s.o.). Auch die aus mittelhochdeutsch -ent entstandene Endung -nt
(3. Person Mehrzahl) wird assimiliert, so heißt es meist si gēbmp/sǡgŋk „sie geben/sagen“. Eigenartige und vielfältige Formen
hat sie tun entwickelt: se teamp, toamp, schwachtonig tåmp, daneben auch tuamp (aus der älteren Stadtsprache); diese Formen sind von „haben“
beeinflusst (se håmp < alt habent). Daneben kommen auch die
älteren Formen wie tuant, tiant vor, z.T. (v.a. heute
stadtmundartlich) unter Wegfall von -t.
Zum Wortschatz
(siehe Bairische
Kennwörter): Im Bereich des Wortschatzes sind die beiden
Wörtchen a (Fragepartikel, z.B. a khimpst hai(n)t tsu uns ? „kommst du
heute zu uns?“) und lai „nur“ zu
erwähnen, letzteres ergibt zusammen mit lǡsn die typisch kärntnerische Redewendung lai lǡsn „nur lassen“ (im Sinne von „sich nur nicht anstrengen“
bzw. „nur nicht aufregen“), worin zwei Kärntner Eigentümlichkeiten vereint
sind: das (v.a. auch in Ost- und Südtirol sehr beliebte) lai und die (bis ins steirische Murtal reichende) „Kärntner Dehnung“.
Einige weitere Wörter: Strankerl
„Fisole, grüne Schnittbohne“, zwillen
„jammern, klagen (v.a. von Kleinkindern)“ (aus dem Slowenischen), tschentschen „nörgeln, jammern“, Granten „Preiselbeere“, (aus dem
Romanischen), Reinling „Art
Gugelhupf“ (in der Reine ohne Loch in der Mitte aus eingerolltem und mit Zimt
und Rosinen gefüllt [auch andere Füllungen sind üblich: Mohn, Nuss, Apfel]), Fischl „Lungenbraten, Filet“, Schwarzbeere „Heidelbeere“, Rotbeere [roapə] „Erdbeere“, Füchsling „Eierschwammerl, Pfifferling“ usw.
2. Die
österreichischen Mundarten
Vorbemerkung: Hier können im Überblick nur einige bekanntere Merkmale
stark vereinfacht dargestellt werden. Genauere Angaben bieten u.a. M. Hornung -
F. Roitinger, Unsere Mundarten (Wien 1950, überarbeitete Neuauflage, bearbeitet
von G. Zeillinger, Wien, öbv&hpt 2000) und (fürs gesamtdeutsche
Sprachgebiet) W. König, dtv-Atlas zur deutschen Sprache (dtv 3025, 11. Auflage
1996).
Auf dem
gesamten österreichischen Bundesgebiet werden oberdeutsche Mundarten
gesprochen. Einem sehr großen bairischen Gebiet steht ein recht kleines
alemannisches Gebiet gegenüber: Vorarlberg und Teile von Tirol (Lechtal).
2.1. Bairisch
(-Österreichisch)
Der bairische
Anteil gliedert sich in drei von West nach Ost verlaufenden Streifen,
Mittelbairisch (Nieder- und Oberösterreich samt der Bundeshauptstadt Wien) und
Südbairisch (Tirol und Kärnten samt Salzburger Lungau und Teilen der
Steiermark) und mit einem dazwischen liegenden Übergangsgebiet (nordöstliches
Tirol, Salzburg, Steiermark und Burgenland); siehe dazu
die Karte Österreich.
Gemeinbairische
Erscheinungen in Österreich sind z.B. die Verdumpfung von a > å (z.B. dåg bzw. tåg „Tag“), das Bewahren der
mittelhochdeutschen Dipththonge ie uo üe
(mhd. liep, bruoder, brüeder >
bair. liab, bruada, briada „lieb,
Bruder, Brüder“; statt ua haben wir
teilweise auch ui, „ui-Mundarten“, nördliches
Niederösterreich und ganzes Burgenland, bis in die Oststeiermark reichend, z.B.
bluid „Blut“ < mhd. bluot), die Entwicklung von sekundärem ä zu a, z.B. glasl „Gläschen“
oder i war „ich wäre“, ferner ǖ (über oi) > ai (z.B. haisa „Häuser“, mais „Mäuse“).
Allgemein
verbreitet sind auch die sogenannten bairischen Kennwörter, z.B. Er(ge)tag „Dienstag“, Pfinz-/Pfingstag „Donnerstag“, Fasching, Kirchtag, Maut, ēß (südbairisch dēs [v.a. in Kärnten und der
Weststeiermark, sonst nur vereinzelt]) „ihr“, enk „euch“, aper
„schneefrei“, Bussel usw. „Kuss“, Kuchel „Küche“ u.v.a. mehr, z.T. nur
mehr in alten bäuerlichen Mundart (siehe Kennwörter).
Merkmale des
Mittelbairischen sind u.a.:
1. Abschwächung von p t k („Starklaute“)
zu (den stimmlosen „Schwachlauten“) b d
g (vor l n r) bzw. gh (vor Selbstlauten), also Pech, Tag (Dach), Knecht, Kuh klingt etwa wie bech,
dåg (Anlaut wie dåch), gnecht, ghua; inlautend werden die alten
Doppellaute geschwächt (z.B. supm
„Suppe“, hitn „Hütte“), die
Schwachlaute zu Reibelauten (z.B. wewa
„Weber“) oder schwinden überhaupt (z.B. pua
„Bub“, re’n „reden“, nå’l „Nadel“ mit silbischen n und l);
2. weit verbreitet ist die l-
und r-Vokalisierung, z.B. håjs „Hals“ oder i wǖ (mit langem ü) „ich
will“ bzw. fåda / muada „Vater / Mutter“; das Phonem l (L)
wird im Anlaut „postdental“ (so Kranzmayer) ausgesprochen; diese meist
„Meidlinger oder Wiener Vorstadt-L“ genannte Erscheinung, etwa [ł],
insbesondere im Wort- und Silbenauslaut, wird fälschlich vielfach auf tschechischen
Einfluss zurückgeführt (im Auslaut ist dieses L im Zuge der mittelbairischen L-Vokalisierung
zunächst geschwunden und erst nachträglich unter hochsprachlichem Einfluss
restituiert worden, eben als [ł], z. B. weil echt mundartlich [vœi], umgangssprachlich an die Hochsprache
angenähert [vε:ł]); doch diese Erscheinung ist im Ostmittelbairischen
weit verbreitet und keineswegs auf Wien beschränkt;
3. langes mittelhochdeutsches e und o bleiben meist erhalten (glē
„Klee“, brōd „Brot“, teilweise
diphthongiert broud, gegenüber
südbairisch kchleə „Klee“ und roət „rot“);
4. die Vorsilbe ge- wird zu g- verkürzt (z.B. gsunga „gesungen“) und schwindet vor Verschlusslauten überhaupt
(z.B. trunga „getrunken“).
Das Südbairische ist beharrlicher:
1. Stark und Schwachlaute werden
unterschieden (ausgenommen einheitliches p-
im Anlaut), also z.B. dåch neben tåg (s.o. 1); altes k ist lautverschoben zu kch, z.B. kchleə „Klee“, khuə „Kuh“;
2. in der älteren Mundart fehlt die r-
und l-Vokalisierung (es heißt håls und i wil bzw. wül, s.o. 2),
sie ist aber im Begriffe vorzudringen (v.a. in den Stadtmundarten);
3. s.o. 3;
4. die Vorsilbe ge- bleibt immer
als g- oder gə-/gi-/gε-
erhalten (gsungan, gətrunkchn, s.o. 4);
5. auch auslautende Silben werden
bewahrt, z.B. Kärnten sune „Sonne“, hirwišt / hirwəst „Herbst“, u.a. in Kals (Osttirol) pai tǡge „bei Tag“.
Einige Erscheinungen
sind anders verteilt, so ergibt sich eine West-/Ostschichtung nach der
Aussprache des st im Wortin- und -auslaut, im Westen sagt man herbešt „Herbst“ oder du pisch / pišt „du bist“ usw., im
Osten nur -s- (Wörter wie duašt „Durst“ sind eine scheinbare
Ausnahme, das -rs- meist wie -rsch- lautet, z.B. ferschn „Ferse“). Ähnlich verhält es sich mit der Verallgemeinerung
des -n in der Einzahl der schwachen
weiblichen Hauptwörter, im Osten heißt es etwa ålm / åjm (< alben) „Alpe, Bergweide“ oder wīsn „Wiese“, im Westen ålwe und wīse. Beide Erscheinungen nehmen ein relativ kleines Gebiet
ein, finden aber im Alemannischen ihre Fortsetzung, wo dann weiter westlich
auch das -e schwindet (alp, wīs).
Slawische
Einflüsse sind v.a. in Kärnten (s.o. 1)
und in Wien (durch die tschechische Zuwanderung nach Wien im 19./20. Jhdt.) zu
beobachten (siehe Tschechisches).
Wiederum
anders verteilt ist die Entwicklung von mittelhochdeutsch ei; gemeinbairisch ist oa
(z.B. i woaß „ich weiß“), Wien und
(der größere Teil von) Kärnten haben langes a (also i wāß);
letzteres kommt auch in anderen Gegenden vor (z.B. im Pustertal) und breitet
sich in letzter Zeit immer mehr aus. Die Herkunft dieses (langen) a ist nicht ganz klar, wahrscheinlich
ist es durch Adelsgeschlechter und deren Gefolge hierher verpflanzt worden
(durch die Habsburger nach Wien, die Sponheimer nach Kärnten).
Unterschiede
gibt es auch im Wortschatz, der Osten und Süden hat u.a. slawische Lehnworte,
z.B. Jause, Potitze, Golatsche / Kolatsche, Preiselbeere usw., nach romanischen Vorbildern sagt man in Tirol Marende statt Jause, in Tirol und Kärnten Grante
statt Preiselbeere usw. Aber auch im
deutschen Wortschatz gibt es Unterschiede, z.B. Nachtmahl im Osten und Süden gegenüber Nacht- oder Abendessen
im Westen oder, anders verteilt, für Mädchen im Nordosten und im äußersten
Westen Madl, dazwischen Dirndl (diandle usw.), im Südwesten (v.a. Süd- und Osttirol bis in Kärntner
Gailtal) Gitsche.
2.2. Alemannisch
Obwohl das
Bundesland Vorarlberg (richtige
Aussprache [for-árlberk] bzw. [fɔɐˈarlbεɐk]) recht klein ist, weist es doch eine
Fülle von verschiedenen Ortsmundarten auf. Auffallend ist vor allem das
Unterbleiben der Diphthongierung von mittelhochdeutschem ī, ǖ und ū,
es heißt hier mīn „mein“, nǖn „neun“, hūs „Haus“, ebenso bleiben altes a und ä (letzteres sehr
offen ausgesprochen) erhalten, also gartə „Garten“, gärtli „Gärtlein“ (in Tirol gårtn
bzw. gartl). n schwindet meist im Auslaut (s.o.), aber auch vor Reibelauten im
Inlaut (z.B. wǖsche „wünschen“, sāft
„sanft“). Dazu kommt ein oft recht eigenartiger, meist mit der Schweiz
übereinstimmender Wortschatz, z.B. Ziestag
[zischtig] „Dienstag“, die Fluh „Felsen“, z.T. luege statt schauen sowie gsī für
„gewesen“ (< ge-sīn).
3. Zum
Bairischen (als deutscher Großdialekt)
Siehe Karte Oberdeutsch.
3.1.Was ist „Bairisch“?
Unter Bairisch
mit -i- versteht man den bairischen
Stamm und die bairische Mundart, unter bayrisch mit -y- die Zugehörigkeit zum Freistaat Bayern. Nur ein Teil davon –
wenn auch der größere – ist bairisch, fast ganz Österreich ist ebenso bairisch.
Auf der Ebene der bäuerlichen Volksmundarten wirkt sich die Staatsgrenze
zwischen Bayern und Österreich kaum aus, im Bereich der Amts-, Schul- und
Verkehrssprache haben sich durch die verschieden verlaufene staatliche
Entwicklung einige Unterschiede ergeben, z.B. das dunkle bayerische a (auch in Lehnwörtern, z.B. Bayern Bank
mit einem nach å hin gefärbtem a, in Österreich wird das Geldinstitut
mit reinem a gesprochen, hingegen
lautet die Sitzgelegenheit in beiden Ländern mundartlich Pånk) oder Brotzeit
gegenüber Jause, Fleischpflanzl gegenüber faschiertes Laiberl usw.
Der gesamtbairische Dialektraum umfasst die bayerischen Regierungsbezirke
Ober- und Niederbayern und die Oberpfalz, vormals auch das Egerland, ferner einen
Streifen von Ober- und Mittelfranken, alle österreichischen Bundesländer außer
Vorarlberg und das Tiroler Lechtal sowie das zu Italien gehörende Südtirol. Er
hat eine West-Ost-Ausdehnung von etwa 500 km – vom Lech und Arlberg bis zum
Neusiedler See – und misst von Nord nach Süd an die 450 km – vom Fichtelgebirge
bis zur Salurner Klause in Südtirol. Das geschlossene bairische Dialektgebiet
grenzt im Norden und Westen an andere deutsche Dialektlandschaften – an das
Ostmitteldeutsche (Obersächsische), an das Ostfränkische und an das
Schwäbisch-Alemannische. Im Süden und Osten hingegen berührt es nicht-germanische Sprachen:
das Rätoromanische, Ladinische, Friaulische, Italienische, Slowenische,
Magyarische (Ungarische), Kroatische, Slowakische und Tschechische. Diese
Ausdehnung des Bairischen deckt sich mit dem Stammesgeblet der Baiern =
Bajuwaren (aus Bai(w)ariōz). Es
ist ein Gebiet, das flächenmäßig viermal so groß ist wie die ganze Schweiz. Die
geographische Reichweite des Bairischen geht über die mancher europäischer
Nationalsprachen, z. B. des Ungarischen oder Finnischen, weit hinaus.
Einige
wichtige Merkmale des Bairischen:
Bearbeitet nach: Ludwig
ZEHETNER, Das bairische Dialektbuch (München 1985), insbes. S. 54-59;
empfehlenswert weiters vom gleichen Verfasser Bairisches Deutsch. Lexikon der
deutschen Sprache in Altbayern (München 1997) sowie – zu Österreich – Maria
HORNUNG - Franz ROITINGER, Die österreichischen Mundarten. Eine Einführung
(Wien 2000).
Hier kann
keine kurzgefasste bairische Grammatik vorgelegt werden, doch es sollen einige
markante Kennzeichen der bairischen Mundarten in Bayern und Österreich
vorgestellt werden – was in Lautlehre, Wortbildung, Wortschatz und Satzlehre
als besonders eigentümlich zu betrachten ist.
3.2. Lautlehre
3.21. Die vom Bairischen ausgegangene Diphthongierung
(Verzwielautung) der mittelhochdeutschen Langvokale ī, ū, ǖ zu ei, au, eu (äu) ist Bestandteil der neuhochdeutschen Schriftsprache geworden,
hingegen ist die entsprechende Entwicklung von ō zu ou, oa oder eo (rout, roat, reot ‘rot’), von ā
zu ou (Strouss ‘Straße’) und von ē, (lang-) ö zu äi oder ea (Schnäi oder Schnea bzw. bäis oder beas ‘Schnee, böse’), wie sie in Teilen des Gebietes gilt, auf die
Mundart beschränkt geblieben. Das Gleiche trifft auch auf die Weiterentwicklung
von mittelhochdeutsch ei zu oa (bzw. åi z.T. im Nordbairischen) oder ā (hoaß/hāß, proat/prāt, Goaß/Gāß, Loata/Lāta ‘heiß, breit, Geiß, Leiter’).
3.22. Ebenso ist es mit der Bewahrung der mittelhochdeutschen
Diphthonge ie, üe, uo als ia und ua (bzw. ui in
Randgebieten und Sprachinseln, „ui-Mundarten“),
z.B. liap, griaßn, Pruada (bzw. pruidr u.a. in Pladen/Sappada) ‘lieb,
grüßen, Bruder’. Hierin unterscheidet sich das Bairische deutlich vom
Ostfränkischen, das – ebenso wie die Hochsprache – einfache Langvokale kennt,
z. B. Brūda ‘Bruder’.
3.23. Eine bairische Kennlautung ist das „überhelle“ a für den mittelhochdeutschen
Sekundärumlaut ä, æ, wofür die Nachbarmundarten und die
Schriftsprache einen e-Laut haben. zāch, Schār, Rādi/Rattach, Māndl, Sackl, Antn ‘zäh, Schere, Rettich, Männlein,
kleiner Sack, Ente’.
3.24. Wie auch in anderen oberdeutschen Mundarten werden die
mittelhochdeutschen Vokale ö (œ), ü, iu (= ǖ), üe, öü entrundet und
somit zu e, i, ai, ia/äi.
Daher entsprechen einander schriftsprachlich rösten, böse, Zügel, neu, müde, Freude, Häuser und bairisch restn,
bēs/beas/bäis, Zīgl, nai(ch), miad/mäid, Fraid, Haisa.
3.25. Ähnlich wie andere binnendeutsche Dialekte ist das
Bairische durch eine weitgehende Konsonantenschwächung gekennzeichnet, die
weitgehend zur Aufhebung des Unterschiedes zwischen b, d, g und p, t, k (letzteres
v.a. vor Konsonanten) geführt hat (nicht im Südbairischen!), z.B.
mittelbairisch Pēda, Pâda, Wēda, Lēda, tringa, Schâ(d)n ‘Peter, Bader, Wetter, Leder; trinken; Schatten/Schaden’.
Eine Folge dieser Entwicklung, zusammen mit der Einsilberdehnung, ist der
Umstand, dass es im heutigen Mittelbairischen nur mehr zwei Silbentypen gibt:
entweder Langvokal + schwacher Konsonant (Lenis) oder Kurzvokal +
starker Konsonant (Fortis), z. B. Drēg
– dreke (Dreck, dreckig). Bei
Reibelauten führt die Schwächung zu Formen wie gwen (gewesen) oder Pǡ (‘Bach’, im Gegensatz zum Plural Bach ‘Bäche’), sēne ‘solche(ne)’.
3.26. Das Mittelbairische ist gekennzeichnet durch die
„Vokalisierung“ des l, das nach
Vokalen zu i (oder e) wird bzw. mit vorangehendem e und i neue Lautungen entwickelt hat: viel wird zu vui / väi / vüü, Geld zu Göid / Gööd, Gabel zu Gǡwe usw.
Weiter
verbreitet ist im Deutschen die r-Vokaliserung
(in den beharrlicheren südbairischen Mundarten erst ansatzweise), z.B.
Aussprachen wie Schnur [schnuə] oder Kern [keən].
3.3. Wort- und
Formbildung: Ein Merkmal
des Süddeutschen ist die Verkleinerung durch mittelhochdeutsch -līn zu -lein, was in den heutigen Mundarten als -l, -əl (geschrieben meist -erl), in l-vokalisierenden Mundarten als -ai oder -e, im
Südbarischen auch als -(ə)le erscheint. Beispiele, z.B. Glasl ‘Gläschen’, Haserl
/ Hāsəle ‘Häschen’, Kaiwe
‘Kälbchen’ usw. – Ferner ist charakteristisch das Präfix der- statt er- (z.B. derschrecken, derschlågen, auch in Wörtern ohne Vorbild in der Schriftsprache,
z.B. dertreten ‘zu Tode treten’)
sowie das Suffix -ach für
Sammelbezeichnungen, sehr lebendig noch im Südbairischen (z.B. Kräutlach ‘Suppenkräuter’). Die zweite Person Mehrzahl des Zeitwortes
lautet im Bairischen auf -ts (d.i. -et + ēs).
3.4.
Wortschatz: Einige
besondere Wörter, darunter die so genannten „Bairischen Kennwörter“, wie die
persönlichen Fürwörter ēß
(südbairisch dēs [s.o.]), enk (‘ihr, euch’), weiters Er(ge)tag
(Irtig usw.) und Pfinztag / Pfingstag ‘Dienstag, Donnerstag’, oder aper ‘schneefrei’, Budel ‘Ladentisch’, Bussl, busseln ‘Kuss,
küssen’, Fasching ‘Karneval’, iterucken ‘wiederkäuen’, Kuchel ‘Küche’ u.v.a.
4. Die anderen Sprachen und Mundarten
(in Österreich)
Rund 1% der
österreichischen Bevölkerung gehört den autochthonen Minderheiten an. Wenn wir
nach der Geschichte gehen, beginnen wir mit den (Kärntner) Slowenen und enden
mit den (Wiener) Tschechen. Zu den einzelnen Sprachen Details unter Die Sprachen
Europas.
Hinweis: Genauere Angaben u.a. in Ch. Pan - B.S. Pfeil,
Die Volksgruppen in Europa (Wien 2000, S. 125-127) sowie in Handbuch
Kontaktlinguistik II/2 (Berlin-New York 1997, hg. v. H. Goebl u.a., Beiträge
und Karten von H.D. Pohl und G. Neweklowsky).
4.1. Die
slowenischen Mundarten
Die
österreichischen Slowenen gehören zu den historisch ältesten Einwohnern
Österreichs. Sie sind die Nachkommen der Alpenslawen, deren kurzlebiges
Fürstentum Karantanien die Keimzelle des späteren Herzogtum Kärnten war. Ihre
Spuren sind v.a. in den Ortsnamen erhalten, die meisten auf -itz und -ach endenden sind alpenslawisch-slowenischer Herkunft, auch die
häufigen Familiennamen aus -nig(g).
In Kärnten gibt es laut Volkszählung 1991 rund 15.000 Slowenen, die sich als
solche ausdrücklich bekennen; dazu kommt eine größere Zahl weiterer Menschen,
die teils Slowenisch als Muttersprache, teils als Zweitsprache haben, insgesamt
höchstens 40.000 (v.a. in der älteren Generation). Für die Steiermark werden
1695 Personen angegeben (v.a. im Grenzgebiet).
Die Kärntner
Mundarten werden in vier Gruppen geteilt: Gailtal (ins Kanaltal ausgreifend),
Rosental (auch das Gebiet nördlich des Wörthersees und der Umgebung von
Klagenfurt umfassend), Jauntal (auch auf den Südabhängen der Saualpe, sich nach
Osten über die Staatsgrenze fortsetzend) sowie das Gebiet der Gemeinde
Eisenkappel-Vellach („Obir- oder Remschenig-Dialekt“). Dadurch, dass sich die
Kärntner slowenischen Dialekte erheblich von der slowenischen Schriftsprache
unterscheiden (etwa wie Schweizerdeutsch vom „Hochdeutschen“), kam die irrige Meinung
auf, die in Kärnten gesprochenen Mundarten seien gar nicht slowenisch, sondern
„Windisch“.
4.2. Ungarisch
Ungarn leben
verstreut im Burgenland, hauptsächlich in den Bezirken Oberpullendorf und
Oberwart. Deren Anzahl wird mit rund 10.000 angegeben, dazu kommen rund 9000
Personen, die in Wien leben.
4.3. Die
kroatischen Mundarten
Die
Burgenländer Kroaten sind die Nachkommen von Flüchtlingen, die teils vor den
Türken geflüchtet waren, teils von kroatisch-ungarischen Magnaten, die auch in
Kroatien Besitzungen hatten, dorthin verpflanzt wurden. Das kroatische
Siedlungsbebiet setzt sich nach Osten in Ungarn und im Norden bis in Slowakei
fort. Ihr Siedlungsgebiet sind meist Sprachinseln; ihre Anzahl dürfte rund
30.000 Menschen betragen, zu denen noch rund 10.000 in Wien lebende
Burgenland-Kroaten kommen. Deren Mundarten gehören größtenteils zu den so
genannten čakavischen (in Westkroatien), im Süden des Burgenlandes auch zu
den štokavischen Dialekten. Das Burgenländisch-Kroatische hat eine eigene
Schriftsprache entwickelt, die sich von der ehemaligen serbokroatischen in
mancher Hinsicht unterscheidet.
4.4.
Tschechisch und Slowakisch
Die Tschechen
sind die Nachkommen von Zuwanderern aus den Ländern der böhmischen Krone; ihre
Zahl wird mit 9.800 Personen angegeben. Im östlichen Marchfeld lebt noch eine
kleine Anzahl von Slowaken, zusammen mit den in Wien wohnenden dürften es rund
1000 Menschen sein.
4.5. Romanes
Die Sprache
der Roma und Sinti (vormals „Zigeuner“) – zu den indoarischen Sprachen gehörend
– wird von 5-10 Tausend Personen gesprochen. Die Vorfahren aller Roma (die am
meisten verbreitete Eigenbezeichnung) sind Ende des ersten nachchristlichen
Jahrtausend in mehreren Wellen aus Nordwestindien abgewandert und gelangten
teils über den Bosporus, teils über die Straße von Gibraltar nach Europa, wo
sie in allen Ländern anzutreffen sind. Es ist erstaunlich, wie sehr sie trotz
ihrer Wanderungen in anderssprachiger Umgebung (aus der sie viele Lehnwörter
aufgenommen haben) ihre neuindische Sprache hinsichtlich ihrer Struktur und des
Grundwortschatzes bewahrt haben – Zeugnis eines hoch entwickelten
Zusammengehörigkeitsgefühls über die Staatsgrenzen hinweg.
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