Sprachen als kulturelles Erbe der Region:
Sprachen und Sprachinseln im südalpinen Raum – ein Überblick
Kurzfassung erschienen in:
EUROPA ETHNICA 2005/3-4, 91-100
Zur Herkunft s. Maria Hornung, Osttirol als Heimat von Sprachinseln hier
(mit
einem Rückblick auf eine erfolgreiche
Tagung)
Übersichten
Übersicht 1: Sprachinsel (Definition)
Übersicht 2: Überlegungen zu den Begriffen Ethnos und Nation, ethnische und
nationale Identität
Übersicht 3: Das rätoromanische /
ladinische / furlanische Sprachgebiet in Italien und der Schweiz
Übersicht 4: Die deutschen
Sprachinseln in Italien
Übersicht 5: Die deutschen
Sprachinseln und Restgruppen in Slowenien
Übersicht 6: Das Slowenische in
Österreich und in Italien
Übersicht 7: Deutsch in
Südosteuropa
Karten
(die
Karten sind pdf-Dateien)
Karte 1:
Rätoromanisch (Ladinisch)
Karte 2:
Die 7 und 13 Gemeinden
Karte 3:
Das Kanaltal
Karte 4:
Die deutschen Sprachinseln in Friaul und Slowenien
Karte 5:
Auszug aus „Karta slovenskih narečij“ (Karte der slowenischen Dialekte)
Übersicht 1: Sprachinsel (Definition):
Geschlossene Sprach- und Siedlungsgemeinschaft in
einem anderssprachigen größeren Gebiet (nach „Brockhaus“ © Bibliographisches
Institut & F. A. Brockhaus AG, 2004).
Sprachinseln sind räumlich abgrenzbare und intern strukturierte
Siedlungsräume einer sprachlichen Minderheit inmitten einer anderssprachigen
Mehrheit (so K. HUTTERER 1982, 178).
Sprachinseln sind punktuell oder flächenhaft auftretende, relativ
kleine, geschlossene Sprach- und Siedlungsgemeinschaften in einem
anderssprachigen, relativ größeren Gebiet (so P. WIESINGER 1980, 491).
Eine Sprachinsel ist eine durch
verhinderte oder verzögerte sprachkulturelle Assimilation entstandene
Sprachgemeinschaft, die — als Sprachminderheit von ihrem Hauptgebiet
getrennt — durch eine sprachlich/ethnisch differente Mehrheitsgesellschaft
umschlossen und/oder überdacht wird, und die sich von der Kontaktgesellschaft
durch eine die Sonderheit motivierende soziopsychische Disposition abgrenzt
bzw. von ihr ausgegrenzt wird (so K.J. MATTHEIER 1994, 334).
Zum Begriff und seiner Geschichte zuletzt
ausführlich I. GEYER 1999 (woraus [S. 157] die oben zitierten Definitionen
stammen); weiters von M. HORNUNG mehrmals definiert (u.a. 1991, 157f.).
Der Begriff Sprachinsel schränkt den
besonderen Fall, wie ihn Pladen, Zarz usw. darstellt, terminologisch ein als durch Zuwanderung bzw. Abwanderung kleiner
Gruppen (bes. Bauern, Handwerker, Bergleute) in anderssprachige Gebiete
entstandene Siedlungs- und Sprachgemeinschaften, die in ihrer sprachlichen
Entwicklung gegenüber dem Herkunftsland relativ konservativ sind (so u.a. H. BUSSMANN, Lexikon der
Sprachwissenschaft 19902, 212, die statt Sprachinsel auch den
Terminus Enklave vorschlägt, vgl. ebda. 708). Daher bieten Sprachinseln
einen Einblick in ältere Sprachzustände. In der italienischen Terminologie wird
dafür – wohl in Anlehnung ans Deutsche – isola linguistica und isola
alloglotta verwendet, auch engl. language isle.
Der Terminus Sprachinsel
wurde in letzter Zeit auch in Frage gestellt, doch m.E. gibt es keinen
ernstzunehmenden Grund dazu. Von einigen Volkskundlern wird vorgeschlagen,
statt dessen den Begriff „mehrsprachiges Gebiet“ zu verwenden (vgl. HORNUNG
1991, 158). Doch mehrsprachige Gebiete gibt es viele, sie sind aus
verschiedenen historischen Umständen erwachsen, wie etwa das slowenische
Sprachgebiet im südlichen Unterkärnten, auf das aus historischen Gründen
wiederum der Sprachinsel-Begriff nicht zutrifft. Hier handelt es sich
vielmehr um junge, sekundär entstandene Enklaven, die bis ins 20. Jhdt. Teil
eines zusammenhängenden Gebietes waren.
Weitere
Informationen unter: http://www.sprachinselverein.at
sowie Österreichisches
Sprachinselmuseum: Hardtgasse 7/14, 1190 Wien; E-Mail: info@sprachinselverein.at
(nur gegen Anmeldung)
Nicht historische Bauwerke wie die Burg Hochosterwitz, Denkmäler wie der Herzogstuhl auf dem Zollfeld oder Ausgrabungen wie auf dem Magdalensberg sind unser ältestes kulturelles Erbe, sondern unsere Sprache, die wir von unserer Elterngeneration vermittelt bekommen haben und die wir unseren Nachkommen weitergeben, wie dies schon einige hundert Generationen vor uns getan haben. Die Fähigkeit mit „Sprache“ umzugehen, zu kommunizieren, ist dem Menschen angeboren und gehört zu seinem biologischen Programm (wie z.B. auch der aufrechte Gang), trotzdem ist aber jede Einzelsprache im Kindesalter zu erlernen, sie ist kein genetisches, sondern vielmehr soziokulturelles Erbe. Auf den Einzelmenschen bezogen: es ist ein Zufall, in welche kulturelle bzw. sprachliche Gemeinschaft er hineingeboren wird, wie es auch ein Zufall ist, was er als Erwachsener von seiner Familie an Vermögen einmal erben wird. Ein Teil dieses Vermögens in einem weiteren Sinne ist auch unsere Muttersprache und in einem größeren Zusammenhang die heutige südalpine Sprachlandschaft, die das Ergebnis einer mehr als zweitausendjährigen überblickbaren Entwicklung ist. Hier, in unserem Raum, hat es immer schon mehrere Sprachen (und nicht nur die eine, heute dominante) gegeben.
Der Alpenraum war – wie übrigens das gesamte westliche und mediterrane Europa – ursprünglich weder germanisch noch romanisch noch slawisch, sondern nicht-indogermanisch und wurde vom östlichen Mitteleuropa aus nach und nach indogermanisiert, d.h., es wanderten wiederholt indogermanisch-sprachige, zuletzt keltische Stämme ein, die die bodenständige Urbevölkerung überlagert haben, diese hinterließ uns aber eine Reihe von Wörtern und Namen, z.B. *kamok- „Gemse“ (lateinisch camox, italienisch camoscio, ladinisch čamorč, deutsch Gams / Gemse [daher neue Schreibung Gämse], slowenisch gams) oder *alp- „Bergweide, Pass usw.“ (lateinisch Alpes „Alpen“, alpis > deutsch Alp(e), bairisch Alb(e(n)) > Alm, ladinisch alp, slowenisch Alpe). Die erste namenkundlich fassbare vorkeltische („voreinzelsprachliche“) indogermanische Schicht bezeichnet man „Alteuropäisch“; diese manifestiert sich v.a. in den alten Gewässernamen wie z.B. *albhant- „weißer Fluss“ (> frühslowenisch *labątъ > deutsch Lavant, slowenisch Labotnica bzw. mundartlich Łabot(a)) oder *drowos „Flusslauf“ (lateinisch Dravus, deutsch Drau, mundartlich Trå(g) oder Tråge, slowenisch Drava). Daran schließt nun eine keltische, onomastisch bereits eindeutig zuzuordnende Schicht an, der wir u.a. folgende Namen und Wörter verdanken: Glan (slowenisch Głana, geschrieben Glina) < keltisch glan „klar, rein, lauter“), Guck, Guggen-berg, Kuku usw. (< keltisch kukka „Gipfel“) oder Tirol. Taie „(Alm-) Hütte“ (< keltisch tegia).
Auch der Name Kärnten ist über das Keltische vermittelt worden, zu indogermanisch *(s)kar-o-nt- „Gestein, steinige Gegend“ > *karant-, gleichzeitig ein Ortsname am Fuße des Ulrichsberges, des Mons carentanus der Urkunden, von wo aus ein Slawenfürst über weite Teile Kärntens herrschte. Darauf beruht die lateinische Form der Urkunden (Carantania, carantanus usw.), aus der dann deutsch Kärnten, slowenisch Korotan, Koroška usw. hervorgegangen sind. Dieser Mons carentanus (983 in monte Carentano, heute) „Ulrichsberg“ ist mit seinem markanten felsigen Gipfel als „Steinberg“ zu interpretieren; an seinem Fuße (am Rande des Zollfeldes) lag auf einem kleinen felsigen Plateau die althochdeutsche *Charantapurch „Kärntenburg“, der alte Hauptort des Zollfeldes, später (1201) Chaerenpurch „Karnbúrg“ bzw. slowenisch mundartlich Karempurg, schriftsprachlich alt Koroški grad, heute unhistorisch Krnski Grad geschrieben, nicht zu verwechseln mit dem kleinen Weiler Karnbérg nördlich des Ulrichsberges.
Der Name des Haufendorfes Karnburg am westlichen Rande des Zollfeldes (nördlich von Klagenfurt am Fuße des Ulrichsberges) ist also mit dem Namen unseres Bundeslandes Kärnten aufs engste verbunden, denn hier (in unmittelbarer Nachbarschaft des antiken Virunum) lag im 7./8. Jh. das Zentrum des slawischen Karantanien. An diesem Ort wurde im 9. Jh. eine karolingische Pfalz errichtet, als deren Rest die Kirche zu betrachten ist. In der Nähe stand auch der jetzt im Landesmuseum aufbewahrte „Kärntner Fürstenstein“, der bei der Einsetzung der Kärntner Herzöge eine wichtige Rolle spielte. Urkundlich ist diese Örtlichkeit 888 als Carentano, curtem Corontanam, 927 in civitate Carantana usw. bezeugt. Der Name geht auf ein altes Wort für „Stein“, etwa *karant- (s.o.), zurück. Dieser Wortstamm *kar- (zu indogermanisch *(s)kar- „hart (sein)“, wovon u.a. got. hardus) liegt auch dem (bei Ptolomäus als Καρουάγκας bezeugten, seit der Neuzeit wieder verwendeten) Gebirgsnamen Karawanken (*kar-u-ank-) zu Grunde und wurde von den Kelten später volksetymologisch mit ihrem Wort *karvos „Hirsch“ (vgl. latein. cervus „Hirsch“, cerva „Hirschkuh“) in Beziehung gebracht und die Karawanken wurden somit als "Hirschberge" aufgefasst, was insofern weitergewirkt hat, dass der zentrale Teil des Gebirges noch heute Koschuta (alt auch Koschutta) bzw. in slowenischer Schreibung Košuta genannt wird, d.i. slowenisch „Hirschkuh“. Der Wortstamm *kar- kommt in unserer Region (mit der Semantik „Fels, felsige Gegend usw.“) in mehreren Varianten vor, u.a. auch in roman.-italien. Carnia, slowen. Kranj (< *karń-) usw.
Die bisher angeführten Beispiele zeigen, dass die Appellativa, also Wörter und Namen, von Sprachschicht zu Sprachschicht weitergegeben worden sind. Als das Regnum Noricum römisch wurde, setzte die Romanisierung unserer Region ein. Auch die Römer übernahmen die vorhandenen Namen und es entstand (wie in den anderen römischen Provinzen auch) eine bodenständige Varietät der (vulgär-) lateinischen Verkehrs- und Umgangssprache, die immer mehr zur allgemeinen Sprachform „Keltoromanisch“ wurde, aus der sich dann nach dem Untergang des weströmischen Reiches das Alpenromanische entwickelt hat. Diese Sprache stammt zwar – wie alle romanischen Sprachen – vom volkstümlichen Latein des ausgehenden Altertums ab, daher gibt es im Alpenraum auch zahlreiche Namen romanischen Ursprungs, z.B. Tirol. Tschadín, in Kärnten Kadín (geschrieben Kading) < lateinisch catinus „Mulde“ oder der Bergname Egel (Spitz-egel, Vellacher Egel) < lateinisch aculeus „Spitz(e)“ (vgl. französisch Aiguille). Es hat aber eine Reihe von Lehnwörtern (und andere Merkmale) aus dem Keltischen übernommen, wie z.B. die bereits genannten Wörter tegia und kukka.
Doch der romanische Anteil im österreichischen Namengut östlich der Linie Villach – Salzburg ist eher gering. Ich selbst habe ihn früher weit höher eingeschätzt und viele etymologische Erklärungsversuche zurückgenommen und einige weitere sind ebenfalls nicht haltbar, z.B. die Namen mit dem Element Ladin- (Familienname / Hofname Ladinig, Ortsnamen Lading und Ladein usw.); diese können nur ein frühslowenisches *lędina „Brachland“ enthalten. Auch slaw. plan- in slowen. planina „Alm“ (usw.) ist kein romanisches Lehnwort im engeren Sinn (dies zeigt schon das ukrain. polonyna), sondern dieses ist von roman. planus „eben“ überlagert worden, was erklärt, warum es gerade im romanisch-slawischen Übergangsgebiet so häufig ist.
Gegen Ende der Völkerwanderungszeit kamen die Vorfahren der heutigen Slowenen, die Alpenslawen, mit einer (türksprachigen) awarischen Oberschicht ins Land. Awarische Relikte sind z.B. slowenisch kazaz (*kosez) „Edling“ (daher heißen die Edling genannten Ortschaften im Slowenischen Kazaze, Kajzeze usw.) und ban, ein Fürstentitel, der als mittellateinisch banus und in den Ortsnamen Faning (slowenisch Baniče), Pfannsdorf (slowenisch Banja ves bzw. vas) und Fohnsdorf (in der Steiermark) weiterlebt. Am nachhaltigsten wurde unser Raum (südöstlich des Alpenhauptkammes) in seinen Namen slawisch bzw. slowenisch geprägt. Ein häufiges in Ortsnamen vorkommendes slowenisches Appellativ ist z.B. gora „Berg“, das allein im gemischtsprachigen Gebiet Kärntens 18 Mal vorkommt: Göriach / Gorje „(bei den) Bergler(n), Bergbewohner(n)“ (4x, Österreich gesamt 10x, Einwohnername zu slowenisch gora), Goritschach / Goriče „(bei den) Bichlern“ (6x, Einwohnername zu slowenisch gorica „kleiner Berg, Bühel, Bichl“, wegen des im Deutschen unterbliebenen Umlautes erst nach 1300 eingedeutscht), Görtschach / Goriče (3x, Österreich gesamt 7x, wie vor., jedoch vor 1300 eingedeutscht), (mit anderer Wortbildung) Gorintschach / Gorinčiče (2x) sowie Gorentschach / Gorenče, Gurtschitschach / Gorčiče (Einwohnername zu folgendem) und Goritschitzen / Goričica (d.i. „der kleine Bichl“). Mit Ausnahme des letztgenannten handelt es sich bei diesen Namen um so genannte Einwohnernamen, die im Slowenischen als Nominativ Plural erscheinen, ins Deutsche aber in ihrer Lokativform (slowenisch -ah) gelangt sind. Oder: wie oft kommt der deutsch klingende Name Glanz (< slowenisch klanec „steiler Weg, Steile, Steigung usw.“) in Österreich vor – insgesamt 12x, alles Zeugen unseres reichhaltigen sprachlichen Erbes.
Die ins Deutsche gelangten slowenischen Namen haben im Laufe der Zeit die gleichen lautlichen Veränderungen erfahren wie die deutschen Namen selbst. So erscheint slowenisch Ribnica „Fischbach“ im Deutschen als Reifnitz, umgekehrt entstand slowenisch Pliberk aus einem alten deutschen Pliburch, heute Bleiburg. Jüngere Entlehnungen sind deutsch Ribnitza und slowenisch Slovenji Plajberg „Windisch Bleiberg“ – erstere vor 1300 entlehnt, letztere später. Im Namen und Lehnwortgut lassen sich sowohl die Sprachgeschichte als auch alte Sprachräume feststellen: erhaltenes dl (statt l) ist ein Merkmal des NW-Slowenischen, z.B. im Gailtal Matschiedl (< *močidlo „feuchter Ort“), und reichte bis Osttirol, z.B. Tscharniedling (zu *črьnidlo „schwarzer Ort“) oder k (gg) (< urslawisch *tj) für heutiges č (z.B. Faak, slowenisch Bače, Radweg bei Feldkirchen, slowenisch Radoviče, und Defereggen < frühslowenisch *Dobrik’e; eine ähnliche Lautung findet sich in den frühslowenischen Freisinger Denkmälern, z.B. chok-u = hoč-em „ich will“).
Das südwestliche Gebiet der Ostalpen kam in der Völkerwanderungszeit wiederholt unter germanische Herrschaft, so beherrschten die Langobarden weite Teile Italiens, woran heute noch viele Namen erinnern, u.a. die Landschaftsbezeichnung Lombardei. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Ostgoten und Langobarden auch in Kärnten siedelten, aber es kann sich dabei nicht um eine planmäßige Besiedlung gehandelt haben, sondern eher um militärische Vorposten. Die erste planmäßige Besiedlung Kärntens erfolgte (seit dem 9. Jhdt.) durch die Baiern unter fränkischer Oberhoheit in einem Land, in dem seit dem ausgehenden 6. Jhdt. bereits Slawen ansässig waren. Die bairischen Siedler ließen sich vornehmlich in Gegenden nieder, die noch nicht besiedelt waren, was zu einer bairisch-slawischen Mischbevölkerung im Mittelalter geführt hat. Die bereits anwesenden Alpenslawen wurden also nicht verdrängt, sondern sind nach und nach in der bairischen Bevölkerung aufgegangen. Nur in den südlichen Landesteilen ist das slawische Element so stark gewesen, dass es dann in die slowenische Ethno- und Glottogenese einbezogen worden ist. Die deutsch-slowenische Sprachgrenze, wie sie in der Mitte des 19. Jhdts. beschrieben worden ist, dürfte seit Beginn der Neuzeit bestanden haben. Doch gerade das sprachliche Erbe überliefert uns slowenische Namengebung in früh „eingedeutschten“ Gebieten, z.B. weist der Bergname Stagór in Oberkärnten wegen des benachbarten Neuberg auf ein altes slowenisches *Stara gora „Alter Berg“ hin, und eine Mallnitz erweist sich als „kleine Möll“ (alpenslaw. *Mălьnica, zu slowenisch Molna < alpenslaw. *Mălьna „Möll“). Der (alte) Gerichtsbezirk Obervellach (polit. Bezirk Spittal a.d. Drau) hat heute noch einen höheren Anteil von Ortsnamen slowenischer Herkunft (über 50%) als z.B. der heute noch gemischtsprachige Gerichtsbezirk Eisenkappel (ca. 40%). Dazu kommt noch die Integration slawischer kategorienbildender Wortbildungselemente wie -ica und -nik, die auch an deutsche Wortstämme treten konnten, z.B. in Osttiroler Flurnamen (z.B. Bodenitze oder Mauritze) bzw. in Kärntner und Osttiroler Familiennamen (z.B. Waldnigg, Kogelnig oder Felfernig [von mittelhochdeutsch fëlwer / fëlber „Weidenbaum“]). In Osttirol (Kals) gibt es sogar einen Fall, wo ein romanischer Name in drei Versionen vorkommt, je einmal als „echt“ romanischer Hofname Ranggetín(er), als „deutscher“ Hofname Rantschner und als „slawischer“ Rantschnigg (zum romanischen Grundwort *runca „Rodung“).
Die östlich vom Wörthersee an der Glan gelegene Kärntner Landeshauptstadt (seit dem 16. Jh.) Klagenfurt wird erstmals in einer Urkunde am Ende des 12. Jhdts. genannt: 1192-99 mutam in foro Chlagenuurt remittimus. Diese Nennung bezieht sich auf einen Markt im Gebiet des heutigen Spitalberges am nördlichen Ufer der Glan (gegründet von Herzog Hermann von Spanheim). Archäologische Funde lassen auf eine Besiedlung dieses Gebietes bis in die vorrömische (La-Tène-) Zeit schließen. Das Wahrzeichen der Stadt (seit 1252) ist der Lindwurm (urkundlich 1287 im Stadtsiegel); Herzog Bernhard (1202-1256) gründete südlich der Glan eine neue, befestigte Siedlung mit Burg. Nach dem Brand von 1514 Schenkung der zerstörten Stadt durch Kaiser Maximilian an die Landstände; die „ständische Stadt“ (bis 1848/49) – ein Sonderfall in der deutschen Verfassungsgeschichte – wird 1518 (anstelle von St. Veit an der Glan) Landeshauptstadt und Regierungssitz.
Die Stadt entwickelte sich an einer Furt über die Glan und das sich im Süden anschließende Sumpfgebiet zwischen Glan und Glanfurt (urkundlich 12.-16. Jh. Lanquart, keltischer Herkunft, etwa „Krummbach“, slowenisch-mundartlich Łank(a)rt, heute umgangssprachlich und mundartlich deutsch Sattnitz, slowenisch Sotnica nach dem Höhenzug im Süden). Über diese Furt führte schon in der Römerzeit eine Straße von Virunum (auf dem Zollfeld nördlich der Stadt) über den Loiblpass nach Emona (heute Laibach / Ljubljana). Der Schlüssel zur Erklärung des Namens liegt in seiner slowenischen Entsprechung Celovec (urkundlich 1615 V Zelovzi „in Klagenfurt“); die zahlreichen mundartlichen Varianten (Cve-, Cvilowc usw.) weisen auf eine frühslowenische Ausgangsform *cvil’ovьcь bzw. *Cviljovec, die lautlich auf ein romanisches *l’aquiliu (mit Artikel) „Ort, Platz am bzw. mit Wasser“ zurückgeführt werden kann. Die romanische Ausgangsform wurde zunächst zu *la quiliu umgeformt und ohne Artikel ins Slaw. als *kvil’ŭ rückentlehnt und weiter zu *cvil’ь und schließlich mit dem in Ortsnamen nicht seltenen Wortbildungselement -ovьcь (> slowenisch -ovec) erweitert und es entstand frühslowenisch *Cviljovec. Da slowen. cvilja (zufällig) „(Weh-) Klage, Gejammer usw.“ bedeutet, wurde dies ins Deutsche mit „Klage“ übersetzt und es entstand die der Lage des Ortes entsprechende Bezeichnung Klagenfurt, wobei die mythologische Figur der „Klage“ an der unfallträchtigen Furt volksetymologisch sicher eine Rolle gespielt hat.
Gerade in diesem Zusammenhang ist immer wieder an Kals in Osttirol zu erinnern, das mit seinem romanischen Gepräge der alten Flurnamen immerhin unter den Siedlungsnamen einen hohen Anteil slowenischer Namen hat – wohl Reflex des Zusammenlebens bzw. (wie ich es nennen möchte) der Kohabitation dreier Sprachvölker bzw. Kommunikationsgemeinschaften, lebendiger Ausdruck davon, dass hier gemeinsam Romanen, Slawen und Baiern friedlich nebeneinander gerodet, gewirtschaftet und gelebt haben – wie dies Maria Hornung treffend gesagt hat. Von den 13 Siedlungsnamen des Kalser Tales sind 3 deutscher (Großdorf, Haslach und Burg), 3 romanischer, und zwar Glor < angulare „Winkel“, Elleparte / mundartlich Leporten < (ad) illam partem „jenseitiger Teil“, Pradéll < pratellu „(kleine) Wiese“ sowie 6 slawischer Herkunft: Kals < kalec „(kleine) Lache, Pfütze“, Arnig < (j)avornik „Ahorngegend“, Ködnitz < kotnica „Winkelbach“, Lesach < (pri) Lešah „(bei den) Waldbewohner(n)“, Peischlach zu pišlje „Wehen des Windes (= Ort, wo der Wind weht)“, Staniska < stanišče (alt -išk’e bzw. -išće) „Wohnort, Almhütte o.dgl.“. Ein Name kann sowohl deutscher als auch romanischer Herkunft sein (Lana < deutsch Lahner, roman. Lehnwort < *labinarium „Lawinengang“ oder direkt aus dem Roman.); Großdorf könnte die Übersetzung von urkundlich villa major sein, vielleicht auch von roman. vicone „großes Dorf“ (vgl. Begunje / Vigaun in Krain und Vigaun in Salzburg). Es gibt heute noch den Hofnamen Figer, der vielleicht darauf hinweist, dass Großdorf ursprünglich überhaupt nur *Dorf bzw. *Fig < roman. vicus geheißen hat (schließlich heißt die der Dorfgemeinschaft gehörende Alpe Dorfer Alm [dafür heute meist Dorfer Tal]); ferner beachte man die semantische Identität von Glor und Ködnitz, die beide einander benachbart sind. Eine derart klare romanische Siedlungskontinuität wie im Kalser Tal ist ziemlich einmalig im südlichen Österreich, aber es ist zu rechnen, dass es auch im anschließenden Oberkärnten Romanenreste gegeben haben muss, die „im Abseits“ die Stürme der Völkerwanderungszeit überlebt haben. Dies zeigen Muster wie (Ortsname) Malta (alt die Máltein) / (Einwohnername) Maltinger zu keltoromanisch *malontīna „Berggegend“ (bedingt vergleichbar mit [Salzburg] Hállein, mundartlich Halla, Einwohnername Hallinger), Ortsnamen wie Praditz (< romanisch *praticeu „Wiese“, Weißensee), Hofnamen wie Faschauner (zu romanisch fascia „Band, Binde, Bündel“, in der Toponymie für Wiesen- und Rasenbänder recht häufig, z.B. in Südtirol Fassatal, Faschina usw.).
Wenn auch der lateinisch-romanische Einfluss auf das Bairische und die bairischen Mundarten evident ist, erscheint dennoch die Herleitung des Namens der Baiern aus roman. Pago Ivaro „Salzachgau“ („Kronsteiner-Mayerthaler’sche Hypothese“) aus lautgeschichtlichen, morphologischen und sachlichen Gründen mehr als bedenklich; soferne der Baiernname überhaupt ein roman. pagus „Gau, Bezirk“ enthält (sicher ist dies ja nicht), ist er jedenfalls mit german. -warja- (vgl. latein. Baiuarii) gebildet. Doch gerade die Existenz dieses -warja- wird von den Vertretern dieser Hypothese entschieden abgelehnt, obwohl auch deutsch -er in Herkunftsnamen [Bürger, Römer] auf dieses -varii zurückgeht (und von -er [wie in Lehrer, Lehnsuffix aus latein. -arius] zu trennen ist). Weiters sei daran erinnert, dass dieses germanische Wortbildungselement sehr produktiv war, auch mit fremdem Sprachmaterial, z.B. Ripuarii (zu latein. ripa) oder Raetobarii (zu Raetia, zu erwarten wäre *Raetuarii) oder von Flussnamen Amsi- / Chasuarii. Man kann aber nicht ausschließen, dass jene Gegend, das bairische Kernland, das in viele Gaue (Chiemgau, Mattiggau, Pongau usw.) gegliedert war, roman. *Pagi geheißen hat, volkstümliche bzw. regionale Aussprache etwa [pa(j)i] und so ins Germanische entlehnt wurde. Zu einem Einwohnernamen *pa(j)iwarja- wäre es dann kein weiter Weg mehr. Die traditionelle Deutung des Namens als „Männer aus Böhmen“ wäre dann durch die „Männer aus den Gauen“ zu ersetzen – immerhin eine Möglichkeit. Doch in der frühen Überlieferung wird der Name (latein. Baiuarii usw.) immer mit B- geschrieben – sehr seltsam, wenn ein pagus zugrunde liegen soll! Dazu kommt ein weiteres lautliches Problem, wenn man von pagus ausgeht: warum wurde nicht p > pf verschoben? Also: die endgültige Erklärung des Namens muss offen bleiben. ai > oa ist in roman. Lehnwörtern möglich: magister > Moaster, maior (domus) > Moar in der Mundart, daher ma. poarisch „bairisch“. Doch dieser Diphthong bereitet wiederum Schwierigkeiten bei der Deutung „Männer aus Böhmen“: wenn *Baia-warjōz < *Baiahaim-warjōz gekürzt ist, wäre wegen der Entwicklung des Vorläufers latein. Boiohaemum > ahd. Bēhaim eher ein *Bē-warjōz zu erwarten, aber auch ein *Bai-warjōz müsste zu -ē- führen – es sei denn, er ist erst nach dem Wandel von -ai- > -ē- (vor h und w [vgl. althochdeutsch leh < german. *laih ‘lieh’, See < german. *saiwi, althochdeutsch seo]) entstanden, wobei die vollen Formen *Baia-h.../w... noch lange in Gebrauch gewesen sein müssten.
Der deutsche Name der slowenischen Metropole Ljubljana / Laibach ist ebenfalls nur über das Romanische erklärbar. Ziemlich sicher ist der Umstand, dass Laibach und Ljubljana nichts miteinander zu tun haben, obwohl sie ähnlich klingen. Doch eine lautliche Ähnlichkeit ohne historisch zu begründende Lautentsprechungen besagt gar nichts (vgl. z.B. Vindobona und Wien [< *Veidiniā] oder Main [< Moenus] und Mainz [< Moguntiacum]), vielmehr sind beide Bezeichnungen sprachhistorisch inkompatibel, denn Laibach wird urkundlich erstmals 1146 Laibach, 1254 Leybach, 1314 Laybach erwähnt, der gleichnamige Fluss (slowen. Ljubljanica) 1254 ebenfalls Leybach, 1260 fluvii Laibaci u. fluvius Laibacus, 1275 Labacum. Die slowenische Bezeichnung Ljubljana (für den Fluss Ljubljanica, mundartlich iblânca) wird erst spät bei Valvasor (17. Jhdt.) als Lublaneza überliefert. Diese ist wohl vom Namen Ljubelj „Loibl(-pass, -bach)“ und anderen mit ljub- anlautenden Gewässernamen slawischer Herkunft nicht zu trennen. Nach den urkundlichen Belegen von Loibl zu schließen (13. Jhdt. Leuvel, Leubel), verbietet es der Vokalismus, die deutsche und slowenische Namenform miteinander zu verknüpfen. Frühere urkundliche Belege der slowenischen Namensform sind italienisch 1146 Luwigana und 1360 Lubiglana sowie latinisierte Schreibungen wie 1265 de Leobaco, 1471 circa Leubacum. Wahrscheinlich haben wir zwei verschiedene Namen vor uns, deutsch Laibach reflektiert einen alten Prädiennamen *Laviacu „Gutshof des Lavius“ wie in Friaul Laibacco [laibá], 1294 Laybacho und Laipacco [laipá], 1280 Laypa, während Ljubljana das alte slaw. Hydronym ljub- (zufällig synonym mit ljubъ „lieb“) enthält, das mit „alteuropäischen“ Hydronymen wie z.B. Lippe und Luppe in Deutschland oder Laufen und Lofer (Österreich) verwandt ist. Als gescheitert ist der Versuch zu betrachten, Ljubljana auf ein romanisches *alluviana (zu latein. alluvies „Überschwemmung“ bzw. alluvio „Anschwemmung“) zurückzuführen, denn ein roman. lŭv- hätte nie zu einem slowenischen ljub- führen können. Außerdem kommt der Namenstyp auch in anderen slawischen Regionen (ohne roman. Substrat) vor (z.B. Lubenia, Lubienica in Polen, Lubná in Tschechien, Ljubanь in der Ukraine usw.).
Bei dieser Gelegenheit sei auch der Name der steirischen Landeshauptstadt Graz erklärt. Urkundlich 1128 Gracz, 1130 Graetz, 13./14. Jhdt. auch Bairisch-Graz (im Gegensatz zu Windischgraz bzw. -gräz / Slovenj Gradec, SLO). Der Name beruht auf slowenisch gradec „kleine Burg“, alt *gradьcь; dies erscheint mit Umlaut im Deutschen zunächst als Gräz und wurde später mundartlich zu Graz (der Lautwandel mittelhochdeutsch ä [Sekundärumlaut] > a ist ein typisch bairisches Charakteristikum, vgl. narrisch, Bandl „Bändchen“, i war „ich wäre“, i tat „ich täte“ usw.). Amtlich wurde die Lautform Graz erst im 19. Jhdt. endgültig festgelegt.
Was das Alter der slowenischen Namen Kärntens betrifft, ist festzuhalten, dass sie sich auf Grund linguistischer Fakten als größtenteils sehr alt erweisen, obwohl die meisten von ihnen erst relativ spät überliefert sind. Immerhin sind sechs slowenische Namen urkundlich vor dem Jahre 1000 belegt; zwischen 1000 und 1250 sind weitere 39 Namen belegbar. Sie scheinen alle in lateinisch oder deutsch geschriebenen Urkunden auf. E. KRANZMAYER hat eine Reihe von Anhaltspunkten für die Chronologie der Übernahme von Ortsnamen ins Deutsche geliefert. In einem größeren Zusammenhang entspricht die slawische Sprachform, die den Ortsnamen im Osten und Süden Österreichs (Osttirol, Kärnten, Steiermark, Salzburg-Lungau, südliches Nieder- und Oberösterreich) zugrundeliegt, dem „Alpenslawischen“ (F. RAMOVŠ, O. KRONSTEINER usw.) bzw. der Sprache der altslowenischen „Freisinger Denkmäler“, wie dies bereits der slowenische Dialektologe und Sprachhistoriker F. RAMOVŠ festgestellt hat. Die Varianten in der deutschen Wiedergabe der slawischen Namen wollte er dialektologisch deuten, mir ist es aber gelungen, diese Unterschiede (siehe http://members.chello.at/heinz.pohl/SchriftenVerzeichnis.htm Nr. 187, 227, 228, zuzletzt Nr. 345 u. 375) chronologisch zu erklären, woraus folgt, dass es im hohen und späten Mittelalter eine über Kärnten hinausgehende weit verbreitete Gemischtsprachigkeit gab, was sich auch in alten Lehnwörtern widerspiegelt (man denke u.a. an die alten bäuerlichen Speisen Munken (von altslowenisch *mǫka ‘Mehl’, modern moka) und Talggen (von frühslawisch *tălkŭna etwa ‘geschroteter Hafer’), an die Strankerln ‘grüne Bohnen, Fisolen’ (von altslowenisch *strąk- > *strǫk- ‘(Bohnen-) Schote’, modern strok ‘Hülse, Schote’) oder an den Füchsling ‘Eierschwammerl, Pfifferling’ (wie slowenisch lisička zu lisica ‘Fuchs’, sonst sagt man in den bairisch-österreichischen Mundarten neben Eierschwammerl eher Rehling oder Reherl). Diese Sprache weist einige Besonderheiten auf, die sich in den slowenischen Kerngebieten nicht finden, u.a. den Ortsnamentyp auf -iče und das häufige Wortbildungselemt -nik (eingedeutscht meist -nig) sowie einige Wörter. Es erhebt sich nur die Frage, wie man diese Sprache nennen soll, „slowenisch“ im heutigen Sinn ist sie nicht, „alpenslawisch“ ist zu allgemein, „altslowenisch“ evoziert einen direkten Vorläufer des modernen Slowenischen, daher denke ich, der beste Name wäre „Karantanisch“, da ja die Slavia submersa der österreichischen Alpenländer die Sprache des Karantanen-Reichs war.
Der Begriff des sprachlichen Erbes mag romantisch klingen – und doch ist er, wie die Beispiele zeigen, historische und namenkundliche Realität, Ausdruck der Artenvielfalt auf Ebene der Sprachwissenschaft und Trumpfkarte gegen die Einfalt nationalistisch-verklärten Denkens von der „reinen“ Abstammung, sei sie slawisch, romanisch oder germanisch (bairisch). Für eine Volksgruppe bzw. für ein Volk (in der Wissenschaft Ethnie oder Ethnos) stehen als wichtigste Charaktermerkmale nicht anthropologische, sondern eindeutig soziokulturelle im Vordergrund. Kultur wird im weitesten Sinn als ein wechselseitiger in sich verflochtener Komplex aus Sprache, Religion, Wertnormen und Bräuchen verstanden, an denen die Angehörigen einer solchen gesellschaftlichen Großgruppe gemeinsam teilhaben. Eine solche Definition entzieht romantischen Vorstellungen jede Grundlage, erst die Politisierung der Sprache, ausgehend vom nicht immer richtig verstandenen Herder’schen Nationsbegriff „Volk gleicher Zunge, daher Volk gleicher Kultur“, hat die modernen (Sprach- bzw. Kultur-) Nationen hervorgebracht und auf Grund sprachwissenschaftlicher Erkenntnisse zur Vorstellung von einer germanischen / slawischen / romanischen Völkergruppe oder -familie geführt – als Reflex der betreffenden Sprachfamilien. Doch dass Engländer und Deutsche „Germanen“, Slowenen und Serben „Slawen“, Franzosen und Italiener „Romanen“ sowie Esten und Ungarn „Finnougrier“ sind, ist in erster Linie eine Angelegenheit des geschulten politischen Bewusstseins oder der höheren Bildung, aber nicht Ausfluss nationalen Empfindens und Erlebens. „Slawe“, „Germane“ usw. zu sein ist ein sprachwissenschaftlich begründeter Mythos, ein Kärntner Slowene hat mit einem deutschen Kärntner, ein Deutscher aus Pladen / Sappada mit einem Furlaner mehr gemeinsam als beispielsweise ein deutscher Kärntner mit einem Vorarlberger oder ein slowenischer Kärntner mit einem aus Prekmurje, denn die soziokulturellen Grenzen sind fließend und stimmen nicht immer mit den sprachlichen und ethnischen Verhältnissen überein. Eine solche Feststellung leugnet keineswegs die Bedeutung eines bestimmten Sprachgebietes als Kommunikationsgemeinschaft über politische und kulturelle (usw.) Grenzen hinweg, relativiert sie aber. Man darf dies aber auch nicht umdrehen, indem man auf Grund eines romantisierenden Österreichbegriffs behauptet, man fühle sich als Österreicher in Prag bzw. Laibach mehr zu Hause als in München oder Berlin; dies mag auf viele Wiener bzw. Klagenfurter zutreffen, sicher aber nicht auf Salzburger oder Innsbrucker in Bezug auf München. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass gerade der sich an der Sprache orientierende Nationalismus jene Nationalitätenkonflikte hervorgebracht hat, die heute noch immer historisch gewachsene zwei- oder mehrsprachige Länder entzweien; allzuoft endeten (und enden noch immer!) solche Konflikte tragisch – mit „ethnischer Säuberung“.
Übersicht 2: Überlegungen zu den Begriffen
Ethnos und Nation, ethnische und nationale Identität
Ethnos / Ethnie, Nation,
Volk, Staat, Nationalismus, Patriotismus, ethnische / nationale Identität – sie
bedeuten alle etwas Ähnliches und werden in der Fachliteratur unterschiedlich
verwendet, definiert, verknüpft usw. Eine universelle Begriffsbestimmung zur „Nation“
zu geben, gelingt nicht; bei Durchsicht der Literatur gewinnt man den Eindruck,
es gebe so viele Nationsbegriffe wie Nationen (dies zeigt sich m.E. auch im
Verhältnis zwischen „deutscher Kulturnation“ und „österreichischer Nation“).
Eine Nation ist offensichtlich eine jede Gruppe, die sich als solche
bezeichnet. Grundlage für die Nationsbildung waren dabei in der Regel
sprachlich-kulturelle Gemeinsamkeiten, die nun besonders betont wurden. Das
angestrebte Ziel war die Zusammenfassung der sprachlich definierten „Kulturnation“
in einem Staat. Daher diente die Nation als Ideologie der „Gleichschaltung“
(oder besser: „Vereinnahmung“) im Übergang von Agrargesellschaften zu modernen
Industriegesellschaften, die eine homogene Bevölkerung verlangen und trägt zur
Sicherung dieser Homogenität bei. Weiters ist wichtig die territoriale
Komponente: Nationen beanspruchen ein Territorium (den „Staat“), den sie
möglichst homogen und exklusiv auszufüllen trachten. Daher können
ethnisch-sprachliche Minderheiten darin nur schwer ihren Platz finden;
multinationalen Staaten ist / war meist keine lange Lebensdauer beschieden.
Die oft geäußerte Bestimmung
des Begriffs Nation (= „Schicksalsgemeinschaft“, die auf gemeinsame Abstammung,
gemeinsame Geschichte und Tradition, Religion etc. zurückgeht) ist in der Regel
Fiktion und bleibt im nationalistischen Kontext. Weit verbreitet ist
insbesondere die Ansicht, die eine Nation bildende Bevölkerung hätte eine
gemeinsame Abstammung. Demnach gäbe es einen realen Kern der Nationsbildung,
einen Nukleus, der die ethnische Zugehörigkeit bewirkt (hat), die jeder „hat“,
genauso wie man ein Alter, eine Augenfarbe, ein biologisches Geschlecht „hat“.
Es ist jedoch eher anzunehmen. dass – zumindest im europäischen Kontext, aber
auch anderswo – ethnische und nationale Zugehörigkeit ein- und dasselbe
bedeuten. Das heißt: sobald ethnische Zugehörigkeit bedeutsam wird, ist sie
nationale Zugehörigkeit. Die Präsentation von Nation als
Abstammungsgemeinschaft ist trotzdem äußerst wirkungsvoll, denn sie dient der
genannten Homogenisierung. Man hat es mit sozialen Kommunikationsphänomenen zu
tun, bei denen nicht ausschlaggebend ist, wie sich die Dinge „wirklich“
verhalten, sondern wie die Menschen glauben, dass sie sich verhalten – kurz: es
handelt sich um ein ideologisches Phänomen.
Somit bleibt als einzig „authentisches“
Element das Zugehörigkeitsgefühl. Diesem ethnischen Gefühl (Nationalgefühl)
kann sich niemand so recht entziehen, was für die Wirksamkeit dieser Ideologie
im Rahmen der Modernisierung europäischer Gesellschaften spricht. Man sollte
also nicht von ethnischer / nationaler Identität sprechen, also so tun, es
handle sich hier um etwas, was man hat (wie eine Haar- oder Augenfarbe),
sondern von ethnischem / nationalen „Gefühl“ oder „Bewusstsein“. Die Attribute „ethnisch“
und „national“ sind dabei austauschbar.
Nach Benedict Anderson sei
der Begriff „Nationalismus“ nicht wie „Liberalismus“ oder „Faschismus“ zu
betrachten, sondern wie „Verwandtschaft“ oder „Religion“ und er definiert die
Nation dann so: „Sie ist eine vorgestellte politische Gemeinschaft –
vorgestellt als begrenzt und souverän“. „Vorgestellt“ sei sie deswegen, weil
ihre Mitglieder die meisten anderen zwar nicht kennen, aber dennoch existiere
im Kopf eines jeden die Vorstellung von ihrer Gemeinschaft, „begrenzt“ ist sie,
da es einerseits sehr viele davon gibt und andererseits sich keine Nation mit
der ganzen Menschheit gleichsetzt, „souverän“ ist sie, da Maßstab und Symbol
der nationalen Freiheit der souveräne Staat ist, und eine „Gemeinschaft“ ist
sie, da sie als kameradschaftlicher Verbund von Gleichen verstanden wird.
(bearbeitet nach Werner WEILGUNI und Ernest GELLNER sowie Benedict Anderson, s. Literaturverzeichnis,
weiters Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2004).
S.a. Volk u.
Nation
Ob die Österreicher eine eigene Ethnie, also ein eigenständiges Volk, sind oder nicht, ist m.E. eine reine Glaubensfrage (mit ideologischem Hintergrund). Alle „Deutschen“ (im Sinne von „Deutschsprachigen“) haben Vorfahren aus verschiedenen ethnischen Gruppen oder Stämmen, bei den „Österreichern“ sind es hauptsächlich Baiern und Alemannen sowie Keltoromanen, Ladiner, Alpenslawen, Slowenen, Tschechen, auch Ungarn, Juden, Roma u.a. gewesen, bei den „Bundesdeutschen“ außer Baiern und Alemannen auch Franken, Sachsen usw., ferner Galloromanen im Westen, verschiedene westslawische (auch baltische) Stämme im Osten, sowie Juden, Franzosen, Sorben, Polen, Skandinavier usw. Daher besteht kein fundamentaler Unterschied zwischen „Österreichern“ und „Deutschen“. Sowohl der „deutsch-germanische“ als auch der „Mischvolk-“ bzw. „multikulturelle“ Abstammungsmythos als auch die Metapher von der „historisch gewachsenen ethnisch-sprachlichen und kulturellen Pluralität Österreichs“ verzerren die historischen Grundlagen. Letztere wurde darüber hinaus 1918 abrupt beendet – sie für die heutige österreichische Identität zu strapazieren ist genau so verfehlt wie diese mit der großdeutschen Idee zu verknüpfen. Beide Vorstellungen hatten einst ihre Gefolgschaft, heute, auf dem Weg ins vereinte Europa, sind beide obsolet geworden. In Wirklichkeit wird man hier eine sprach- und/oder kulturdeutsche Identität mit einer pluralistischen altösterreichischen bzw. mitteleuropäischen zu kombinieren haben.
„Völker“ sind also primär keine Abstammungsgemeinschaften, sondern Produkte von natürlich entstandenen und/oder machtpolitisch organisierten Lebensräumen. Daher war früher (bis ins 19. Jhdt.) die Sprache dem Landesbewusstsein und der Religion nachgeordnet; es ist kein Zufall, dass sich das alte Herzogtum Kärnten selbstbewusst „Windisches Erzherzogtum“ genannt hat wie auch bei der Zeremonie der Herzogseinsetzung beim Fürstenstein auf dem Zollfeld immer die „windische“ (slowenische) Sprache präsent war. Auch bei der Volksabstimmung im Jahre 1920 war das gemeinsame Kärntner Landesbewusstsein immer noch stark ausgeprägt und stand in Konkurrenz zum nationalpolitischen Empfinden, haben doch rund 40% derer, die bei der Volkszählung 1910 Slowenisch als Umgangssprache angegeben haben (dies waren rund 69%), für Österreich, also für die Einheit (und gegen eine ethnographische Teilung) Kärntens, gestimmt (zusammen mit den rund 31% Personen deutscher Umgangssprache). In der Traditionspflege der prononciert national orientierten Kreise wurde später daraus ein „deutscher“ Kampf um Kärnten bzw. ein „slowenischer“ Kampf um die Nordgrenze. Die national-mythologischen Strickmuster auf beiden Seiten sind einander recht ähnlich und voneinander abhängig.
Nach diesem Exkurs wollen wir uns wieder der sprachlichen Struktur des Ostalpenraumes zuwenden. Romanisierung, alpenslawische Landnahme und bairische Kolonisation sind die Ursache dafür, dass in den heutigen Ostalpen vier Sprachen gesprochen werden: Rätoromanisch, Italienisch, Deutsch und Slowenisch. Alle vier Sprachen sind heute sowohl Mehrheits- als auch Minderheitssprachen, wobei dem Rätoromanischen eine Art „Zwitterstellung“ zukommt, denn es ist lokal wohl Mehrheitssprache, aber in seinem ganzen Verbreitungsgebiet steht es unter einer Prädominanz des Italienischen bzw. Deutschen. Rätoromanisch ist die Sammelbezeichnung für eine Reihe von alpenromanischen Dialekten, die zu keiner gemeinsamen Schriftsprache gefunden haben. Das Sprachgebiet ist nicht zusammenhängend, es zerfällt in drei bis vier Gruppen:
(1) Bünderromanisch (im Schweizer Kanton Graubünden, ca. 40 000) in 5 Varietäten (s.u.);
(2) Dolomitenladinisch (in Südtirol und im Trentino, ca. 43 000 - 57 000) in mehreren Varietäten:
v.a. Gröden / Val Gardena, Fassatal, Gadertal / Val Badia, Buchenstein / Fodom);
dazu kommen noch weitgehend italianisierte Restgruppen in Comelico und Cadore;
(3) Furlanisch
(in Friaul, ca. 530 000).
Übersicht
3: Das rätoromanische /
ladinische / furlanische Sprachgebiet in Italien
(nach Ch. PAN / B.S. PFEIL, Die Volksgruppen in Europa [= Ethnos
56, Wien 2000] 89f.)
Friauler (Furlaner) in Friaul-Julisch Venetien / Friuli-Venezia Giulia (Provinzen Udine, Görz / Gorizia und Pordenone) 526 000
Ladiner (in den
Dolomiten): Provinz Bozen / Bolzano 18 400, Provinz Trient / Trento 8 800,
Provinz Belluno 16 000 - 30 000
(insgesamt mindestens 43 000, maximal 57 200)
Schweiz
Rätoromanen insgesamt 38 454
5 Varietäten (Rumantsch Grischun):
Surselvisch (Vorderrhein)
Sutselvisch (Hinterrhein)
Surmeirisch (Oberhalbstein und Albulatal)
Putèr (Oberengadin)
Vallader (Unterengadin und Münstertal)
Deutsch ist die Sprache der Mehrheitsbevölkerung in Südtirol (italien. Alto Adige, neuerdings auch Sudtirolo, amtlich früher meist Provinz Bozen genannt), wo an die 300 000 Personen oder über 60% der Bevölkerung Deutsche sind. Außerhalb Südtirols gibt es in Italien eine Reihe von kleinen deutschen Sprachinseln. Hier sind zunächst die sogenannten Zimbern der 7 Gemeinden in der Provinz Vicenza und der 13 Gemeinden in der Provinz Verona zu nennen. Dazu kommen noch mehrere Sprachinseln im Trentino, z.B. Fersental und Lusern. In Carnien bestehen heute noch 3 deutsche Sprachinseln, Pladen / Sappada, Zahre / Sauris und Tischelwang / Timau. Sie alle existieren seit dem Mittelalter.
Ferner ist noch das Kanaltal zu nennen, das bis zum Ende des Ersten Weltkrieges zu Kärnten gehört hat und ein deutsch-slowenisches Mischgebiet war. Nach seiner Inbesitznahme durch Italien wurde es italienisch unterwandert, z.T. kam es auch zu Enteignungen. Der Großteil der deutschen und slowenischen Bevölkerung wurde noch vor dem Zweiten Weltkrieg abgesiedelt, woran heute noch mehrere „Kanaltaler Siedlungen“ in Kärnten erinnern. Heute sind von den rund 10 000 Einwohnern noch 1-2 000 Deutsche und eben so viele Slowenen und nur wenige Furlaner, die eigentlichen Nachbarn. Es ist heute wenig bekannt, dass das italienische Sprachgebiet in den Ostalpen ursprünglich nicht ans deutsche angrenzte; erst die moderne Zeit schuf administrative Grenzen, die gleichzeitig Grenzen des offiziellen Sprachgebrauchs sind.
Übersicht 4: Die deutschen Sprachinseln in
Italien
(nach Ch. PAN / B.S. PFEIL, Die Volksgruppen in Europa [= Ethnos 56, Wien 2000] 89f.)
Deutsche insgesamt: 296 000, davon 288 000 in Südtirol (Provinz Bozen) / Sudtirolo (Provincia Bolzano)
Die Sprecherzahlen im Einzelnen:
Walser (Aostatal und Piemont) 2 950
Kanaltal / Val Canale, Zahre / Sauris, Tischelwang / Timau (Friaul - Julisch Venetien) 2 000
Pladen / Sappada (Provinz Belluno) 1 400
Fersental / Val Fersina (Provinz Trient) 1 000
Lusern / Luserna (Provinz Trient) 370
Die Sprachinseln (z.T. historisch, nach B. WURZER, Die deutschen Sprachinseln in Oberitalien, Bozen 19986):
Walser (Monte-Rosa-Gebiet, Aosta-Tal und Provinz Vercelli) (besteht seit 1273)
"Deutschgegend" am Nonsberg (Laurein und Proveis)
Fersental (besteht seit 1250-1330)
Lavarone / Lafraun und Folgaria / Vielgereut (besteht seit 1220)
Lusern / Luserna (zu den "Zimbern / Cimbri" gehörend) (besteht seit 16.Jh.)
Zimbern / Cimbri (Ljetzan / Giazza [zu den "13 Gemeinden", Provinz Verona], "Sieben Gemeinden" [Hochebene von Asiago, Provinz Vicenza]) (besteht seit 1280)
Pladen (Bladen) / Sappada (Provinz Belluno) (besteht seit 13.Jh.)
Zahre / Sauris (Provinz Udine) (besteht seit 13.Jh.)
Tisch(e)lwang / Timau (unter dem Plöckenpass, Provinz Udine) (besteht seit um 1240)
Kanaltal / Val Canale / Kanalska dolina (besteht seit 11. Jhdt.)
siehe auch: http://www.sprachinselverein.at/ sowie http://www.sprachinselverein.at/wo-gibt-es-deutsche-sprachinseln-244.html
Ein
neues Buch: Ingeborg Geyer - Marco Angster - Marcella Benedetti (Hg.), Il
tesoro linguistico delle isole germaniche in Italia / Wortschatz aus den
deutschen Sprachinseln in Italien. Comitato unitario delle isole linguistiche
storiche germaniche in Italia / Einheitskomitee der historischen deutschen Sprachinseln
in Italien, Luserna/ Lusern 2014, 191 S. – ISBN 978-88-8819-720-3 (Rezension hier)
Ein
anderes Sachbuch: Heller, K. — Prader, L.T. — Prezzi, C. (Hrsg.). Lebendige Sprachinseln.
Beiträge aus den historischen deutschen Minderheiten in Italien.
Dokumentationszentrum Lusérn / Centro Documentazione Luserna
2004. € 15.- Zu bestellen bei: www.luserna.it
bzw. luserna@tin.it.
So konnte auch das einst prädominante Deutsche zur Minderheitensprache werden, wie dies v.a. in Slowenien der Fall ist bzw. war, wo es einst eine starke deutsche Minderheit gab, die größtenteils den tragischen Ereignissen der Jahre 1941-1946 zum Opfer fiel, bis auf eine Ausnahme: die deutschen Sprachinseln Zarz / Sorica und Deutschrut / Nemški rut, die durch Sprachwechsel, Assimilation, erloschen sind und in ihrem letzten Stadium Sprachformen entwickelt haben, die Kärntner Verhältnissen ähneln (z.B. žnęb je plajbow „der Schnee ist geblieben“, Griffen / Grebinj motor jǝ hāslaufaw „der Motor ist heißgelaufen“, also slowenische Grammatik, aber deutscher Wortschatz).
Die größte Sprachinsel in Krain war die Gottschee, slowen. Kočevje, die um 1330 vom Pustertal aus sowie von Oberkärnten her besiedelt worden war. Die Gottscheer kamen gleich zweimal unter die Räder: 1941 auf Grund des Hitler-Mussolini-Abkommens in die Südsteiermark umgesiedelt, war es ihnen verwehrt, nach Kriegsende in ihre angestammte Heimat zurückzukehren und sie leben heute über die ganze Welt zerstreut, pflegen aber sehr intensiv Mundart und Brauchtum. In Klagenfurt findet alljährlich ein Gottscheertreffen statt, an dem Landsleute aus aller Welt teilnehmen; heute ist es auch wieder möglich, die alte Heimat zu besuchen.
Heute leben laut Volkszählung 1991 199 Österreicher und 546 Deutsche, also zusammen rund 750 Personen, in der Republik Slowenien. Dazu kommen noch weitere 800 Personen, die Deutsch als Muttersprache angeben (insgesamt haben nach S. Kristen, Nemci v Sloveniji... (in Razprave in gradivo 26-27/1992, S. 283f.) 1543 Personen bei der Volkszählung 1991 Deutsch als Muttersprache angegeben). Die meisten Deutschen gibt es in Maribor / Marburg (288) und Ljubljana / Laibach (247); sie sind wohl über die ganze Republik verbreitet, aber doch in manchen Gemeinden stärker vertreten – relativ zu ihrer Gesamtzahl. Nach der Broschüre Ethnic Minorities in Slovenia haben nur die drei (zahlenmäßig weit stärkeren) Volksgruppen der Ungarn (1991 ca. 8500), der Italiener (ca. 3000) und der Roma (ca. 2300) einen besonderen Rechtsstatus, allerdings laufen schon seit langem Bemühungen um offizielle Anerkennung der „altösterreichischen Deutschen“, Volkstumsvereine sind allerdings wieder zugelassen.
Übersicht 5: Die deutschen Sprachinseln und
Restgruppen in Slowenien
(nach Ch. PAN / B.S. PFEIL, Die Volksgruppen in Europa [= Ethnos 56, Wien 2000] 89f.)
Deutsche (inkl. "Altösterreicher) 745 Personen (Volkszählung 1991)
Deutsch als Muttersprache 1 543 Personen
nach anderen Quellen 1 813 Personen
Jugoslawien (bis 1941 gesamt): ca. 600 000 Deutsche
(vornehmlich im Banat und in der Batschka / Bačka, so genannte "Donauschwaben")
Krain / Kranjsko (1910 gesamt): 525 925 (davon 27 885 Deutsche, u.a. in Laibach / Ljubljana 6 742)
Gottschee / Kočevje 1910 13 608 Deutsche / 26 717 Slowenen
(seit 1325 bestehend) 1930 14 500 Deutsche
(1941 12 000 Umsiedler)
Zur Herkunft (Hornung, Maria,
Osttirol als Heimat von Sprachinseln) siehe hier
Slowenisch-deutscher
Sprachkontakt – gezeigt
an der Sprachinsel Zarz im Vergleich mit Kärnten siehe
hier
siehe auch http://www.gottschee.at
Slowenisch ist die Mehrheitssprache in der 1991/92 unabhängig gewordenen Republik Slowenien, slowenische Minderheiten gibt es in Österreich, in Italien und Ungarn. In Österreich ist das Slowenische (wenn man von einigen Kleingruppen in der südlichen Steiermark absieht: 1991 ca. 1700 Personen) in Kärnten präsent, derzeit rund 12.600 Personen oder 2-3% der Gesamtbevölkerung bzw. an die 20% im gemischtsprachigen Gebiet, berechnet nach der Volkszählung von 2001 (mit lokal höheren Werten, z.B. Zell / Sele 90-95%, Globasnitz / Globasnica 50-70%); im Jahre 1910 waren es noch 76.500 bzw. 18%. Für Italien (Triest und Friaul - Julisch Venetien) werden offiziell ca. 60 000 Slowenen angegeben, deren Zahl muss aber höher angenommen werden, etwa 80 000 (maximal 100 000). Das Schwanken der Anzahl der Angehörigen von Minderheiten ist typisch für viele Länder, da die Zahl der bekennenden Minderheit immer deutlich niedriger ist, als die Zahl der Personen, die abstammungsmäßig der Minderheit angehört bzw. deren Sprache als Muttersprache hat. Daher liegt auch die Anzahl der Kärntner Slowenen im weitesten Sinn deutlich höher, was auch für die deutschen Einwohner Sloweniens gelten dürfte.
Übersicht 6:
Das Slowenische in Österreich
In absoluten Zahlen, umgerechnet auf das heutige Kärntner Gebiet (also ohne Mießtal, Tarvis und Seeland) gab es 1880 u. 1890 ca. 85 000, 1900 ca. 75 000, 1910 ca. 66.500 Slowenen; 1923 waren es nur mehr ca. 34.500. Danach erreichten sie im Jahre 1939 noch einmal einen höheren Wert, indem ca. 43 000 Personen mit slowenischer Muttersprache erhoben wurden; dazu eine Tabelle (Literatur dazu siehe unter http://members.chello.at/heinz.pohl/Volksabstimmung.htm):
Jahr |
Kärnten |
Österreich gesamt |
1910 |
66 463 |
74 210 |
1939 |
43 179 (inkl. „Windisch“) |
47 639 |
1951 |
19 658 (bzw. 42 095 a) |
19 976 |
1961 |
24 911 |
f |
1971 |
20 972 b |
23 579 |
1981 |
16 552 c |
18 640 |
1991 |
14 850 (inkl. „Windisch“) |
17 379 |
2001 |
12 586 (ohne „Windisch“ d) |
17 953 e (bzw. 24 855 g) |
Anmerkungen zur Tabelle:
a) in allen Kombinationen (z.B. „deutsch-slowenisch“, „deutsch-windisch“ usw.)
b) davon 3961 „Windisch“
c) davon 2348 „Windisch“
d) deren Zahl wird mit 567 Personen angegeben (davon in Österreich geboren: 547)
e) österreichische Staatsbürger (davon in Österreich geboren: 13 225)
f) in den von mir benützten Unterlagen keine gesamtösterreichischen Angaben
g) davon 6891 Ausländer (zuzüglich eine Person „Windisch“)
Dialekte
(Mundarten) / Narečja (Kärntner Dialektgruppe / Koroška skupina):
Gailtaler Dialekt / Ziljsko narečje
Rosentaler Dialekt / Rožansko narečje (einschließlich Köstenberg / Kostanje, Sattnitz / Gure, Pischeldorf / Škofji Dvor, Poggersdorf / Pokrče, Zell / Sele)
Jauntaler Dialekt / Podjunsko narečje
Obir- (Remschenig-) Dialekt / Obirsko (Remšeniško) narečje
Das Slowenische in Italien
(nach Ch. PAN / B.S. PFEIL, Die Volksgruppen in Europa [= Ethnos 56, Wien 2000] 89f.)
(im Internet unter: http://www.slovenci.it/)
Region Friaul-Julisch Venetien / Friuli-Venezia Giulia |
insgesamt 60 000 - 80 000 |
Provinz Triest / Trieste / Trst |
bis 25 000 |
Provinz Görz / Gorizia / Gorica |
bis 15 000 |
Provinz Udine / Viden |
bis 40 000 |
Dialekte (Mundarten) / Narečja:
Ziljsko narečje / Gailtaler Dialekt (einschließlich Kanaltal / Kanalska dolina / Val Canale)
Resiatal / Rezija / Resia Rezijansko narečje /Resia-Dialekt
Venezianische Dialektgruppe / Beneška skupina = Tersko / Nadiško / Briško narečje (etwa zwischen Gemona und Görz)
Karst-Dialekt / Kraški narečje (Karstgebiet / Kras / Carso incl. Triest – so nach Ramovš (neuere Karten zählen Triest zum Notransko-Dialekt / Notransko narečje)
Istrischer Dialekt / Istrsko narečje (Istrien / Istra / Istria)
Zum Slowenischen in Ungarn siehe: http://www.vendvidek.com/
Volkszählungsergebnisse sind nämlich hinsichtlich der ethnischen Struktur eines Gebietes nicht unbedingt verlässlich, auch in Ländern wie Österreich, die an sich ehrlich bemüht sind, brauchbare Ergebnisse zu erzielen. Aus Kärnten ist bekannt geworden der Fall Mieger / Medgorje, wo sich 1910 nur 4%, aber 1934 97% der Einwohner als „deutschsprachig“ bezeichnet haben. 1951 fiel der Prozentsatz auf 9% zurück, um 1961 auf 76% anzusteigen und 1976 100% zu erreichen. Am 10. Oktober 1920 hatten fast 80% für Österreich gestimmt – und dies alles bei konstanter Bevölkerungsentwicklung! Was man auch immer von Volkszählungsergebnissen halten mag, eines zeigen sie deutlich: in Kärnten ist der Anteil der slowenischen Bevölkerung in den letzten 100 Jahren drastisch zurückgegangen, von 1880 ca. 92 000 Personen auf heute rund 15 000, nicht durch Auswanderung, Vertreibung, Krieg (was auf die deutsche Bevölkerung in Slowenien vor und nach 1945 aber sehr wohl zutrifft), auch nicht durch eine niedrige Geburtenrate, sondern allein durch Sprachwechsel, Übergang vom Slowenischen zum Deutschen, also durch Assimilation. Sprachwechsel hat es zwischen Deutschen und Slowenen in Kärnten immer schon gegeben, bis sich in der Neuzeit die historische Sprachgrenze herausgebildet hat. Zu beiden Seiten der Sprachgrenze hat sich jeweils die eine über die andere Sprache durchgesetzt. Es ist nämlich anzunehmen, dass im südlichen Kärnten im Mittelalter und in der frühen Neuzeit auch viele ursprünglich deutsch sprechende Personen zu „Slowenen“ geworden sind, was in wesentlich größerem Umfang südlich der Karawanken, in Krain der Fall war (man vgl. das Zaierfeld / Sorško polje). Im historisch slowenischen Teil Kärntens war allerdings nur die bäuerliche Bevölkerung rein slowenisch, in den Städten (und Märkten) muss das Deutsche sehr früh vorherrschend gewesen sein. Auch die Sprache der Verwaltung war deutsch, zuvor lateinisch. Wie dem auch sei: Slowenen wie Deutsche sind konstitutive Teile der Kärntner Bevölkerung, Kärnten ohne Slowenen wäre nicht Kärnten, wie wir es kennen, was umgekehrt auch für Slowenien gilt: kann man sich Krain und die Südsteiermark ohne ihren Anteil an der deutschen und österreichischen Geschichte und Kultur vorstellen? Die Kärntner Slowenen sind auch Teil der Kärntner Identität, sie sind autochthon und trotz ihrer heute kleinen Zahl historisch gesehen älter, sind doch deren Vorfahren schon im 6./7. Jhdt. ins Land gekommen, während die bairisch-fränkische Herrschaft erst im 8. Jhdt. beginnt und die bairische Kolonisation noch später einsetzt. Und die (heute nur mehr) kleine deutsche Minderheit Sloweniens widerspiegelt die jahrhundertelange Zugehörigkeit der slowenischen Länder zum Römisch-Deutschen Reich und zu den habsburgischen Ländern, was sich ebenfalls in der Sprachlandschaft manifestiert. So weisen die steirischen slowenischen Mundarten ähnliche deutsche Einflüsse auf wie die Kärntner (z.B. gor iti bzw. dol iti „hinauf- bzw. hinuntergehen“, auch umgangssprachlich).
Abschließend wollen wir uns der sprachlichen Struktur des Bundeslandes Kärnten zuwenden. Romanisierung, alpenslawische Landnahme und bairische Kolonisation sind die Ursache dafür, dass heute im Lande und in der unmittelbaren Nachbarschaft je zwei Sprachen gesprochen werden: Deutsch und Slowenisch bzw. Italienisch und die eigentliche Landessprache Friauls, das Furlanische (eine „rätoromanische“ Varietät) Alle Sprachen haben einander auf der Ebene der Mundarten (Volkssprache) beeinflusst und die Volkskultur ist Sprachgrenzen überschreitend, so z.B. im bäuerlichen Bereich die Hausformen oder ein Detail, die Getreideharfe, mundartlich Köse, slowenisch kozolec, die vom Tessin über Kärnten bis nach Krain reicht, bei den Speisen etwa die Vorliebe für Nudelgerichte, bei der Musik die getragenen Melodien, Gemeinsamkeiten in den Volkstrachten, in der Dorfgesellschaft, Festtagskultur, im Brauchtum u. dgl. Außer den Lehnwörtern gibt es auch semantische Gleichungen, so z.B. „Dachboden“ und „Frühling“, deutsch (der/das) Unterdach, Auswart, furlanisch sotèt, insude, slowenisch podstrešje, vigred. Allen drei Sprachen ist die Vorstellung „unter dem Dach“ bzw. „Ausgang“ gemeinsam. Alte romanische Lehnwörter kommen in allen bairischen Mundarten vor, sie sind für Kärnten daher nicht so entscheidend wie die slowenischen. Alt sind z.B. Munken „einfache bäuerliche Speise aus geschrotetem Getreide“ (< frühslowenisch mǫka, heute moka „Mehl“) oder Strankele, -ile „grüne Bohne, Fisole“ (< frühslowenisch *strąkъ bzw. *strǫkъ „Schote“). Jüngeren Datums ist zwillen „klagen, jammern (von Kindern)“ (< slowenisch cviliti) oder Koper „Dille“ (slowenisch koper). Ein erfolgreiches slowenisches Lehnwort in Österreich ist Jause, aus slowenisch južina „Mittagessen“ (mit dieser Bedeutung heute noch in der alten Bauernmundart des Lesachtales), das als mala južina „kleines Mittagessen“ in der slowenischen Mundart zu mavžna (< *małǝžǝna) „Jause“ wurde. Oft sind auch deutsche Lehnwörter im Slowenischen ins Deutsche rückentlehnt worden, so geht z.B. ein slowenisch majželj „Netzlaibchen, Maise“ auf ein alt-/mittelhochdeutsches *meisilī „kleine Schnitte“ zurück und liegt deutsch Meischl „Netzlaibchen“ (in anderen Kärntner Gegenden Leberlan genannt, mit demselben Grundwort wie in bairisch Leberkäse) zugrunde.
Oft geben diese Sachbezeichungen tiefe Einblicke in die Sprachgeschichte. Versteht man heute unter Krapfen eine Süßspeise (Germgebäck), war er früher mehr der Form nach so benannt (ursprünglich „haken-, krallenförmiges Gebäck“ [da sie ja aus einem größeren Stück Teig „ausgestochen“ wurden], später etwa „aufgetriebene, bauchige bzw. runde Teigspeise“), und konnte auch Hauptspeisen bezeichnen (wie heute noch in Tirol die Schlutz- bzw. Schlipfkrapfen [Art gefüllte Nudeln mit Käsemasse in vielen Variationen] oder in Kärnten die Schlickkrapferln [Art Tortellini oder Ravioli als Suppeneinlage]), daher finden wir heute in Kärntner slowenischen Kochbüchern das deutsche Lehnwort krap nicht nur für „Krapfen“, sondern auch für „(gefüllte) Nudeln“, z.B. im Gailtal Čompavi krapi „Erdäpfelnudel“ oder Ziljski krapi „Gailtaler Nudeln“. Oder das Kärntner Nationalgericht „Käsnudel“ (gefüllte Nudeln mit Topfenmasse) heißt im Rosental slowenisch sirnati krapi „Käsekrapfen“. Das Wort muss also zu einer Zeit ins Slowenische entlehnt worden sein, als „Krapfen“ auch noch andere Dinge als unsere heutigen „Faschings- oder Bauernkrapfen“ bezeichnet hat.
In älteren Kärntner Kochbüchern findet man noch den „Verwandten“ der bayerischen Fleischpflanzeln „Fleischlaibchen“. Die alten Bayern sagen noch Pfanzel dazu, das von altem Pfannzelte „Pfannenkuchen, in der Pfanne gebackener Fladen u. dgl.“ kommt. Dieses Wort hat auch in das Slowenische Eingang gefunden: fancelj oder flancat wie u.a. flancati „Strauben“ (eine Süßspeise) oder piškotni fancelj „im Rohr gebackener Fladen (Palatschinken ähnlich), der aufgeschnitten als Suppeneinlage verwendet wird“. In alten Kärntner Kochbüchern finden wir noch mehrere „Pf(l)anzeln“, Blutpflanzl „Pfannzelte mit Blutwurstmasse“ oder Türkenpfanzel „Pfannengericht aus Maismehl (Süßspeise)“. Gerade in den volkstümlichen Speisen zeigt sich die gegenseitige Beeinflussung der Sprach- und Dialekträume besonders deutlich, was sprachwissenschaftlich noch nicht befriedigend aufgearbeitet ist.
Hat man die historisch bedingte Verwobenheit der Völker unserer Region vor Augen, stellt sich mit Recht die Frage, was „national“ heute für eine Bedeutung hat. Ein (natürliches) Nationalbewusstsein sollte kein biologisch zu begründendes Bekenntnis nach der „Abstammung“, sondern ein offenes, nach seinen historisch-kulturellen Wurzeln gerichtetes sein. „Deutsch“ sind wir nach der Sprache, allerdings ist heute das Konzept der Kulturnation – als Definition der Nation von der Sprache her – überholt, wenn auch die Sprachgemeinschaft nach wie vor ein mächtiger Bezugspunkt ist und unter günstigen Bedingungen den Rahmen des Nationalbewusstseins zu liefern in der Lage ist und in der Folge konstitutiv für die Gründung eines Nationalstaates werden kann, wie wir es in letzter Zeit mehrmals erlebt haben (relativ friedlich im Falle Slowenien, Tschechien und der Slowakei, nicht aber z.B. bei Kroatien). Doch weder das Österreich des Jahres 1918 noch das des Jahres 1945 war ein „Nationalstaat“, entscheidend war in der Hauptsache – neben den zeitbedingten Rahmenbedingungen – die eigenstaatliche Tradition, daher kann es für Österreich nur eine Doppelindentität geben, eine von der Eigenstaatlichkeit geprägte und durch das Landesbewusstsein ergänzte österreichische und eine durch Geschichte und Sprache ererbte deutsche Identität (bei unseren slowenischen Mitbürgern freilich slowenische Identität), die sich beide in größeren historisch-kulturellen Zusammenhängen verflechten, rückblickend im Rahmen des alten Reiches und der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, zukunftsweisend im zusammenwachsenden Europa – ab 1. Mai 2004 sind Italien, Österreich und Slowenien – so soll man es positiv sehen – „wiedervereint“, in der EU, wie sie es schon einmal unter anderen Bedingungen waren!
Die Geschichte des Deutschen als Sprache in Südosteuropa und der entsprechenden deutschen Volksgruppen – nicht ganz zutreffend recht gerne als „Altösterreicher“ bezeichnet (denn so sind alle Einwohner der österreichischen Reichshälfte bis 1918 zu nennen!) – ist im 20. Jhdt. eine Geschichte des Rückganges und Substanzverlustes als Folge schwerwiegender politischer und kriegerischer Ereignisse. Sie sind nicht „selbstverschuldet“, wie man oft hören kann, vielmehr durch eine verantwortungslose pseudo-deutschnationale Expansionspolitik des „Dritten Reiches“ evoziert worden.
In der Österreichisch-Ungarischen Monarchie hatte die ungarische Reichshälfte ca. 9,8 % Deutsche unter ihren Einwohnern (zusammen mit 48,1 % Magyaren). Die österreichische Reichshälfte bzw. „die im Reichsrat vertretenen Länder“ wiesen statistisch 35,6 % Deutsche auf, davon in der Bukowina 22 %, in den Ländern der Böhmischen Krone rund 33 %. In den Nachfolgestaaten Österreich-Ungarns waren die Verhältnisse wie folgt (nach den statistischen Angaben der 30er Jahre):
Jugoslawien: 650 000 „Donauschwaben“, 40 000 in Slowenien (davon 16 000 Gottscheer), 12 000 in Bosnien-Herzegowina
Rumänien: 800 000 (davon Siebenbürger Sachsen 230 000, im Banat 320 000, in Bessarabien 95 000, in der Bukowina 70 000)
Ungarn: 470 000 (offiziell) bzw. 600 000 (nach Schätzungen)
Tschechoslowakei: 3 200 000 (oder 22,3 % der Gesamtbevölkerung).
Nach dem 2. Weltkrieg kam es zum großen Einschnitt: die deutsche Bevölkerung Jugoslawiens und der Tschechoslowakei wurde zum größten Teil vertrieben, in Ungarn und Rumänien durch Maßnahmen infolge des Krieges („Evakuierung“, Flucht, Zwangsarbeit) und im Zuge der sozialistischen Umwandlungen dezimiert. Um 1960 hatte unter seinen Einwohnern
Jugoslawien: ca. 25 000
Rumänien: ca. 400 000
Ungarn: ca. 300 000
Tschechoslowakei: ca. 250 000 Deutsche.
Heute hat von allen Staaten Ungarn den größten Anteil an Deutschen (ca. 250 000), Rumänien den zweitgrößten (ca. 125 000). In Tschechien leben offiziell noch rund 50 000, in der Slowakei 12-15 000 („Karpatendeutsche“), in Slowenien 3-4 000, in Kroatien rund 5 000 und in Rest-Jugoslawien ebenfalls einige tausend Deutsche. – War bis vor einigen Jahren noch Deutsch in Südosteuropa Bildungssprache ex aequo mit dem Englischen, muss man heute feststellen, dass dies nicht mehr so ist – nicht zuletzt durch mangelnde Unterstützung aus den deutschsprachigen Ländern.
(besuchen Sie bitte auch die angegeben Internet-Adressen)
Anderson, Benedict, Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts. Berlin 1998 [erweiterte Ausgabe, erste deutsche Auflage Frankfurt 1988; engl. Original: Imagined Communities, London 1983].
Bußmann, Hadumod, Lexikon der Sprachwissenschaft.
Cesco-Frare,
Piergiorgio – Pellegrini,
Giovan Battista, La „Monte” e il monte. I monti del Comèlico. Club
Alpino Italiano, Sezione Val Comelico 2000.
Comelico, Sappada,
Gailtal, Lesachtal: paesaggio, storia e cultura / Landschaft, Geschichte und
Kultur. Belluno o.J. [2002] (Fondazione Angelini).
Denison, Norman, Toponomastisches zur Zahre / Sauris. Österreichische Namenforschung 25 (1997) 41-56.
Ethnic Minorities in Slovenia. Ljubljana 1994.
FRAU, Giovanni, Dizionario toponomastico del Friuli - Venzia Giulia. Udine 1978.
GASSER, Anna – GEYER, Ingeborg, Wörterbuch der deutschen Mundart von Tischelwang / Timau. Glossario Timavese / Bartarpuach va Tischlbong. Wien 2002.
GELLNER, Ernest, Nationalismus und Moderne. Berlin 1991.
GELLNER, Ernest, Jenseits des Nationalismus? IKUS-Lectures 1992/3-4, 31-52.
GEYER, Ingeborg, Die deutsche Mundart von Tischelwang (Timau) in Karnien (Oberitalien). Wien 1984.
GEYER, Ingeborg, Sprachinseln. Anmerkungen zu Definition und Forschungstradition. Probleme der oberdeutschen Dialektologie und Namenkunde (Vorträge ... zum 100. Geburtstag von E. Kranzmayer, Wien 20.-22. Mail 1997, hg. v. P. Wiesinger – W. Bauer – P. Ernst). Wien 1999, 150-170. [Grundlegende Arbeit zum Sprachinsel-Begriff]
HELLER, Karin, Smèkar – Hungar. Kleine Geschichten der zimbrischen Küche. Storielle della cucina cimbra. Innsbruck-Wien 1998.
[= „Hungerschmecker“, zimbrische Küchenausdrücke und Rezepte]
HELLER, Karin, 's alte gatotterach in Robaan. Schriften von Igino Rebeschini, gesammelt und bearbeitet von Karin Heller. Innsbruck-Wien-München-Bozen 2003. [V.a. zur Geschichte und Heimatkunde von Roana, Zimbrischunterricht, Wörterbuch. Auch viele onomastische Angaben]
HELLER, Karin (Hg.), Iz Gaprecht vun Siben Pergen. Zimbrische Redensarten und Sprichwörter aus den Sieben Gemeinden. Proverbi Cimbri. Innsbruck-Wien-München-Bozen 2003.
HORNUNG, Maria, Mundartkunde Osttirols. Wien 1964.
Hornung, Maria, Familien- und Übernamen in der deutschen Sprachinsel Pladen (Sappada), Prov. Belluno. Blätter für oberdeutsche Namenforschung 10(1969)2-9.
Hornung, Maria, Bergnamengebung im romanisch-deutschen Durchdringungsgebiet Karniens. Beiträge zur Namenforschung 5 (1970) 155-163.
Hornung, Maria, Wörterbuch der deutschen Sprachinselmundart von Pladen / Sappada in Karnien (Italien). Wien 1972.
HORNUNG, Maria, Die von Osttirol und Kärnten aus besiedelten Sprachinseln in Karnien und Krain. Carinthia I 181 (1991) 157-172.
Hornung, Maria, Pladner Wörterbuch – Glossario Sappadino. Wien 1995.
Hornung, Maria, [PACHNER, Giuliana, Register zum] Pladner Wörterbuch – Glossario Sappadino. Wien 2001.
HORNUNG, Maria – ROITINGER, Franz, Die österreichischen Mundarten. Eine Einführung (neu bearbeitet v. G. Zeillinger). Wien 2000 [darin: "Österreichische Mundarten außerhalb des Staatsgebietes (Sprachinseln)", S. 140-145, Literatur 158f.]
Hornung, Maria, Osttirol als Heimat von Sprachinseln. In: Klagenfurter Beiträge zur Sprachwissenschaft 28-29 (2002/2003) S. 135-145.
Hutterer, Claus J., Sprachinselforschung als Prüfstand für dialektologische Arbeitsdisziplinen. In: Werner Besch et alii (Hg.), Dialektologie. I. Halbband, Berlin 1982, S. 178-189.
KRANZMAYER, Eberhard (hg. v. Maria Hornung), Laut- und Flexionslehre der deutschen zimbrischen Mundart. Wien 1981-1985, 2 Bde.
KRANZMAYER, Eberhard – LESSIAK Primus (hg. v. Maria Hornung und Alfred Ogris), Wörterbuch der deutschen Sprachinselmundart von Zarz / Sorica und Deutschrut / Rut in Jugoslawien. Klagenfurt 1983.
Manjšine v prostoru Alpe-Jadran / Minderheiten im Alpen Adria-Raum. Zbornik referatov / Konferenzbericht. Ljubljana 1994.
Mattheier, Klaus J., Theorie der Sprachinsel. Voraussetzungen und Strukturierungen. In: Sprachinselforschung. Eine Gedenkschrift für Hugo Jedig, hg. v. K.J. Mattheier, N. Berend. Frankfurt 1994, S. 333-348.
MAZZEL, Sac. massimiliano, Dizionario Ladino - fassano - Italiano. Vigo di Fassa 1976, ristampa 1983.
MEID,
Wolfgang – HELLER, Karin, Italienische Interferenzen in der
lautlichen Struktur des Zimbrischen. Wien 1979.
Milocco,
Ivana, La toponomastica di Sappada, isola tedesca dell’Italia nordorientale. Udine (Dissertation) 1992-93.
Oronimi Bellunesi. Ampezzo - Auronzo - Comelico. Belluno
o.J. [1993] (Fondazione Angelini).
Oronimi Bellunesi. Belluno - Alpago - Agordo - Zoldo. Belluno o.J. [1992] (Fondazione Angelini).
Oronimi Bellunesi. Centro Cadore: Pieve Domegge Lozzo. Belluno o.J. [1993] (Fondazione Angelini).
Oronimi Bellunesi. Sappada: la Monte e la Valle di Sesis. Belluno o.J. [1993] (Fondazione Angelini).
PACHNER, Giuliana, Register zum Pladner Wörterbuch – Glossario Sappadino. Wien 2001.
PAN Christoph – PFEIL Beate S., Die Volksgruppen in Europa (= Ethnos 56). Wien 2000.
PATTERER,
Inge, Die Almnamen in der Karnischen Kette des Lesachtales. Wien 1966 (Dissertation).
PIRONA, Il nuovo Pirona, Vocabulario friulano. Udine 1932, 19922, Nachdruck 2001.
Piller Puicher, Giorgio, Sappada. Isola etnica e linguistica. Toponomastica e vocabulario. Padova 1997.
POHL, Heinz Dieter, Minderheitensprachen als kulturelles Erbe der Region. Kärnten-Dokumentation, Band 15 (Sprachminderheiten: Herausforderung und Chance, Volksgruppenkongress 1996, Egg am Faaker See, hg. v. K. Anderwald – P. Karpf – V. Smrtnik). Klagenfurt 1997, 87-98 [mit 4 Karten, Grundlage dieses Beitrages].
Pohl, Heinz Dieter, Slowenisch-deutscher Sprachkontakt in Krain. Bemerkungen zur "Hubner Mischsprache". Festschrift für Norman Denison (Grazer Linguistische Monographien 10, hg.v. K. Sornig et alii, 1995) 315-322.
Pohl, Heinz Dieter, Die Berg- und Flurnamen in der deutschen Sprachinsel Pladen / Sappada heute. Sprache und Name in Mitteleuropa. Festschrift für Maria Hornung (hg. v. H.D. Pohl). Wien 2000, 63-82.
Pohl, Heinz Dieter, Bergnamen aus dem Kärntner Anteil an den Karnischen Alpen. Kärntner Landesgeschichte und Archivwissenschaft. Festschrift für Alfred Ogris. Klagenfurt 2001.
POHL, Heinz Dieter, Die Karawanken: Namen einer Gebirgsgruppe im slowenisch-deutschen Sprachkontaktgebiet mit einigen romanischen und vorromanischen Oronymen. Namen in Grenzregionen. Tagungsband des internationalen onomastischen Symposiums in Klingenthal, Elsass (7. – 11.5.2001, Österreichische Namenforschung, Beihefte; Band 3, hg. v. Peter Anreiter, Guntram A. Plangg), Wien 2003, 159-181.
ROHLFS, Gerhard, Rätoromanisch. München 1975.
Romanisch. Facts and Figures. Chur 20042.
ROWLEY, Anthony R., Fersental (Val Fèrsina bei Trient/Oberitalien) – Untersuchung einer Sprachinselmundart (=Phonai, Dt. Reihe 31).
ROWLEY, Anthony R., Fersentaler Wörterbuch. Wörterverzeichnis der deutschen Sprachinselmundart des Fersentales in der Provinz Trient/Oberitalien. 4000 Einträge. Dialekt-Deutsch-Italienisch. Hamburg 1982 (=Bayreuther Beiträge zur Sprachwissenschaft. Dialektologie 2).
ROWLEY, Anthony R., Liacht as de sproch. Grammatica della lingua mòchena. Grammatik des Deutsch-Fersentalerischen. Lusern-Trento 2003.
SCHABUS, Wilfried, Dialektgeographie des Lesachtales (Kärnten). Wien (Dissertation) 1971.
SCHATZ, Josef, Wörterbuch der Tiroler Mundarten. Innsbruck 1993.
SCHMELLER, Johann Andreas, Die Cimbern der VII und XIII Communen und ihre Sprache auf den Venedischen Alpen und ihre Sprache. München 1834 (Nachdruck Landshut 1984).
SCHORTA, Andrea, Rätisches Namenbuch, Bd. 2. Bern 1964.
SPRACHKONTAKTE im Alpenraum. Minderheiten- und Lokalsprachen, hg. v. Hans Tyroller. Trento 1999 [mit Beiträgen u.a. zu Lusern, Tischelwang und dem Fersental].
STEINICKE, Ernst ̶ PIOK, Elisabeth, Die deutschen Sprachinseln im Süden der Alpen. Problematik und Konsequenzen der besonderen ethnischen Identifikation am Beispiel von Gressoney und Tischelwang (Italien). Berichte zur deutschen Landeskunde (Flensburg) 77 (2003) 4, 301-327.
TSCHINKEL, Walter (hg. v. Maria Hornung), Wörterbuch der Gottscheer Mundart. Wien 1973-1976, 2 Bde.
Tyroller, Hans, Die cimbrischen Sprachinseln in Oberitalien. Probleme der oberdeutschen Dialektologie und Namenkunde (hg. v. P. Wiesinger – W. Bauer – P. Ernst), Wien 1997, 171-184.
TYROLLER Hans, Die Flurnamen der zimbrischen Sprachinsel Lusern/Luserna (Trentino). Namen in Grenzregionen. Tagungsband des internationalen onomastischen Symposiums in Klingenthal, Elsass (7. – 11.5.2001, Österreichische Namenforschung, Beihefte; Band 3, hg. v. Peter Anreiter, Guntram A. Plangg), Wien 2003, 183-209.
VIDESOTT, Paul – PLANGG, Guntram, Ennebergisches Wörterbuch / Vocabular Mareo. Innsbruck, Universitätsverlag Wagner 1998 (Schlern-Schriften 306).
VIDESOTT, Paul, Ladinische Familiennamen / Cognoms ladins. Innsbruck, Universitätsverlag Wagner 2000 (Schlern-Schriften 311).
WIESINGER, Peter, Deutsche Sprachinseln. Lexikon der germanistischen Linguistik, Tübingen 1980, 491-500.
WEILGUNI, Werner, in: Atlas Ost- und Südosteuropa 2.7-S 1. Ethnische Struktur Südosteuropas um 1992, Begleittext. Wien-Berlin-Stuttgart 1995, 10.
WOLF, Norbert A., Lautlehre der Mundart des Suchener Tales in der deutschen Sprachinsel Gottschee. Wien 1982.
WURZER, Bernhard, Die deutschen Sprachinseln in Oberitalien, Bozen 19986.
& & &