Kleine Geschichte der ContaxPeter LAUSCH |
Contax I
An der Leipziger Frühjahrsmesse
1925 stellte die Firma Leitz die Leica vor, die erste Kamera für 36
Aufnahmen 24x36 auf perforiertem Film mit einer Breite von 35mm. Kurz
darauf war die Leica dann auch tatsächlich lieferbar. Mit ihr begann der
Siegeszug der sogenannten Kleinbildfotografie. Die damaligen Filme waren
relativ grobkörnig und vor allem gering empfindlich, aber dank einer präzis
gefertigten Kamera und eines sehr guten Objektivs ließen sich die
Aufnahmen auch unter den damaligen Umständen leicht auf 9 x 13 cm vergrößern.
Über die Leica und ihre Weiterentwicklung wurden schon Bibliotheken
geschrieben; siehe im Internet unter anderem auch meine
"Leica-Story". Die Verwendung des 35 mm breiten
Kinofilms in der Leica ermöglichte nicht nur die Schaffung einer relativ
kleinen und handlichen Kamera, sondern brachte im Vergleich mit den damals
gebräuchlichen Rollfilmen der Typen 120 und 127 auch den Vorteil, dass
ein Film 36 Aufnahmen fasste. Trotz der anfänglichen technischen Beschränkungen
ging ab 1925 die Zeit der großformatigen Plattenkameras zu Ende und, wie
wir heute wissen, mit einer gewissen Zeitverzögerung auch die Zeit der
Rollfilmkameras in den Händen der Amateure. Bis 1930 wurden trotz hohen
Preises mehr als 60.000 Leicas verkauft. Und mit der Leica II mit
eingebautem Entfernungsmesser und der Lieferbarkeit von fertig abgefüllten
Kleinbildfilmen in einer standardisierten Kassette gewann die Leica weiter
an Beliebtheit. Grund genug für den größten deutschen Erzeuger von Kameras und optischen Geräten (die 1926 durch Zusammenschluss verschiedener kleinerer Firmen unter Führung der Carl Zeiss-Stiftung entstandene Zeiss Ikon A. G.), eine System-Kleinbildkamera anzubieten.
Die Contax I in ihrer frühesten Auführung mit Tessar 2,8/50 mm.
So wie vorher die Leica (I) und die Leica II wurde ab 1932 die von
der Zeiss Ikon A. G. angebotene Kleinbild-Messsucherkamera Contax auf Anhieb wegen ihrer leichten Bedienbarkeit und ihrer Präzision
zum großen Erfolg. Die Ingenieure bei Zeiss hatten zwar dasselbe
Negativformat verwendet, ansonsten aber eine in vielen Eigenschaften von
der Leica verschiedene Kamera konstruiert.
Die Contax besaß von Anfang an
ein Druckgussgehäuse aus einer Aluminiumlegierung - die Leica ein
gestanztes Blechgehäuse. Bei der Contax war die Rückwand samt
Bodendeckel als Ganzes abnehmbar, was das Filmeinlegen erleichterte - bei
der Leica war zwar der Bodendeckel abnehmbar, nicht aber die Rückwand,
was vielen Nutzern immer wieder Schwierigkeiten beim Einlegen eines Films
bereitete. Anstatt des Schraubgewindes der Leica zum Wechseln der Objektive
besaß die Contax einen Bajonettanschluss. An Stelle des horizontal
ablaufenden Schlitzverschlusses aus gummiertem Tuch wurde in die Contax
ein senkrecht ablaufender Schlitzverschluss aus Messinglamellen eingebaut.
Der große runde Knopf rechts neben dem Objektiv in Aufnahmehaltung
gesehen erfüllte zwei Funktionen: mit ihm drehte man den Film weiter und
spannte den Verschluss und durch Anheben (Wegziehen vom Gehäuse) konnte
man die Belichtungszeiten (von 1/25 - 1/1000 Sekunde und B)
einstellen.
Genauso wie bei den heutigen Digitalkameras war 1932 die
Anordnung der Bedienungselemente noch nicht sozusagen genormt. Erst die
Erfahrungen der Praxis führten zu solch einer inoffiziellen Normung, nach
der, wie bei der Leica, der Filmtransport und der Zeitenknopf sinnvoll an
der Oberseite des Gehäuses angebracht sind - wenige Ausnahmen bestätigen
die Regel. Und die Entfernungseinstellung des Normalobjektivs mittels
Entfernungsmessers erfolgte nicht am Objektiv (was auch möglich war),
sondern an einem kleinen Rädchen vorne auf der Gehäuseoberseite (in
Aufnahmehaltung gesehen, rechts vorne).
Ob nun, angesichts dieser Unterschiede,
die Leica oder aber die Contax sozusagen die "bessere" Kamera
sei, darüber entbrannten heftige Diskussionen unter den Interessierten.
Vor allem, ob ein senkrecht oder aber ein waagrecht ablaufender
Schlitzverschluss die bessere technische Lösung sei, war umstritten - die
Debatte ist eigentlich bis heute unentschieden.
Eines besaß die Contax nicht: die
einfache Konstruktion und geringe Störungsanfälligkeit der Leica.
Namentlich der Verschluss hatte seine Eigenheiten und blieb gelegentlich hängen
(das war ein konstruktiver Mangel, aber kein Fehler des Prinzips des
senkrecht ablaufenden Schlitzverschusses). Der Sucher war arg klein
geraten, der Sucher der Contax (I) war auch kein Messsucher, sondern die
Kamera besaß einen eigenen Einblick für den Entfernungsmesser wie bei
der Leica II.
Aufgewogen wurden diese Mängel in den
Augen vieler Käufer durch die hervorragenden Objektive von Zeiss zur Contax. Heute ist eigentlich unumstritten, dass Zeiss qualitativ bessere
Objektive zur Contax anbot als Leitz zur Leica; unbestreitbar ist, dass
Zeiss lichtstärkere Objektive für die Contax erzeugte als Leitz für die
Leica: bereits 1931 war das Tessar 2,8/50 mm lieferbar und ab 1932 neben
dem Sonnar 2/50 mm auch ein noch lichtstärkeres Sonnar 1,5/50 mm. Leitz
hingegen bot als Normalobjektiv ein Elmar 3,5/50 mm und als lichtstärkere
Variante ab 1931 das Hektor 2,5/50 mm an. Zur Contax gab es aber auch ein
lichtstarkes (freilich schwaches) Weitwinkelobjektiv in Form des Biotar
2/40 mm und ein lichtstarkes Teleobjektiv, das Sonnar 2/85 mm. Die Lichtstärke
der Objektive war im Hinblick auf die gering empfindlichen Filme (etwa ISO
10) ein gewichtiges Werbeargument, auch wenn weder das Sonnar noch das
Hektor bei größter Öffnung technisch wirklich überzeugende Aufnahmen
lieferten. Nur am Rande: Von der Contax I gibt es mehrere Versionen, die sich in Kleinigkeiten - und im heutigen (Sammler-)Preis unterscheiden. Am seltensten ist die allererste Version, die durch eine kleine Ausbeulung vor dem Einstellrad des Entfernungsmessers oben rechts (in Aufnahmehaltung vorne) erkennbar ist. Wollen Sie weiterlesen? Klicken Sie!
© Peter Lausch/ Geändert 15.7.2009
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