1.Fallstudie

   

 

 

 
 
 
 
 
 
 

 

 
Die folgenden Studien soll einen kleinen Einblick in meine Arbeit mit Shiatsu geben. Selbstverständlich sind Name und persönliche Angaben geändert.
Carola Schneider, 38 Jahre

Die Klientin ist etwa 165cm groß, ca. 50 Kilogramm. Sie ist verheiratet, hat zwei Kinder, 8 und 4 Jahre alt, die sie sehr in Anspruch nehmen. Die ganze Familie ernährt sich vegetarisch. Beruflich ist sie nebenbei in der Erwachsenenbildung als Trainerin tätig . Da ihr Mann wegen häufiger Geschäftsreisen oft wochenlang nicht in Wien ist, leidet sie unter der Doppelbelastung und fühlt sich gestresst.
Seit ihrer Kindheit hat sie eine leichte Skoliose Th8-9, seither immer wieder Rückenschmerzen. Vor einigen Jahren hatte sie monatelang schwere Probleme mit einer Hautallergie, die sich erst durch eine Behandlung bei einem chinesischen Arzt besserte. Sie hat Erfahrung mit Akupunktur, nicht jedoch mit Shiatsu, ist aber sehr neugierig. Sie betreibt keinen Sport.

Körperlich wirkt sie eher blass, sehr zart, freundlich, sensibel und etwas vorsichtig. Akut beschreibt sie Spannungsgefühle im Rücken, besonders in der Nackenregion. Laut Angabe kann sie in jeder Position gut liegen. Sie wird in wöchentlichen Intervallen zum Shiatsu kommen.

Hara Diagnosen:


1. Kyo: Mi Jitsu: Gb
2. Kyo: Mi Jitsu: 3E
3. Kyo: Mi Jitsu: Gb
4. Kyo: Mi Jitsu: Le
5. Kyo: 3E Jitsu: Le
6. Kyo: Bl  Jitsu: Le

 

1. Behandlung

Frau Schneider ist ein bisschen aufgeregt und neugierig, was nun wohl auf sie zukommt. Ich beruhige sie und erkläre ihr, dass sie sich nun einfach entspannen kann, ohne etwas tun zu müssen. Die Hara Diagnose ergibt:

Kyo: Milz Jitsu: Gallenblase.
Ich beginne am Brustkorb zu arbeiten und behandle den Milzmeridian in Rückenlage am Arm. Das Gewebe ist sehr weich und tief. Die Klientin hat die ganze Zeit ihre Augen geöffnet, schließt sie auch bei der Behandlung des Kopfes nur kurz . Nach der Behandlung des Milzmeridians auf der anderen Seite drehe ich Frau Schneider zur Seite um ihr die Entspannung leichter zu ermöglichen. Anfänglich kann sie ihre Schultern nicht loslassen, nach einigen Minuten gelingt es aber doch. Als ich am Rücken arbeite, atmet sie einmal besonders tief durch und kann für einige Zeit die Augen schließen. Der Gallenblasenmeridian am Bein fühlt sich auch eher leer an, wie auch der gesamte Tonus des Körpers. Ich arbeite langsam und nährend. Nach der Behandlung meint Frau Schneider, dass ihr die Behandlung sehr gut getan hätte und dass sie in der Seitenlage das Gefühl gehabt hätte als ob plötzlich ein „ruhiger Strom“ flösse.

2. Behandlung

Frau Schneider kommt gut gelaunt. Auf die Frage nach Auswirkungen der letzten Behandlung meint sie dass sie sich energetisch aufgetankt und gestärkt gefühlt hätte. Körperlich hätte sie sich angenehm gedehnt gefühlt und wäre auch ausgeglichener gewesen. Diesmal erkläre ich, dass sie ruhig die Augen schließen könnte, wenn sie das Bedürfnis dazu hätte. Die Hara Diagnose ergibt:

Kyo: Milz Jitsu: Dreifacher Erwärmer
Ich beginne mit dem Dreifachen Erwärmer-Meridian an den Beinen. Da die Klientin wieder nicht die Augen schließt, und ich das Gefühl habe, dass sie sich nicht wirklich entspannen kann, drehe ich sie nach der Arbeit am 3E-Meridian an den Armen zur Seite und behandle Milz am Arm und am Bein in Seitenlage. Wieder habe ich das Gefühl, dass die Meridiane tief und leer sind. Sie ist überbeweglich. Ich arbeite mit eher kurzen Dehnungen und setze Rotationen sparsam ein. Im letzten Viertel der Behandlung kann sich die Klientin tiefer entspannen und schließt die Augen.

3. Behandlung

Heute kommt Frau Schneider sichtbar gestresst, freut sich jedoch schon auf die Behandlung. Sie hat sich vor kurzem über ihre Kinder geärgert und ist beruflich sehr eingespannt. Von der letzten Woche berichtet sie, das Gefühl einer deutlicheren Wahrnehmung und höherem seelischem und körperlichem Wohlbefinden. Sie glaubt, dass ihr Körperbewusstsein sich verbessert habe und berichtet, dass sie sogar Lust auf sportliche Aktivitäten gehabt hätte. Heute hat sie Rückenschmerzen, das Hautbild ist besser als normalerweise.
Die Hara Diagnose ergibt:

Kyo= Milz Jitsu= Gallenblase.
Der Behandlungsablauf ist der gleiche wie beim ersten Mal. Diesmal kann die Klientin die ganze Behandlung lange nicht die Augen schließen.

4. Behandlung

Frau Schneider ist heute ausgeglichener als beim letzten Mal. Die Behandlung hat ihr gut getan, die Rückenschmerzen waren verschwunden. Ich habe länger überlegt, warum es für Frau Schneider so schwierig ist, beim Shiatsu einfach die Augen zu schließen und sich fallen zu lassen. Ein Problem des (Ur)Vertrauens?

Ich schlage ihr für die heutige Behandlung ein Experiment vor: Wenn sie sich darauf einlassen möchte, kann sie probieren, gleich von Anfang an  während der Behandlung einfach nur in den Körper hineinzuspüren, um sich eine neue Art der Wahrnehmung zu erschließen.
Frau Schneider ist einverstanden und lässt sich darauf ein. Die Hara Diagnose ergibt:

Kyo: Milz Jitsu: Leber
Ich beginne am Brustkorb zu arbeiten, behandle den Milzmeridian an den Armen und Beinen, danach Leber ebenfalls an den Armen und Beinen in Rückenlage, immer unterbrochen von kurzen Dehnungen und Gelenkrotationen. Im letzten Viertel der Behandlung drehe ich die Klientin auf den Bauch und gebe noch ausgiebiges Shiatsu am Rücken. Nach der Behandlung sagt die Klientin, dass sie heute unseren Termin ganz anders als sonst und besonders intensiv empfunden hätte.

5. Behandlung

Die Klientin ist gut aufgelegt und meint, dass sie das Gefühl hätte, es würde ein Prozess in Gang kommen, sich etwas in ihrem Erleben verändern, das es ihr erlaubt, sich besser fallen lassen zu können. Sie berichtet, sie hätte die ganze letzte Woche  stärkeres Selbstbewusstsein als sonst und könne mehr zulassen.
Die Hara Diagnose zeigt:

Kyo: Dreifacher Erwärmer Jitsu: Leber
Ich beginne wieder am Brustkorb, behandle Leber an den Armen in Rückenlage, drehe sie dann zur Seite. Nach der Lockerung der Schulter folgt 3E an den Armen, über den Rücken gehe ich zu den Beinen, 3E und Leber in Seitenlage an den Beinen. Die gleiche Abfolge an der anderen Seite. Auch heute fühle ich die Meridiane als leer und bedürftig.

6. Behandlung

Heute kommt die Klientin zum letzten Mal, da die Familie bald auf Urlaub fährt. Sie erzählt von einem gefühlsmäßigem Auf und Ab in der letzten Woche, das mit Geschehnissen innerhalb der Familie zusammenhängt. Akut berichtet sie über einen Schmerz in der rechten kleinen und vorletzten Zehe.
Die Hara Diagnose ergibt:

Kyo: Blase Jitsu: Leber
Nach der Behandlung von Blase und Leber an den Armen gehe ich zu den Beinen, Leber in Rückenlage am Bein. Nach einer ausgiebigen Fußbehandlung drehe ich sie auf den Bauch und behandle den Blasenmeridian in Bauchlage. Nach der Behandlung ist der Schmerz in den Zehen verschwunden.



Da ich sie schon seit einigen Jahren sehr gut kenne, habe ich mit ihr besonders ausführlich über ihre Beobachtungen unterhalten.

Die Hara Diagnosen ergeben mehrheitlich Milz Kyo, eine schwache Mitte. Laut Masunaga lässt sich auf Übergenauigkeit, Ruhelosigkeit, verbunden mit Angst, sowie auf ständige Unzufriedenheit schließen. Tatsächlich weiß ich, dass die Klientin zum Grübeln neigt und sich oft Sorgen über verschiedenes macht.

Auch hat sie für gesunde Ernährung wenig Zeit und vernachlässigt sich in diesem Punkt sehr. Sie neigt dann dazu, gar nichts zu essen.

Gemäß den Richtlinien der chinesischen Diätetik gab ich ihr einige Tipps, wie sie mit Hilfe der Ernährung ihre Milz stärken kann.

Das wiederholte Leber und Gb Jitsu weist auf ihre Reizbarkeit infolge von Überarbeitung und nervöser Anspannung (Leber Qi Stau!)  Diesbezüglich riet ich ihr zum Beginn einer sportlichen Betätigung.

Tatsächlich habe ich einige Wochen später erfahren,  dass Frau Schneider inzwischen regelmäßig laufen geht.