Publikationen - Rezensionen

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Breidenstein Georg, Kelle Helga: Geschlechteralltag in der Schulklasse – Etnographische Studien zur Gleichaltrigenkultur.
287 Seiten, Juventa Verlag, Weinheim/ München 1998 EUR 23,70

Beforscht wurde die peer culture von 9-12jährigen Mädchen und Buben zweier Klassen der Laborschule in Bielefeld.
Ziel war es, anstatt die Bedeutsamkeit der Geschlechtsunterschiede vorauszusetzen, sie als empirische Frage zu behandeln. Es sollten Situationen erfaßt werden, in der die Geschlechterunterscheidung Bedeutung hat.

Besonderes Augenmerk wird auf die Ordnung der Schulklasse (durch Gruppenbildung bei Spielen, Verteilungen auf Tische oder Zimmer, bei der Frage der Beliebtheit und bei Freundschaftsinszinierungen) und Szenerien der Geschlechterunterscheidung (beim Thema Sexualität, Verliebtheit, Paarbildung, Ärgern, Lästern, Verkleiden,...) gerichtet.

Die Mädchen und Buben kommen z.T. selbst zu Wort, breiten Raum nehmen die Beobachtungen von Autorin und Autor der Studie sowie deren Interpretationen des Geschehens ein, wobei sich die Forschenden der Schwierigkeit bewußt sind, eine Balance zwischen dem Eintauchen in die Alltagswirklichkeit der Kinder und der Notwendigkeit einer analytischen Distanzierung zu finden.

Das Buch ist vor allem jenen zu empfehlen, die Situationen, in denen Geschlechterunterscheidungen deutlich zu Tage treten, bewußter wahrnehmen wollen. Wer sich durch das Lesen des Buches erhofft, Anregungen zu bekommen, wie im Schulalltag auf geschlechtstypisches Verhalten von Mädchen und Burschen eingegangen werden könnte, kommt nicht auf ihre Rechnung.
(Renate Tanzberger)




Faulstich-Wieland, Hannelore / Weber, Martina / Willems, Katharina; unter Mitarbeit von Budde Jürgen: Doing Gender im heutigen Schulalltag. Empirische Studien zur sozialen Konstruktion von Geschlecht in schulischen Interaktionen.
252 Seiten, Juventa Verlag, Weinheim und München 2004, EURO 20,10

1998 begann eine vier Jahre dauernde Länstschnittstudie mit der Fragestellung "wie Lehrkräfte und Jugendliche in der Adoleszenz in unterschiedlich zssammengesetzten Schulklassen durch Interaktionen in verschiedenen Schulfächern Geschlecht als soziale Kategorie konstruieren und welche Interaktionen zur 'Neutralisation' beitragen." Dazu wurden drei Gymnasialklassen in Deutschland beobachtet: eine mit mehr Mädchen, eine mit mehr Burschen und eine mit gleich viel Mädchen wie Burschen. Die Studie war sehr umfangreich. Sowohl die Methoden (Fragebögen, Unterrichtsprotokolle, Tonband- und Videoaufnahmen, Interviews, Erstellen von Interaktionsnetzen,...) als auch die Fragestellungen betreffend. Schließlich ging es um das doing gender (also die Frage, wie Geschlecht hergestellt wird) der SchülerInnen, aber auch um das undoing gender und die Frage, welche Bedeutung doing student und doing adult in diesem Zusammenhang haben.

Insgesamt eine sehr spannende Lektüre (bei der es - um nur ein paar Highlights zu nennen - um die Bedeutung von Räumen, von Kleidung und Haarpraktiken, um Selbstwert, Aggressionen etc. geht). Die Protokollniederschriften und die anschließenden Interpretationen waren stellenweise etwas mühsam zu lesen und manchmal hatte ich den Eindruck, dass die AutorInnen ein undoing gender wahrnahmen, wo ich ein deutliches doing gender herauslas. Insgesamt aber auf jeden Fall eine Lektüre, die zum Diskutieren und durchaus auch zum kritischen Hinterfragen anregt.
(Renate Tanzberger)




Heiliger Anita: Mädchenarbeit im Gendermainstream.
158 Seiten, Verlag Frauenoffensive,München 2002 EUR 14,90

Dieses Buch von Anita Heiliger, einer Expertin im Bereich der Gewaltprävention, die am Deutschen Jugendinstitut in München arbeitet und u.a. maßgeblich an der Münchner Kampagne gegen Männergewalt an Frauen und Mädchen/Jungen beteiligt war, bietet einen gut leserlichen Überblick über mädchenspezifische Ansätze in der Jugendarbeit in Deutschland.

Sie bezieht kritisch Stellungnahme zur scheinbaren Gleichberechtigung von Mädchen und Burschen. „Eine vorherrschende 'Gleichheitsrhetorik' produziere ’Gleichheitsmythen’ und verhindere, dass die real bestehenden Ungleichheiten thematisiert und bearbeitet werden.“ zitiert sie Öchsle/Geissler.

Sie zeigt auf, wo das Konzept des Gendermain-streamings genutzt werden kann, aber auch, welche Gefahren es birgt (z.B. das finanzielle Aushungern von mädchenspezifischen Angeboten mit dem Hinweis, dass diese durch das GM obsolet seien).
Sie reagiert sensibel darauf, Mädchen vermehrt zu Täterinnen und Buben zu opfern zu stilisieren. Und sie zeigt auf, in welchen Bereichen Mädchenarbeit nach wie vor notwendig ist und welche Mädchengruppen speziell angesprochen werden sollten (Mädchen mit Behinderungen, Migrantinnen, lesbische Mädchen).

Heiliger ist eine, die Stellung bezieht und damit sicher auch polarisiert. Beim Lesen tat mir diese Klarheit gut („ja, genau so ist es“), zeitweise tat sie aber auch weh („so schlimm darf es doch nicht sein, was Mädchen immer noch an Gewalt erleben müssen!“).
(Renate Tanzberger)




Kessels Ursula: Undoing Gender in der Schule. Eine empirische Studie über Koedukation und Geschlechtsidentität im Physikunterricht.
256 Seiten, Juventa Verlag, Weinheim/ München 2002 EUR 23,70

Zu Beginn steht eine Zusammenfassung über Geschlechtsunterschiede in Bezug auf die mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer.
Weiter geht es mit einem sozialpsychologischen Kapitel, in dem ein Identitätsmodell vorgestellt wird, das das Selbst als multiple und flexible Struktur auffasst.
Nachdem die Kategorie „Geschlecht“ von verschiedenen Seiten beleuchtet wird, werden Forschungsergebnisse zitiert, die belegen, dass es für das Interesse eines Mädchen an den Naturwissenschaften ungünstig ist, wenn sie sich als Mädchen und den naturwissenschaftlichen Bereich als maskulin wahrnimmt – es sei denn sie hat ein hohes „maskulines Selbstwissen“. [In dem Buch erfährt frau auch, wie dieses gemessen wird!]

Der zweite Teil geht der Frage nach, wie sich ein monoedukativer Anfangsunterricht in Physik auf die Leistung und das Interesse auswirkt – bei Mädchen und bei Buben.

Die These dahinter: für Mädchen wirkt er sich positiv aus, weil es durch den geschlechthomogenen Unterricht zu einer „geschlechtlichen Entspannung“ kommt. Trotz der – oder genauer gerade durch die – Trennung aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit (also einem institutionellen genderism) kommt es anschließend zu einem „undoing gender“, da das Geschlecht in homogenen Gruppen weniger im Vordergrund steht als in geschlechtsheterogenen Gruppen.

Im dritten Teil wird der Frage nachgegegangen, ob sich Jugendliche in koedukativem Gruppen stärker geschlechstypisiert beschreiben und ihnen geschlechtsbezogenes Wissen zugänglicher ist als in geschlechtshomogenen Gruppen.

Insgesamt ein spannendes Buch, das zu Diskussionen anregt!
(Renate Tanzberger)




Koch-Priewe Barbara (Hgin): Schulprogramme zur Mädchen- und Jungenförderung. Die geschlechterbewusste Schule.
203 Seiten, Beltz Verlag, Weinheim/ Basel 2002 EUR 20,50

In Österreich werden allerorts Schulprogramme und –profile erarbeitet als zielorientierte Handlungskonzepte für die Verwirklichung einer „guten Schule“.

Dabei wird die Geschlechtszugehörigkeit der SchülerInnen, der Lehrpersonen, aber auch die Wirkmächtigkeit von Strukturen, Rahmenbedingungen und Curricula auf die Geschlechter-verhältnisse oft ignoriert. Demokratische Schulentwicklungsprozesse kommen jedoch ohne Gender-Bewusstsein nicht aus.

Der Band versammelt Beispiele für Schulprogramme aus neun Schulen in der Bundesrepublik Deutschland (Grund-, Real-, Gesamtschulen und Gymnasien) und einem Gynmasium in Österreich (Rahlgasse, Wien), in denen die Mädchen- und Jungenarbeit explizit berücksichtigt wird.

Dabei werden weniger theoretische Abhandlungen über Gender-Theorien geliefert, als viel mehr konkrete subjektive Erfahrungsberichte und Rekonstruktionen der einzelnen AutorInnen (meist LehrerInnen), wie sich die schuleigenen Entwicklungsprozesse vollzogen haben: z.B. von Selbstbehauptungskursen für Schülerinnen, Konzepten zu Lebensplanung und Berufswahlorientierung für Mädchen und Jungen, Konzepten der Jungenförderung, Methoden der Einbeziehung der Eltern, Erfahrungen mit Frauenfortbildungen an der eigenen Schule bis zu den Schwierigkeiten, das Gender-Thema in der Schulprogrammarbeit zu verankern.

Die LeserIn erhält eine Fülle von Anregungen, wie es im Sinne der eingangs erwähnten „Schulqualität“ gelingen kann, eine geschlechterbewusste Praxis in den Schulalltag zu implementieren.
(Claudia Schneider)




Lauggas Meike: Mädchenbildung bildet Mädchen. Eine Geschichte des Begriffs und der Konstruktionen.
240 Seiten, Milena Verlag, Wien 2000 EUR 17,90

In ihrer überarbeiteten und erweiterten Diplomarbeit, für die sie den “Gabriele Possanner-Förderpreis” des Wissenschaftsministeriums verliehen bekam, geht Meike Lauggas der Wortentstehungsgeschichte des Begriffs Mädchen sowie dessen, was und wer damit gemeint sein sollte, nach.

Ausgangspunkt ihrer spannenden diskursanalytischen, mentalitätsgeschichtlichen und sprachwissenschaftlichen Untersuchung ist historisches Aktenmaterial: Im Quellenstudium der Akten der Studienhofkommision (Vorläuferin des heutigen Bildungsministeriums) zur Zeit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht in der Habsburgermonarchie im Jahr 1774 kristallisierte sich die Frage heraus, warum in den Akten das Wort Mädchen so unterschiedlich geschrieben wurde (z.B. Mägdchen, Magdgen..), und welches die Worte waren für jene, für die diese Schulen eingerichtet wurden (z.B. künftige Kindsmütter). Warum wurde für weibliche Kinder der Diminuitiv-Begriff, d.h. die Verkleinerungsform Mädchen – und damit das grammatikalisch sächliche Geschlecht – durchgesetzt?

Die Autorin unterstreicht die Relevanz des Ortes Schule, über den Mädchen als Mädchen erst – öffentliche – Wahrnehmung zuteil wurde; sie stellt die Frage, ob durch die Herausbildung des Wortes Mädchen die Adressatinnen dieser Bezeichnung überhaupt erst ins allgemeine Bewusstsein drangen.

Meike Lauggas entwickelt eine Bildungsgeschichte von Mädchen im doppelten Sinn des Wortes. Sie spannt den Bogen bis zu heutigen riot grrrls-, görl-, girlie-Bewegungen und verdeutlicht damit die Aktualität der Fragen: Was soll eigentlich Mädchen-Kindheit sein? Gibt es die Mädchen? Und schließlich: wie präsentieren Mädchen sich selbst?
(Claudia Schneider)




Lemmermöhle Doris, Fischer Dietlind, Klika Dorle, Schlüter Anne (Hginnen): Lesarten des Geschlechts. Zur De-Konstruktionsdebatte in der erziehungs-wissenschaftlichen Geschlechterforschung.

279 Seiten, Leske + Budrich, Opladen 2000 EUR 20,60

Ein Sammelband, den frau am besten nicht nur für sich liest, sondern gemeinsam mit anderen durchdiskutiert.

Vor allem der erste Teil, der sich mit theoretischen Ansätzen der Konstruktion und Dekonstruktion beschäftigt, erfordert ein mehrmaliges Durchlesen: Begriffe wie Differenz, Gleichheit, Verschiedenheit, Unterschiedlichkeit, sex, gender,... werden im Sinne eines historischen, philosophischen und sozialwissenschaftlichen Diskurses beleuchtet.

Im zweiten Teil werden Methoden und methodologische Aspekte (z.B. Biografieforschung, Interview-situationen) aus de-konstruktivistischer Perspektive beleuchtet.

Im dritten Teil „Forschungs- und Handlungsfelder“ stehen schulische Interaktionen im Vordergrund und widmet sich je ein Kapitel dem Thema „interkulturelle Pädagogik“, „Behinderung“, „Lebensformen“.

Wer Sätze der Art „Die dekonstruktivistische Kritik im Feminismus richtet sich gegen die sex-gender-Trennung und essentialistische Weiblichkeitsvorstellungen, die das biologische Geschlecht naturalisieren, weil es als unhinterfragbare Grundlage des sozialen Geschlechts angenommen wird.“ gerne liest, hält hiermit das richtige Buch über den Einzug der höchst spannenden De/Konstruktions-Debatte in die Erziehungswissenschaften in den Händen.
(Renate Tanzberger)





Markert Dorothee: Momo, Pippi, Rote Zora ... was dann? Leseerziehung, weibliche Autorität und Geschlechterdemokratie.
342 Seiten, Ulrike Helmer Verlag, Königstein/Taunus 1998 EUR 21,00

Dieser Text stellt eine gelungene Mischung zwischen Theorie und Praxis dar. Die Autorin analysiert Begriffe wie Mädchenliteratur, Vorbild, Leser/in,..., beleuchtet die Bedeutung des Lesens für Mädchen und für Burschen, thematisiert pädagogisches Handeln im Spannungsfeld zwischen Gleichheit und Differenz, Bindung und Freiheit und, stellt eine Befragung von Hauptschüler/innen über deren Vorbilder in der Kinder- und Jugendliteratur vor.

Ein Herzstück des Buches stellt jenes Kapitel dar, in dem sieben Kriterien für die Auswahl von Kinder- und Jugendbüchern, die eine Demokratisierung der Geschlechterverhältnisse unterstützen können, vorgestellt werden.
Schlüsselelemente sind dabei die Begriffe "Bindung", "Respekt", und "weibliche Autorität".

Mit 18 positiven Beispielen aus der Literatur werden die Kategorien (Bindung in einer Beziehung zwischen zwei männlichen Personen, weibliche Autorität in einer Beziehung zwischen einer weiblichen und männlichen Person, Respekt in einer Beziehung zwischen zwei weiblichen Personen,...) anschaulich präsentiert.

Am Ende wird in einer Liste von 270 analysierten Kinder- und Jugendbücher angeführt, welche der Kategorien in dem jeweiligen Buch vorkommen. Unbedingt empfehlenswert für Deutschlehrer/innen und Personen, die gerne Kinder- und Jugendbücher an Mädchen/Buben verschenken (oder selber lesen)! Und eine gute Anregung, über die eigenen Lesevorbilder nachzudenken!
(Renate Tanzberger)




Nissen Ursula: Kindheit, Geschlecht und Raum. Sozialisationstheoretische Zusammenhänge geschlechtsspezifischer Raumaneignung.
259 Seiten, Juventa Verlag, Weinheim/ München 1998 EUR 20,10

Wie erfolgt im Zuge des Sozialisationsprozesses die Verbindung von Aneignung der sozialräumlichen Bedingungen mit der Entfaltung der individuellen Persönlichkeit?

Auf der Grundlage der ausführlichen Präsentation von Konzepten zur (geschlechtsspezifischen) (politischen) Sozialisation versucht die Autorin die Frage nach der Mitwirkung des eigenaktiven autonomen Subjekts an seiner eigenen Sozialisation zu klären.

Nach einer geschlechterdiffenzierenden Analyse der Begriffe Raum, Öffentlichkeit und politische Partizipation von Mädchen und Frauen folgert Ursula Nissen: Sozialisationsprozesse im Sinne positiver Aneignung der öffentlichen Freiräume sind für Mädchen grundsätzlich erst dann möglich, wenn die sich im öffentlichen Freiraum ausdrückende sexuelle Mißachtung von Mädchen (und Frauen), ihre Degradierung zum Objekt durch Belästigung, Anmache und Gewalt verschwunden ist und Mädchen sich ungehindert, unbeaufsichtigt und ohne Bedrohung in diesen Räumen bewegen können.

Wer daran interessiert ist, sich (wieder) intensiver mit Sozialisationstheorien und daraus abgeleitet den Bedingungen und Voraussetzungen für die Beteiligung von Mädchen und Frauen in öffentlichen Räumen auseinanderzusetzen, um für die eigenen Arbeitsbereiche Anregungen zum Weiterdenken zu erhalten, derjenigen ist dieses Buch zu empfehlen - schnelle Rezepte zur Umsetzung in der Praxis bietet es nicht.
(Claudia Schneider)




Pipher Mary: Pubertätskrisen junger Mädchen und wie Eltern helfen können. Übersetzt von Bruni Röhm und Almuth Carstens.
400 Seiten, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M. 1999 EUR 9,80

Die Autorin, us-amerikanische Psychologin und Psychotherapeutin, behandelt in ihrem Buch die Phase der Adoleszenz von Mädchen und damit einhergehende Krisen wie Depressionen, Neurosen, Eßstörungen, Suchtverhalten, aber auch ganz alltägliche Probleme von Mädchen in der Pubertät.

Die Ursachen dafür sieht sie in den widersprüchlichen Rollenerwartungen, dem Druck der herrschenden gesellschaftlichen Strukturen, unter dem die Mädchen “ihr authentisches Selbst ablegen und nur einen kleinen Teil ihrer Fähigkeiten entfalten”.

Vor allem durch die Analyse von sexistischen, alltäglichen Frauendarstellungen in Werbung, Film, Video-Clips oder Song-Texten - der medialen Umwelt der Mädchen - macht sie diese und die Leserin sensibel für mädchen- und frauenverachtende Kultur: ‘lookism’ (d.h. die Beurteilung einer Person einzig nach ihrem Äußerem) wird ebenso problematisiert wie z.B. Diskriminierungserfahrungen von Mädchen durch männerorientierte Lehrinhalte in den Schulen und die herrschende Koedukationspraxis.

In den exemplarischen Fallgeschichten werden Mädchen mit unterschiedlichsten Erfahrungen vorgestellt, z.B. ein Adoptivmädchen, ein lesbisches Mädchen, Töchter alleinerziehender Mütter oder Väter.

Es ist kein psychoanalytisch-theoretisches Buch. Für die Leserin ist es allerdings in der Fülle von Einzelbiographien schwierig, den roten Faden zu behalten.
Die Autorin vermittelt die Notwendigkeit der Empathie sowohl für die Mädchen als auch für die Eltern, v.a. die Mütter, um einen Prozeß begleiten zu können, in dem Mädchen sich “ihr wahres Selbst erhalten” und eine “Identität, die auf ihren Talenten oder Interessen basiert und nicht auf ihrem Aussehen, ihrer Beliebtheit oder ihrer Sexualität”.
(Claudia Schneider)

 



Rendtorff Barbara, Moser Vera (Hginnen): Geschlecht und Geschlechterverhältnisse in der Erziehungswissenschaft.
327 Seiten, Leske + Budrich, Opladen 1999 EUR 25,60

Geschlecht war in der Pädagogik immer schon ein relevantes Thema. Liest frau z.B. die Schriften von Rousseau und Pestalozzi, finden sich dort unterschiedliche Erziehungsideale für Mädchen und Burschen.

Das Geschlechterverhältnis ist von Natur aus ein hierarchisches und die Geschlechtscharaktere von Frau und Mann sind als polare zu denken - und danach wird auch die Erziehung ausgerichtet.
Dem stehen die Forderungen der 1. Frauenbewegung nach Gleichstellung und Zugang zu "höherer" Bildung gegenüber - wobei manche Richtungen auf die wesenhaften Unterschiedlich-keiten von Frau und Mann beharrten.

Heute ist dieses Thema nach wie vor aktuell, neue Sichtweisen sind hinzugekommen: sind Frauen und Männer gleich oder different, sind Mädchen/Frauen defizitär oder die besseren Menschen, wie/lassen sich Gleichheit und Differenz zusammendenken, sollte die Zweigeschlechtlichkeit nicht prinzipiell als konstruiert entlarvt werden,...?

Der Sammelband bietet - für an Theorie Interessierte - eine gute Einführung zu "Geschlecht als Kategorie", er bemängelt, wie wenig sich die moderne Erziehungswissenschaft dem Thema bis jetzt gestellt hat und zeigt, wie Geschlechterforschung in verschiedene Teildisziplinen Eingang finden könnte.
(Renate Tanzberger)