H o m e | L i s t e n | O r d e r | C o n t a c t | L i n k s | B o r i s | C o m m u n i t y |

BISON ´RAVI 

Zufälligerweise kam ich am 10.März 1920 auf die Welt, und zwar an der Pforte einer Entbindungsklinik, die wegen Streik geschlossen war. Meine Mutter war damals schwanger von den Werken Paul Claudels (seit jener Zeit kann ich ihn überhaupt nicht ausstehen), und zwar im dreizehnten Monat, und konnte das Konkordat nicht abwarten. Ein frommer Mann der Kirche, der zufällig vorbeikam, hob mich auf und legte mich gleich wieder hin: ich war tatsächlich sehr hässlich (von dieser Zeit an habe ich meine wohlbekannte Weihwedelphobie). Zum Glück nahm mich dann eine hungrige Wölfin, die gerade Pierre Hervé zur Welt gebracht hatte (ich bin also genauso alt wie er, was vollkommen mit Einsteins relativen Gleichzeitigkeitstheorien übereinstimmt), unter ihre Fittiche und gab mir zu trinken. Ich wurde stark und klug, blieb jedoch weiterhin so hässlich, obwohl mich eine zwar uneinheitliche, aber doch üppig entwickelte Haarpracht zierte. In der Tat sah mein Kopf aus, wie der von der Nike von Samothrake.
Mit sieben Jahren kam ich auf die École Centrale und drei Jahre später, 1942, ging ich wieder von ihr ab, total verunsichert von der Hydrodynamik des Unterrichts von Monsieur Bergeron. Damals konnte ich nicht ahnen, dass zwölf Jahre später, im Jahr 1946 ... Aber wir wollen nicht vorgreifen.
1938 trat ich dem Studium der BON BON TROMPETE näher, und ich fing an wie Armstrong zu spielen, aber ich gab es rasch wieder auf, damit er nicht brotlos würde: aufgrund der Rassenvorurteile hätte ich ihn glatt ausgestochen mit meiner knalleffektsicheren taufrischen Hautfarbe. Im Jahr 1941, exakt am 18.April, begegnete ich dem berühmten Claude Abadie, derzeit Leiter der Compagnie de Suez, herausragendes Mitglied der Synarchie und Klarinettenspieler. Er nahm mich unter seine Fuchtel, und dank unserer fruchtbaren Zusammenarbeit gewann das Orchester Claude Abadie 1945 verschiedene internationale Preise, trotz Anwesenheit des in seinen Reihen unerwünschten Claude Léon , eines schamlosen Opiumrauchers und Gelegenheitsmörders (der vorgibt, wirklich ein Diener der Gerechtigkeit zu sein).
Ganz plötzlich veränderte sich mein Aussehen, und ich fing an, Boris Vian zu gleichen, daher mein Name. Ohne weiter in die Einzelheiten zu gehen, sei nur kurz erwähnt, dass ich irgenwann einmal in meinem Leben dreieinhalb Jahre bei der Association Francaise de Normalisation verbrachte, die mittlerweise durch einen Brand zerstört wurde, den Jacques Lemarchand sorgfältig in eckigen Klammern versteckt hatte. Raymond Queneau begegnete mir beim Angeln, was ich nicht tue, und schlug mir, von meinem Drive ganz hingerissen, einen Testgalopp vor. Was ich prompt befolgte. Der Rest gehört der Zeitgeschichte an.
Barfuss bin ich ein Meter sechsundachtzig gross, ich wiege genug, und vor allem schätze ich die Werke von Alfred Jarry, das VÖGELN und meine vielgeliebte Gattin. Nicht zu vergessen, aber danach: die New-Orleans-Musik, Duke Ellington, Lana Turner, Ann Sheridan, die Symphonien für Doppelglocke und Petrolwagenorchester des Commodore W. Spotlight, die Ölmalerei, die ich mit seltenem Glück betreibe, der Schnurrbart meines hochverehrten Jean Rostand, die Mädchen vom Jazz-Club der Universität (besonders eine Blonde im grünen Kleid ... doch lassen wir das), der Two-Beat (das ist keine sexuelle Anspielung) und die Mutter Chaput, ich hasse Paul Claudel (ich hab´s schon gesagt, aber ich sag´s halt gern und deshalb hab ich auch nie etwas von ihm gelesen), den >Grossen Meaulnes<, Alain (nicht meinen Bruder, der ein ganz irrer Typ ist) Péguy, die Jazzvioline, wie sie eben die Franzosen so spielen, die Werke der Einbildung, Lügen und kleinformatiges Zeug, >Iwan der Schreckliche<, Leonard Feather, Edgard Jackson, den >Diktator<, Dumont d´Urville*, Monsignore Suhard, den Papst, Barbotin, den mag ich.
Nicht mag ich flache Brüste (bei Frauen), ENDIVIENSALAT und Scheisse, ausser wenn sie gut angemacht sind. Ich suche eine Fünfzimmerwohnung mit allem Komfort. Ich habe ein bewegtes Leben geführt, doch ich fange gerne nochmal von vorne an. 

*Ich übertreibe. Im Grunde ist mir der völlig egal.

BORIS VIAN, 20.6.1946