5.11.1.1 E-Wahl des Spitzenkandidaten
Im Juni 1992 führte die kanadische Nova Scotia Liberal Party die Wahl eines neuen Spitzenkandidaten auf Provinzebene unter Anwendung eines Telefonwahlsystems durch (Becker, 1993a). Während der Parteiversammlung in Halifax wurde allen registrierten Mitgliedern erlaubt, unter zuvor zugewiesener PIN-Nummer eine Stimme abzugeben. Dieses Experiment wurde zunächst durch einen Software-Fehler der Entwickler Maritime Telephone and Telegraph zwei Wochen verzögert. Anschließend funktionierte das System fehlerlos, mehr als 7000 Bürger von Nova Scotia gaben ihre Stimme ab. Die Teilnehmerzahl stieg in Relation zu konventioneller Beteiligung um das Vierfache (Grossman, 1995, Becker, 1993a). Zwischen 1992-94 experimentierte der US-Staat New Mexico mit einem ähnlichen Telephonwahlsystem, das von Sandia National Laboratories entwickelt wurde. 1992 durften die Teilnehmer ihre Stimme zur Präsidentenwahl abgeben.
"The 1992 experiment allowed televoters to cast their choice for president via their phones. Who won? According to The Albuquerque Tribune: "The real winner of last week´s experiment was the proof that voting by phone works" (Becker, 1993a, S. 19).
5.11.1.2 Informations- und Wahlkampfdienste
Am 4. Oktober 1994 ging die California Voter Foundation (http://www.calvoter.org/ 2000/index.html) mit über 300 Dateien ans Netz, die Informationen über die Kandidaten der regionalen und vor allem lokalen Wahlkämpfen in Kalifornien enthielten. Für die Wahlen 1996-2000 bot die CVF noch mehr Informationen über die einzelnen Kandidaten an, die für den Durchschnittsbürger auf anderen Wegen nur schwer erreichbar waren (z.B. die Spendeneinnahmen der Kandidaten) (Hagen, 1997, S. 42).
5.11.1.3 Weitere ausgewählte Projekte
Tabelle 5.20: Ausgewählte Projekte der kompetitiven
E-Demokratie.
Projekt | Instrumente | Beteiligung | Beschreibung | Erfolgreich |
Party of Arizona Presidential Primary 2000 (Becker/Slaton, 2000) |
W1 | Wahlen | Präsidentschafts-Vorwahlen;
Beteiligungssteigerung um Faktor 3 gegenüber 1996 durch E-Wahlen; Beteiligungssteigerung um 600% durch Kombination von Briefwahlen und E-Wahlen; |
Ja |
Wahlen im Internet
Osnabrück, 2000 (Forschungsgruppe Internetw@hlen, 2000) |
W1 | Wahlen | Internet-Wahl zum Studierendenparlament (verbindlich) | z.T. |
Iowa Municipal
Election Ohio, 1999 (VoteHere.net, 2000) |
W1 | Wahlen | Gemeinderatswahlen
(unverbindlich) |
Nein |
Okaloosa &
Sarasota County, Florida Mock Presidential Preference Primary, 2000
(VoteHere.net, 2000) |
W1 | Wahlen | Präsidentschaftsvorwahl;
High-School-Studenten von 10 Schulen (unverbindlich) |
Ja |
5.11.2 Praktische Beispiele zur pluralistischen E-Demokratie
5.11.2.1 Parteien und Verbände
Die Erhebung einer Reihe zentraler Informationselemente
im Herbst 1998 (Deutschland) zeigt, daß Parteien und Interessensverbände
ihre WWW-Angebote durchgängig als Medium der Selbstdarstellung und
der aktuellen Information begreifen (Kaiser, 1999). Die Mehrheit der Parteien
und Verbände informiert über Pressemitteilungen, Beschlüsse,
Reden und Interviews ihrer Funktionäre. Die WWW-Präsentationen
der Parteien und Verbände dienen vorwiegend der Information und dabei
besonders der Vermittlung zentraler Positionen der jeweiligen Organisation.
Nur in Einzelfällen findet man Computer-Konferenzen (Live) und E-Umfragen.
Eine große Themenvielfalt zeigten die WWW-Präsentationen der Parteien
und Verbände nur im Rahmen der Diskussionsforen (Kaiser, 1999, S. 189).
Tabelle 5.21: Anwendungen der IKT.
SPD | CDU | FDP | Grüne | PDS | BDI | BDA | DAG | DBB | DGB | |
E-Mail
Diskussionsforen Computer-Konferenzen E-Umfragen Chat |
X X X - - |
X X X - - |
X X - - - |
X X - - - |
X X - - - |
X
- - - - |
X - - - - |
X X - - - |
X X X X - |
X - - - - |
Tabelle 5.22: Informationselemente in WWW-Angeboten.
SPD | CDU | FDP | Grüne | PDS | BDI | BDA | DAG | DBB | DGB | |
Selbstdar- Stellung Pressemit- Beschlüsse Reden/Interviews Dokumente Magazine/ Mitglieder- Mitglieder- Termine |
X X X X X - X X X |
X X X X X X X X - |
X X X X X X - X X |
X X X X X X X X X |
X X X X X X - X X |
X X X X X X - - X |
X X X X X X - - - |
X X - - - - X X - |
X X X - X X X X X |
X X X - X X - - X |
5.11.2.2 E-Parlament (Deutscher Bundestag)
Der deutsche Bundestag hat seit Januar 1996 ein reichhaltiges Web-Angebot (Kubicek/ Hagen, 1999). Dazu gehören u.a.:
Verantwortlich für das Angebot sind die Referate Öffentlichkeitsarbeit und Online-Dienste/Parlamentsfernsehen. Der Deutsche Bundestag überträgt (in den Sitzungswochen) die Debatten aus dem Plenum Live im Internet.
5.11.2.3 weitere ausgewählte Projekte
Tabelle 5.23: Ausgewählte Projekte der pluralistischen
E-Demokratie.
Projekt | Instrumente | Beteiligung | Beschreibung | Erfolgreich |
Electronic Petition Drive
(1994) (Hagen, 1997)
|
PA3 | Politische Aktivität | Petition gegen Gesetzesinitiative
ClipperChip durch Interessengruppe Computer Professionals for Social Responsibility (CPSR) |
z.T. |
„An dieser Stelle bleibt festzuhalten, daß der
Erfolg dieser ersten Web-Kampagnen noch relativ begrenzt ist. Die Anti-Clipper-Kampagne
bedeutete höchstens einen Teilerfolg, und war sicherlich nicht der
einzige Grund, warum die Clinton/Gore-Regierung ihren ersten Vorschlag zum
ClipperChip wieder zurücknahm“ (Hagen, 1997, S. 44).
5.11.3 Praktische Beispiele zur plebiszitären E-Demokratie
5.11.3.1 Qube
Das über einen Rückkanal verfügende interaktive 2-Wege-Pionier-Wahlsystem "Qube" wurde von Warner Communications Corporation entwickelt. Erste Experimente wurden in den frühen 70ern in Cincinnati, Pittsburgh, Dallas, St. Louis, und Houston Anfang der 80er abgehalten. Obwohl das Aufzeichnungssystem Qube keinen Einfluß auf den politischen Entscheidungsprozeß hatte, demonstrierte ein Experiment in Columbus (Ohio) die Potentiale eines E-Wahlsystems sowie die Bereitschaft der Bürger zur Teilnahme an politischen Prozessen. Jeder Nutzer des Warner-Amex-Kabelsystems hatte in den angeführten Orten die Option, Qube für eine geringe Abgabe zusätzlich zu den Kabel-TV-Gebühren einzusetzen. Für diesen Zusatzwert erhielt der Nutzer eine Blackbox mit mehreren Wahlmöglichkeiten per Knopfdruck. Allerdings wurde Qube hauptsächlich für kommerzielle Zwecke eingesetzt. Der Nutzer konnte per Knopfdruck präsentierte Güter und Dienste wählen, die ein externes Rechnersystem im Zeitintervall von sechs Sekunden registrierte. Zudem nahmen die Nutzer an Meinungsumfragen teil, deren Auswertungen sofort feststanden. Diese kontinuierlichen Feedback-Schleifen reflektierten aus meiner Sicht die erste Vorstufe zum technologischen Durchbruch eines mit dem interaktiven Fernsehen kombinierten E-Wahlsystems.
Ein Qube-Pilotprojekt fand im Rahmen von Planungsaufgaben in einem Vorort von Columbus (1981) statt. Vorher fanden öffentliche Anhörungen mit geringer öffentlicher Bürgerbeteiligung statt. Es wurde eine TV-Übertragung abgehalten, wobei die Bürger den Ausführungen der Planer zuhören konnten und sofort ihre Meinung durch Anwendung des Qube-Wahlsystems äußern durften. Durch die Qube-Anwendung stieg der Input im Vergleich zum alten Zustand um das Zehnfache (Becker/Scarce, 1986). Trotz dieser erfolgreichen politischen Applikation erzwangen ökonomische Gründe im Jahre 1984 die Einstellung eines langfristigen Planes zum flächendeckenden Aufbau eines Qube-Netzes mittels Satellitenverbindungen, welches eine größere Zahl amerikanischer Städte zusammenschließen sollte. Die Studien über Qube zeigen, daß sich zwischen 80% und 90% der potentiellen Anwender für die Nutzung entschieden, Interesse an politischer Feedback-Partizipation zeigten und willens waren, für die anfallenden Kosten eines E-Wahlsystems aufzukommen (Becker, 1981). Allerdings wurde QUBE auch kritisiert:
"Jean Beth Elshtain has written a critique of the QUBE system in which she argues that QUBE´s tactics of gathering instant opinion are merely "a compilation of opinions [that] does not make a civic culture; such culture demands a deliberative process in which people engage one another as citizens." She adds that QUBE "has nothing to do with promoting civic culture or rousing social conscience" [...]" (Slaton, 1992, S. 198).
5.11.3.2 weitere ausgewählte Projekte
Tabelle 5.24: Ausgewählte Projekte der plebiszitären E-Demokratie.
Projekt | Instrumente | Beteiligung | Beschreibung | Erfolgreich |
Kids Voting Ohio Election, 1999 (VoteHere.net, 2000) | W1, A2 | Wahlen Abstimmungen |
Personalentscheide
Sachentscheide (unverbindlich) |
Ja |
Citizens Enquiries
Of Hoogvliet, 1993 (Van Dijk, 1996)
|
W1, A2, I1 | Wahlen Abstimmungen Information |
Personalentscheide
Sachentscheide Information über Kommunalpolitik |
Nein |
5.11.4 Praktische Beispiele zur republikanischen
E-Demokratie
5.11.4.1 Minerva-Kommunikationsbaum
Konsensbildung durch Kommunikationsbaum
In einem erfolgreichen Feldversuch testeten Etzioni, Kenneth
Laudon und Sara Lipson Minerva (1973) - weit vor der Etablierung der öffentlichen
Nutzungsmöglichkeiten des Internets (Etzioni/Laudon/Lipson, 1975). Die
über 10000 Mitglieder starke Frauenorganisation League of Women Voters
aus New Jersey nahm freiwillig am Experiment teil. Einmal pro Jahr entscheidet
diese Organisation über prioritäre Themen. Die Mitglieder sind über
ein weites geographisches Gebiet verteilt - ein entscheidendes Hindernis
zur aktiven Konsensbildung. Innerhalb der Gesamtorganisationen entstanden
Tendenzen in Richtung Oligarchie, da defizitäre Kommunikationsflüsse
zwischen der Landeszentrale und lokalen Organisationen auftraten. Die Entscheidungsprozesse
der Landeszentrale vollzogen sich praktisch ohne Mitwirkung ihrer Mitglieder.
Bei den Landesversammlungen wurden oft die Vorschläge der Zentrale von
den Präsidentinnen lokaler Einheiten ohne ausreichende Diskussion ratifiziert,
da diese ohne Kenntnis der Positionen ihrer lokalen Kolleginnen verhandelten.
Außerdem hatten sie vor der Landesversammlung keine Zeit und Gelegenheit,
Zustimmung zu ihren Positionen zu mobilisieren.
Das Minerva-Experiment begann in den 96 lokalen Organisationen, in denen die Mitgliederinnen über die Prioritäten der Liga diskutierten und ihre Einstellungen ihrer jeweiligen Präsidentin mitteilten. Mit einer telephonischen Konferenzschaltung wurde Minerva nur auf einer Ebene, nämlich zwischen den räumlich verteilen Präsidentinnen abgewickelt. Die Telefonkonferenz bildete somit eine mittlere Schicht zwischen lokalen Organisationen und der Landesversammlung sowie eine Gelegenheit zum Dialog und Konsensbildung vor/nach den Landesversammlungen.
Die lokalen Präsidentinnen diskutierten via Telephon-Konferenzschaltung über ihre Prioritäten und vermittelten die Ergebnisse wiederum ihren lokalen Mitgliederinnen. Insgesamt nahmen 94 Präsidentinnen an einer, zwei oder allen drei Telekonferenzrunden teil, wobei die minimale Gruppengröße 6 Personen und die maximale Gruppengröße 12 Personen betrug. Außerdem wurden über 5000 Interviews durchgeführt, um den erzielten Konsensgrad zu bewerten.
Jede Präsidentinnen-Diskussionsrunde entschied über eine Rangordnung der Prioritäten und Strategien, um die Konsensposition vor der zentralen Führung mit einer Stimme zu vertreten. Nach dreimaliger Wiederholung der Diskussion zwischen den Mitgliederinnen und Präsidentinnen, Präsidentinnen und Präsidentinnen, Präsidentinnen und Mitgliederinnen, wählte jede lokale Organisation zwei bis drei Repräsentantinnen für die Landesversammlung aus, welche die Standpunkte und Präferenzen auf dieser dritten Ebene vertraten.
Die lokalen Präsidentinnen bestätigten die Einfachheit der Partizipation und Herstellung des Gruppenkonsenses, der unter früheren Bedingungen nicht existierte.
"A survey established that the members were highly satisfied with the results. Every member was able to participate in the decision-making process, and yet the elected representatives were free, within an area indicated by those who elected them, to work out a league-wide consensus" (Etzioni, 1992, S. 38).
5.11.4.2 Community Networks
Bei den Community Networks liegt das Schwergewicht bisher
noch auf den Dimensionen Information und Diskussion (Kubicek/Wagner, 2000,
S. 4).
PEN
In der City of Santa Monica wurde im Februar 1989 das städtische
Informations- und Kommunikationssystem Public Electronic Network (PEN) in
Betrieb genommen. Ziel von PEN war die Schaffung eines öffentlichen Forums,
um dadurch die aktive Mitarbeit der Bevölkerung innerhalb der Community
zu fördern und zu unterstützen (republikanisch). PEN wurde regelmäßig
von 300 Mitgliedern benützt (400-600 Mitglieder in den Anfangsjahren)
(Dutton, 1996). Der Zugang zu PEN war für alle Bürger der Stadt
frei (auch über Bibliotheken sowie an öffentlichen Orten aufgestellten
Terminals für Nicht-Computerbesitzer). Von den 86 905 Einwohnern Santa
Monicas waren 1996 etwa 7000 registriert (10% der Haushalte). Das PEN-System
bot Möglichkeiten der Abrufung von Informationen (Information Retrieval),
der Kommunikation zwischen Bürgern und Mitgliedern der Verwaltung sowie
zwischen Bürgern untereinander (E-Mail, Computer-Konferenzen), und der
Abwicklung von Anträgen (Transaktionen, beispielsweise konnte die Erneuerung
einer Geschäftslizenz elektronisch beantragt werden). Zu den Erfolgen
des PEN zählte auch das über das System initiierte Projekt "Shwashlock"
(Showers, Washers, Lockers): Durch die Diskussion von Obdachlosen mit "wohnenden"
Bürgern konnte die Errichtung von Dusch-, Wasch- und Schließfachmöglichkeiten
bewirkt werden (politische Aktivität). Die Diskussionsforen zu lokalen
Themen hatten anfänglich eine wegweisende Eigenschaft. Doch schäumten
die Emotionen bei den Diskussionen in den ersten Jahren oft über und
fügten dem Image des PEN Schaden zu. Die politischen Diskussionen haben
stark unter Beschimpfungen und den verbalen Ausfällen einiger Teilnehmer
gelitten. Dadurch wurde langfristig die aktive Teilnahme von Opinion Leaders
abgeschreckt. Die Diskussionsforen haben damit an Attraktivität verloren
(Dutton, 1996). Heute ist PEN z.T. in ein WWW-basiertes Informationssystem
eingegliedert und als langfristiges Experiment politisch gescheitert: Es
hat heute einen völlig anderen Charakter und will vor allem Touristen
und die lokale Wirtschaft mit Informationen versorgen (Kubicek/Wagner, 2000,
S. 36).
Erfreuten sich die „Free-Nets“ mit dem Aufkommen des Internets anfänglich noch steigender Beliebtheit, sind sie mittlerweile auch in die Krise geraten (Kubicek/Hagen, 1999, S. 9). Kommerzielle Provider wie AOL u.a. sind billiger und verfügen vordergründig auch über die attraktiveren Inhalte, um die größere werdende Online-Gemeinde an sich zu binden.
5.11.4.3 Electronic Town Meeting in Reading
ESVen ohne Abstimmungen
Ein empirischer Beweis für soziale Integrationsfähigkeit
kommunitärer ESVen ist ein Pionierprojekt der National Science Foundation
und des Alternative Media Center der New York University, das 1976 in der
Gemeinde Reading im Bundesstaat Pennsylvania initiiert wurde.
Das Pilotprojekt verfolgte zunächst das Ziel, die soziale Isolation älterer Bürger durch Anwendung des interaktiven Fernsehens zu überwinden. Drei Pflegeheime wurden mit Kameras und Videogeräten ausgestattet und durch ein 2-Wege-Kommunikationsnetz miteinander verbunden. Die Senioren konnten so ihr eigenes Programm produzieren. Zudem wurden in 125 privaten Wohnungen älterer Bürger spezielle Konverter installiert, die den Empfang von Kabelprogramm-Formaten ermöglichten und Rückantworten via Telephon unterstützten. Obwohl der Pilotprojektplan der New York University ursprünglich keine politischen Ziele enthielt, entwickelten die Senioren eigenständig den Vorschlag, ESVen mit den lokalen Repräsentanten abzuhalten. In der Folge setzte eine intensive politische Mobilisierung der gesamten älteren Bürgergemeinschaft in Reading ein. Nach 30 Monaten endete das Pilotprojekt, doch das Verlangen nach kommunitärer Beteiligung griff auf die gesamte Bevölkerung über. Berks Community Television (BCTV) stellte den Bürgern daraufhin ein interaktives Videokommunikationssystem zur Abhaltung von ESVen bereit (Abramson/Arterton/Orren, 1988, Slaton, 1992). Bis heute (BCT, 2000) werden damit Versammlungen zur Haushalts- und Gemeindeentwicklung durchgeführt und in der Gemeinde Live übertragen. Die Bürger können an Fernsehdiskussionen mitwirken, indem sie Nachbarschaftsräume mit ausgestatteten Fernsehkameras aufsuchen, oder per Telefon anrufen, wobei deren Aussagen aufgezeichnet werden. Allerdings werden E-Abstimmungen in den ESVen nicht eingesetzt.
Vor der Einführung von BCTV lag die durchschnittliche Teilnehmerzahl zwischen 2 oder 3 Personen. An der ersten interaktiven ESV nahmen über 50 Bürger teil, die ihre Inputs zum Budget entweder vom Wohnsitz und von den vernetzten Nachbarschaftsräumen abgaben. Im Rahmen der elektronischen Gemeindeversammlung dürfen Bürger Ideen und Alternativen kommunizieren, Vorschläge der Gemeinde ablehnen, Fragen - z.B. nach mehr Information - stellen.
Eine weitere Eigenschaft des Experiments war die Mitwirkung älterer Bürger an allen Stufen der Planung ihrer eigenen ESVen. Sie durften die Tagesordnung entscheiden sowie an der Versammlung teilnehmende Politiker und Experten eigenständig selektieren (Wahlen), Fragen stellen und Kommentare abgeben (Abramson/Arterton/Orren, 1988, S. 183).
Die Bürger konnten durch ihre Präsenz in den vernetzen Nachbarschaftsräumen an der interaktiven Videokonferenz teilnehmen, bei welcher eine Split-Screen-Technik eingesetzt wurde. Dadurch wurden die Bürger gleich in die öffentliche Diskussion integriert und konnten Problemlösungen erarbeiten. Die kommunalen Politiker akzeptierten die Bürgerbeteiligung und traten sogar für den weiteren Ausbau des Systems ein.
Diese Fallstudie zeigt, wie durch die emanzipatorische Nutzung des interaktiven Fernsehens Passivität und Apathie – eine inhärente Logik konventioneller Massenmedien – überwunden werden kann. Außerdem stellten externe Beobachter durch Befragungen fest, daß ESVen den Bürger einen Raum zur Hinterfragung bereitstellten.
"Participants in the Reading experiment reported to field observers that the ability to question city councilors led them to take a more active interest in the doings of the council and gave them a sense that their participation could make a difference" (Abramson/Arterton/Orren, 1988, S. 183).
Barber sieht in diesem kommunitären Projekt ein empirisches Musterbeispiel zur Überwindung des Größenproblems und für einen demokratischen Technologieeinsatz (Slaton, 1992). BCTV und weiterführende Aktivitäten zeigen positive Effekte der ESVen für die kommunitäre Demokratie und fördern eine höhere Bürgerbeteiligung. Arterton´s Studie hat sowohl für die Bürger als auch für die Regierenden qualitative Verbesserungen der Partizipation nachgewiesen (Arterton, 1987). Zunehmend entwickelten die Bürger ein qualitatives Verständnis über die Funktionalität der Stadtregierung. In der Anfangsphase des Projektes (1976) zeigten die Bürger eine mangelnde Kenntnis über die Zuordnung von Kompetenzen zu Gemeindeinstitutionen und stellten überdies Fragen über Dienstleistungen, die außerhalb des Einflußbereiches der Stadtregierung angeboten wurden. Der ESV-Prozeß steigerte kontinuierlich deren Wissen über die Aufgabenbereiche der Regierung. Überdies stellten die Bürger zu den Diskussionsthemen logische Fragen - somit läßt sich ihre analytische und systematische Vorgangsweise empirisch belegen. Aufgrund des Direktkanals zum Bürger konnten auch die Repräsentanten ihren Wissenstand erhöhen. Bei einigen Regierenden wurden auch eine mangelhafte politische Kompetenz und ein unzureichendes Problemverständnis nachgewiesen. Durch kommunitäre Prozesse nahm die Ignoranz der Politik gegenüber Themen und Aufgaben ab. Die Politiker handelten responsiver gegenüber bürgerlichen Bedürfnissen. Die Evaluation von Arterton führt zu den nachstehenden Schlußfolgerungen:
"BCTV has improved the accountability of local officials to those whom they serve... BCTV has exposed city government to real concerns of the people" (Arterton, 1987, S. 81).
Nach den Angaben des Bürgermeisters wurde die Bevölkerung mit der Arbeit der kommunalen Regierung und den Realisierungsgrenzen des Politischen besser vertraut, wodurch deren Zynismus über Folgen lokaler Politik zurückging (Slaton, 1992).
Zwischen Repräsentanten und der Öffentlichkeit wird gegenwärtig ein wöchentlicher Dialog abgehalten (BCT, 2000, Slaton, 1992, S. 109). Sobald eine Krise in der Gemeinde auftritt, findet sofort eine ESV statt, wobei meistens eine große Teilnehmerzahl vom Wohnsitz oder den Nachbarschaftsräumen partizipiert (Slaton, 1992). BCTV ist damit ein langfristig erfolgreiches Projekt.
„In our evolution from experimental two-way TV to a community media center, Berks Community Television has grown to become the source for local information and media services in Berks County, PA. BCTV is cablecast to more than 102,000 homes in Berks County on AT&T Cable Services and Service Electric Cablevision. The mission of BCTV is to enhance the unity and strength of the community by providing: a medium for community dialogue and educational opportunities, a source of information of local, national, and international origin, a forum for the exchange of ideas on issues and topics of community interest...
The City of Reading's Municipal Access Channel (MAC) provides a unique connection between citizens and local government, offering an unfiltered source of information. Through the combination of live televised City Council meetings and workshops, Planning Commission and Zoning Hearing Board meetings, live call-in programs with elected officials and city employees, videotaped programs and video bulletin board, citizens have access to information about all city departments, bureaus and services“ (BCT, 2000).
5.11.4.4 Legislatives Telekonferenznetz
Deliberation bei Gesetzgebung zwischen Legislative
und Bevölkerung
Ein staatliches Large-Scale-Experiment einer EV begann 1977
in Alaska und diente der Erhöhung der bidirektionalen Kommunikation
zwischen der Bevölkerung und der Legislative auf Staatsebene. Das Pilotprojekt
startete mit einem interaktiven Komitee-Hearing, welches über staatliche
Radio- und TV-Sender ausgestrahlt wurde, wobei jeder Bürger durch Nutzung
gebührenfreier Telefonnummern mitwirken durfte. Nach dem Erfolg des Pilotprojekts
wurde das legislative Telekonferenznetz eingeführt (Legislative Teleconferencing
Network (LTN), 1977). Im Anfangsstadium sendeten drei Telekonferenz-Center
im Umkreis der Hauptstadt Juneau, später expandierte das System auf über
60 Einheiten, die landesweit verteilt wurden. Das System förderte nicht
nur die Beteiligung der Bürgerschaft, sondern erleichterte die Forschungsaufgaben
der Legislative und der Repräsentanten, die kostengünstig Informationen
von Experten und Bürgern erhielten. Obwohl LTN durch die aktive Bürgergesellschaft
mit Begeisterung aufgenommen wurde, zeigten aber einige Gesetzgeber wegen
der erhöhten öffentlichen Kontrolle und Überwachung der Gesetzgebung
anfänglich geringere Zustimmung. Nichtsdestoweniger akzeptierte die
Legislative das System. Die Stimmen der Bürger von Alaska wurden im
politischen System verstärkt zum Ausdruck gebracht.
Arterton´s Studie belegte eine Zunahme der politischen Motivation der Bevölkerung. Im Zeitraum 1981 bis 1984 stieg die Anzahl der jährlichen Telekonferenzen von 412 bis auf 715 und die TV-Auftritte der Bürgerschaft von 8745 auf 17661 (Abramson/ Arterton/Orren, 1988, S. 174). Wegen der hohen Beteiligung mußte der Systemoperator neue Kommunikationsregeln zur gleichmäßigen Verteilung der Sendezeit von konkurrierenden Gruppen und Einzelpersonen einführen. Die Studien zeigten eindeutig, daß die Bürger in der Legislative mitwirken wollten und der Gesetzgeber fürchtete Reaktionen der Bürgerschaft, wenn diese einmal vom Gesetzgebungsprozeß ausgeschlossen werden sollte (vgl. Arterton, 1987, S. 82).
"As in Reading, Pennsylvania, Arterton´s Study concludes that the LTN "has exerted an important influence on government accountability of Alaskan politics." It also has increased the sophistication of citizens and produced the same understanding of government and complexity of issues that BCTV programming has produced over time" (Slaton, 1992, S. 111).
LTN ist gegenwärtig in Betrieb (LIO, 2000) und damit als langfristiger Versuch erfolgreich. Das System wurde sogar u.a. um 22 landesweit verteilte Informationscenter (Legislative Information Offices (LIO)) erweitert.
"The LIOs distribute a wide range of data on legislative records, documents, schedules and events. In Alaska's smaller communities, the LIOs also serve as resource centers for information on the executive and judicial branches and the federal government" (LIO, 2000, S. 1).
Zur Zeit werden 4 Typen von Telekonferenzen angeboten:
5.11.5.0 Alternatives for Washington (1974-76)
"One of the first and most extensive projects aimed at involving citizens in major public planning is Alternatives for Washington (AFW), which ran for two years in the state of Washington. Not only did this pioneering effort link citizens with government, but it was sponsored and funded by the Washington governor's office during Gov. Dan Evans's tenure. Its goal was to involve as many Washington citizens as possible in a process of identifying the major problems the state needed to address and determining the preferred alternative futures to guide state policy. Strong support for participatory democracy came from the state's top official when Governor Evans initiated the program with the statement:
"Our future need be imposed neither by the personal interests of an elite nor the impersonal force of history. It can be determined by all of the people of the state if they are willing to ... devote the effort to the task.... I believe the citizens of this state can, in an orderly and rational manner, determine their future and assure such a privilege will also be available to generations to come".
The project was separated into two phases. The first year's processes sought to portray various future scenarios for the state of Washington and the preferred policies of each of those futures. The second year's processes evaluated the pros and cons of the various policies selected in the first phase.
There were many ways that this project recruited citizens from all walks of life to participate in it, to educate those involved, and to generate and expedite interaction between them. For example, the project included contributions from the state's major newspapers and public television. Activities ranged from small, face-to-face group discussions to thousands of individuals responding to a questionnaire from the privacy of their own homes.
Components of the project, which were tightly coordinated and well integrated, included: (1) a statewide task force of 150 individuals, selected from 4,000 nominees, to oversee the project and to identify the alternatives from the information obtained from the public. A strong emphasis was placed on choosing members of the task force who would be closely "representative" of the population in socioeconomic status, geographic distribution, race, and profession. (2) A Delphi questionnaire was conducted in a three-part series with 2,500 citizens participating to determine trends within and outside of Washington and to judge their effects on the state. (3) Area-wide conferences took place in ten areas of the state and were comprised of 150 to 200 citizens (selected by the governor) to supervise the work of the task force so as to prevent it from becoming too centralized and removed from those they supposedly represented. (4) Television programming sought to educate the public on the evolution of the process and to obtain substantive feedback through call-ins. (5) Newspapers statewide featured lengthy mail-in questionnaires that described 11 futures and asked citizens to respond with their own preferences. Over 26,000 responses were received. (6) Random sample telephone and mail surveys were sent to 6,000 citizens to gain a representative sample of the population's views to the questionnaire published in the newspapers. Two-thirds of those surveyed responded.
While there were many problems in the AFW project, including financial limitations, lack of involvement and support by the state legislature, and tensions between the governor and the legislature, the designers and organizers were able to directly involve over 60,000 Washington State citizens in the various activities. They concluded the program demonstrated that the people have the capacity to participate in the development of policy whether at the local, state, or national level. Criticisms can be and have been made of the failure of the project to prove that all or most citizens are eager to participate or express views when given the opportunity to do so. After all, the newspaper distribution was over a million—why did only 26,000 respond? At the same time, one could ask a different question: When is the last time over 60,000 citizens in any state responded to calls for participation in setting the future agenda for their state—whether the participation involves thinking through philosophical visions of one's future or responding to intensely debated questions of future public policy?
It was particularly interesting that in Washington so much participation
could be aroused even though the legislators were obviously ignoring the
project. After all, if a citizen is merely using a cost-benefit analysis,
what is the likely benefit of participation in a project in which his/her
"representatives" are either openly hostile or noticeably aloof?
There are no scientifically determined answers to these questions about
the Washington experience. However, the AFW results raise other questions.
What would have been the participation rate if (1) the legislature embraced
the project; (2) the results of the two-year project determined public policy;
and (3) resources and means were available to all those who desired to participate?
F. Christopher Arterton, who studied 13 "policy neutral," "teledemocracy" projects, criticized the AFW project for its unrepresentative samples and maintains that the participants did not necessarily reflect the views of the population at large. He cites the selection process for many of the groups as choosing those who are already politically active and aware and thus not including the views of the traditional nonparticipants. And even though much energy was spent on composing the task force group with emphasis on nonpartisanship and balance according to sex, age, race, and geographic areas, Arterton says the average income of the members was well above the median income of Washington residents. In spite of these criticisms, Arterton concedes that "involving 65,000 citizens in the public policy process is quite an accomplishment." In fact, it is estimated that a third of the state's 3.5 million residents were contacted in some way to discuss planning goals for the state. Such extensive citizen awareness and participation also had long-term impact. Many of those who got involved, Arterton's study concludes, "went on to further involvement with planning, state government, and citizen activism. Liaisons that developed among citizens, community leaders, and government officials lasted well beyond the life of AFW. And the value of public input was made apparent to both citizens and the government."
Some other impacts of the AFW project include: (1) AFW was viewed as
conveying the importance of controlled growth and conservation to citizens
who were not sensitive to these issues before the project. Several conservation
measures passed after the discussion of them in AFW. (2) There was a realization
that the media was willing to cooperate in providing substantive information
to the citizens and government on controversial issues. Many activists developed
very good relations with the media during and after AFW. (3) The local NBC
affiliate began to provide several programs dealing with local and national
issues and worked with the League of Women Voters and newspapers to publicize
the programs. (4) The transportation authority in Seattle began a cable television
program to provide information and seek call-ins from citizens. (5) Even though
the legislature was unfriendly and unreceptive to the project, Arterton's
study found "many of its recommendations subsequently worked their way into
state policy and the project legitimized innovative ways of gauging citizen
opinion to inform the policy process" (Slaton, 1992, S. 106-108).
5.11.5.1 American Discuss Social Security
EBV auf nationaler Ebene ohne Politiker mit Abstimmungen
Dieses einmalige Projekt einer nationalen amerikaweiten
EBV (1998-99), das Dr. Carolyn Lukensmeyer, Executive Director von America
Speaks, koordinierte, wurde von Pew Charitable Trusts ($12.5M) finanziert.
Das Konzept der EBV zielte darauf ab, eine große Bürgerzahl zur
komplexen Diskussion über das Thema Sozialhilfe zu motivieren. Die EBV
bestand aus den nachfolgenden Komponenten (Becker, 1999):
"The results of this first nationwide ETM were familiar... once again, American citizens disproved the media vision of them as being apathetic and unwilling to participate in complex issue discussions and problem solving" (Becker, 1999, S. 12).
Die Resultate gingen aber nicht in den Prozeß der nationalen Entscheidungsfindung ein.
5.11.5.2 Partizipatorischer Kommunikationsbaum (ETH)
Agenda-Setting durch Kommunikationsbaum mit Abstimmungen
Im Zeitraum von 1994-95 wurden unter der Leitung von Koen
(Koen, 1997) 12 weitgehend erfolgreiche Pilotexperimente absolviert.
Am 12. August 1995 um 9.45 a.m. aktivierten sich sechs Zwischenknoten (Koen, 1997) aus Conneticut, Pennsylvania, Virginia, Texas, Wyoming und California, indem diese eine Verbindung mit Kanal #guth eines IRC (Internet Relay Chat) Servers eingingen, der exklusiv für das Entscheidungsfindungsproblem eingesetzt wurde. Dieser Kanal diente den Knoten zur Kommunikation mit der Wurzel.
Jeder Zwischenknoten eröffnete einen weiteren zweiten Kanal zu den Blättern. Daraus gingen die Kanäle #caucus1 bis #caucus6 hervor. Um 10:00 a.m. loggten sich die lokalen Einheiten aus Alaska, Ohio, Massachusetts, New Mexiko, Oregon und andere bei den ihnen zugewiesenen Kanälen ein (siehe Abbildung 5.8). Um die Integrität der E-Abstimmung sicherzustellen, wurden die Identitäten aller Teilnehmer protokolliert. In jedem Blatt-Knoten befanden sich etwa 10 Teilnehmer, viele davon waren keine Computer-Experten. Der Teilnehmerkreis umfaßte Studenten, Akademiker und Hausfrauen, die ein Altersspektrum von 20 bis 90 Jahre abdeckten. Diverse Berichterstatter, einschließlich CNN waren in einigen lokalen Örtlichkeiten präsent. Eine lokale Konferenzgruppe CONF mit N=24 Personen kommunizierte via #caucus5 und repräsentierte eine Sondergruppe. Dadurch konnte die Durchführbarkeit der Diskussion mit einer größeren Gruppe demonstriert werden. Diese Gruppe simulierte eine typische Diskussionsgruppe. Um 10:10 a.m. wurde eine mit Ja/Nein zu beantwortende Frage ausgehend von der Wurzel über die Kommunikationskanäle zu allen Einzelgruppen übertragen, wobei NGT (siehe Abschnitt 5.9.3.4) zunächst nicht zum Einsatz kam. Jeder Teilnehmer gab lokal ein einfaches E-Votum ab. Die Vorgänger-Knoten schlossen ihre Teilergebnisse miteinander zusammen, woraus das Endresultat hervorging. Etwa um 10:25 a.m. stellte die Spitze eine komplexere Frage, welche eine Konstruktion einer nach Prioritäten geordneten Liste von Optionen verlangte. Jede lokale Einheit (die Konferenzgruppe eingeschlossen) mußte ihre Prioritätenliste eigenständig entwickeln. Diese Listen gingen dann durch Anwendung des NGT-Verfahren in Prioritätenlisten, die von den jeweiligen Vorgänger-Knoten ermittelt wurden, über. Schlußendlich stand die Prioritätenliste der nationalen Ebene fest. Der gesamte Prozeß dauerte (mit den Abstimmungen) 30-40 Minuten. Die vollständigen Aufzeichnungen erlaubten eine detaillierte Analyse einzelner politischer Einheiten (Gemeinde, Region, Land, Staat). Alle Bundesstaaten durften die Vereinigung der letzten Liste mitverfolgen, doch eine spezielle Konfiguration des IRC-Systems machte den Boykott des Kommunikationssystems unmöglich. Die Aktivitäten der Wurzel wurden während der Veranstaltung durch Anwendung der Videokonferenz-Software CU-SeeMe flächendeckend übertragen.
Abbildung 5.8: Baum eines ETH-Pilotprojektes im Jahre 1995.
"The value of this ETH is not limited to the raw results produced in the voting. In addition, the attention of a large number of people is focused on an specific political issue and they can make a difference. The individual decisions at the local, state-wide, and regional level are as beneficial as the final vote. These pilot studies have proven that Electronic Town Hall using IRC can achieve Group decisions over Internet" (Koen, 1997, S. 5).
5.11.5.3 Vision 20/20
Konsensbildung über langfristige Planung ohne
Politiker mit Abstimmungen
Eine hypothetische Funktion von ESVen liegt in der Erleichterung
der Konsensbildung über zukünftige gemeinschaftliche Ziele. In
der Hafen- und Industriestadt Savannah und in Chatham County (Georgia, USA)
wurde 1990 der ESV-Prozeß Vision 20/20 abgehalten. Der offene Planungsprozeß
Vision 20/20 dauerte mehrere Monate und wurde entwickelt, um die Prioritäten
und Entwicklungsrichtungen von Savannah und Chatham County in den Themenbereichen
Erziehung, Wirtschaft, Umweltschutz, soziale Gleichheit und Steuerfragen zu
hinterfragen. Ronald Thomas, anerkannter Gemeinschafts- und Stadtplaner, gestaltete
Vision 20/20. Ein komplexes ESV-Format wurde zur langfristigen Planung eingesetzt.
In der zweiten Projektphase erzeugte Vision 20/20 weitreichende Publicity,
extensive Partizipation und verfolgte das Ziel, die Mitwirkung in diversen
Basisgruppen zu stimulieren (politische Aktivität).
Der Prozeß startete zunächst mit einer halbstündigen TV-Sendung, in der eine Dokumentation sowie Expertendiskussion über soziale Probleme und Vision 20/20 präsentiert wurde (Information). Während der TV-Übertragung konnten die Bürger anrufen. Vor dem Ende der Sendung riefen die Initiatoren alle Bürger auf, an einer der 24 regionalen Nachbarschaftversammlungen mitzuwirken (Diskussion) sowie eine Umfrage einer lokalen Zeitung einzusenden.
Jede Nachbarschaftsversammlung wurde von freiwilligen und trainierten Moderatoren geleitetet. Die Resultate der lokalen Versammlungen verbreitete ein TV-Sender, so daß Differenzen zwischen den Kommunen identifiziert wurden. Allerdings zeigten sich auch Gemeinsamkeiten, insbesondere bei den gewählten Prioritäten der Themenrangfolge (Abstimmung). Jede Nachbarschaftsversammlung wählte einen Repräsentanten, der an einer Vision 20/20 Versammlung auf höherer Ebene teilnahm (Wahlen). Der Prozeß brachte einen umfangreichen Handlungsplan hervor, an dem sich die lokale Regierung orientierte (Becker, 1993a).
5.11.5.4 EBV in Oregon
Ermittlung von Prioritäten für das Budget
mit Abstimmung
Barbara Roberts (Becker, 1993a), Gouverneurin von
Oregon, setzte eine EBV (1991) ein, um Stimmen aus der Bevölkerung zur
politischen Lage (weniger öffentliche Dienste bei höheren Steuern,
etc.) zu erhalten. Roberts hatte den Vorsitz bei über 500 physischen
Versammlungen mit über 10000 zufällig gewählten Teilnehmern,
die auf das gesamte Staatsgebiet verteilt waren. Die Gouverneurin adressierte
die Bürgerschaft mittels eines Einweg-Videosystems, während die
Direktkommunikation zwischen Bürger und Gouverneurin durch ein Audiosystem
erfolgte. Ein öffentliches Telekommunikationssystem vernetzte die einzelnen
Versammlungen. Nach den EBVen wurde abgestimmt und das Resultat ging in die
Erstellung der Prioritäten für das Budget ein. Darüber hinaus
gewann dieses EBV-System 1992 den ersten Preis der National Association of
Information Resource Executives.
5.11.5.5 Televote
Verfassungsmäßige Themen
Die ersten beiden Televote-Experimente (1978) fanden während
eines staatlichen Verfassungskonvents in Hawaii statt, bei dem zwei institutionelle
Restrukturierungsthemen diskutiert wurden:
Der überwiegende Anteil von 74% wollte eine hohe Qualifikationsgrenze für direkte Initiativen (15%). Zudem entschieden sich die meisten Wähler für die Implementierung von Sicherheitsmechanismen für Minderheiten. Dies deutet darauf hin, daß die Mehrzahl der Teilnehmer einer uneingeschränkten Mehrheitsdemokratie ohne Berücksichtigung der Minderheit kritisch gegenüberstehen. Die Televote-Broschüre enthielt umfangreiche Informationen über die Instrumente der direkten Demokratie. Außerdem wurde die Frage gestellt, ob die Teilnehmer in der Zukunft an weiteren Telewahlen teilnehmen wollen (Wahlmöglichkeiten: Ja/Nein/Neutral). Über 90% entschieden sich für die Partizipation an zukünftigen Telewahlen. Dieses Resultat zeigte die Akzeptanz des Televote-Verfahrens.
Agenda-Setting-Kontrolle per E-Abstimmung durch die
Bevölkerung
Den Telewählern wurde in Hawaii (1979) erlaubt, ihre
Prioritäten für eine beginnende staatliche Versammlung der Legislative
festzusetzen. Die Bürger identifizierten Themen, die aus ihrer Perspektive
in der Versammlung behandelt werden sollten und entschieden per Abstimmung
über die fünf wichtigsten Themen. Die Öffentlichkeit setzte
das Thema Bildung (78%) an erste Stelle der Agenda-Setting-Abstimmung. Dagegen
bewerteten weder Medien noch die Legislative dieses Thema als prioritär
und setzten die Verbrechensbekämpfung an vorderste Stelle. Wiederum
wollten über 90% der Teilnehmer auch zukünftig am Televotum partizipieren.
Stadt, Verwaltungsbezirk und nationale Politik-Präferenzen
Das nächste Televotum-Experiment stand im Zeichen der
Auseinandersetzung zwischen dem Honolulu-Bürgermeister und dem Hawaii-Gouverneur
- sie stritten über Pläne zur Milderung des permanenten Verkehrsstaus
in Honolulu. Der Gouverneur bevorzugte den Bau eines Highway, während
der Bürgermeister den Ausbau eines raschen Transitsystems vertrat (Erweiterung
des Bussystems), welches mehrere Randgebiete mit dem Stadtzentrum in Verbindung
brachte. Da beide Projekte kostenintensiv waren und die Finanzierung staatliche
Subventionen voraussetzte, wurde die Kooperation beider Repräsentanten
gefordert, um eine gemeinsame Problemlösung der Bundesregierung zu unterbreiteten.
Doch keiner der beiden Repräsentanten war zu einem Kompromiß bereit
- folglich verweigerte die Bundesregierung das Bereitstellen der Finanzmittel.
Televote (1980) präsentierte beide Pläne und ermöglichte Diskussionen
über alternative Optionen. Sowohl die Ideen des Bürgermeisters
als auch des Gouverneurs blieben mehrheitsunfähig. Ein beträchtlicher
Teil der Wähler entschied sich für keine der beiden Alternativen.
Kein Vorschlag erhielt eine klare Mehrheit oder erlaubte konsensfähige
Meinungen. Je mehr die unentschlossenen Bürger durch Lernprozesse in
die Tiefe des Themas vordrangen, desto entschiedener wurden beide Vorschläge
abgelehnt. Slaton und Becker schlugen den Repräsentanten vor, ihre
Pläne neu zu evaluieren und einen Kompromißplan zu erarbeiten,
der die Bedürfnisse der Bürger einschloß. Doch die Repräsentanten
lehnten den Kompromißvorschlag weiterhin ab und setzten ihre Auseinandersetzung
über ein Jahrzehnt fort, während die Kosten der Errichtung des
Highways, der schließlich gebaut wurde, eskalierten. Umweltverträgliche
Lösungen zur Linderung der Verkehrsbelastung des Stadtkerns wurden aber
niemals verwirklicht.
„What this data demonstrated was that the political leaders needed to go back to the drawing board to come up with new proposals and to involve the entire public in the process of thinking it through from the outset. These lessons were not learned, and nearly ten years later, traffic in Honolulu is nearing gridlock, with no real solution in sight. All that remains constant is that political leaders haggle among themselves and refuse to adopt processes that involve the public in resolving the issue“ (Slaton, 1992, S. 150).
Budget-Themen
In einem weiteren Honolulu-Feldversuch (1982) wurden E-Wahlen
zur Entwicklung eines öffentlichen Budgets durch die Bevölkerung
auf dem Höhepunkt der Reagan-Regierungszeit eingesetzt, die von der
Reduzierung der (1) Staatsaufgaben, (2) Steuern auf höhere Einkommen,
(3) Regierungskosten und –programme zur Erhöhung des Wirtschaftswachstums
geprägt war. Diese politische Strategie wirkte nachhaltig auf die staatliche
Verwaltung, so daß wenige Geldmittel bereitstanden, um staatliche Programme
und Dienstleistungen zu finanzieren. Unter den US-Bundesstaaten wurden heftige
Debatten ausgetragen, ob Steuern erhöht und/oder Programme gekürzt
werden sollten. Der Televote-Prozeß transportierte über mehrere
Monate jenes komplexe Thema als Bestandteil der Honolulu-ESV, wobei informationelle
und interaktive Medienformate integriert wurden. E-Massenmedien (Print-Medien,
Radio, Fernsehen) erhöhten die Teilnehmeranzahl durch Call-In-Shows,
Umfragen, E-Wahlen und Diskussionen. Jenseits der Telewahl überstieg
das Partizipationsniveau bei weitem die Erwartungen der Forschungsgruppe.
Darüber hinaus forderten 80% der Teilnehmer die Einführung
von ESVen (Becker/Slaton, 2000, S. 83).
Zukunftsplanung
Der Direktor der neuseeländischen Kommission für
die Zukunft (Commission for the Future, CFF) finanzierte ein nationales
Televotum zur Integration der Bürger in den Prozeß der Zukunftsplanung
(1981). Mehr als 1000 neuseeländische Telewähler entschieden über
politische, wirtschaftliche und ökologische Komponenten ihrer Zukunft.
Dazu entwickelte CFF vier unterschiedliche philosophische Grundpositionen,
die unterschiedliche Lebensstile reflektierten, wobei die Televote-Broschüre
über die sozialen, ökonomischen, ökologischen, politischen
Standpunkte und Konsequenzen informierte. „These futures included themes
of „big is beautiful“, „privatization is best“, „small is beautiful“, and
„modern technology is beneficial“...“ (Slaton, 1992, S. 153). Nachdem
jeder Teilnehmer die Informationen studierte, nahm er an drei Entscheidungen
teil.
Zukunftsszenarien und deren Konsequenzen standen bei der ersten Abstimmung über Zukunftsbilder auf der Agenda. Jedes Szenario wurde durch unterschiedliche Standpunkte in den Bereichen Beschäftigung, Umwelt, Weltbühne, Wirtschaftsentwicklung und Regierung kategorisiert. Der Televote-Teilnehmer durfte bei jeder Position immer eine von vier Alternativen wählen (J = Zustimmung, K = Neutral, L = Ablehnung, ? = keine Meinung). Die zweite Wahl stand unter dem Programmtitel "Zukunftsprognose". Die Teilnehmer wählten aus der Menge 16 möglicher Zukunftsereignisse jene mit der (aus ihrer Perspektive) höchsten Eintreffenswahrscheinlichkeit (z.B. Wachstum des Realeinkommens, Vollbeschäftigung, größere Städte, Erhöhung der Partizipation an wichtigen Entscheidungen, etc.). Am Ende durfte jeder Teilnehmer per Abstimmung entweder über eine der vier vorgegebenen Zukunftsalternativen abstimmen oder seine eigenständige Zukunft erschaffen. Letztere Möglichkeit erlaubte das Mischen von persönlichen Wertvorstellungen durch eine Kombination vorgegebener Aussagen oder Komponenten.
Dabei durfte unter Wahrung der Neutralität über vier zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten (Zukunft 1-4) abgestimmt werden. Zukunft 1 ist eine Gesellschaft, die lebensnotwendige Bedürfnisse für alle Bürger bereitstellt und gleichzeitig die Chancengerechtigkeit zur Selbstentfaltung des Individuums gewährleistet. Zukunft 2 beruht auf einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung mit enormen Wachstumspotentialen. In Zukunft 3 herrscht in der Gesellschaft ein breiter Konsens, der individuelles Streben nach materiellem Gewinn einschränkt, kommunitäre Gruppen, Gemeinschaften und Kommunen aufbaut und einen Weg zur Harmonie mit der Natur beschreitet. Zukunft 4 ist eine Gesellschaft autonomer Individuen, der eine breite Palette vielfältiger Wahlfreiheiten im Rahmen einer nachhaltigen Wirtschaftsordnung gegenübersteht. Zweck dieser Wahl bestand darin, das von der Bevölkerung favorisierte Zukunftsmodell herauszufinden und ihre Präferenzen und Vorschläge der Regierung zu übermitteln.
Anstelle der vier vorgegebenen Zukunftsrichtungen selektierten 29% der Teilnehmer in der dritten Entscheidung ihr eigenständiges Zukunftsmodell (Slaton, 1992, S. 154). Trotz der höheren Komplexität der Fragestellungen und dem Zeitaufwand für das Studium der politischen und philosophischen Informationen folgerte die Forschungsgruppe, daß ein großer Anteil der neuseeländischen Bevölkerung einen ausgeprägten Sinn für Individualität zeigte, Widerstand gegen aufgezwungene Alternativen leistet und innovationsfreudig entscheidet. "In addition, the researchers found that those taking the extra time to create their own futures were not necessarily those with the highest levels of education. In other words, the educational levels of the "innovative" group were highly representative of the educational levels of the rest of the Televote sample" (Slaton, 1992, S. 154).
Das Televote-Experiment demonstrierte ein realexistierendes Verlangen einer großen Bevölkerungszahl nach der Beteiligung an komplexen politischen Zukunftsplanungsprozessen. Die Forschungsgruppe zog nach der Analyse der empirischen Daten nachfolgende vier Schlußfolgerungen (Slaton, 1992, S. 155):
"This study is a vivid demonstration that the New Zealand public is now ready, very willing, and eminently able to shoulder its responsibilities" (Slaton, 1992, S. 155).
Eine überwiegende Mehrheit der Teilnehmer wählte eine Entwicklungsrichtung, die der Politik der Regierungspartei widersprach - als indirekte Konsequenz wurde CFF ein Jahr nach dem Televotum aufgelöst. Ohne Interesse an den Ergebnissen des Televotums setzte die regierende Nationale Partei ihren Weg in Richtung extensives Wirtschaftswachstum, Übernutzung natürlicher Ressourcen, Zunahme der Beteiligung an internationalen Geschäftsaktivitäten und der Unterstützung der großen Wirtschaftsinteressen fort.
Doch nach drei Jahren verlor die National Party die Regierungsmacht und die Labor Party übernahm die Geschicke des Landes - sie verfolgte eine Politik, die stärker in Richtung der Mehrheit der Telewähler tendierte. Brian Murphy, Dekan der School of Business an der Auckland Universität, stellte die Hypothese auf, eine Auseinandersetzung der National Party mit den Televote-Ergebnissen hätte in der Partei ein Bewußtsein dafür geschaffen, daß Regierungskurs und Bedürfnisse der Bevölkerung weitgehend auseinanderdriften. Murphy zufolge betrieb die Labor Party eine Politik, die kompatibler mit den Ergebnissen des Televotums war.
Regionale Themen und staatliche Initiativen
Eine regionale Gruppe lokaler Regierungsmitglieder von Los
Angeles und San Diego, setzte 1982 Televote ein, um den Bürgern Informationen
über regionale Themen zu vermitteln. Über einen Teil der Themen
durften die Bürger auch im Rahmen staatlicher Initiativen abstimmen.
Die Repräsentanten sahen das Televotum als Instrument an, um die Bevölkerung
politisch zu bilden, Debatten und Deliberation zu fördern. Auch wollten
jene Repräsentanten feststellen, welche Ideen die Öffentlichkeit
bei der Planung der Olympischen Winterspiele 1984 unterstützt. Televote
war ein integraler Bestandteil eines elektronischen Stadtversammlungprozesses,
der durch Diskussionsgruppen über Rechnernetze ergänzt wurde. Der
Output war für die Southern California Association of Governments (SCAG)
besonders wertvoll – die evaluierten Informationen gingen in die Planung erfolgreicher
Olympischer Winterspiele ein.
Gesundheitsplanung auf lokaler und Staatsebene
Verwaltungsbeamte des staatlichen Gesundheitsministeriums
in Hawaii entschieden sich für den Einsatz des Televote-Verfahrens
(1983, 1985) zur Entwicklung der Prioritäten in der Gesundheitspolitik.
Eine Reihe von Punkten sollte abgeklärt werden:
5.11.5.6 Houston Electronic Town Meeting
Der Houston-ESV-Planungsprozeß legte den Schwerpunkt der Partizipation auf Information und Diskussion sowie auf die Rankordnungsentscheidungen über zukünftige Ziele durch die Bevölkerung.
"Thousands of Houstonians participated in a citywide, prime-time televised Electronic Town Meeting (ETM) in September 1994 to review goals for Houston's future. The goals were created by volunteer citizens particpating in the Imagine Hoston process.
The televised program, broadcast live on network affiliate KHOU-TV garnered a 12% share of the television audience, reaching 250,000 citizens in a city of 2.5 million. The ETM was structured as a two-way communication tool. Citizens at 5 community meeting sites around the city were linked by satellite with a studio panel for an hour long interactive program. After the initial televised portion, the community meetings ranked 50 preliminary goals that had been previously developed by citizen task forces. Thus, the major components of this ETM process were:
This project was concieved by the Community Design Exchange...
Community Design Exchange is a non-profit company that has been a leading innovator in the field of Electronic Town Meetings for the past several years. It has been in the business of participatory planning and urban design for 25 years.
Its main contribution to this field has been in blending a wide variety of electronic media with face-to-face community meetings in order to develop a broad-based vision of the future. Community Design Exchange calls this process: Teleplanning.
According to Ron Thomas, CDX's founder, "The Electronic Town Meeting uses technology to expand the ring of participation in a vision and goal setting process."
One of the important features of CDX's Teleplanning process is to involve major governmental and media leaders. With their support, the teleplanning process is eventually incorporated into future development. Another key aspect of this teleplanning process is that the community meetings are conducted by trained facilitators whose job it is to help bring the various neighborhood members into some agreement on where they want the community to go in the future.
CDX has designed and run two major projects in the
United States in the past few years. One was the Savannah (Georgia) ETM and
the other was the Houston (Texas) ETM. Both of these have been highly successful,
including the professionalism of the coordination; the degree and level of
enthusiasm of community participation; and--according to the city officials
that commissioned these ETMs-- having a real impact on the planning process
of the city and region.
Mr. Thomas has put his experiments into writing by preparing
a casebook on ETMs for the American Certified Planners Association (Chicago,
Illinois) and the ACPA has also a video on that subject starring Mr. Thomas
and his colleague from Canada, Mike Hollinshead.
In 1997, Mr. Thomas was appointed Executive Director of Sustainable Racine, funded by the Johnson Foundation of Racine, Wisconsin. Essentially, his job was to utilize his method of ETMs to develop a long ranged plan for the City by involving many citizens and neighborhoods in the process. The project ran for two-plus years" (Becker, 1999).
5.11.5.7 Sustainable Racine (1997-1999)
Im Jahre 1997 wurde Thomas zum Executive Director von Sustainable Racine, ein in Wisconsin von der Johnson Foundation of Racine finanziertes Projekt, das zur Entwicklung eines langfristigen Planes mit der Zielvorstellung der Erreichung nachhaltigen Wachstums unter Einsatz seines ESV-Modells dienen sollte. Thomas erhielt zunächst den Auftrag, eine Tele-Planungsinfrastruktur im Zeitraum 1997-2000 zu entwickeln. Es kam u.a. zur Vermittlung von Prinzipien nachhaltiger Entwicklung und zur öffentlichen Diskussion via ESVen sowie via 23 räumlich verteilten Bürgerforen (in Racine, Sturtevant, Caledonia and Mr. Pleasant) mit insgesamt 3000 Teilnehmern. Jedes Bürgerforum bestimmte Repräsentanten, die an einer Versammlung auf höherer Ebene teilnahmen. Ihre Aufgabe war die Sortierung von Informationen und Ideen sowie die Formulierung der Zielvorstellungen.
Nach den Angaben von Thomas wurden die Geldgeber über die mögliche Entwicklungsrichtung der Gemeinschaft alarmiert, die aus dem Input der Bevölkerung hervorging. Als Konsequenz der Intervention kam es zur Einstellung der Unterstützung und somit zur Termination des ESV-Prozesses (Becker/Slaton, 2000, S. 186), der aus der Sicht der Organisatoren auf Erfolgskurs war. Aus dem öffentlichen Input gingen trotzdem 80 Zielvorstellungen für eine nachhaltige Gemeinschaft hervor, die in jeweils 10 Kategorien eingeteilt und präsentiert wurden (http://www.sustainable-racine.com/default.htm).
5.11.5.8 SYNCON
Eine empirisch erprobte Methode ist das Konsensbildungsverfahren Syncon (Synergistic Convergence), das 1971 von den Wissenschaftlern Barbara Marx Hubbard und John Whiteside mit der Zielvorstellung entwickelt wurde, Bürger aus allen sozialen Schichten in einer physischen ESV zusammenzubringen, um Zukunftsstrategien für eine globale politische Perspektive in einem Zeitraum von 25 bis 100 Jahren auszuarbeiten (Glenn, 1978, Slaton, 1992).
“In the 1970s our panelist
Alan Ladwig, Associate Administrator for Policy and Plans at NASA Headquarters,
Jerry Glenn, director of the United Nations Millennium Project, I and others
in The Committee for the Future developed a new social-conferencing process
called SYNCON, for "synergistic convergence."... In the SYNCONS we brought
together in a wheel-shaped environment, all sectors of the social body: technology,
environment, governance, production, health, education, welfare, etc., plus
the growing edge of new capacities in the sciences, psychologies, arts, and
media” (Marx-Hubbard, 1997, S. 3).
Grafik: Etwa 250 bis 500 Personen kommen in einem radartig-partionierten Sitzungssaal (Syncon-Wheel Floor Plan)
zusammen.
Durch die Isolation der Kleingruppen mittels Trennwände sollten die Teilnehmer und das TV-Publikum ihre allgegenwärtige soziale Fragmentierung und Atomisierung bewußt wahrnehmen. Die inneren Sektionen des Rads bezeichnen soziale Bedürfnisse, angewandte Technologie, Umwelt, Regierung, Produktion und andere Regionen (z.B. internationale Themen). Diese repräsentieren funktionelle Gebiete einer Kultur. Die äußeren Sektionen umfassen Gebiete neuer Potentiale (Biologie, Physik, Kommunikation, politische/ökonomische Theorie, extraterrestrische Ereignisse, Kunst und unerklärbare Phänomene).
“People meet in each sector
of the wheel according to their functional interests and vocational calling.
Participants form one or more circles in each sector of the wheel. A scribe,
a facilitator, and a spokesperson volunteer. (2) Each member of the circle
responds to three questions: (*) What is my passion to create now? (*) To
fulfill this desire, what do I need that I do not now have – what is lacking?
What resources do I have to give to this group or to people in other sectors
of the social body? (3) After listening carefully to one another, participants
form smaller groups based on shared purpose and affinity. They support one
another and often devise joint plans. (4) The smaller groups reassemble in
their sector of the wheel and share their joint strategies. (5) Each sector
prepares a composite statement of goals, needs, and resources. (6) The whole
group meets in an Assembly of the Whole. The assembly can be visually exciting,
in theater-in-the-round style, with ribbon dividers, placards, or artistic
renditions to suggest the different functions of the social body. (7) Each
task force spokesperson presents the shared statement of goals, needs, and
resources of its group to the assembly. Everyone listens actively to each
presentation, noting where one group´s needs and another´s resources
match. “Vocational ambassadors” are assigned by the group to visit other
sectors. (8) A facilitated mingle occurs, either of functional sectors or
of individuals and groups, seeking synergies, linkages, and connections that
are natural to any system, but are often unnoticed because the process does
not facilitate their discovery. If a video camera is available, it becomes
the “nervous system” of the group. People call of the camera whenever they
have a breakthrough or new linkage... If possible, a NewNews show is edited
from the event, expressing the fact that cocreating is the news now, fostering
the social uprising of wellness. (9) The Assembly of the Whole reassembles.
Each group represents its goals, needs, and resources, taking into account
expanded connections and synergies. According to the time available, the
assembly can discover more synergies and experience the fact that the whole
is greater than the sum of its parts. Nature forms whole systems out of separate
parts, as we have seen. When these parts connect in a nonlinear, exponential
interaction, a quantum jump may occur. We discover in SYNCON that the energy
of the whole is greater than the sum of its separate members. Participants
find they are better able to achieve their goals through cocreation than
through adversarial or even competitive tactics. Music and dance can be used.
In the end, a celebration occurs and people walk the evolutionary spiral
together. (10) Each task force is invited to place its goals, needs and resources
on the Cocreation website. Eventually, when system is developed, the website
will help find common goals and match needs with resources throughout the
system. People can check golden innovations in their fields to serve as inspirations
and guidelines for newly emerging projects” (Marx-Hubbard, 1998, S. 228).
Auch kann der gesamte Prozeß durch E-Massenmedien einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden. Jede Sektion ist mit einer Live-Kamera, Mikrophone, 2 Monitore und einer Direktverbindung zum Syncon-Coordination-Hub ausgestattet, wo sich die Syncon-Koordinatoren befinden. Ein Koordinator kann mit jeder Gruppe über Video-Kommunikation sprechen, deren Aktivitäten hören, aufzeichnen und beobachten. Simultane Telekonferenzen zwischen zwei (oder mehreren) Gruppen sind durchführbar. Außerdem können während der Diskussion zukunftsorientierte Videos eingespielt werden. Mobile Kameras übertragen den Syncon-Prozeß für eine lokale bzw. nationale Öffentlichkeit. Dieser Prozeß erschafft und vermittelt nach den Angaben der Entwickler eine einzigartige soziologische und psychologische Erfahrung - Synergistic Convergence. Am Abend finden Theaterstücke und Musikveranstaltungen statt, um den Teilnehmern Gelegenheit zur Entspannung und Reflexion zu bieten. Bisher wurde empirisch nachgewiesen, daß Syncon
1. Schnittstellen zwischen Individuen
und Institutionen etabliert,
2. eine öffentliche Bildungsfunktion
besitzt,
3. positive Zukunftsparadigmen und -visionen
reflektiert und politische Motivation stimuliert,
4. zukunftsorientierte Politikkonzepte
erarbeitet und
5. die Teilnehmer zu weiterführenden
Projekten motiviert.
5.11.5.9 Planungszelle
Als Alternative zu den existierenden
Verfahren der Bürgerbeteiligung bei kommunalen Entscheidungen fordert
der deutsche Verwaltungswissenschaftler Peter C. Dienel
die sogenannte Planungszelle: Das ist eine Gruppe von Bürgern, die im
Zufallsverfahren ausgewählt und für eine begrenzte Zeit von ihren
arbeitstäglichen Verpflichtungen vergütet freigestellt worden
sind, um, assistiert von Experten, Lösungen für vorgegebene und
lösbare Planungsprobleme zu erarbeiten.
In Arbeitsgruppen versammeln sich betroffene
Bürger, die beispielsweise durch Ziehung jeder x-ten Personalkarte
im Melderegister des Einwohneramtes ausgelost
wurden. Die "Zufallsschöffen" werden dann mit einem bestimmten Sachproblem
der Gemeinde konfrontiert und sollen innerhalb eines befristeten Zeitraums
(drei bis vier Wochen) einen Lösungsvorschlag erarbeiten. Geeignet wäre
das Verfahren insbesondere für Entscheidungen, bei denen sich konventionelle
politische Gremien wie Gemeinde- oder Stadtrat festgefahren haben. Solche
Situationen entstehen häufig, wenn sich die gewählten Repräsentanten
auf die Durchsetzung ihrer partikulären Interessen festlegen. Die Planungszelle
könnte die Belagerung des Entscheidungsprozesses durch Spezialinteressen
sprengen (Schweinsberg, 1998, Dienel, 1992).
5.11.6 Praktische Beispiele mit hybriden Demokratieformen
Tabelle 5.25: Ausgewählte Projekte mit hybriden
Demokratieformen.
Projekt | Instrumente | Beteiligung | Beschreibung/Ziele | Demokratieformen | Erfolgreich |
"City Talks" of Amsterdam 1989-1994 (Van Dijk, 1996) |
D9, I1, I2, A2, A3 |
Diskussion Information Abstimmung Politische Aktivität |
Diskussion zwischen Bürgern, Diskussion zwischen Bürgern und Politikern, Diskussion zwischen Interessensorganisationen Information über Kommunalpolitik Umfragen Sachentscheide Stimulierung der Partizipation |
Partizipatorisch Pluralistisch |
Nein |
Orakel (1972) (Krauch, 1972) (Hagen, 1997) |
I1, A2, A3 | Information Diskussion bstimmung |
Informationen über das
Thema
Expertendiskussion zwischen Politikern, Wissenschaftlern, Vertretern von Interessengruppen zur Artikulierung neuer Probleme Fragen an die Öffentlichkeit E-Abstimmungen |
Pluralistisch Plebiszitär |
z.T. |
Teledemocracy in North-Brabant (Holland) 1996 (Jankowski/Leeuwis/Martin/Noordhof, 1997) |
D3, D2, I2, A2, A3 |
Diskussion Information Abstimmungen
|
Diskussion zwischen Bürgern, Diskussion zwischen Bürgern, Politikern und Interessengruppen Infos zum Entscheidungsthema Periodische Umfragen Abstimmung |
Partizipatorisch Pluralistisch |
Nein |
Bemerkung zu Orakel: „Die Kölner Studiengruppe Partizipationsforschung hat 1975 das ORAKEL-Modell als eine innovative Variante einer nicht-verfaßten und direkten Form der Partizipation gewürdigt. Dabei wurden die technischen Probleme der Durchführbarkeit nur „kurzfristig als gravierend“ eingeschätzt; es wurde aber bezweifelt, ob sich mit diesem Modell wirklich eine breite Bürgerschicht jenseits einer Elite für die politische Beteiligung mobilisieren lassen würde“ (Hagen, 1997, S. 111).
5.11.7 Die Realität der elektronischen Demokratie
Durch die empirische Realität der elektronischen Demokratie über Rechnernetze kann eine Entwicklung von der Zuschauer- zu einer Beteiligungsdemokratie nicht bestätigt werden:
"Die empirische Repräsentationsforschung hat gezeigt, daß Abgeordnete neben dem dominanten Ziel der Wiederwahl Statusgewinne innerhalb des Parlaments und die Umsetzung sachpolitischer Vorstellungen anstreben. Die Durchsetzung der letzten beiden Ziele hängt davon ab, ob sich die Abgeordneten den prüfenden Blicken der Wähler entziehen können. Die gegenwärtigen Nutzungsformen des Internets spiegeln diese Interessen, die einer Transformation der Demokratie in der vernetzten Gesellschaft entgegenstehen und die eine eher inkrementale Entwicklung erwarten lassen" (Zittel, 1997, S. 29).
Die abschließende Frage in bezug auf die Realisierungschancen der vorgeschlagenen politischen Institutionen und Verfahren (siehe 5.9-5.10) muß daher lauten: "Wie werden qualifizierte Mehrheiten (für Verfassungsänderungen) zustandekommen, mit denen alle Institutionen schrittweise eingeführt werden?". Das ökonomische Verhaltensmodell gibt eine Antwort auf diese Frage: Die Mehrheit für die grundlegende Transformation des Systems wird nicht zustandekommen. Ein grundlegender Umbau des politischen Systems ist in mittlerer Sicht nicht zu erwarten, da es für die amtierenden Repräsentanten rational ist, jede Transformation, die deren Freiheit und Kompetenzen beschneidet, zu vereiteln.
Angesichts der heutigen empirischen Situation kann die Entwicklung in Richtung der Etablierung eines Systems der partizipatorischen E-Demokratie nicht aufgewiesen werden. Daraus folgt aber nicht die zukünftige Unmöglichkeit der Etablierung partizipatorischer E-Demokratie.
Zur Dynamisierung, Revitalisierung oder Veränderung der Demokratie können neue Akteure, sogenannte Gegeneliten, ins Spiel kommen, die unter bestimmten sozialen Bedingungen und Verhältnissen die Trägerrolle eines demokratischen Transformationsprozesses ausüben können. Gegeneliten produzieren neue Konfliktdimensionen, insbesondere, wenn sie Neu- oder Umverteilung von gesellschaftlicher Macht und politischer Herrschaft anstreben. (Eigentlich müsste z.B. das Thema soziale Ungleichheit auf der politischen Agenda stehen. Es hat sich in allen westlichen Industrieländern der Trend zu einer immer egalitäreren Einkommensverteilung seit den achtziger Jahren markant umgekehrt). Diese aktive Veränderungsmotiviation stellt nicht das demokratische System in Frage, sondern richtet sich primär gegen die Entscheidungen der etablierten und privilegierten politischen Eliten.
Es gibt eine Reihe von engagierten Gruppen, deren Interesse sich möglicherweise auf ein systematisches Programm der elektronischen Demokratisierung richten könnte. Dazu gehören für öffentliche Angelegenheiten engagierte Gruppen, die sich zwar die Strategien speziell ausgerichteter Lobbies zugelegt haben, doch in ihrem Bemühungen um öffentliches Denken und um das Gemeinwohl für mehr Demokratie eintreten. Das gleiche gilt auch für Aktionsgruppen auf lokaler Ebene, Nachbarschaftsgruppen, Bürgerinitiativen, etc., die entstanden sind, um Individuen ein gemeinsames Forum zu bieten.
Zur Realisierung einer aktiven Gesellschaft und zur Umsetzung von mehr Demokratie hat Etzioni 1975 Authentizitäts-Anforderungen an eine Mobilisierungsgruppe definiert, die auch für eine (globale) Teledemokratiebewegung von strategischer Bedeutung sind. Damit eine solche Gruppe als Mobilisierer handeln kann, muß sie zumindest nachstehende Kriterien erfüllen (Etzioni, 1975).