5.10 Politischer Prozeß
In diesem Abschnitt wird das E-Instrumentarium mit einem politischen Prozeß und seinen Akteuren verknüpft. Der elektronische
politische Prozeß hat drei Operationsphasen, die
jeweils aus einer Sequenz von drei Schritten (Stufen) bestehen:
Tiefergehende Analysen der einzelnen Schritte können vorgenommen und diese in kleinere Elemente aufgeteilt werden, was aber den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde.
Der Informations- und Kommunikationsfluß im politischen Prozeß wird über die IKT sowie auf konventionellem Wege abgewickelt, wobei eine Reihe unterschiedlicher Ereignisse, Handlungen und Aktivitäten bei den einzelnen Akteuren (Bürger, Gruppen, Mediatoren, Verwaltung, Regierung) auslösen können.
Mediatoren sind Individuen oder Gruppen, die Kommunikationsbeziehungen zwischen den politischen Akteuren erleichtern und Informationen produzieren oder verteilen. Experten (z.B. Informatiker, Sozialwissenschaftler, Erfinder, Berater, Psychologen, etc.) und mediale Informationskommunikatoren (z.B. Journalisten, Verleger, Rundfunk- und TV-Sprecher, Moderatoren) gehören dieser Gruppe an, da Information und Wissen von ihnen produziert, transformiert und transportiert wird. Theoretisch sollten Mediatoren die von ihnen geforderten Aufgaben zwischen Bürger und Bürger einerseits sowie zwischen Bürger und Repräsentanten anderseits unter Wahrung der Neutralität und Unabhängigkeit ausführen. Das Mediationsverfahren hat folgende strukturelle Anforderungen zu erfüllen (Druwe, 1995, S. 237): (1) Möglichst alle Betroffenen sollen in den Dialog eingebunden werden. Dies kann entweder durch freiwillige Partizipation, durch die Auswahl von Repräsentanten oder durch das Zufallsprinzip erfolgen. (2) Alle Teilnehmer müssen sich auf Regeln und Entscheidungsverfahren einigen. Dabei ist wichtig, daß emotionelle Aussagen in „diskutierbare“ Aussagen „übersetzt“ werden und daß Positionen entideologisiert werden. (3) Das Meditationsziel muß offen sein, d.h., das Verhandlungsergebnis darf nicht vorgegeben sein, sondern muß via Lernprozeß aller Beteiligten zustandekommen. Dem Mediator, einem externen Schlichter, fällt die Rolle zu, über die Erfüllung dieser Anforderungen zu wachen und alternative Vorschläge zur „Aufweichung der Fronten“ zu machen. Solche Vorschläge könnten z.B. in Kompensationen bestehen.
Das folgende neue Modell (Eigenbau) bezieht
auch einige Argumente und Hypothesen der Gamma-Group
ein (vgl. Arnopoulos/Valaskakis,
1982).
Es wird gezeigt, wie Bürger kollektiv und individuell am politischen Prozeß unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Modelle elektronischer Demokratie teilnehmen können. Der politische Prozess geht allgemein davon aus, dass vor Prozessbeginn die Repräsentanten gewählt und/oder nach dem Zufallsprinzip (gemäß partizipatorischer E-Demokratie: Repräsentative Stichproben: z.B. Sample Parliament) bestimmt wurden.
Erläuterungen zum politischen Prozess
Die Beteiligungsmöglichkeiten der
Bevölkerung an Aktivitäten des politischen Prozesses werden aus der Sicht
unterschiedlicher Demokratiemodelle in jeder Stufe in Form einer Tabelle
explizit dargestellt.
Dabei werden folgende Bezeichnungen eingeführt:
x..........Beteiligung für
Durchschnittsbürger erlaubt (partizipatorisch, republikanisch)
I..........Beteiligung nur für Vertreter (Mitglieder) von Interessengruppen
erlaubt
M........Beteiligung nur für Mitglieder der Initiatorengruppe der
E-Initiative möglich
Steht in der Tabelle an einer bestimmten
Position kein Eintrag, dann darf der Bürger folglich nicht partizipieren.
Am politischen Prozess nehmen in Abhängigkeit
zum jeweiligen E-Demokratiemodell die nachstehenden Akteure teil:
·
Kompetitive E-Demokratie: Repräsentanten
(Eliten)
·
Pluralistische
E-Demokratie: Interessengruppen bzw. deren Repräsentanten
·
Republikanische
E-Demokratie: Bürger und Repräsentanten
·
Plebiszitäre
E-Demokratie: Bürger mit/ohne Repräsentanten
·
Partizipatorische
E-Demokratie: Bürger mit/ohne Repräsentanten
Der nachstehende idealtypische politische
Prozess wurde aus der Perspektive einer Beteiligungsdemokratie entworfen und
enthält auch Elemente von unterschiedlichen Demokratiemodellen. Die Elemente
bzw. Aktivitäten, die zu bestimmten Demokratiemodellen gehören, werden explizit
gekennzeichnet (z.B. E-Abfrage der öffentlichen Meinung, Prioritäten und
Wünsche des Volkes (plebiszitär, partizipatorisch)).
Führt man den Prozess aber aus der
Perspektive eines ausgewählten E-Demokratiemodells aus, dürfen nur jene
Teilnehmer (Akteure) daran partizipieren, die oben im jeweiligen
Demokratiemodell definiert bzw. erlaubt wurden und nur jene Prozesselemente
sind zugelassen, die mit der betreffenden Theorie konform gehen.
In diesem Modell treten die politischen
Ereignisse in der dargestellten Reihenfolge auf. Wie die Praxis zeigt, ereignen
sich politische Ereignisse aber nicht immer in einer bestimmten Reihenfolge. Um
die in der Praxis auftretenden Prozesse durch ein Modell beschreiben zu können,
sind daher auch Permutationen der einzelnen Prozessstufen in ein neues Modell
übertragbar und/oder zusätzliche Elemente integrierbar. Zudem liegt es im
Bereich des Möglichen, Stufen des Prozesses zu entfernen oder zu ergänzen, um
bestimmte praktische elektronische Prozesse darstellen zu können.
Auch können zum/vom idealtypischen Prozess
einzelne Elemente aus diversen E-Demokratien hinzugefügt oder entfernt werden.
In der Praxis besteht auch die Möglichkeit, dass mehrere Mischformen von
E-Demokratiemodellen auftreten.
Empirische Belege
Zwar kann kein bisheriges
E-Demokratie-Experiment den gesamten politischen Prozeß
belegen, doch wurden unterschiedliche Prozesselemente in
E-Demokratie-Experimenten getestet. Vereinigt man alle in dieser Arbeit
angegebenen sowie die in der Fach-Literatur angeführten (erfolgreichen)
E-Demokratie-Experimente, so beinhalten diese gemeinsam die meisten
Prozesselemente und demonstrieren daher größtenteils die Durchführbarkeit der
Prozessstufen.
Probleme der Verfügbarkeit von bestimmten
Anwendungen der IKT
Falls eine Menge von IKT (aus der obigen Tabelle der Instrumente) für die
Massenanwendung zum Zeitpunkt X nicht verfügbar ist (z.B. ein sicheres
E-Wahlsystem ist auf nationaler Ebene noch nicht entwickelt), so können trivialerweise konventionelle, empirisch verifizierte
Praktiken bei der Ausführung des Prozesses zum Einsatz kommen (z.B. Abstimmungen
durch Anwendung von Stimmzettel, Face-To-Face-Diskussionen
in Nachbarschaftsversammlungen ohne den Einsatz von IKT, etc.).
Der folgende Abschnitt behandelt die Eingabefaktoren in das politische System. Vollständig offen ist der politische Prozeß zu Beginn, in den Phasen Bedürfnisse und Ansprüche: Individuen und/oder organisierte Gruppen formulieren Probleme, die sie gelöst, oder Wünsche, die sie erfüllt wissen möchten.
5.10.1.1 Bedürfnisse
Der Zyklus politischer Aktivitäten beginnt mit der Identifikation der Bedürfnisse, da deren Erfüllung die Grundlage für das Überleben der Menschheit darstellt. Bedürfnisse sind ein wesentliches politisches Thema, weil sie zur Interpretation und zur Aufstellung der Prioritäten dienen. Um das politische System in dieser Phase zu verbessern, kann das E-Instrumentarium u.a. für drei politische Bereiche eingesetzt werden:
Die Anwendungen der IKT eröffnen dem Bürger Zugangsmöglichkeiten zur
politischen Information - ein substantielles Element für eine elektronisch
vermittelte Bewußtseinsbildung und zur Unterstützung
der Bürgerschaft auf ihrem Weg der Erkennung der Bedürfnisse. Eine Bevölkerung,
die mehr sachliche Information erhält, befindet sich in einer besseren
Position, ihre Interessen und ihre Prioritäten zu identifizieren. Elektronische
Massenmedien verfügen in unserer Zeit über große Reichweiten, um neben dem
Einsatz der Rechnernetze möglichst große Bevölkerungskreise zur Partizipation
zu motivieren (partizipatorisch, republikanisch).
Zur Formulierung und Akkumulierung vieler differenzierter öffentlicher Meinungen werden hochentwickelte E-Umfragesysteme eingesetzt (z.B. deliberative Umfragen und Televote in der partizipatorischen E-Demokratie). Der Einsatz von Umfragemethoden erhöht das Wissen der Repräsentanten über die Bedürfnisse der Bevölkerung.
Ob bestimmte Bedürfnisse als politisch relevant angesehen werden, ist in dieser Phase noch offen. Die in dieser Phase hervorgebrachten Meinungen erhalten nur dann eine Bedeutung, wenn sie vor allem von Akteuren der Interessenaggregationen wie Verbänden (pluralistisch), politischen Parteien oder Basisgruppen (partizipatorisch, republikanisch) aufgegriffen werden oder die allgemeine Medienöffentlichkeit erreichen und somit öffentlich verhandelt werden. Medien sind von zentraler Bedeutung, weil sie durch Thematisierung (oder Nicht-Thematisierung) wesentlich darüber entscheiden, ob Interessen oder Probleme öffentlich werden. Sie treffen eine relevante Vorauswahl über das, was mit allgemeiner Diskussion rechnen kann. Andererseits wirken sie als Verstärker, da alles, was Medienöffentlichkeit erreicht, als generell relevant betrachtet werden kann.
Gesetzgebende Institutionen können das breite Spektrum an Meinungen ausnutzen, um ihre repräsentative Kapazität zu verbessern. Das politische System muß sicherstellen, daß die Performance der Informations- und Diskussionssysteme frei von Repression - ungefiltert und ungehindert - vollzogen werden kann, um nützliche und wertvolle Informationen und Diskussionen zu garantieren.
Tabelle 5.11: Beteiligungsmöglichkeiten der Bevölkerung an
Aktivitäten des politischen Prozesses aus der Sicht unterschiedlicher
Demokratiemodelle (Bezeichnung: x...Beteiligung für Durchschnittsbürger
erlaubt, I...Beteiligung nur für Vertreter (Mitglieder) von Interessengruppen
erlaubt).
|
Kompetitiv |
Plebiszitär |
Republikanisch |
Partizipatorisch |
Pluralistisch |
Bürgerliche Erziehung |
|
|
x |
x |
|
E-Abfrage der Bedürfnisse (der Bevölkerung) |
|
x |
|
x |
|
Regelmäßige Interaktion zwischen Repräsentanten und Bevölkerung |
|
|
x |
x |
I |
Sachliche Information |
|
x |
x |
x |
x |
5.10.1.2 Ansprüche
Nach der Ermittlung und Analyse der Bedürfnisse steht die Artikulation der Ansprüche im Vordergrund. Erst die Transformation der Bedürfnisse in Forderungen gegenüber der Regierung bringt politisch signifikante Größen hervor. Anziehungspunkte für solche Artikulationen sind Gruppen, die individuelle Interessen in eine gemeinsame Position bringen. Hier wird nach sachlichen und sozialen Dimensionen von Interessen und Problemen gefragt.
Wenn ein Individuum von der Dringlichkeit seines Problems oder der Realisierung seiner Interessen überzeugen will, muß es u.a. über Einfluß oder Macht verfügen. Während etablierte Akteure über einen relativ sicheren Status verfügen, müssen sich die anderen Akteure jeweils darum bemühen. Daher sind diese auf Informations- und Kommunikationsaktivitäten angewiesen, da sie einerseits eigene Anhänger finden und mobilisieren, andererseits weitere Akteure und/oder Medien mit ihren Themen und Argumenten erreichen müssen. In der Phase der Ansprüche ist der Einfluß der Medien groß, jedoch ist er abhängig von der Fähigkeit und Bereitschaft der Akteure durch eigene Beiträge anhaltend mitzuwirken. Isolierte und atomisierte Individuen haben oft geringe Chancen, gewachsene Strukturen zu verändern, daher gewinnt das koordinierte und gemeinsame Vorgehen unterschiedlicher Gruppen zur Kanalisierung des politischen Systems strategische Bedeutung.
E-Wahlsysteme können von diesen Gruppen eingesetzt werden, damit ihre räumlich verteilten Akteure nach ausreichender Information und Diskussion zu einer einheitlichen Zielstellung gelangen und ihre jeweiligen Repräsentanten auswählen. Die E-Abstimmung reflektiert mithin die formelle Gruppenstimme. Ein endgültiges Gruppenresultat erfordert im Idealfall eine einzige oder im Normalfall mehrere EVen. Weitere Einsatzgebiete der E-Abstimmung sind das Agenda-Setting der Gruppe, die Festlegung ihrer Diskussions-Verfahrensregeln sowie die Abklärung mehrheitsfähiger Positionen. Durch die E-Abstimmung kann die Gruppe ihre Diskussion gemeinsam steuern und organisieren. Beispielsweise bestimmt diese, ob ein Aspekt eines Themas intensiver als andere Dimensionen diskutiert werden soll. Darüber hinaus läßt sich per E-Abstimmung festlegen, ob die Teilnehmermehrheit zu einem neuen Gebiet übergehen möchte. Solche Gruppen reichen von kleinen kommunitären Kreisen (republikanisch) und Basisgruppen (partizipatorisch, republikanisch) über Interessengruppen (pluralistisch) bis hin zu großen sozialen Bewegungen.
Aufgrund der polydirektionalen Kommunikation erhalten die Repräsentanten mehr Inputs verschiedener Gruppen - das Volumen, die Richtung und Fokussierung der gestellten Ansprüche determinieren den auf das politische System ausgeübten Druck (zu einem bestimmten Zeitpunkt). Dieser kann durch Einflussnahme über E-Massenmedien zusätzlich verstärkt werden. Wenn die aktive Bürgerschaft feststellt, daß das repräsentative System ihre Bedürfnisse ignoriert, dann kann diese eine E-Initiative einleiten, die eine E-Abstimmung zur Folge haben kann. Indirekte E-Initiativen existieren gemäß den Beteilungsannahmen nicht in der kompetitiven E-Demokratie, sonst in allen anderen E-Demokratien, während direkte E-Initiativen nur in der plebiszitären und partizipatorischen E-Demokratie erlaubt sind. Damit wird ein Gegenstand auf die politische Tagesordnung gesetzt, auch gegen den Widerstand der etablierten politischen Kräfte.
Tabelle 5.12: Beteiligungsmöglichkeiten der Bevölkerung an
Aktivitäten des politischen Prozesses aus der Sicht unterschiedlicher
Demokratiemodelle (M...Beteiligung nur für Mitglieder der Initiatorengruppe der
E-Initiative möglich).
|
Kompetitiv |
Plebiszitär |
Republikanisch |
Partizipatorisch |
Pluralistisch |
Art der Gruppe |
|
Initiatoren |
Basisgruppen, |
Basisgruppen |
Interessen- |
Information in der Gruppe |
|
M |
x |
x |
I |
Diskussion in der Gruppe |
|
M |
x |
x |
I |
Repräsentantenwahlen in Gruppe |
|
M |
x |
x |
I |
Abstimmungen in Gruppe |
|
M |
|
x |
I |
Indirekte E-Initiative starten |
|
M |
x |
x |
I |
Direkte E-Initiative starten |
|
M |
|
x |
|
5.10.1.3 Planung
Die Art der Analyse der Bedürfnisse und der Ansprüche sowie die darauffolgende Vorbereitung der Reaktion bilden den dritten Faktor, der in den politischen Prozeß eingeht. Das Erforschen und Erklären komplexer sozialer Ereignisse und deren Auswirkung auf das politische System erfordert Erfahrung und Expertise. Für die Planung sind auch die Daten der Diskussionssysteme (D1-D11) relevant. Das Anwendungsfeld des elektronischen Wahlsystems besteht hier in der Teilnahme der Bevölkerung bei der Selektion ihrer Experten und Gegenexperten (plebiszitär, partizipatorisch, republikanisch) sowie in der Vorgabe von Prioritäten und Gesichtspunkten der Forschungsaufgaben (plebiszitär, partizipatorisch). Die IKT dienen besonders den Sozialwissenschaftlern, da sie riesige Datenbestände evaluieren und mittels hochentwickelten Modellen komplexe Systeme präziser simulieren können.
Durch eine Systematisierung der Diagnose und
der Prognose sozialer Dysfunktionen würde die Politik nach der These von Arnopoulos und Valaskakis (statt
auf soziale Perturbationen und Unruhe erst nachher zu
reagieren) diese wegen präventiver Problemidentifikation leichter vermeiden
können (Frühwarnfunktion) (Arnopoulos/Valaskakis, 1982. S. 30).
„Anticipatory
democracy is Alvin Toffler´s term for “a process for combining citizen
participation with future consciousness. As such, it goes far beyond the usual
notions of ´participatory democracy´”... Toffler´s concern with the
future is an important one, we believe. For the best uses of electronic
democracy are not necessarily when the citizenry is asked to react to a crisis
or near-crisis. Rather, the public´s views and preferences about what direction
society should take in the long run may be an even better reflection of
advantages of electronic democracy” (Becker/Scarce, 1986, S. 272).
Eine Funktionsschwäche der repräsentativen parlamentarischen Demokratie und ihrer Verwaltung liegt auch auf dem Gebiet der langfristigen Planung (Krauch, 1972, S. 91). Dabei wird von einem Planungsbegriff ausgegangen, der sich weitgehend darauf reduziert, kurzfristige Probleme der Gesellschaft zu regeln. Planung umfaßt nicht nur die Produktion diverser Pläne, sondern langfristige Probleme müssen nach These von Arnopoulos und Valaskakis rechtzeitig identifiziert werden (sofern dies überhaupt durchführbar ist), um mögliche Krisen vermeiden zu können (Arnopoulos/Valaskakis, 1982, S. 30-31). Politik wird nicht mehr als Summe ihrer Einzelteile - wie sie von einzelnen Ministerien und deren Abteilungen hergestellt wird -, sondern als Einbezug großer Bevölkerungsteile in die Planungs- und Entscheidungsarbeiten gesehen, die mit einer konventionellen Bürokratie unlösbar sind.
Nur eine relativ kleine Gruppe einflußreicher Personen übt derzeit einen direkten Anstoß zur Bearbeitung und Aufgabe wichtiger Probleme bei der politischen Planung aus. Eine große Zahl erfahrener und sachkundiger Bürger, die sich in der Bevölkerung zu jedem dringenden Entscheidungsproblem finden läßt, bleiben weitgehend unberücksichtigt. Viele Bürger sind interessiert, engagiert, und würden nach der Hypothese von Krauch in irgendeiner Form mitwirken wollen (partizipatorisch, republikanisch, plebiszitär). Die Parteien sowie die Verbände repräsentieren allerdings Organisationsmuster (hierarchische Strukturen, bürokratische Erstarrung), die kreative Initiativen schwerlich aufnehmen. Politische Planung kann nach den folgenden wichtigsten Funktionen gegliedert werden (Krauch, 1972, S. 99):
Bei der Integration der Bevölkerung in die Planung sind Krauch zufolge die
ersten drei und die letzte Funktion durch die Bürgerschaft kompetent zu
bewältigen (partizipatorisch, republikanisch). Darüber hinaus können bei der
Zukunftsplanung (1) E-Abstimmungen (nach Information und Diskussion) oder (2)
Konsensverfahren eingesetzt werden, damit Bürger ihre bevorzugten Komponenten
der politischen, sozialen, ökonomischen und umweltspezifischen Zukunft
bestimmen können.
Nachhaltige Entwicklung (Nachhaltigkeitsdefinition: siehe 5.10.3.3) erfordert langfristige Planung und ihre Implementierung. Die Qualität langfristiger Planung ist aber primär abhängig vom Maße der Mitbestimmung der Betroffenen an den Entscheidungen. Diese Mitbestimmung ist aus der Sicht nachhaltiger Entwicklung eine Frage der Entscheidungsqualität angesichts eines komplexen Umfeldes und einer effektiveren Verteilung der Verantwortung für die Umsetzung. Es geht um die Übernahme von Verantwortung durch die Bürger in strategischen Zukunftsentscheidungen sowie in der Umsetzung von beschlossenen Maßnahmen. Nur so wird es möglich sein, auch in Zukunft Gemeinwesen mit hoher Qualität im sozialen und kulturellen Bereich aufrecht zu erhalten und deren Entwicklung zu finanzieren.
Das Konzept nachhaltiger Entwicklung
erfordert eine holistische Perspektive der Zielsetzung und der Wahl der Mittel
menschlichen Fortschrittes. Dieser erweiterte Horizont und die mit dem Konzept
einhergehende Anforderung, den Menschen als integralen Teil der
Gesamtentwicklung der Natur zu sehen, kann Ausgangspunkt eines
Bewusstseinswandels sein. Ein solche ökologische Bewusstseinsveränderung ist
eine der möglichen Voraussetzungen für die Weiterentwicklung des politischen
Systems. Es ist aber zu beachten, daß der Erfolg bewußtseinsbildender Prozesse auch in langen Zeiträumen zu
messen ist.
Tabelle 5.13: Beteiligungsmöglichkeiten der Bevölkerung an Aktivitäten des politischen Prozesses aus der Sicht unterschiedlicher Demokratiemodelle.
|
Kompetitiv |
Plebiszitär |
Republikanisch |
partizipatorisch |
Pluralistisch |
E-Wahl der Experten |
|
x |
x |
x |
I |
Vorgabe von Prioritäten
für Forschungsaufgaben durch |
|
x |
|
x |
|
Integration der Bevölkerung in Planung |
|
|
x |
x |
I |
Konsensbildung über
|
|
|
x |
x |
I |
E-Abstimmung über Zukunftsmodelle |
|
x |
|
x |
|
5.10.2 Politische Interaktionen
In diesem Abschnitt wird das Fundament des politischen Entscheidungsprozesses erreicht. Zahlreiche Eingabefaktoren werden hier behandelt und schlußendlich in einen Output transformiert. Viele Parameter müssen bei jedem Entscheidungsproblem berücksichtigt werden. Dabei liegt der Schwerpunkt auf drei Aspekten, die im Kontext der elektronischen Demokratie Bedeutung erlangen: Konfrontation, Verhandlungen, Anpassung.
5.10.2.1 Konfrontation (Diskussion)
Nach der Identifikation der Hauptinputs unterschiedlicher Gruppen werden diese Sozialforderungen als Gesellschaftskritik, Interessenpositionen, politische Konzepte und Modelle durch unterschiedliche Advokaten (z.B. Gruppenvertreter, Einzelpersonen etc.) vertreten. Meinungsverschiedenheiten über Mittel und Ziele sozialer Aktivitäten lösen öffentliche Kontroversen aus. Um Zustimmung zu den Konzepten wird in virtuellen und realen öffentlichen politischen Arenen gerungen (z.B. EVen, ESVen, Nachbarschaftsversammlungen, etc.). Öffentliche Themen werden mithin ein Gegenstand der politischen Agenda. Über die Rangfolge der zu bearbeitenden Themen können die Bürger (beispielsweise per E-Abstimmung) befinden (Agenda-Setting von unten). Durch das „Agenda-Setting von unten“ besteht die Möglichkeit, die wichtigen Themen, über welche die aktive Bürgergesellschaft selbst entscheiden möchte, herauszufinden (republikanisch, partizipatorisch, plebiszitär).
Jede Konfrontation beruht zunächst auf der Hypothese der Existenz divergierender Positionen unter verschiedenen politischen Akteuren, die beispielsweise in ESVen aufeinanderprallen. Jeder Teilnehmer präsentiert seine Perspektive sozialer Probleme und die korrespondierende Problemlösung. Der Informations- und Kommunikationssektor hat eine Schlüsselrolle bei der Vorbereitung und Präsentation der Entscheidungsalternativen.
Die Kontroverse besteht grundlegend aus drei Phasen:
Beim Übergang von Stufe eins zu Stufe zwei verlagert sich das Schwergewicht des
Prozesses kontinuierlich darauf, tiefer in die Komplexität der Fragen
einzudringen und den Input der Teilnehmer in den Datenbanken zu sichern.
In der zweiten Diskussionsphase suchen Bürger, Repräsentanten und Experten nach den Entscheidungsalternativen (partizipatorisch, republikanisch). Jeder Bürger bzw. jede Basisgruppe darf (z.B. im Rahmen von ESVen) Alternativen vorschlagen, die von den jeweiligen Organisatoren aufgenommen, bearbeitet und in einer öffentlich zugänglichen Datenbank aufgezeichnet werden (partizipatorisch, republikanisch).
Nach dem Abschluß der zweiten startet eine dritte Diskussionsphase, bei der die Gewinnung von Informationen über vorhersehbare Konsequenzen der Entscheidungsalternativen im Rahmen öffentlicher ESVen vorgenommen wird. Durch einen Prozeß, der eine Vielzahl von Gewichtungen, Analysen, Evaluationen der Inputs aus den EVen einschließt, gehen die bewerteten Alternativen hervor.
Informationsexperten (hochqualifizierte Personen: z.B. Politikwissenschaftler, Sozialwissenschaftler, Systemanalytiker) müssen hierbei auf die Vor- und Nachteile der Optionen hinweisen, um den Bürgern zu qualitativen und abgewägten Entscheidungen zu verhelfen. Die Bevölkerung wählt ihre Informationsexperten aus (Keskinen, 1998) (plebiszitär, republikanisch, partizipatorisch). Mediatoren, die am Prozess mitwirken dürfen, können auch gemäß partizipatorischer E-Demokratie nach dem Zufallsprinzip selektiert werden, wodurch verhindert werden soll, dass bestimmte machtgebundene Experten den Prozess in eine bestimmte Richtung lenken. Kommunikationsexperten publizieren die Inhalte der Debatten und erregen öffentliches Interesse.
Die Diskussionsphasen lassen sich auf verschiedenen Ebenen und durch wechselseitig konkurrierende ESVen und E-Nachbarschaftsversammlungen wiederholen, wodurch auch die Identifikation neuer Alternativen möglich wird. Die Einbeziehung von Computer-Simulationen und Rollenspiele diverser Gruppen über die Wahl bestimmter Alternativen ("What If" Games) unterrichtet die Öffentlichkeit über die Konsequenzen der Selektion einzelner Optionen. Massenmedial vermittelte Rollenspiele fördern auch die Empathiefähigkeit bei konträren Standpunkten, da unterschiedliche Szenarien ("Step Into Others’ Shoes" Scenarios) dargestellt werden.
Tabelle 5.14: Beteiligungsmöglichkeiten der Bevölkerung an
Aktivitäten des politischen Prozesses aus der Sicht unterschiedlicher
Demokratiemodelle.
|
Kompetitiv |
Plebiszitär |
Republikanisch |
Partizipatorisch |
Pluralistisch |
Agenda-Setting von unten durch E-Abstimmung |
|
x |
|
x |
|
Agenda-Setting von unten durch Konsensbildung |
|
|
x |
x |
|
Auswahl der
Informationsexperten |
|
x |
x |
x |
I |
Problemdiskussion |
|
|
x |
x |
I |
Diskussion und Definition der Alternativen |
|
|
x |
x |
I |
Diskussion über Folgen der Alternativen |
|
|
x |
x |
I |
5.10.2.2 Verhandlungen
Nach den öffentlichen Debatten werden Verhandlungen abgewickelt. Die Öffentlichkeit darf diese internen Interaktionen in der kompetitiven und pluralistischen E-Demokratie nicht mitverfolgen. Nichtsdestoweniger sind die Verhandlungsträger gegenüber dem Verhandlungsoutput rechenschaftspflichtig. Thematisch divergierende Gruppen versuchen Kompromisse oder sogar Konsense zu erzielen, wobei die Verhandlungen einen Prozeß des Gebens und Nehmens einschließen, wodurch im Best-Case Win-Win-Lösungen für alle Konfliktparteien erreicht werden können. Zwischenergebnisse lassen sich durch EVen einem breiten Publikum vermitteln. Nach ausreichender Deliberations- und Informationszeit ist es wiederum durchführbar, das E-Wahlsystem einzusetzen, um die öffentliche Akzeptanz der durch die Gruppen vertretenen Positionen zu messen - dadurch können während des Verhandlungsprozesses die Verhandlungsgewichte der teilnehmenden Gruppen verändert werden (partizipatorisch). Auch ist es durchführbar, über die öffentliche Akzeptanz des Outputs der Verhandlungen nach hinreichender Diskussion sowie Information eine E-Abstimmung abzuhalten (partizipatorisch). Lehnt die Bevölkerung die Einigung der politischen Akteure ab, würde die Verhandlung erneut beginnen. Auch können per E-Abstimmung und per ESVen weitere Maßnahmen beraten werden (partizipatorisch). In der plebiszitären E-Demokratie finden keine Verhandlungen statt, da das Volk unmittelbar und direkt eine Entscheidung trifft – unter Ausschaltung (bzw. Umgehung) aller intermediären Institutionen wie Parlamente und Regierungen, Parteien und Verbände.
Durch zunehmende politische Basis- und Entwicklungsarbeit und der damit verbundenen Aktivierung und öffentlichen Bewußtseinsbildung würde die Bürgerschaft nach der Hypothese von Arnopoulos und Valaskakis gegen verschlossene Verhandlungen und Konferenzen eintreten (Arnopoulos/Valaskakis, 1982), damit dieser geheime Raum beispielsweise durch E-Massenmedien geöffnet und für die interessierte Bevölkerung transparent und mitverfolgbar wird (partizipatorisch, republikanisch).
„As
people become more aware and active, they are no longer content in letting
small groups take crucial decisions behind closed doors“
(Arnopoulos/Valaskakis, 1982, S. 35).
Gegebenenfalls existieren Verhandlungsthemen, welche Geheimhaltung bedingen, doch sollten diese Verhandlungen im Lichte der aktiven Bürgerschaft auf ein Minimum reduziert werden. Politische Berater können außerdem einzelnen Gruppen helfen, ihre Position zielgerichteter und präziser zu vertreten, durch Spielstrategien ihre Gewinne zu maximieren und ihre Verluste zu minimieren.
Tabelle 5.15: Beteiligungsmöglichkeiten der Bevölkerung an
Aktivitäten des politischen Prozesses aus der Sicht unterschiedlicher
Demokratiemodelle.
|
Kompetitiv |
Plebiszitär |
Republikanisch |
Partizipatorisch |
Pluralistisch |
ESVen zur Diskussion der Zwischenergebnisse |
|
|
x |
x |
I |
E-Abstimmung über Gruppenpositionen bei den Verhandlungen |
|
|
|
x |
|
EVen mit E-Abstimmung über weitere Maßnahmen |
|
|
|
x |
|
Offene E-Verhandlung erlaubt? |
Nein |
Nein
|
Ja |
Ja |
Nein |
Offene E-Verhandlungen |
|
|
x |
x |
|
E-Abstimmung über Output der Verhandlung |
|
|
|
x |
|
5.10.2.3 Anpassung
An dieser Stelle sollte klar geworden sein, daß wir unter elektronischer Politik keinesfalls ihre Reduzierung auf eine elektronische Mehrheitsentscheidung für bestimmte Personen oder Positionen verstehen. Konsensbildung ist eine dialogische Aktivität (konsensstiftende Kraft der Sprache und der Kommunikation), in der widersprüchliche Interessen in Richtung eines gemeinsamen Gebietes der Übereinstimmung konvergieren. Die Anpassung von Interessen bezeichnet das Endstadium des politischen Prozesses. Das Anpassen gegensätzlicher und unterschiedlicher Interessen ist eine schwierige Aufgabe, die mit Vorsicht ausgeführt werden muß. Deshalb bedingt der Anpassungsvorgang Mediatoren, die willens und fähig sind, nach dem Konsens zu suchen, um abschließend eine erfolgreiche Ratifizierung zu erreichen. Konsensbildung stellt die Inversion der Themenkonfrontation dar - sie kann am Beginn (z.B. Agenda-Setting) und am Ende des politischen Prozesses stehen.
Die Konsensbildung kann in der Regel auch als ein Verfahren zum Schutz von Minderheiten gesehen werden, da deren Interessen berücksichtigt werden sollen, was zur Erhöhung der allgemeinen Akzeptanz und Legitimation einer Entscheidung führen kann.
Die politischen Diskussionen beginnen mit der Auseinandersetzung, welche Themen auf die Agenda gelangen und enden mit deren Lösung oder mit deren Streichung. Bei den Kontroversen kann eine Eskalation eintreten, die ihren Höhepunkt erreicht und normalerweise unter Mitwirkung von Mediatoren in eine Deeskalationsphase übergeht.
In der letzten Phase wird versucht, einen gemeinsamen Nenner abweichender Positionen herauszufinden. Ein Konsens kann durch kompetente politische Akteure hervorgebracht werden, doch die Teilnehmer müssen nicht unbedingt der Gruppe der Berufspolitiker angehören (d.h. z.B. Konsensbildung durch zufällig gewählte Repräsentanten mit/ohne Hilfe von Mediatoren).
"Unfortunately, in this domain, humanity has not made much progress in the last two thousand years. Consensus-building techniques and political problem-solving methods have remained the same throughout history. It is only now that technological advances have began to spill over to the political sphere..." (Arnopoulos/Valaskakis, 1982, S. 37).
Öffentliche und bürgerkontrollierte Organisationen (I5) haben innovative partizipatorische Technologien zu testen (partizipatorisch, republikanisch). Öffentliche Forschungsinstitute und Experten sind mit den nötigen finanziellen Mitteln auszustatten, damit E-Entscheidungsprozesse entwickelt und erforscht werden können.
Tabelle 5.16: Beteiligungsmöglichkeiten der Bevölkerung an
Aktivitäten des politischen Prozesses aus der Sicht unterschiedlicher
Demokratiemodelle.
|
Kompetitiv |
Plebiszitär |
Republikanisch |
Partizipatorisch |
Pluralistisch |
Interaktion bei Anpassung |
|
|
x |
x |
I |
Wir erreichen mit der Output-Erzeugung das entscheidende Stadium des politischen Prozesses, bei dem politikfähige Individuen Entscheidungen treffen, die anschließend ausgeführt werden - Entscheidungsfindung, Implementierung und Evaluation sind hierbei die wichtigsten Phasen.
5.10.3.1 Entscheidungsfindung
Gesetzgebende elektronische Entscheidungen können im politischen Prozeß durch die Bevölkerung und/oder durch ihre Repräsentanten gefällt werden. Minimalistisch gesehen, dürfen ausschließlich politische Eliten legislative Entscheidungen treffen (kompetitive, pluralistische E-Demokratie), maximalistisch betrachtet, befindet ausschließlich die Bevölkerung über Gesetze (plebiszitäre E-Demokratie). Eine moderate Position der Mitte würde die Bevölkerung in den Gesetzgebungsprozeß integrieren, doch die formale Ratifikation der Gesetze ihren Repräsentanten überlassen (republikanisch). Eine progressive Perspektive der Mitte sollte sowohl den Repräsentanten als auch dem Volk erlauben, über Gesetze elektronisch abzustimmen (partizipatorisch). In einer direkten E-Demokratie würde das Volk maximalistisch per E-Abstimmung entscheiden können, ob es beim jeweiligen Entscheidungsproblem Zuschauer bleiben oder Teilnehmer werden möchte, ob es den Entscheidungen der Repräsentanten vertraut oder selbst per elektronischer Abstimmung die Kontrolle übernehmen möchte (Meta-Entscheidung). Somit würden die Bürger bei Themen, die sie besonders interessieren oder betreffen wahrscheinlich direkt abstimmen, bei anderen aus ihrer Sicht weniger relevanten Themen würden sie ihre Stimme an die Repräsentanten abtreten (Meta-Entscheidungen können auch in einer frühen Prozessstufe getroffen werden). Die meisten Bürger würden sich nach der These von Miller für eine Lösung zwischen den beiden Extremen (vollständige Delegation und vollständige direkte Demokratie) entscheiden (Miller, 1969).
Das Modifizieren von Gesetzgebungsentwürfen, die ein fortgeschrittenes Stadium durchlaufen haben, kann manchmal politische Perturbationen auslösen. Daher ist die Abstimmung zeitlicher Abläufe für die Realisierung eines Gesetzes bedeutsam. Eine E-Demokratie sollte im Idealfall antizipatorisch und nicht reaktiv funktionieren, so daß genügend Zeit für die rechtzeitige Identifikation und Lösung sozialer Probleme existiert. Antizipatorisch bedeutet, daß längerfristige Entwürfe geplant werden sollen, nichtsdestotrotz ist die politische Praxis weitgehend reaktiv, da viele Ereignisse unvorhersehbar sind.
Nach der Entscheidungsfindung und Integration der Öffentlichkeit via Diskussionssysteme (z.B. ESVen) kann die öffentliche Meinung durch eine E-Umfrage ermittelt werden (partizipatorisch). Im Best Case kommt ein breiter Konsens zustande, der ratifiziert wird. Minimalistisch entscheidet eine knappe Mehrheit der Repräsentanten oder der Bevölkerung für oder gegen das Gesetz. Auf Basis des Willens der Bevölkerung setzen legislative Organe ihre autoritative Entscheidung um und verkünden das neue Gesetz.
Anderseits kann der Fall eintreten, daß der Output des Gesetzgebungsprozesses unschlüssig oder erfolglos bleibt. Deswegen erfordert der Prozeß eine Phase des Neuüberdenkens und der Rekursion. Nicht immer kann die Politik eine gemeinsame Übereinkunft bewerkstelligen - bestimmte Gesetzesentwürfe sind manchmal noch nicht konsensentscheidungsfähig und sollten nicht unbedingt durchgebracht werden.
Neue Informationsdienste würden hier mehr öffentliche Transparenz über den Zustand der jeweiligen Vorlage im politischen System ermöglichen und unangenehme Überraschungseffekte am Ende des politischen Prozesses vermindern. Als Output sollten verdichtete und entscheidungsfähige Vorlagen hervorgehen, über welche die jeweiligen Entscheidungsträger elektronisch votieren.
Tabelle 5.17: Beteiligungsmöglichkeiten der Bevölkerung an
Aktivitäten des politischen Prozesses aus der Sicht unterschiedlicher
Demokratiemodelle.
|
Kompetitiv |
Plebiszitär |
Republikanisch |
Partizipatorisch |
Pluralistisch |
Diskussion vor der Entscheidung |
|
|
x |
x |
I |
Meta-Entscheidung |
|
x |
|
x |
|
Mehrheitsentscheidung durch Bevölkerung |
|
x |
|
x |
|
Konsens mit öffentlicher
Ratifikation |
|
|
|
x |
|
Konsens ohne öffentliche Ratifikation |
|
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x |
x |
I |
Diskussion nach vollzogener Entscheidung |
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x |
x |
I |
5.10.3.2 Implementierung
In der Implementationsphase werden Entscheidungen durch die Beteiligung verschiedener (öffentlicher und privater) Organisationen, von Gruppen und von Einzelpersonen mit unter Umständen divergierenden Zielen konflikthaft oder konsensual umgesetzt. Keskinen will die Bevölkerung bei der Wahl derjenigen Akteure, die Entscheidungen ausführen, beteiligen (plebiszitär, partizipatorisch, republikanisch) (Keskinen, 1998).
Nach dem bindenden Entscheidungsakt sollten auch die Gegner des Resultates den Output akzeptieren. In der Praxis ist es aber möglich, daß die Kontroversen von jenen Akteuren weitergeführt werden, die gegen die Politik und/oder gegen die Art der Implementierung sind. Die Bedeutung dieser Phase besteht darin, daß politisches Handeln durch Zielvorgaben, Handlungsprogramme, Gesetze, etc. nicht endgültig steuerbar ist. Daher können politische Programme und deren Intentionen verzögert, verändert oder sogar vereitelt werden. Jene Gruppe kann sich aus Akteuren (z.B. Lobbyisten) zusammensetzen, die versuchen, die Ausführung der Politik durch Sabotage-, Sanktions- oder Blockierungsaktivitäten zu unterminieren. Für einen solchen Fall ist es notwendig, daß öffentliche E-Medien (I1,I2,I5) der Bevölkerung detaillierte Berichterstattung über solche Vorgänge leisten. Die Rolle der öffentlich-rechtlichen Massenmedien besteht in der Information über den Fortschritt oder die Rückschritte der Implementierung.
Ein anderer Fall betrifft die öffentliche Ablehnung der eingesetzten Methoden der Implementierung. Kontrollprüfungen durch die Bevölkerung sind hier z.T. schwer zu leisten, weil meistens ein hoher Spezialisierungsgrad und Expertise erforderlich sind - doch sollte die Bevölkerung einen wissenschaftlichen Rat per E-Wahl selektieren dürfen (partizipatorisch, plebiszitär, republikanisch), der im Auftrag der Bürgerschaft die Methoden der jeweiligen Implementierung verifiziert (Überprüfung der Realisierung politischer Intentionen). Die Bürger können durch eine E-Initiative, wenn sie die Signaturen eines bestimmten Prozentsatzes der Bevölkerung sammeln, eine E-Abstimmung über die Zurücknahme bzw. Modifikation der Methode der Implementierung durchsetzen (plebiszitär, partizipatorisch). Der öffentliche oder private Sektor, der mit der Implementierung beauftragt wird, muß das nötige Mandat zur Erfüllung der gestellten Aufgaben erhalten.
Viele Bürokratien tendieren dazu, ihre Aufgaben unter Geheimhaltung zu vollziehen. Somit sind ihre Kontrollmöglichkeiten stark beschränkt. Die Kontrolle der Verwaltung sollte in vernünftigen Grenzen von "Checks and Balances" gestaltet werden. Spezielle Informations-dienste können bei der öffentlichen Prüfung und Kontrolle bürokratischer Tätigkeiten helfen. Die Idee der Integration öffentlicher Kontrolle wird dem Fehlverhalten der Exekutivgewalt entgegenwirken. Die Praxis zeigt, daß administrative Skandale immer wieder auftreten. Eine offene Bürokratie würde dagegen die Aufdeckung und Korrektur ihres Fehlverhaltens erleichtern. Die Enthüllung solcher Skandale durch die aktive Gesellschaft würde positive Wirkungen für das bürokratische System entfalten.
Tabelle 5.18: Beteiligungsmöglichkeiten der Bevölkerung an
Aktivitäten des politischen Prozesses aus der Sicht unterschiedlicher
Demokratiemodelle.
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Kompetitiv |
Plebiszitär |
Republikanisch |
Partizipatorisch |
Pluralistisch |
E-Wahl der Akteure, die Entscheidungen ausführen. |
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x |
x |
x |
I |
E-Wahl eines wissenschaftlichen Rates zur Prüfung der Implementierung |
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x |
x |
x |
I |
Information über Implementierung |
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x |
x |
x |
x |
Diskussion über Implementierung |
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x |
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I |
E-Abstimmung über
Modifikation/Zurücknahme der |
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x |
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x |
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Beteiligung des Bürgers an Implementierung |
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x |
x |
I |
5.10.3.3 Evaluation und Feedback
Der letzte Schritt des politischen Prozesses besteht aus Evaluation und Feedback. Für jeden Prozeß, der ein bestimmtes Ziel verfolgt, muß überprüft werden, ob das Ziel auch tatsächlich erreicht wurde. Folglich wird der Implementierungsprozeß zweifach evaluiert: Sowohl seine ausgeführte Politik als auch die dabei eingesetzte Strategie sind Gegenstand der Bewertung. Daher muß das politische System eine Methodologie verfolgen, die auf einer Mittel-Ziel-Evaluation basiert, damit seine Leistungsfähigkeit beurteilbar wird.
Die Evaluationsforschung verwendet wissenschaftliche Forschungsmethoden für den Zweck der Durchführung einer Bewertung. Ziel der Evaluationsforschung ist die Ermittlung der Effektivität und Effizienz von Programmen. Effektivität wird als Grad der Zielerreichung definiert. Es wird untersucht, inwieweit ein politisches Handlungsprogramm sein Ziel erreicht hat. Effizienz ist demgegenüber das Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen eines Programms oder einer Maßnahme.
Es wird bei der Evaluation gefragt, welche Wirkung (Impact) bezogen auf die Adressaten eines Programms erzielt wird. Zur Reaktion der Zielgruppe hinzu kommt die Reaktion des Gesamtsystems über die Zielgruppe hinaus (System Reaction). Als weitere Differenzierung im Wirkungsbereich kommt daher auch der Begriff des Outcome dazu, der sämtliche Auswirkungen der Maßnahmen und Programme umfaßt, unabhängig davon, ob sie beabsichtigt sind oder nicht und ob sie über die Zielgruppe hinausgehen.
Wird der Zweck der Politik als eine Anpassung von unterschiedlichen Interessen durch kommunikative Auflösung der Streitpunkte definiert, dann hat die Evaluation das Konsens- und das Konfliktlösungsniveau zu bewerten (Messung z.B. durch E-Umfragen und E-Interviews).
Alle Evaluationen müssen nach der Fertigstellung über Informationsdienste für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Wiederum können Bürgergruppen und die Gesetzgebung Diskussionssysteme einsetzen, um die Schlußfolgerungen der Evaluationen zu beraten und zu debattieren (partizipatorisch, republikanisch). Das Feedback dient der Identifizierung von Fehlern. Gegebenfalls sind per E-Wahl neue (Gegen-)Experten zu selektieren, die von Bürgergruppen mit der Erstellung neuer unabhängiger Bewertungen beauftragt werden können (partizipatorisch, republikanisch, plebiszitär).
Der praktische Zweck der Evaluation dient dem Lernen aus Fehlern und ihrer zukünftigen Vermeidung. Die Diskussionen über Evaluationen enthalten eine nicht zu unterschätzende Bildungsfunktion für die Bevölkerung, die untrennbar mit dem politischen Entwicklungsprozeß verknüpft ist, der Bewußtseinsbildungspotentiale einschließt. Falls das politische System Wiederholungen von Fehlern vermeiden will, dann müssen vergangene Fehler lokalisiert und korrigiert werden. Die Erziehungsaufgaben des Informations- und Kommunikationssektors sind besonders kritisch - Akteure, die diese Aufgabe wahrnehmen, müssen konstruktive Kritiken äußern.
Schlußendlich repräsentiert die gesamte Bevölkerung den höchsten Evaluator und besonders diejenigen Personen, die von den Entscheidungsprozessen unmittelbar materiell betroffen sind (z.B. Kosten/Nutzen). Falls jedoch ein Gesetz, eine Verordnung oder eine administrative Maßnahme sich in der Evaluation als Problem für Betroffene herausstellt, so kann die Problemlösung ggf. zu einer erneuten Problemartikulation führen, wodurch der politische Prozeß erneut "ausgelöst" wird.
Wenn wir ein Hauptziel des Politischen als maximale Erfüllung menschlicher Bedürfnisse unter der Bedingung der Wahrung der Nachhaltigkeit definieren, dann muß der Output des politischen Systems an der Erreichung dieser Zielstellung gemessen werden.
„Eine Gesellschaft ist dann nachhaltig, wenn sie so strukturiert ist und sich so verhält, daß sie über alle Generationen existenzfähig bleibt... daß sie ihre eigenen materiellen und sozialen Existenzgrundlagen nicht unterminiert... Im Sinne der Systemforschung ist eine Gesellschaft nachhaltig, wenn sie ausreichend Informations-, Sozial- und Verwaltungsstrukturen besitzt, die in der Lage sind, die positiven Rückkopplungen für exponentielles Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum so zu kontrollieren, daß die Fertilität etwa gleich der Mortalität ist und die Investitionsraten etwa den Raten der Kapitalabnutzung entsprechen“ (Meadows/Meadows/Randers, 1995, S. 250-251).
In einer nachhaltigen Gesellschaft wären Bevölkerung, Kapital und Technologie derart ins Gleichgewicht gebracht, daß einerseits ein hinreichender Pro-Kopf-Lebenstand gehalten wird und andererseits der Materie- und Energiedurchsatz drei zentrale Bedingungen erfüllt. (1) Die Nutzungsrate sich erneuernder Ressourcen darf deren Regenerationsrate nicht überschreiten. (2) Die Nutzungsrate sich erschöpfender Rohstoffe darf die Rate des Abbaus sich regenerierender Rohstoffquellen nicht übersteigen. (3) Die Rate der Schadstoffemission darf die Kapazität zur Schadstoffabsorption der Umwelt nicht übersteigen.
Ideal sollte das politische System die Maximierung der Erfüllung individueller und kollektiver Bedürfnisse zu realisieren suchen. Sobald einige Bedürfnisse erfüllt werden, erheben politische Akteure weitere Ansprüche. Der Politikzyklus beginnt erneut. Doch sollte die Kombination aus Experten- und Bürgerfeedback die nächste Runde des politischen Prozesses verbessern. Die politische Aktivität kann sich mit der Transformation der Werte, Bedürfnisse und Präferenzen der Bevölkerung verändern (Transformationsannahme aus partizipatorischer E-Demokratie). Der Output eines Politikzyklus wird zum Input eines neuen Zyklus - in diesem Sinne wird der Prozeß kontinuierlich wiederholt.
Tabelle 5.19: Beteiligungsmöglichkeiten der Bevölkerung an
Aktivitäten des politischen Prozesses aus der Sicht unterschiedlicher
Demokratiemodelle.
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Kompetitive |
Plebiszitär |
Republikanisch |
Partizipatorisch |
Pluralistisch |
Information über Evaluation |
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x |
x |
x |
x |
Diskussion über Evaluation |
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x |
x |
I |
E-Wahl von Experten und Gegenexperten zur Erstellung von Evaluationen |
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x |
x |
x |
I |
Konsensniveau in der
Bevölkerung |
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x |
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Integration der Bevölkerung in die Evaluation |
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x |
x |
I |