Die kompetitive Demokratie basiert auf einer prozeduralen Funktionsvorstellung der repräsentativen Demokratie. Die Wahl der Repräsentanten zählt zu den wichtigsten Operationen im politischen System. Die politische Hauptaufgabe der Bevölkerung ist das Hervorbringen einer Regierung, wobei das Prinzip der Demokratie darauf beruht, daß diejenige spezialisierte Gruppe aus dem Parteiensystem die Regierung übernimmt, die mehr Unterstützung als ihre Gegner erhält.
Konflikte werden durch Verhandlungen und durch das Mehrheitsprinzip gelöst (Schmidt, 1995). Politische Parteien, Eliten, Experten und Bürokratien haben in diesem Modell eine zentrale Stellung. Die Eliten-Masse-Struktur der Gesellschaft wird als unveränderbar begriffen. Dieses repräsentative Konzept behauptet, die stabilste aller Lösungen zu sein, um Probleme der Komplexität und Krisen im politischen System zu bewältigen.
Das Verhalten des eigennutzenmaximierenden Wählers als Politikkonsument im Sinne des Homo Oeconomicus (ökonomisches Verhaltensmodell, Rationalwahlmodel), der über eine eindimensionale Präferenzstruktur verfügt, steht im Zentrum der kompetitiven Demokratie. Menschliches Verhalten wird als rationale Auswahl von Alternativen verstanden. Rationalität bedeutet, daß das Individuum prinzipiell imstande ist, gemäß seinem relativen Vorteil zu handeln, d.h. seinen Handlungsspielraum abzuschätzen und zu bewerten, um dann dementsprechend zu handeln.
Direkte Demokratie in großen, heterogenen und komplexen Gesellschaftssystemen wird u.a. mit dem Hinweis auf (1) ihre praktische Undurchführbarkeit, (2) den inkonstanten Willen des Volkes, (3) die Gefahr von Demagogie und Populismus, (4) mangelnden Minderheitenschutz, (5) die Übervorteilung konfliktfähiger Gruppen und (6) Effizienzprobleme disqualifiziert (Schmidt, 1995, S. 231).
Die Regierung wird nach der elitistischen Sichtweise manchmal auch als pyramidenartige Struktur charakterisiert. Welche Insider-Informationen wie nach unten gelangen, entscheiden die Informationseliten. Behörden entscheiden, welche Informationen an den Bürger weitergegeben werden und welche nicht. Der Zugang zu Spezialinformationen ist meistens durch die Position im Hierarchiesystem determiniert. Bei staatlichen Einrichtungen und privaten Unternehmungen wird "oben" entschieden, welche Informationen "nach außen" gelangen dürfen und welche geheim gehalten werden.
Analog zur Beeinflussung von Konsumenten durch Marketingstrategien können auch Wahlentscheidungen durch Werbekampagnen kanalisiert werden. Der Wähler wird wie in der Wirtschaft von politischen Werbeagenturen bedient. Politiker versuchen zuweilen sachliche Argumente durch Reizworte und Symbole zu ersetzen. Diese werden verkauft und an den Bürger gebracht. Die konkurrierenden Politiker wollen dem passiven, auf Konsum ausgerichteten Bürger ihre Standpunkte durch moderne Reklametechnik und Marketing näherbringen. Die Entscheidung für Parteien oder Personen erfolgt nicht nur aus der eigenen Initiative des Bürgers, sondern wird geformt. Durch einen langsamen Prozeß bildet sich die Bedürfnisstruktur des Wählers nach den Maßstäben der Offerte wie die Wünsche des Konsumenten nach dem Angebot des Marktes. Diese Formung ist eine wesentliche Komponente des demokratischen Prozesses (Schumpeter, 1950, S. 449).
Wahlen stellen in der kompetitiven Demokratie rechtlich legitimierte Handlungen dar, die in drei Sphären eingeteilt werden können (Burkert, 1997):
Des weiteren werden Hauptargumente angeführt, die gegen eine Beteiligungsdemokratie (d.h. Mitwirkung des Bürgers am politischen Prozeß der Entscheidungsfindung) ins Feld geführt werden (Arterton, 1987, Malbin, 1982, Abramson/Arterton/ Orren, 1988, London, 1995, etc.). Diese sind eine Mischung aus elektronischen und traditionellen Demokratiedebatten.
(H1) Inkompetenz
Der Durchschnittsbürger verfügt nicht über
Wissen, Information und Fähigkeit, komplexe politische Sachverhalte
und Ereignisse rational zu beurteilen (Malbin, 1982). Die Mehrheitsentscheide
sind insofern unwünschenswert, da die Entscheidungen durch Demagogen
beeinflußt werden können. Mit empirischen Beweismitteln versuchen
Theoretiker dieser Denkschule die Inkompetenz des Durchschnittsbürgers
hinsichtlich seiner Selbstregierungsfähigkeit zu belegen. Ältere
empirische Untersuchungen zeigten, daß der Durchschnittsbürger
weder das Interesse für eine dauerhaft aufrechterhaltbare Partizipation
aufbringt, noch über die Zeit, die Fähigkeit und das Wissen verfügt,
um Staatsgeschäfte zu führen und/oder um beim Gesetzesentwurf
mitzuwirken, wie dies in Athen (5./4. Jh. v.u.Z.) praktiziert wurde (vgl.
Arterton, 1987, S. 197-200). Die politische Apathie ist somit eine
logische Folge (Möcklin, 1997). Der Durchschnittsbürger will
sich nicht in politische Details verwickeln. Deswegen sei eine dauerhafte
Beschäftigung von allen Bürgern mit politischen Themen nicht
zu erwarten. Eine Reihe von elektronischen Demokratie-Experimenten zeichneten
sich zudem durch eine geringe Teilnehmerzahl aus (London, 1995, Arterton,
1987).
(H2) Nullsummen-Spiele
Gegner von direkten Demokratieformen verteidigen ihre
Position auch mit dem Argument, daß Mehrheitsentscheidungen Nullsummen-Ergebnisse
hervorbringen (siehe Satori, 1992). Die Masse wird durch direkt-demokratische
Entscheide in eindeutige Gewinner und Verlierer polarisiert. Bei der Mehrheitsherrschaft
würden Minoritäten zu den Verlieren zählen, weil sie oft
eine geringere Stimmenzahl als die Majorität erreichen. Satori behauptet,
daß eine Mehrheitsherrschaft keine Minderheitsrechte kennt (vgl.
Satori, 1992, S. 127-133). Schumpeter hat die hypothetische Formel aufgestellt,
daß der Wille der Mehrheit nicht dem Willen des Volkes entspricht.
Kompromisse und Kompensationen würden schwerer zustande kommen, was
den Verhandlungsprozeß einschränken könnte. Eine direkte
Demokratie würde Konflikte dadurch maximieren. Die Reduzierung auf
Ja/Nein-Antworten ist viel zu einfach (Simplifizierung) und bietet keinen
Raum für Kompromisse und differenzierte Lösungen. Auch würden
Initiatoren einer E-Initiative eine zu hohe Definitionsmacht haben, was
zu einer Dominanz von Spezialinteressen führen könnte (Malbin,
1982).
(H3) Unmöglichkeitstheorem
Die Bevölkerung setzt sich aus einer Vielzahl von
Individuen, Gruppen und Organisationen zusammen. Der Sozialwahltheoretiker
Arrow konnte in seinem Werk "Social Choice and Individual Values" (Arrow,
1951) belegen, daß es unmöglich ist, aus einer größeren
Menge individueller Wünsche und Bedürfnisse (Präferenzen)
eine widerspruchsfreie kollektive Entscheidung herauszufiltern. Dies ist
das sogenannte Unmöglichkeitstheorem von Arrow. Daher stellt sich
das Problem, zu präzisieren, was der Wille der Bevölkerung ist
(London, 1995).
(H4) Populismus
Die Hauptbedrohung für die Demokratie entsteht nicht
mehr durch eine egoistische Elitenherrschaft (wie einst in den Monarchien),
sondern durch die selbstsüchtige Masse (Radikalisierung, Steigerung
der Anti-Parteien-Stimmung). Eine offene, direkte Demokratie böte
Demagogen, Charismatikern und Manipulatoren neue Angriffsflächen,
um durch massenwirksame Agitation legitimierte politische Institutionen
(z.B. Parlament) zu marginalisieren (z.B. diese Akteure berufen sich auf
eine direkte Unterstützung durch eine E-Abstimmung). Vorurteile, Naivität,
Unwissenheit, Desinformation, Wankelmut fördere im Worst-Case Massenmanipulation
und gefährde die Stabilität der demokratischen Ordnung. Direktdemokratische
Entscheidungen würden sich durch zufällige Konstellationen sowie
Fluktuationen, Stimmungsschwankungen auszeichnen. Direktdemokratische Verfahren
dauern oft zulange, behindern Innovationen und eröffnen der Tyrannei
der Mehrheit Tür und Tor. Die Persönlichkeitsrechte könnten
durch eine E-Abstimmung bedroht werden (Malbin, 1982). Die Output-Qualität
würde sich nicht verbessern. Konflikte könnten sich verschärfen.
Wenn nur eine geringe Zahl von Personen an direktdemokratischen Entscheidungsfindungen
teilnimmt, dann droht die Gefahr, daß sich Spezialinteressen durchsetzen.
(H5) Effizienz
Die Anwendung eines E-Wahlsystems in der direkten Demokratie
vermag zwar die Wahlkosten zu reduzieren, doch können Fehlentscheidungen
Effizienzprobleme bewirken. Insgesamt würde aber ein komplexer politischer
elektronischer Prozeß die Entscheidungskosten erhöhen. Aus der
Sicht der Politiker sei eine Deliberation mittels E-Umfragen zeitaufwendig
und ineffizient (London, 1995).
„Je mehr Menschen und Organisationen zur Teilnahme an der Entscheidungsfindung berechtigt sind und je stärker die zu berücksichtigenden Interessen divergieren, um so ineffizienter wird der Prozeß, da der dazu nötige Aufwand bzw. die anfallenden Kosten steigen. Konkret geht es dabei vor allem um Zeitkosten: der Entscheidungsfindungsprozeß kann zu einem langwierigen und ermüdenden Unternehmen werden, ja er kann in Folge verhärteter Fronten gar vorübergehend oder endgültig blockiert werden“ (Nauer, 1997, S. 14).
Die Interpretation von Gleichheit als Machtgleichheit hält die kompetitive E-Demokratie nur im politischen Subsystem in Gestalt der politischen Gleichberechtigung von "One Man One Vote" für legitim. Eine Ausdehnung des Anspruchs der Machtgleichheit auf alle Subsysteme, insbesondere auf die Wirtschaft, wird unter Vorbringung des Effizienzarguments verworfen. Solche partizipatorischen Vorstellungen werden angesichts der Irreversibilität der heutigen Arbeitsteilung auch manchmal als "Sozialromantik" bezeichnet.
(H6) Elitenpluralismus
Eine Gefahr oligarchisierter Entscheidungsstrukturen
besteht darin, daß das politische System verstärkt abgekoppelt
vom Bürger arbeitet. Politiker entkräften diese Bedrohung mit
dem Hinweis auf den Pluralismus des Parteiensystems. Der stimmberechtigte
Bürger kann sich an der Wahl- oder Abwahl der Eliten bzw. Parteien
beteiligen. Primärer Zweck demokratischer Wahlen ist die Selektion
einer Führungsschicht. Der medial vermittelte Wahlkampf soll Transparenz
in die geleisteten/geplanten politischen Aktivitäten bringen.
5.3.2 kompetitive E-Demokratie und Beteiligung
Die kompetitive E-Demokratie (E-Wahl der politischen Führung, E-Kommunikation bei Wahlkampf) legitmiert ihre Herrschaftsausübung, indem sie behauptet, daß der Durchschnittsbürger nicht über die Qualifikation verfügt, die zur Führung der Staatsgeschäfte erforderlich sind. Ein zentraler Aspekt für die Einführung elektronischer Wahlen ist die mögliche Rationalisierung und Modernisierung der Entscheidungsprozesse. Steht das elektronische Wahlsystem mit zufriedenstellender Funktion zur Verfügung, so eröffnet sich auch ein Diskussionsraum für mehr direktdemokratische Verfahren im politischen System, die aber wegen der kompetitiven Lehrmeinung nicht eingesetzt werden.
Kommunikation und Information ist in der Regel die (top-down) Struktur der Werbung eines Einzelnen, einer Partei um Wählerstimmen und damit eine uni-direktionale Vermittlung von Inhalten vom Bewerber hin zu den Wahlbürgern. Die Kommunikation beschränkt sich auf die Beziehung zwischen Kandidat und einzelnem Bürger. Entsprechend sind die Anforderungen an die IKT zugeschnitten (Scheuch, 1997).
Downs Grundmodell (Downs, 1968) der ökonomischen Rationalität und der politischen Demokratie enthält als Grundlage des Wählens eine idealtypische Voraussetzung, nämlich daß der rationale Wahlbürger vollständige und kostenlose Information erhält, eben wie der Nachfrager im idealtypischen Marktmodell der Wirtschaft. Auch hier finden wir eine uni-, bi- oder bestenfalls polydirektionale Kommunikationsstruktur vor, in der der rationale Bürger von den um Zustimmung werbenden Parteien angesprochen wird und er die angebotenen Programme anhand seiner Präferenzen prüft (Scheuch, 1997).
In der kompetitiven E-Demokratie hat der Einsatz von IKT in Wahl- und Informationskampagnen eine hohe Priorität (Van Djik, 1996, S. 48). Zu den wichtigsten Anwendungen gehören Informations- und Wahlkampfdienste, E-Wahlsysteme für Regierung, Bürokratie. Die interessierte Öffentlichkeit, insbesondere die fragmentierte Wählerschaft, sollte Möglichkeiten zur Beschaffung von Informationen über Ansichten, Standpunkte ihrer Repräsentanten und über das Wahlverhalten der Bevölkerung haben (Van Djik, 1996, S. 48). Daher benötigt diese Zugang zu öffentlichen Informationssystemen. Während des Wahlkampfes lassen sich die Stimmungen der Bevölkerung durch unverbindliche E-Umfragen messen. In der kompetitiven E-Demokratie ist das Wählen der Führung die zentrale Form politischer Beteiligung. Alle über diesen Entscheidungsakt hinausgehenden Handlungen sind durch Arbeitsteilung zwischen Politikern und Bevölkerung determiniert - das heißt, die Entscheidungsfindung ist die alleinige Angelegenheit der gewählten Repräsentanten. Die Partizipation der Bevölkerung am politischen Prozeß der Entscheidungsfindung ist unerwünscht.
Die IKT dienen den Parteien und der Verwaltung. Diese ermöglichen die Umsetzung einer starken wie effizienten staatlichen Autorität. Diskussionssysteme dienen primär dem Nutzen der jeweiligen politischen Führungsschicht. "Other means of registration and conversation, such as electronic polls and town halls, are only used for the benefit of the political leadership" (Van Djik, 1996, S. 48).
Die direkten Kommunikationskanäle dienen den Politikern zur Umgehung der Kontrollfunktion der Massenmedien. Sie richten sich neben den massenmedialen Darstellungen des Politischen über direkte Kommunikationskanäle an die wählende Bevölkerung. Ihr Zielbereich sind potentielle Wähler, die mit kalkulierten und differenzierten Botschaften angesprochen werden. Die Kombination von E-Versammlungen mit E-Umfragen wird eingesetzt, um ein massenhaftes Feedback zum Wahlkampf (der Partei bzw. des Kandidaten) zu erhalten. Im Zentrum der medialen Fokussierung stehen politische Eliten. Ein Wahlkampfangebot von konkurrierenden Parteien bzw. Kandidaten, mehr direktdemokratische Instrumente im politischen System durch eine Verfassungsänderung einzuführen, kann auch populistische Ziele verfolgen, nämlich die Steigerung der Popularität des Kandidaten (Van Dijk, 1996).
„For instance, the electronic polls, conferences and interactive television shows in the campaign of the American presidential candidate Ross Perot in 1992 were meant in the first place to boost the popularity of this leader in his competition with other candidates“ (Van Dijk, 1996, S. 49).
Wirtschaftskrise
Bisher war die repräsentative Demokratie von hoher
Stabilität geprägt. Gerade in den letzten Jahren, insbesondere
nach dem Ende der Ost-West-Systemkonkurrenz, offenbart das repräsentative
Modell immanente Strukturdefizite (Neymanns, 1996). Es funktioniert(e)
in Zeiten eines stabilen Wirtschaftswachstums befriedigend. Eine Konsequenz
der wiederkehrenden Perioden von Rezession und Arbeitslosigkeit ist die
Unzufriedenheit mit dem politischen System, die sich in Form von Apathie,
Frustration, Zynismus und Wachstum des politischen Extremismus äußern
kann. Das politische System gerät spätestens dann in den Gefahrenbereich
der Instabilität, wenn ein autoritäres Regime die Herrschaft
übernimmt, das eine radikale Politik durchführt. Dieser prinzipiellen
Gefahr der kompetitiven "Zuschauerdemokratie" sind speziell in Zeiten einer
starken Rezession (oder im Worst-Case bei einer Wirtschaftsdepression)
Tür und Tor geöffnet.
Achillesferse der Demokratie
Für Giovanni Satori ist die Repräsentation
die Achillesferse der Demokratie, da sie den Demos vollständig entmachtet
(vgl. Hagen, 1997, S. 24). Nicht mehr das Volk hat die Macht und kontrolliert
die zur Ausführung des Volkswillens bestimmten Abgeordneten, sondern
die Macht liegt (de facto) bei der Elite der Delegierten (Nauer, 1997).
Entmündigung des Bürgers in Sachfragen
Die Entmündigung des Bürgers in Sachfragen
setzt jedoch einige Fragezeichen hinter die demokratische Idee selbst.
Es ist nicht einzusehen, weshalb ein uninformierter und desinteressierter
Bürger nicht abstimmen, dafür aber wählen soll (vgl. Schweinsberg,
1998, S. 34).
Manipulation
„Viele Untersuchungen zum Informationsstand der Bürgerinnen
und Bürger kranken daran, dass sie nach Abstimmungen „enzyklopädisches
Wissen“ über die Abstimmungsvorlagen abfragen. Hier schneiden die
Urnengänger schlecht ab. Eine Analyse verschiedenster Abstimmungen
in Kalifornien ergab jedoch keine signifikanten Unterschiede im Abstimmungsverhalten
zwischen Bürgern und Bürgerinnen, die sich durch einen hohen
Wissensstand auszeichneten, und Abstimmenden, die nur ein geringes Wissen
hatten, jedoch „clues“ benutzten“ (Bohnet, 1996, S. 15, Untersuchungen
über Abstimmungsverhalten siehe Lupia, 1994).
Als „Clues“ bzw. Informationsschlüssel dienen u.a. Programme der Parteien und die Aussagen der Interessengruppen. Die Abstimmenden orientieren sich dabei in der Regel an den Positionen jener Gruppen, die nicht ihre Interessen vertreten. Umstritten ist in der Politikwissenschaft inwieweit der Informationsstand der Wähler durch Propaganda von Parteien, Interessengruppen und Einzelpersonen systematisch beeinflußt werden kann. Einerseits wird behauptet, durch Einsatz von Geld könne jedes Abstimmungs- bzw. Wahlergebnis erreicht werden (vgl. z.B. Zisk, 1987). Andererseits gibt es Untersuchungen, die die Möglichkeit einer systematischen Manipulation der Bürger als eher gering schätzen bzw. gänzlich in Abrede stellen (vgl. z.B. Ursprung, 1994).
Entdemokratisierung
Für die Dynamische Demokratie führt auch jegliche
Elitenbildung zu einer Entdemokratisierung (Pelinka, 1974). Die elitäre
Minderheit, die keineswegs in einem kontinuerlichen Interaktionszustand
mit der Bevölkerung steht, benützt ihren Informationsvorsprung
tatsächlich zu deren Manipulation und kehrt somit das demokratisch
intendierte Machtverhältnis um. Auch allgemeine, formal demokratische
Wahlen sind de facto undemokratisch, da die Meinungsbildung der Bevölkerung
jeweils unter der manipulativen Beeinflussung der politischen Eliten steht.
Die von der kompetitiven Elitenherrschaft angenommene Elitenkonkurrenz
kann ebenfalls angezweifelt werden. Die Dynamische Demokratie geht vielmehr
von einem Elitenkonsens aus. Die mangelnde Kontrolle und der große
Wissensvorsprung der Eliten scheinen den erwünschten positiven Effekt
des Elitenpluralismus nämlich zu untergraben. Elitengruppen, die theoretisch
(z.B. aufgrund ihrer unterschiedlichen Parteienzugehörigkeit) in einem
Konkurrenzverhältnis stehen sollten, scheinen in der Realität
ihren Konflikt untereinander zu reduzieren (Pelinka, 1974, Nauer, 1997).
Durch die Widerlegung der Vorstellung der Elitenkonkurrenz würde der kompetitiven E-Demokratie auch die Annahme genommen, daß sich die politischen Eliten am Allgemeinwohl orientieren. Diese wäre letztlich nur ein Versuch, die gegenwärtigen gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnisse zu rechtfertigen. Sie wäre eine realitätsfremde Theorie, da ihr nur die Hoffnung auf die demokratische Allgemeinwohlorientierung der politischen Eliten bleibt (Nauer, 1997).
Inkompetenz
Dem Inkompetenz-Argument könnte jedoch entgegengehalten
werden, daß prinzipiell jeder die Fähigkeiten besitzt, Entscheidungen
verantwortlich zu treffen und umzusetzen, daß diese in der bestehenden
Gesellschaftsformation jedoch durch eine Sozialisierung, die auf Konkurrenzdenken,
Egoismus, Entzug von Verantwortlichkeit/Mit- und Selbstbestimmung, Autoritätsglauben...
basiert, entfremdet werden (Fuchs, 2000, Kap. 4.2, S. 8).
Entfremdungsprozesse
Eine Stabilitätsgefährdung sieht der Theoretiker
Fraenkel in Entfremdungsprozessen, die mit dem Repräsentativsystem
einhergehen. "Isolation, Koopation und Korruption" können bewirken,
daß die Repräsentanten zu einer "Clique" erstarren. Dadurch
geht der repräsentative Charakter verloren und droht in einem repräsentativen
Absolutismus zu enden (vgl. Fraenkel, 1990, S. 158).