"In the competitive [...] and plebiscitarian models of democracy nothing seems to exist between the state and the representation on the one hand and the individual citizen on the other. In the pluralist model, to the contrary, attention is called to the role of intermediary organisations and associations of civil society" (Van Dijk, 1996, S. 50).
Bei der pluralistischen Demokratie rücken die intermediären Organisationen und die Assoziationen der Bürgergesellschaft ins Zentrum. Bereits Alexis de Tocqueville (1805-1859) (Van Dijk, 1996) beobachtete die bemerkenswerte Rolle dieser Organisationen. Etwa ein Jahrhundert später definierte Robert Dahl (Dahl, 1973) ein politisches System, das auf Repräsentation konkurrierender und verhandelnder Interessengruppen basiert. Eine Interessengruppe ist ein Zusammenschluß von Personen mit dem Ziel, in organisierter Form gemeinsame Interessen zu vertreten und durchzusetzen. Aus dieser Perspektive besteht das politische System aus einer Menge differenzierter Macht- und Verwaltungszentren, das sein Äquivalent in der Struktur des verteilten Systems findet.
Durch das Mehrheitsprinzip und durch Kompromisse werden in der pluralistischen Demokratie Konflikte geregelt (Schmidt, 1995). Der pluralistische Demos-Begriff umfasst die "Angehörigen der in den verschiedenartigsten Körperschaften, Partein, Gruppen, Organisationen und Verbänden zusammengefassten Mitglieder einer differenzierten Gesellschaft, von denen erwartet wird, daß sie sich jeweils mit Erfolg bemühen, auf kollektiver Ebene zu dem Abschluß entweder stillschweigender Übereinkünfte oder ausdrücklicher Vereinbarungen zu gelangen, d.h. aber mittels Kompromissen zu regieren" (Fraenkel in: Schmidt, 1995, S. 154).
Zwei Schlüsselfaktoren bestimmen pluralistische Demokratiekonzepte (Schmidt, 1995):
Organisation
Die Relevanz, die die Rechnernetze für zivilgesellschaftliche
Organisation und damit für den Einfluß von Interessengruppen
haben, ist ein Argument des pluralistischen Konzepts. Da Computernetze
die Organisation von Interessengruppen und Bewegungen erleichtern, stärken
sie auch (potentiell) die politische Macht dieser Organisationen. Aus organisationstheoretischer
Perspektive können durch den Einsatz von Rechnernetzen Organisations-
und Transaktionskosten verringert werden (Bonchek, 1995, 1997). Diese Stärkung
intermediärer Organisationen liegt im Interesse des pluralistischen
Konzeptes, da neue Beteiligungsformen für bisher benachteiligte Interessengruppen
geschaffen werden könnten (Bonchek, 1995, Abramson/Arterton/ Orren,
1988, S. 127).
Allerdings konnte gezeigt werden, daß neue IKT aus den gleichen Gründen auch schon etablierte politische Akteure in ihrer Position im politischen System (der USA) stärken (Abramson/Arterton/Orren, 1988, S. 157). Damit wäre die Stärkung der neuen Interessengruppen relativiert bzw. sogar ins Gegenteil verwandelt, dann nämlich, wenn die etablierten politischen Akteure ihre Macht im politischen Prozeß durch Effizienzsteigerungen zunehmend vergrößern (Hagen, 1997, S. 85).
"Der IT-Einsatz in Organisationen stärkt vor allem bestehende Strukturen. Dementsprechend wurde schon Ende der 70er Jahre die Informationstechnik als Trendverstärker charakterisiert" (Kubicek/Hagen, 1999, S. 11).
Factionalization
Ein weiteres Problem bei der Organisationsfrage ist die
mögliche Entstehung von vielfältigen "Issue Publics". Das sind
weitgehend um singuläre Themen organisierte Interessengruppen. Für
Grossman (Grossman, 1995) haben (1) die mit der Netzkommunikation verbundene
Distanzverringerung, (2) die abnehmende Bedeutung der Parteien und (3)
der Verlust der Gemeinschaftsidentität zur Stärkung der themenzentrierten
Gruppen (Issue Groups) geführt. Das könnte aber zu zahlreichen
politischen Konflikten führen. Diese werden schwieriger zu lösen
sein, wenn der Konsens über grundsätzliche Fragen bei den "Issue
Publics" zunehmend abnimmt (Hagen 1997, S. 85).
Abramson, Arterton und Orren fürchten daher eine "Factionalization" (dies ist die Fragmentierung der Öffentlichkeit in viele verschiedene „Issue Publics“), die durch Computernetzwerke gefördert werden könnte. Durch die Schaffung von elektronischen Versammlungen, die einen gemeinsamen Kommunikationsraum für Interessengruppen bilden, müsse daher dem Problem entgegengewirkt werden (Abramson/Arterton/Orren, 1988, S. 162-163).
5.4.2 Pluralistische E-Demokratie und Beteiligung
Das pluralistische Demokratiekonzept ist grundsätzlich der repräsentativen Demokratie verpflichtet und teilt die Skepsis gegenüber den bereits erwähnten klassischen Problemen der direkten Demokratie (Abramson/Arterton/Orren, 1988).
Die E-Wahl der Repräsentanten ist auch in der pluralistischen Demokratie eine zentrale Form politischer Beteiligung. Dazu kommt die Partizipation der Mitglieder von Interessengruppen bei der E-Wahl ihrer Vertreter und bei internen E-Abstimmungen.
"Representation is made continually, not only by professional politicians selected every four or five years, but all kinds of organisational representatives as well" (Van Dijk, 1996, S. 50).
Zwei Haupteigenschaften der neuen E-Medien wirken nach der Ansicht von Van Dijk in den Dimensionen Diskussion und Information für die Pluralisten besonders attraktiv (Van Dijk, 1996):
Allerdings darf der Bürger bei den Interaktionen im politischen Entscheidungsprozeß nur als Vertreter einer Interessengruppe partizipieren. Dies ist ein Unterschied im Vergleich zur plebiszitären, partizipatorischen und republikanischen E-Demokratie. Vertreter der input-orientierten und partizipations-betonten Demokratievarianten kritisieren daher die Pluralismustheorie, welche die politischen Interaktionen bei der Entscheidungsfindung (auf gesamtgesellschaftlicher Ebene) auf Politiker, Funktionäre und Vertreter von Interessengruppen reduzieren wolle (Waschkuhn, 1998, S. 26). Die pluralistische Politik ist primär eine Veranstaltung von Interessengruppen.
Pluralisten setzen die IKT ein, um Information und Kommunikation innerhalb und zwischen ihren Organisationen zu verbessern. Die Instrumente dienen den Gruppen zur Information, Diskussion und Registrierung ihrer Mitglieder. Diskussions- und Informationssysteme dienen zur Lösung komplexer Probleme.
"This time these instruments are used, first of all, by the organisations of civil society to inform and register their membership and external audiences. They are mass and advanced public information systems, registration systems, and computerised self-surveys inside organisations. However, the most favourite instruments to a pluralist model of democracy are conversation systems inside or among organisations, associations and individual citizens: electronic mail, discussion lists, teleconferencingand decision support systems for the most complex problems" (Van Djik, 1996, S. 50).
Da Interessen unterschiedlich durchsetzbar bzw. organisierbar sind, konkurrieren sie nicht systematisch miteinander. Es entstehen ungleiche Konkurenzverhältnisse. Wie die politische Praxis zeigte, entstehen Monopole der Interessensvermittlung. Druwe konstatiert zwei Schwächen der pluralistischen Demokratietheorie (Druwe, 1995, S. 319):
"There is neither a common good or a public interest independent of a compromise of group interests. The governmental process can be seen simply as group warfare. As opposed to a politics of common good in any strong sense of the term, then pluralist describes as democracy those situations in which individuals organize into political groups to fight for the particular interests they hold as individuals" (Abramson/ Arterton/Orren, 1988, S. 27).
Bemerkung: weitere Kritik siehe auch 5.3.3.