5.6 Republikanische E-Demokratie

Die republikanische Theorie setzt auf drei Quellen der sozialen Integration: (1) die "hierarchische Regelungsinstanz der staatlichen Hoheitsgewalt" (administrative Macht), (2) die "dezentralisierte Regelungsinstanz des Marktes" (Eigeninteresse) und (3) die "Solidarität" (Habermas, 1992, S. 12). Die republikanische Theorie nimmt wie die partizipatorische Tradition die Existenz der Gemeinschaft für das Funktionieren der Demokratie an. Anders als die partizipatorische setzt die republikanische Tradition Gemeinschaft jedoch nicht mehr als gegeben voraus, sondern will diese konstruieren (Hagen, 1997, S. 50). Die Konstruktion des Gemeinwesens erfolgt durch Deliberation (Beratung) und durch politische Diskussion (Habermas, 1992, S. 12). Buchenstein (Buchenstein, 1996b) zufolge bietet Deliberation Verbesserungspotentiale für die Demokratie: In der republikanischen Demokratie hat das Konzept der politischen Öffentlichkeit zentrale Bedeutung: "In der republikanischen Konzeption gewinnen die politische Öffentlichkeit und, als deren Unterbau, die Zivilgesellschaft eine strategische Bedeutung; sie sollen der Verständigungspraxis der Staatsbürger ihre Integrationskraft und Autonomie sichern" (Habermas, 1992, S. 13). Die Sicherstellung von Bürgerrechten wie Versammlungs-, Rede- und Pressefreiheit werden in der republikanischen Tradition nicht prinzipiell als Abwehrrechte gegen den Staat, sondern als positive Rechte verstanden, welche die Mitwirkung der Bürger an der Deliberation politischer Sachprobleme garantieren (Hagen, 1997, S. 50).

Moderne Vertreter der republikanischen Demokratie (z.B. Hannah Arendt) beklagen den Verlust der politischen Öffentlichkeit, die neben der Verfolgung egoistischer Privatinteressen auch altruistisches Handeln ermögliche (Hagen, 1997, S. 51). Der "Zusammenbruch des Öffentlichen" wird von republikanischen Theoretikern als Krise der Demokratie begriffen (Phillips, 1995, S. 32).

Die meisten Vertreter des sogenannten bürgerlichen Republikanismus (oder bürgerlichen Humanismus) interessieren sich nicht für die Demokratisierung der Arbeitswelt - manche sind sogar entschieden dagegen (Phillips, 1995).

Populär geworden ist das republikanische Modell durch die Kommunitaristen. Gründer der kommunitaristischen Bewegung (1991) sind Sozialwissenschaftler und Philosophen wie der Soziologe Etzioni von der George-Washington-Universität und Walzer, Soziologe aus Princeton. Die Kommunitaristen bewahren nach der Ansicht von Hagen "liberale" Grundannahmen (Hagen, 1997, S. 51). Sie gehen aber davon aus, daß das von ihnen als normativ für die Funktion der Demokratie gewünschte Gemeinschaftsgefühl in modernen Staaten wegen ihrer Größe und Komplexität nicht mehr gegeben ist. Deshalb argumentieren sie für die Revitalisierung von primär an lokalen Einheiten orientierten Gemeinschaften. Dafür ist die Herstellung von politischer Öffentlichkeit eine Vorbedingung.

Für die Kommunitaristen ist die Konsensbildung ein sozialer Prozeß, der eine Problemlösung, die von einer Gemeinschaft entwickelt wurde, als legitim erscheinen läßt (Etzioni, 1997, S. 284). Die "telekommunitäre" Demokratie will - nach Arnopoulos und Valaskakis - bei kontroversen Fragen Konsensentscheidungen erreichen (vgl. Arnopoulos/Valaskakis, 1982). Im Gegensatz zum Mehrheitsprinzip handelt es sich nicht um Nullsummen-, sondern um Positivsummen-Spiele. Die direktdemokratische Mehrheitsentscheidung wird nicht eingesetzt.

Im Zentrum deliberativer Politik steht bei Habermas die diskursive Erarbeitung einer konsensfähigen Meinung. Diese Erarbeitung muß einigen Regeln entsprechen, um konsensfähige Meinungen und Ergebnisse (= Ziel) zu erreichen und diese dann in Politik umzusetzen. Deliberative Politik soll (nach Habermas) folgenden Ansprüchen genügen (Schmidt, 1995, S. 176-180):

Etzioni zufolge kann das Egoismus-Prinzip der neoliberalen Wirtschaftstheorie durch die Rückbesinnung auf die Gemeinschaft, die aus verantwortungsvollen Individuen besteht, überwunden werden. Individuen werden als mündige Personen definiert, die eigenständig handeln können. Jene Fähigkeit hängt aber von der Intensität ihrer Verankerung in einer funktionierenden Gemeinschaft und von der Ausprägung ihrer moralischen und emotionellen Basis ab. Die Leitideen von Etzioni sind das Ich-Wir-Paradigma. Er geht von den Grundannahmen aus, daß Das Ich-Wir-Paradigma hebt hervor, daß Bürger innerhalb eines sozialen Kontextes handeln, und daß dieser Kontext nicht auf individuelle Akte reduziert werden kann. Jedenfalls trägt der Einzelne für die vorhersehbaren Konsequenzen seiner Handlungen Verantwortung. Die Ich-Wir-Sichtweise zielt somit auf die Verantwortungsgesellschaft ab (Responsive Community). Der soziale Kontext wird als Bestandteil der eigenen Existenz erlebt, als ein Wir, ein Ganzes (Wir-Wahrnehmung). Internalisierung des sozialen Kontextes sowie die Wahrnehmung der Verankerung des Ichs in der Gesamtheit bewirken, daß Individuen ein Verständnis für kollektive Identität, Gemeinschaftsverbundenheit und Verpflichtung gegenüber moralischen Werten entwickeln. Individuum und Gemeinschaft stehen also in einem kreativen Verhältnis zueinander.

„...we define „community“ as having two attributes: first, a web of affect-laden relationships that encompasses a group of individuals – relationships, that crisscross and reinforce one another, rather than simply a chain of one-on-one relationships... Second, communities require a measure of commitment to a set of shared values, mores, meanings, and a shared historical identity – in short, a culture. Community is defined as non-residential because many social entities that are not residential have many attributes of residential...” (Etzioni/Etzioni, 2000, S. 1).

Das Individuum steht im Kontext der Verpflichtung. Wahlen (in der Politik, in den Subsystemen) sind nicht eindimensionale, punktuelle oder auf eine Periode beschränkte Ereignisse, sondern weisen viele Facetten auf (vgl. Etzioni, 1996, S. 72). In diesem Sinne hat Adam Smith in "The Theory of Moral Sentiments" hingewiesen, daß die menschliche Interaktion nicht nur über das Marktsystem funktioniert. Ihr Wohlbefinden hängt stark von der Anerkennung des anderen ab. Menschen können widersprechende Präferenzen haben, doch existieren meistens moralische Meta-Präferenzen (Werte). Die Verinnerlichung moralischer Werte verwandelt Zwänge in Präferenzen.

5.6.1 Argumente

Unter den Bedingungen moderner Industrie- und Informationsgesellschaften ist die Realisierung des kommunitären Ideals ein äußerst komplexes Problem, da Individuen aufgrund von räumlicher Distanz und schichtenspezifischer Gesellschaftsstrukturen voneinander getrennt sind. Die Theoretiker der kommunitären E-Demokratie sehen in der repräsentativen Demokratie partizipatorische Defizite.

"Like the plebiscitarian, the communitarian therefore balks at the watered-down version of democracy accomplished by representative government. Without opportunity to participate directly in government, citizenship is a passive and periodic experience, leaving us strangers, not fellow human beings... What is required is participation in public space – in the meetings and assemblies, the deliberations and persuasions that distinguish the democratic process and make participation in it a transformative lesson in the common good " (Abramson/Arterton/Orren, 1988, S. 23).

Für die Kommunitarier erscheint die individualisierte elektronische Stimmabgabe der plebiszitären E-Demokratie wenig befriedigend, um die Isolation und Entfremdung zwischen Menschen zu durchbrechen und die Wertschätzung von Gemeinschaften im politischen Leben zu verankern.

"Only now a person can vote more quickly, more often - and for issues as well as candidates. For the communitarian, no extension of voting on secret ballot can overcome the alienation between citizen and citizen or sponsor the public debate that alone makes participation in government a course in civic education" (Abramson/ Arterton/Orren, 1988, S. 23).

Im Vordergrund stehen deshalb Deliberationsprozesse, die Menschen integrieren, bürgerliche Erziehung fördern (Arnopoulos/Valaskakis, 1982) und ihr Denken und Handeln in den Kategorien des Gemeinwohls fördern.

ESV-Argument (Elektronische Stadtversammlungen)
Ein integraler Grundbaustein republikanischer Demokratievorstellungen sind ESVen (Etzioni, 1997, S. 161), da diese darauf abzielen, Diskussionen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene zu fördern. ESVen können Elgin Duane zufolge helfen, durch Mitwirkung der Bürgergemeinschaft deren (aktive) Auseinandersetzung mit politischen Sachthemen zu fördern. Dadurch könnten Konsense über politische Entscheidungen erreicht und legitimiert werden: "A healthy democracy requires the active consent of the governed, not simply their passive acquiescence" (Elgin, 1993, S. 13). Der ESV-Pionier Elgin Duane, der mehrere Experimente mit ESVen in der San Francisco-Region durchgeführt hat, fordert "a new partnership between citizens, governments and the mass media ... to revitalize democracy with a more effective process of communications and consensus building"(Elgin, 1993, S. 8). ESVen und ihre konsensbildende Funktion seien zur Lösung der wichtigsten politischen und sozialen Probleme erforderlich (Elgin, 1993, S. 7).

"To revitalize democracy, citizens must have an ongoing way to ´know their own minds´ as an entire community. The most direct way to discover our collective sentiments is through electronic town meetings or ETMs" (Elgin, 1993, S. 9).

Anti-Zentralismus
Die republikanischen E-Demokratiekonzepte zeichnen sich durch eine Ablehnung zentralistischer Strukturen aus, da sie für die Selbstorganisation der (Netz-) Gemeinden als kontraproduktiv angesehen werden (vgl. Arnopoulos/Valaskakis, 1982).

"What the communitarian looks for in the new media is a way the reverse the centralization of politics and political communication that has been characteristic of television´s impact, in particular, on politics" (Abramson/Arterton/Orren, 1988, S. 25).

Gemeinschaftsbildung
Dieses Argument stützt sich auf die Möglichkeit, Gemeinschaftsbildung mit Rechnernetzwerken zu fördern. Howard Rheingold hat seine Erfahrungen mit dem Bulletin Board System "The Well" publiziert (Rheingold, 1994), die in seine Theorie zur Gemeinschaftsbildung im Cyberspace eingingen. Für die republikanische E-Demokratie ist außerdem relevant, daß bei den Internetdiensten wie Diskussionslisten, BBS, IRC, MUD, Community Networks etc. das soziale Phänomen der virtuellen Gemeinschaft und die damit verbundene Wir-Wahrnehmung der Akteure zu beobachten ist. Ihre Mitglieder zeichnen sich oft durch eine konsensorientierte Diskussionskultur aus (vgl. Kubicek/Hagen, 1999).

Bei Community Networks handelt es sich um öffentlich zugängliche Netzwerke, (1) die von Mitgliedern der lokalen Community konzipiert und betrieben werden, (2) die für eine klar definierte geographische Region bestimmt sind, (3) die der Erfüllung alltäglicher Informations- und Kommunikationsbedürfnisse dienen, (4) die auf Chancengleichheit beim Zugang zu neuen Technologien zielen, (5) die die politische, soziale und kulturelle Identität der jeweiligen lokalen Gemeinschaft fördern wollen und auch ihre ökonomische Stärkung anstreben, (6) die kostenlos oder gegen geringes Entgelt angeboten werden (Kubicek/Wagner, 2000, S. 4). Community Networks sind keine ausschließlich virtuellen Gemeinschaften, da diese sich immer auf einen konkreten physischen Ort beziehen (auch wenn sie räumlich übergreifende Themen in ihr Angebot integrieren).

Mit der ESV rücken die gemeinschaftsbildenden Funktionen der Computernetzwerke ins Zentrum der republikanischen E-Demokratie. Etzioni bemüht sich in seinem Ansatz elektronischer Demokratie, die virtuellen Gemeinschaften in der realen Politik zu verwurzeln (Etzioni, 1997, S. 161-166, Etzioni/Etzioni, 2000). Etzioni fordert Initiativen von Seiten der Regierung, um den virtuellen öffentlichen Raum in den Netzwerken durch den Einsatz eines Kommunikationsbaumes (siehe 5.9.3.4) zur Durchführung einer dialoggestützten Politik zu institutionalisieren.

Eine von Christa Slaton postulierte Zielvorstellung des Einsatzes von ESVen ist "Community Development", indem (Slaton, 1997, Anhang)

Demokratietheoretische Relevanz gewinnt das Gemeinschaftsargument, "weil es eine Antwort auf Erkenntnisse der jüngeren soziologischen und politologischen Forschung gibt, die im Verlust des Gemeinschaftssinnes eines der Hauptprobleme der Demokratie sehen" (Hagen, 1997, S. 74).

Aktuelle Befunde des sozio-kulturellen Profils westlicher Gesellschaften, die mit den Schlagworten wie „Individualisierung“, „Entsolidarisierung“ und „Fragmentierung“ abgekürzt werden können, kulminieren nach dieser Deutung darin, daß die politisch-kulturelle Reproduktion liberaler Gesellschaften ernsthaften Störungen ausgesetzt ist. Die sozio-moralischen Ressourcen, in denen sich das staats-bürgerliche Engagement mit der Perspektive einer gemeinwohl-orientierten Politik vermitteln soll, drohen wegzuschmelzen, weil die moralischen Kompetenzen des Staatsbürgers institutionell neutralisiert und durch privatistische und egoistische Orientierungen ersetzt werden“ (Buchenstein/Schmalz-Bruns, 1994, S. 301).

Etzioni definiert Kriterien zum "Empowerment" der Gemeinschaften. Bürger sollten mehr Zeit, Energie, Ressourcen für das Allgemeinwohl aufbringen, wobei nachfolgenden Punkte erfüllt werden müssen (Etzioni, 1995, S. 167):

5.6.2 Republikanische E-Demokratie und Beteiligung

Das republikanische Konzept ist an der Aufrechterhaltung des repräsentativen Regierungssystems interessiert. Um die Beteiligung der Bevölkerung zu stärken, verfolgt es das Ziel, Macht nicht primär von den Regierungsorganen, sondern von den Lobbygruppen, von Interessengruppen und von den etablierten Massenmedien an die Bevölkerung zurückzugeben. Deswegen ist es kein Zufall, daß ESVen von Vertretern traditioneller Medien kritisiert worden sind (Hagen, 1997, S. 87): Durch die Schaffung von direkten Kommunikationskanälen zwischen Regierenden und Regierten wird die vermittelnde Funktion der Massenmedien umgangen. Von der Perspektive der republikanischen E-Demokratie ist das Umgehen dieser Medien aber wünschenswert (Abramson/Arterton/Orren, 1988, S. 280-292), da z.B. die negative Berichterstattung und die vom Fernsehen bevorzugten dramatischen Darstellungsformen für den Zynismus der Bevölkerung verantwortlich gemacht werden (Hagen, S. 87, S. 90-93). Dieser Ansatz entspricht in der Absicht dem Interesse der partizipatorischen E-Demokratie, ohne dabei kollektiv-bindende Mehrheitsentscheidungen bei Sachfragen einzusetzen.

"But – and this is crucial – participation can deliver civic education and civic virtue only when it takes the form of deliberation and dialogue, persuasion and debate – and not just the periodic act of voting preconceived interests" (Abramson/Arterton/Orren, 1988, S. 179).

Die partizipatorische Malaise wird von der republikanischen E-Demokratie auch als ein Problem mangelnder Informations- und Diskussionsangebote interpretiert. Daraus leitet sich die Verantwortung für das repräsentative System ab, sachliche Informationen auf breiter Basis der Bevölkerung anzubieten (Elgin, 1993, S. 7). Ziel ist die Reduzierung der Ungleichheit des Zugangs zu politischen Informationen, die heute oft nur privilegierten Gruppen, Lobbyisten, etc. vorbehalten sind (Hagen, 1997, S. 86). Das Informationsproblem wird dabei als Zugangsproblem begriffen: Es kommt daher auf die Bereitstellung kostengünstiger (ggf. kostenloser) und nutzerfreundlicher Möglichkeiten des Zugriffs auf Information an (Arterton, 1987, S. 51, S. 201).

Die Beteiligung wird nach Arterton zusätzlich gesteigert, wenn Informationen über politische Fragen bereits am Beginn des politischen Prozesses zugänglich gemacht werden, so daß eine aktive Bürgerbeteiligung in den Entscheidungsfindungsprozeß eingreifen kann (Arterton, 1987, S. 201). Im Idealfall will diese deliberative Demokratieform den Bürger an allen Phasen des politischen Prozesses beteiligen (Keskinen, 1998). Diskussionen zwischen Bürgern und Politikern finden regelmäßig statt. Dabei ist wichtig, daß die Institutionen des repräsentativen Systems flexibler auf die Ansprüche des Bürgers reagieren müssen (vgl. Abramson/Arterton/Orren, 1988, S. 163). Diese Flexibilität würde erreichbar sein, wenn neue und vielfältige direkte Kommunikationskanäle zwischen Regierung und Bürger geschaffen werden. Diese Verbindungen sollen durch Institutionen wie ESVen und E-Nachbarschaftsversammlungen geknüpft werden (Abramson/Arterton/Orren, 1988).

Die republikanische E-Demokratie sieht in den dialogischen Qualitäten der computervermittelten Kommunikation die eigentliche politische Bedeutung der Rechnernetzwerke. Primäre Aufgabe der Netzwerke ist nach Ansicht von Rheingold die Förderung der öffentlichen Diskussion (Rheingold, 1994). Er sieht durch sie eine Widerbelebung des öffentlichen Raums realisiert. Etzioni will außerdem moralische Dialoge unter Nutzung der neuen Medien führen (Etzioni, 1997, S. 161-166). "Durch Many-To-Many-Kommunikation, die Schaffung neuer Kommunikationsverbindungen und die Konvergenz unterschiedlicher Medien mit der Folge ihrer immer allgemeiner werdenden Verfügbarkeit sieht Rheingold die Bedingungen gegeben, in denen der öffentliche politische Diskurs eine neue Qualität annehmen kann" (Hagen, 1997, S. 78).

5.6.3 Kritik

Die republikanische (kommunitäre) E-Demokratie besitzt bei ausschließlicher Fixierung der Gemeinschaft auf lokale Themen ungünstige Eigenschaften. Ein Überbetonen des lokalen Gemeinwohls kann bei gleichzeitiger Blindheit gegenüber nationalen und supranationalen Zusammenhängen Abramson, Arterton und Orren zufolge drei Konsequenzen mit sich bringen (Abramson/Arterton/Orren, 1988):

Gegner des Kommunitarismus warnen vor einer Überbewertung des Gemeinschaftssinnes und dessen negative Folgen. Deutschland mit seiner Vergangenheit als Volksgemeinschaft ist gegenüber solcher Kritik besonders empfänglich. Die freie Entfaltung des Einzelnen ist verfassungsrechtlich geschützt. Von Kritikern des Kommunitarismus wird die Frage nach der Definition von Gemeinschaft gestellt (ab wann sich Gemeinschaften auf geschlossene Weltbilder zurückziehen und sich der "liberalen" Gesellschaft verweigern - z.B. Ablehnung der Marktwirtschaft und des Konkurrenzprinzips).

Es kommt daher darauf an, jene Elemente des Kommunitarismus zu entwickeln, die die Grundlage der liberalen Gesellschaft nicht in Frage stellen und nicht auf eine Rekonstruktion einer nationalen Einheit des deutschen Volkes hinauslaufen.

Die Kommunitaristen verstehen sich nicht als Gegner des Liberalismus, sondern als sein Korrektiv. Etzioni betont nicht nur die Anpassung an und die Notwendigkeit von Grundwerten für eine Gemeinschaft, sondern auch die Unabdingbarkeit von individueller Autonomie und der Persönlichkeitsrechte als Vorraussetzung eines guten, funktionierenden Gemeinwesens. 

Die globale kommunitaristische Alternative besteht hier in der Aktivierung und Stärkung von Gemeinschaften, kommunitären Gebilden, in welchen Menschen globale Identitäten und Loyalitäten zur gesamten Menschheit entwickeln, soziales Ethos, Solidarität bzw. Gemeinsinn erfahren, einüben und verinnerlichen können.  Es geht um die soziale Integration in Nachbarschaft, in Gemeinden, in Netzwerke und Vereinigungen aller Art und schließlich um die sinnerfüllte soziale Identität.

Neue soziale Bewegungen und transnationale Gruppen sind dabei wichtige Akteure radikaler kosmopolitischer Umbauprojekte, indem sie neben der Suche nach neuen Modellen und Formen sozialer, politischer und ökonomischer Organisation nach dem Prinzip der Partizipation, den Bürgern bewusst machen, dass sie zu überlappenden lokalen und globalen Gemeinschaften gehören (McGrew, 1998).


Abgesehen von der Erkenntnis, daß der freie Zugang zur Information und zur Diskussion Vorraussetzungen für die Dimensionen Wählen und politische Aktivität sind, sagen diese Modelle elektronischer Demokratie wenig darüber, von welchen Bedingungen politische Beteiligung prinzipiell abhängig ist. Die Sicherstellung der Zugänglichkeit und der Nutzerfreundlichkeit reicht aber nicht unbedingt aus, um langfristig erfolgreich zu sein (siehe PEN (Dutton, 1996)).

Unter anderem wurde nachstehende Kritik beim Einsatz von IKT zur Steigerung politischer Beteiligung (Hagen, 1997, S. 93, Hagen, 1999, S. 73-75) formuliert: