5.7 partizipatorische E-Demokratie


Unter dem Begriff "partizipatorische Demokratie" wird eine Zusammenfassung normativer Demokratietheorien verstanden, die Kritik am Repräsentationsprinzip und der damit verbundenen eingeschränkten Bürgermitwirkung üben. Die partizipatorische Demokratie geht auf das politische System des Antiken Stadtstaats Athen im 5. JH. v.u.Z. zurück (Dahl, 1989, Philipps, 1995). Ein Hauptmerkmal dieses Systems der partizipatorischen Demokratie war die weitgehende Identität von Regierenden und Regierten. Allerdings waren große Teile der Bevölkerung von der Partizipation am politischen Prozess ausgeschlossen, u.a. alle Frauen und alle Sklaven. Es gab keine Trennung zwischen Staat und Gesellschaft. Das Recht auf politische Teilhabe wurde als positives Grundrecht angesehen (Hagen, 1997).

Nachdem moderne Demokratien als liberale Verfassungsstaaten entstanden sind, haben Konzepte partizipatorischer Demokratie in periodischen Abständen Renaissancen erlebt (Hagen, 1997, S. 50). Dazu gehören das Werk Rousseaus, aber auch die sozialen Theorien der Demokratie.

Theorien sozialer Demokratie wollen die politische Demokratie erweitern, indem immer mehr gesellschaftliche und wirtschaftliche Bereiche mit demokratischen Entscheidungsstrukturen ausgestattet werden (z.B.  Mitbestimmung in Unternehmen). Dies erfordert u.a. Subjekte, die die gleiche Verfügungsgewalt über die Festsetzung von Normen und Regeln haben. Soziale Theorien wollen auch die materielle Ungleichheit der Bürger durch graduelle Umverteilung reduzieren.

Für einige Theoretiker der partizipatorischen Demokratie ist der Kulturkritiker und Philosoph J. J. Rousseau ein wesentlicher Bezugspunkt, da er sich der Delegation von Souveränität auf Repräsentanten dezidiert widersetzte. Sobald Repräsentanten ohne Mitwirkung des Volkes Gesetze beschließen, „ist es nicht mehr frei; es ist nicht mehr“ (Rousseau in: Schmidt, 1995, S. 66). Rousseau lehnte den englischen Parlamentarismus ab, der noch die Bewunderung von Montesquieu gefunden hatte: „Jedes Gesetz, das das Volk nicht selbst beschlossen hat, ist nichtig; es ist überhaupt kein Gesetz. Das englische Volk glaubt frei zu sein – es täuscht sich gewaltig, es ist nur frei während der Wahl der Parlamentsmitglieder; sobald diese gewählt sind, ist es Sklave, ist es nichts“ (Rousseau in: Schmidt, 1995, S. 66).

Im 20. Jahrhundert wurden die Ideen der partizipatorischen Demokratie in Studentenprotesten, Friedensbewegungen, Anti-Atomkraft-Initiativen, der Frauenbewegung sowie in Diskussionen um Fragen der Mitbestimmung in kleineren Einheiten artikuliert (Dahl, 1989, S. 327).

Im Zentrum des partizipatorischen Demokratieverständnis steht die Stärkung der Input-Seite im politischen Prozeß. Die partizipatorische Theorie setzt ihr Vertrauen in Stabilität und Lebensfähigkeit demokratischer Ordnungen, indem der demokratische Prozeß vertieft und ausgeweitet wird. Im Gegensatz zu elitären Modellen beschreiben partizipatorische Ansätze Demokratie als Prozeß/Ziel/Mittel/Zweck und nicht als Wettbewerb/Führerauswahl. Die Konzeption des Bürgers basiert auf dem gut informierten Individuum, das über die Fähigkeit verfügt, zwischen egoistischem Einzelinteresse und kollektivem Gruppeninteresse zu differenzieren. Der gut informierte Bürger wird durch gesellschaftliche Kommunikations- und Lernprozesse in die Lage versetzt, politische Beteiligung auszuüben. Die Zentren der politischen Macht müssen für den Bürger zugänglich sein, Informationsoligarchien werden aufgelöst, da sie kontraproduktiv sind.

Die partizipatorische E-Demokratie bezieht sich auf die Ideen von Thomas Jefferson. Im Vordergrund steht das Vertrauen Jeffersons in die Fähigkeiten des Common Man, sich selbst zu regieren (Hollander, 1985). Der qualifizierte Bürger (d.h. Bürger verfügt über die Kompetenz zur Teilnahme an allen Entscheidungsfindungen) liegt dem partizipatorischen Konzept von Barber (Barber, 1994, 1984) zugrunde (Schmidt, 1995, S. 173).

Konflikte werden durch das Mehrheitsprinzip und/oder durch das Konsensprinzip geregelt (Schmidt, 1995, S. 368, Becker/Slaton, 2000).

Aus der Sicht der kompetitiven Demokratie wird der Bürger durch präpolitische Interessen definiert (d.h. Präferenzen sind konstant (unveränderbar)). Diese scheinbar naturgegebenen Interessen sind im Bürger fest verankert oder werden durch Institutionen außerhalb des politischen Sektors geformt (z.B. schichtenspezifische Interessen). Dagegen besagt eine Hauptannahme partizipatorischer Ansätze, daß die Präferenzen der Bürger im politischen Prozeß keine exogenen, sondern endogene Größen darstellen. Sie entstehen durch politische Interaktionsprozesse (z.B. öffentlicher Aussprache mit anderen Individuen oder Gruppen, Willensbildung) und können im politischen Prozeß verändert werden.

Der partizipatorischen Theorie steht auch eine umfangreiche empirische Partizipationsforschung zur Seite (Überblick: Kaase, 1992a, 1992b, Schmidt, 1995, S. 179). Diese hat den Nachweis erbracht, daß in bestimmten Gruppen der stimmberechtigten Bevölkerung westlicher Demokratien tatsächlich mehr Nachfrage als Angebote institutionalisierter Beteiligungsmöglichkeiten existiert. Vor allem signalisieren Individuen von jüngeren, besser ausgebildeten und postmateriell orientierten sozialen Gruppen sowie Individuen, die sich auf Rechts-Links-Skalen in der Mitte und links der Mitte des politischen Spektrums einstufen, einen Bedarf an Beteiligungsformen, der von den verfaßten Angeboten bisher nicht gedeckt werden kann (Schmidt, 1995, S. 179).

Schwache Theorien der partizipatorischen E-Demokratie streben eine Demokratisierung nur im politischen Bereich an, während starke Theorien eine umfassende Eliminierung autoritärer Herrschaftsstrukturen sowie die elektronische Demokratisierung von Subsystemen erfordern. Demokratisierung umfasst auch die kleinsten gesellschaftlichen Strukturen. Mittelstarke Theorien streben neben der Partizipation im politischen Bereich auch Demokratie am Arbeitsplatz an. 

Das Konzept der partizipatorischen E-Demokratie wird u.a. vertreten von:

5.7.1 Subystemdemokratisierung

Zur Demokratisierung der Lebensbereiche wird angenommen, daß die Sozialisationsprozesse im Arbeits- und Berufsleben derart prägend sind, daß ohne Erhöhung und Ausweitung der Mitbestimmung in Wirtschaftsorganisationen kein Fortschritt auf politischer Ebene möglich ist (vgl. Kubicek/Hagen, 1999). Wer Partizipation am Arbeitsplatz ausübt und wer eine politische Sozialisation durchlebt, emanzipiert sich persönlich und politisch, da die betroffene Person aktiv am Geschehen mitwirkt.

Da Macht als soziales Phänomen omnipräsent ist, beschränkt sich das Postulat der Machtgleichheit der starken partizipatorischen Demokratie auch nicht nur auf das politische System, sondern beansprucht gesamtgesellschaftliche Gültigkeit. 

Für Vilmar ist Demokratisierung die Realisierung demokratischer Grundsätze in allen Bereichen der Gesellschaft (Vilmar, 1973). Sie ist der Inbegriff aller Aktivitäten, deren Ziel es ist, autoritäre Herrschaftsstrukturen durch Formen der Kontrolle der Herrschaft von unten zu ersetzen. Werden diese Herrschaftsstrukturen kontinuierlich abgebaut, dann dürfte sich auch das Bewußtsein der Menschen verändern. Das einzusetzende Verfahren sei die Bildung einer kollektiven Gegenmacht sowie die Generierung von Rechten zur Partizipation an allen Entscheidungen. Demokratie wird als ein gesamtgesellschaftliches Lebensprinzip verstanden (Alltagsdemokratie). Dazu hat Vilmar drei grundlegende Thesen formuliert:

Um zu identifizieren, welche Erfordernisse zur Demokratisierung in einem Subsystem bestehen, hat Vilmar den nachfolgenden Fragekatalog entwickelt, der auch für die elektronische Demokratisierung Bedeutung erlangt. Kritik
Gegen die Demokratisierung aller Lebensbereiche werden u.a. folgende Argumente ins Feld geführt (Waschkuhn, 1998, S. 95):


Bemerkung:
„Für Vilmar sind diese Einwände nicht ernstzunehmen. Wer insbesondere Freiheit durch mehr Demokratie bedroht sehe, dem könne es nur um die Erhaltung jener Freiheit gehen, die die Wenigen in nicht-demokratisierten Sozialstrukturen auf Kosten der Mehrheit bisher überwiegend genossen haben. Wäre es anders, so hätten sie die Demokratisierung nicht zu befürchten. Denn nur für die Herrschenden ist „mehr Demokratie“ und „mehr Freiheit“ ein sog. Nullsummenspiel, insofern das eine auf Kosten des anderen gehe. Für die in der bisherigen Geschichte Beherrschten, für die Nicht-Besitzenden, die Jüngeren, die Frauen und die Machtlosen aber ist „mehr Freiheit“ mit „mehr Demokratie“ identisch“ (Waschkuhn, 1998, S. 102).

5.7.2 Argumente

5.7.2.1 Bürgernähe

Das partizipatorische Konzept geht davon aus, daß sich die Regierung zu weit vom Bürger entfernt habe. Der Einsatz der neuen Kommunikationstechniken böte eine Chance der Distanzverringerung zwischen Regierung und Bürger (Grossman, 1995, S. 3).

"...the old communication limitations no longer stand in the way of expanded direct democracy. Spectacular advances in communications technology open, for the first time, a mind-boggling array of possibilities for direct citizen participation in political decision-making" (Toffler, 1980, S. 429).

Da neue IKT Raum und Zeit relativieren, ist das Größenproblem theoretisch lösbar, welches primär gegen die Einführung der partizipatorischen Demokratie sprach. Elektronische Bürgerversammlungen und neue Instrumente der Meinungserfassung (auch in sehr großen Gemeinden) werden praktikabel. Die Auswertung von Feedbacks ist durch den Einsatz von E-Wahlsystemen auf Sekundenbruchsteile beschränkt.

5.7.2.2 Soziale Integration

Das partizipatorische Konzept nimmt an, daß jene Bürger, die mit materiellen und intellektuellen Ressourcen ausgestattet sind, über einen privilegierten Zugang zu politischen Entscheidungsprozessen verfügen (vgl. Hagen, 1997, S. 62). Der ungleiche Zugang zur Information und die fehlende Ausbildung verstärken die Polarisierungsgefahr. Elektronische Telekommunikationsmöglichkeiten könnten dagegen auch bisher benachteiligten Bürgern sowie den gesellschaftlichen Außenseitern (z.B. Arme, Alte, Behinderte, Arbeitslose) die Möglichkeit geben, sich aktiv am politischen Prozeß zu beteiligen (vgl. Arterton, 1987, S. 51, Hollander, 1985, S. 68) (siehe aber auch Kritik 5.6.3). Die Gesetzgebung hat sicherzustellen, daß alle Bürger (Arme, Benachteiligte, etc.) unbegrenzten persönlichen Zugang zu allen Ressourcen und Prozessen der
Demokratie haben.

5.7.2.3 Komplexität

Ein Hauptgrund für die mangelnde Partizipation und Politikverdrossenheit der Bürger läßt sich als eine Konsequenz der strukturellen Schwächen des repräsentativen Regierungssystems interpretieren (Hagen, 1997). Parteien, Bürokratien, Parlamente reichen alleine nicht mehr aus, um die komplexen Probleme der modernen Demokratie zu lösen (vgl. Barber, 1994, Toffler, 1980). Barber hat dieses System als "schwache Demokratie" bezeichnet und als Alternative die "starke Demokratie" vorgeschlagen, die primär auf der Förderung politischer Beteiligung der Bevölkerung beruht.

„Starke Demokratie ist eine entschieden moderne Form partizipatorischer Demokratie. Sie beruht auf dem Gedanken einer sich selbst regierenden Gemeinschaft von Bürgern, die weniger durch einheitliche Interessen vereinigt sind als durch staatsbürgerliche Erziehung, und die eher aufgrund ihrer staatsbürgerlichen Einstellungen und partizipatorischen Institutionen als durch ihren Altruismus oder ihre Gutmütigkeit die Fähigkeit erworben haben, einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen und nach dem Gegenseitigkeitsprinzip zu handeln“ (Barber, 1994, S. 99).

Toffler vertritt die These, daß die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Veränderungen durch den Übergang von der "zweiten Welle", dem Industriezeitalter, zur "dritten Welle", dem Informationszeitalter, dazu führen, daß die gegenwärtigen politischen Institutionen nicht mehr angemessen die Probleme der dritten Welle bewältigen können. Bisher waren die Politiker auf die einfache Expertenrationalität der zweiten Welle angewiesen, die ihnen bei der Bewältigung der zunehmenden Last der Entscheidungen half. Dagegen bewirke die dritte Welle eine exponentielle Steigerung der Entscheidungslast für zentrale Steuerungsorte. Davon seien die Regierungen, Minister, Präsidenten etc. überwältigt und überfordert, was z.T. auf die neuen IKT zurückzuführen sei und in einer Implosion der Entscheidungsfindung münden kann (Toffer/Toffler, 1995, S. 103). Daraus läßt sich die folgende Formel über die Schwächung des repräsentativen Systems ableiten: (a) Die digitale Revolution hat die Ansprüche gegenüber der repräsentativen Demokratie erhöht; (b) Das gegenwärtige politische Kommunikationssystem wird von einer Durchsatzüberlastung bedroht, und wenn keine fundamentale Transformation der Formen des Regierens vollzogen wird, kollabiert das repräsentative System. Toffler zufolge können die heutigen politischen Organisationen ihre Aufgaben nicht mehr abgekoppelt von der Bevölkerung wahrnehmen. Das Regierungssystem der Zukunft ist für Toffler eine semi-direkte Demokratie (Toffler, 1980, S. 427-434). Dabei haben, dem Konzept der dritten "Demokratiewelle" folgend, die IKT eine zentrale Bedeutung: "Using advanced computers, satellites, telephones, cable, polling techniques, and other tools, an educated citizenry can, for the first time in history, begin making many of its own political decisions" (Toffler, 1980, S. 430).

Barber fordert eine starkdemokratische Theorie des Sprechens, Urteilens und der öffentlichen Wahrnehmung. Sein Konzept zielt auf einen Selbsterziehungsprozeß der Bürgergemeinschaft ab, wobei die nachstehenden Formen der Institutionalisierung unbedingt umgesetzt werden müssen, sonst kann nicht von einer starken Demokratie gesprochen werden:


Barber zufolge müssen alle Partizipationsformen zusammen verwirklicht werden, damit diese sich wechselseitig verstärken können, indem Demokratie wieder Demokratie erzeugt. Dabei sind (1)-(6) eine Institutionalisierung des Sprechens, (7)-(10) betreffen Entscheidungsprozesse und (11)-(14) beziehen sich auf die Institutionalisierung des Handelns.


5.7.2.4 politische Bildung

Damit der Bürger sein Wahlrecht ausüben kann, muß er über Lese- und Schreibfähigkeit verfügen, die durch einen langjährigen Lernprozeß erworben wird. Das Integrieren politischer Bildung in den Lernprozeß ist in der Praxis durchführbar. Sowohl das allgemeine Wahlrecht als auch der Zugang zur (politischen) Bildung sind als grundlegende Bürgerrechte anzusehen. Die Erziehung zur Mündigkeit verlangt eine umfassende politische Bildung, die Handlungskompetenzen vermittelt. Als theoretische Begründung für die Einführung einer partizipatorischen Demokratie wird Jeffersons Argument, daß die Bildung des einzelnen Bürgers die Vorbedingung für das Funktionieren des Regierungssystems sei, herangezogen. Jeffersons Vorstellung, die Demokratie durch bürgerliche Erziehung zu fördern, ist ein von den Konzepten der partizipatorischen E-Demokratie immer wieder angeführtes Argument (Becker, 1981, Dahl, 1989, Grossman, 1995, S. 239, etc.). Durch Aus- und Fortbildungsprogramme muß erreicht werden, daß alle Bürger "Computer-Literaten" werden. Dazu gehören die Ausbildung von persönlichen Auswahlkriterien und Sortierfähigkeiten, um die Informationsmenge bewältigen zu können. Gleichzeitig muß bei der bürgerlichen Erziehung die eigenständige politische Informationsbeschaffung betont werden (Hagen, 1997, S. 94).


Die partizipatorische E-Demokratie erkennt auch die Bedeutung der Sozialisation. Sozialwissenschaftliche Forschungen über soziale Schichten können zeigen, daß durch den Sozialisationsprozess bestehende gesellschaftliche Ungleichheiten verfestigt werden (Nauer, 1997). Die partizipatorische E-Demokratie will diesen Prozess brechen und eine Sozialisation im Dienste der Orientierung an der Machtgleichheit schaffen.  Sie kann sich mit einer affirmativen, nur adaptiven Sozialisation niemals abfinden. Sie will vielmehr die Sozialisation als gesellschaftliches Korrektiv einsetzen, als Mittel zur Egalisierung. Die Sozialisation ist daher als ein mögliches Instrument eines gesellschaftlichen Ausgleichs anzusehen.

 

5.7.2.5 Repräsentantenwahl nach dem Zufallsprinzip

Die Teledemokratie-Veteranen Christa Slaton und Jim Dator (Slaton, 1992, S. 92, S. 79) wollen alle Volksvertreter eines demokratischen Gemeinwesens nach dem Zufallsprinzip auswählen (repräsentative Stichproben).

„We see Televote´s potential as even greater – an instrument to be used in a radically new type of representative system, where representatives are chosen randomly from the citizenry at various levels of government. The idea is not novel, although it has been slow in moving into the current discussion of representative systems. Our Televote experiments spur our visions of truly representative bodies, not obtained through multimillion-dollar electoral campaigns, PAC control, restrictive election procedures, incumbent advantages, and glittery public relations. We see possibilities of civic-minded citizens acting responsibly in a multitude of legislative activities to gain control of their destiny“ (Slaton, 1992, S. 206-207).

Diese Reformkonzepte zielen darauf ab, den Unterschied zwischen dem Wähler und der politischen Klasse letztlich aufzuheben: Jeder Wahlberechtigte muß damit rechnen, daß ihn das Los treffen kann, als Repräsentant ausgewählt zu werden. Die Befürworter dieses Zufallsverfahrens führen ins Feld, daß ein "Sample Parlament", d.h. ein als statistische Stichprobe zusammengesetztes Gremium für den Bürger den Anreiz birgt, sich ständig zu informieren, da die Wahl auf ihn fallen könnte (vgl. Mueller/Tollison/Willett, 1972, S. 61, Carson/Martin, 1999). Diese Konzepte sind auch ein Hindernis für das Entstehen einer Klasse von Berufspolitikern (Elster, 1989, S. 89). Es ist unattraktiv in eine politische Karriere zu investieren, wenn unbekannt ist, ob die Zufallswahl jemals auf die betreffende Person fällt (Schweinsberg, 1998, S. 273).

[Ein weitererer Vorschlag von Mueller, Tollison und Willett ist das sogenannte „Dual Legislative System“. „They proposed a combination of an elected legislative body and a randomly selected legislative body. Under their scheme, one house would be composed of about 20 senators elected at large throughout the country. This house would only initiate legislation that would then be passed on the random house, chosen from the adult citizenry, to enact the legislation if it saw fit to do so“ (Slaton, 1992, S 92).

Ein Vorschlag von Schweinsberg beruht auf mehreren Legislativen, die bei der Erarbeitung von Gesetzesentwürfen im Wettbewerb miteinander stehen. Die diversen Entwürfe werden dann den Wählern zur direkten Abstimmung vorgelegt. Eine der Legislativen ist eine repräsentative Stichprobe aus der wahlberechtigten Bevölkerung (Schweinsberg, 1998, S. 287)].

Der zufällig selektierte Mikrokosmos verkörpert ein präzises Miniaturportrait der Gesamtbevölkerung. Die Einführung dieser repräsentativen Institution würde die schichtspezifischen Segmente der Bevölkerung auf allen Ebenen des Regierens in legislative Prozesse sowie in repräsentative Positionen bringen. Nach dem Start des elektronischen Zufallwahlsystems übt zunächst eine kleine Minorität ihre Ämter aus, doch nach Jahrzehnten übernehmen immer größere Bevölkerungskreise repräsentative Positionen auf allen Regierungsebenen. Neben den Bildungseffekten, dem Abbau von Entfremdungseffekten gegenüber dem Regierungssystem und der Bewußtseinsbildung würde das politische Interesse und Engagement der Bevölkerung steigen (Slaton, 1992). Es wird angenommen, daß die Zufallsselektion ein breites Spektrum des Wertsystems der Bevölkerung reflektiert. Die Auswahl der Repräsentanten per Stichprobe kann auch den Minderheiten eine adäquate Repräsentation sichern (Ackerman, 1980, S. 285-289). Ein solcher Ansatz spart die astronomisch hohen Wahlkampfkosten für den Steuerzahler ein und gestaltet die Volksvertretung tatsächlich repräsentativ - alle Segmente der Gesellschaft (unter Berücksichtigung der Faktoren Geschlecht, Alter, Sozialschicht, Region, usw.) würden durch Anwendung des Zufallsprinzips vertreten sein. Toffler wies darauf hin, daß die zufälligen Repräsentanten ihren Wohnsitz nicht unbedingt verlassen müssen und nach hinreichender Netzdiskussion legislative Entscheidungen durch E-Abstimmungen fällen könnten. Toffler vertritt die These, daß dadurch die Einflußnahme der mächtigen Lobbies konterkariert wird. Diese räumliche Verteilung der Legislative würde "strike a devastating blow at the special interest groups and lobbies who infest the corridors of most parliaments. Such groups would have to lobby the people – not just a few elected officials"(Toffler, 1980, S. 434-435).

Ein derartige Legislative ist als Zielscheibe für Interessengruppen weniger interessant: Da die Repräsentanten durch ihre Aktivitäten keinen Einfluß auf ihre Wiederwahl haben (Repräsentanten scheiden nach Ablauf der Legislaturperiode aus der Legislative aus), würde es für Lobbyisten unlohnend sein, einzelne Abgeordnete aufzubauen (Schweinsberg, 1998, S. 271). Für die Repräsentanten entfiele die Ausrichtung ihres politischen Handelns am kurzfristigen Ziel der Wiederwahl.

Will man die Macht der Parteiapparate und Interessengruppen brechen, so ist auch bei der Besetzung von Bürokratenstellen die Anwendung des Zufallsprinzips erforderlich. Für Aufgaben in der Justiz, in den Ministerialabteilungen, in der Landes- und  Gemeindeverwaltung, in den öffentlichen-rechtlichen Anstalten (ORF, etc.) sowie in den öffentlichen Betrieben stehen in der Regel mehrere gleichermaßen qualifizierte Bewerber zur Verfügung. Ähnlich der im antiken Athen Stadtstaaten gängigen Praxis ließe sich die Besetzung von solchen Positionen folgendermaßen durchführen: Zuerst fände eine Nominierung gleich fähiger Kandidaten statt, dann wird einer der nominierten Kandidaten per Zufallsentscheid ausgewählt (Schweinsberg, 1998).

Kritik
Es wird als Nachteil angesehen (Schweinsberg, 1998, S. 273), daß einer durch Stichprobe bestimmten Legislative die Kontinuität unter den Repräsentanten fehlt. Das kann dazu führen, daß die Macht der Bürokraten zunimmt (Elster, 1989. S. 89). Bei regelmäßig wechselnden Repräsentanten herrscht eine Informationsasymmetrie zugunsten der über mehrere Legislaturperioden im Amt bleibenden Bürokraten (Schweinsberg, 1998).

Auch ist bei diesem Konzept fraglich, ob sich die durch Stichprobe bestimmten Repräsentanten überhaupt gegenüber der Bevölkerung verpflichtet fühlen, da die Wiederwahl als Steuergröße für ihr politisches Verhalten entfällt. Ein durch Zufallswahl bestimmter Repräsentant kann darauf aus sein, sich persönliche Vorteile zu verschaffen. Es wäre daher denkbar, die Zufallswahl der Repräsentanten mit einem E-Abwahlreferendum zu kombinieren. Für den Fall, daß zufällig ein Extremist oder ein in anderer Hinsicht wenig erfreulicher Bürger (z.B. Inkompetenz) per Los für ein politisches Mandat bestimmt wurde, können die Bürger, wenn sie die Unterschriften eines bestimmten Prozentsatzes der Bevölkerung sammeln, dessen Absetzung durch ein E-Abwahlreferendum durchsetzen. Der Nachfolger wird dann wieder per Zufallswahl bestimmt. Allerdings bleibt eine Frage ungelöst: Was geschieht in der Zwischenzeit? Der betreffende Repräsentant könnte bis zu seiner Abberufung tätig sein.

5.7.2.6 Demokratisierung

Demokratisierung des politischen Prozesses
Die Vertreter der partizipatorischen E-Demokratie sehen eine Ursache für Frustration, Apathie, Zynismus in der relativen Schwäche des Individuums gegenüber dem Regierungssystem. Deswegen wollen die partizipatorischen Konzepte die Position des Bürgers im politischen Prozeß stärken. Becker und Slaton betrachten die neuen Kommunikations- und Informationstechnologien als entscheidende Instrumente, um die Regierungsmacht zurück zum Wähler zu bringen, den Agenda-Setting-Prozeß von Bürgern durchführen zu lassen, eine bürgernahe Politik zu gestalten, direkt-demokratische Entscheidungen zu fördern und an ihrer Implementation eine breite Partizipation zu erlauben. Mit dieser Forderung trat Ted Becker 1981 (Becker, 1981, Slaton, 1992, Becker/Slaton, 2000) in der oft zitierten Publikation "Teledemocracy" unter dem Programmtitel "Bringing Power Back to People" in die Öffentlichkeit.

"TRUE Democracy is the use of modern electronic communications and information technology as instruments to empower the people of a democracy to help set agendas, establish priorities, make important policies and participate in their implementation. In a word, true teledemocracy is the use of telecommunications to give the public LEVERAGE in self-governance"(Becker, 1995a).

(Der amerikanische Begriff  „empower“, kann nur unzureichend ins Deutsche übersetzt werden. Dieser bedeutet sowohl “befähigen” als auch “ermächtigen”).

Die Strategien der E-Demokratievertreter erfordern Mitbestimmung und Reformpolitik. Dabei geht es um eine strukturelle Machtveränderung, die neue Denk- und Lebensweisen durch soziale Lernprozesse hervorbringt (Slaton, 1992). Die Transformation der Gesellschaft soll von unten initiiert werden.

Die finnische Wissenschaftlerin Auli Keskinen stellt den Bürger bei einem idealtypischen politischen Prozeß, der Positivsummen-Spiele (Win-Win-Lösungen) für die Teilnehmer hervorbringen soll, ins Zentrum politischer Aktivitäten.

Becker und Slaton bevorzugen in "Future of Teledemocracy" politische Prozesse, die auf Mediation und direkter Demokratie beruhen und für die Teilnehmer Positivsummen-Spiele durch Konsensbildungsverfahren ermöglichen (Becker/Slaton, S. 193-199, S. 211).  

Demokratisierung der Wirtschaft
Direktdemokratische Entscheidungssysteme wurden bisher nur im politischen Bereich eingesetzt, während die Organisationsformen der Ökonomie weitgehend von der Untertanenkultur und der Selbstregulierung bestimmt werden. Geburt, Bildung, Kapitalbesitz sind dort entscheidende Größen. Während im politischen Bereich jeder Bürger genau eine Stimme hat, befindet er sich am Arbeitsplatz immer noch im alten archaischen Abhängigkeits- und Unterwerfungsverhältnis, das von dem Herrn-Diener-Verhältnis übriggeblieben ist. Wenn der Bürger in der Politik für mündig und in der Wirtschaft für unmündig erklärt wird, dann ergibt sich aus wissenschaftlicher Sicht ein rational unerklärbarer Widerspruch. Benjamin Barber fordert die Einführung der Demokratie am Arbeitsplatz (Barber, 1994).

„Die Machtstrukturen in der Wirtschaft erinnern an jene, die der Staat im 19. Jahrhundert kannte. Es ist ein Widerspruch, im Staat jedem Bürger einen gleichen Entscheidungsanteil zuzuerkennen und zuzutrauen, während in der Wirtschaft äußerst ungleich verteilter Kapitalbesitz die Grundlage für Entscheidungsmacht bildet. Die Argumente, die gegen eine Demokratisierung der Wirtschaft vorgebracht werden, gleichen jenen, die seinerzeit gegen die Demokratie im Staat ins Feld geführt wurden“ (Möckli, 1994, S. 375).

Die partizipatorische E-Demokratie hält eine substantiellere Demokratie erst dann für möglich, wenn durch eine Neustrukturierung der Arbeitswelt die Möglichkeit zur Beteiligung an Entscheidungsprozessen geschaffen wird. Politische Gleichheit ist daher unvereinbar mit gesellschaftlichen Organisationsformen, die der Mehrheit der Menschen keine Möglichkeit lassen, Entscheidungen zu treffen. Demokratisches Handeln kann in der "privaten" Welt der  Arbeit erlernt werden. Es ist aus der Sicht der partizipatorischen E-Demokratie absurd, sich im Staat um Demokratie zu bemühen, wenn in anderen Lebensbereichen das Prinzip der Unterordnung herrscht.

Unter Berücksichtigung der empirischen Daten der vergleichenden Studie "The Civic Culture" von Almond und Verba (1963) konnte Carol Pateman eine hohe Korrelation zwischen dem Grad der politischen Partizipation und der Wahrnehmung als kompetente und einflußreiche Person feststellen (Phillips, 1995, S. 67). Demzufolge gebe es deutliche Indizien dafür, daß jene, die unter hierarchischen Strukturen arbeiten und über deren "Köpfe" hinweg entschieden wird, der politischen Beteiligung keine Bedeutung beimessen. Wer keinen Einfluß auf die Entscheidungen am Arbeitsplatz ausüben kann, glaubt, er könne nichts ausrichten. Die private Sphäre der Arbeitswelt stellt das Fundament der öffentlichen Welt der Politik dar. Die Vorgänge in dem einen Lebensbereich prägen und beschränken die Ereignisse im anderen.

Robert Dahl antwortet auf die Frage, ob es eine Wechselwirkung zwischen mehr Partizipation am Arbeitsplatz und mehr bürgerlichem Engagement gebe, weder zustimmend noch verneinend (Phillips, 1995, S. 68). Er vertritt allerdings die These, daß sich mehr Partizipation am Arbeitsplatz hinreichend begründen läßt, selbst wenn es keinerlei Auswirkungen auf das bürgerliche Engagement im politischen Bereich hat. Wird die partizipatorische E-Demokratie im politischen System als gerechtfertigt angesehen, so ist sie auch in einem Unternehmen. Alle Prinzipien, die im öffentlichen Bereich für durchführbar gelten, sind dies auch in der privaten Wirtschaft.

Partizipatorische E-Demokratie bedeutet im ökonomischen Subsystem, dass jeder Angehörige eines Unternehmens eine aktive Rolle im Leben dieser Organisation spielt; daß er umfassend informiert ist und am Entscheidungsprozeß unter Anwendung der IKT teilnimmt. Dies beginnt auf der Ebene des eigenen Arbeitsplatzes sowie der Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen und bezieht auch die Entscheidungsebenen ein, auf denen die allgemeine Politik des Unternehmens bestimmt wird. Entscheidend ist, daß Arbeitnehmer sich selbst vertreten und nicht durch Gewerkschaftsvertreter außerhalb des Unternehmens in den Mitbestimmungssystemen repräsentiert werden.

5.7.2.7 Transformation

Die Mehrheit der Vertreter einer partizipatorischen E-Demokratievariante wollen das repräsentative Regierungssystem letztlich nicht durch ein ausschließlich direktdemokratisches ersetzen, sondern sie fordern institutionelle Reformen, die eine Machtverschiebung einschließen, um direktdemokratische Instrumente im politischen System verstärkt etablieren und eine soziale Transformation auf den Weg bringen zu können.

Barber und Grossman verlangen neben der Reform des politischen Systems die Reform des Mediensystems. Sie schlagen die Einführung von Medienorganisationen vor, die sich am Prinzip des "Public Service" orientieren. Barber fordert Kommunikationsgenossenschaften (Civic Communications Cooperative) und Grossman eine "Federal Commission on Citizenship" (Grossman, 1995, S. 243). Diese bemühen sich um die Organisation von politischen Öffentlichkeiten und versorgen die Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen und demokratieförderlichen politischen Inhalten. Dabei sollen nach Grossman und Barber die politischen und sozialen Bedürfnisse der Bevölkerung vorrangig sein (Grossman, 1995, Barber, 1994). Barber und Grossman wollen durch Einführung dieser Institutionen auch der Tatsache, daß neue Medien kontraproduktive Effekte für die Demokratie haben können, entgegenwirken. Sie verstehen ihre Vorschläge als demokratisches Gegengewicht zu z.B. öffentlichen Meinungsumfragen. Diese könnten kontraproduktiv für die Demokratie sein (bei direktdemokratischen Entscheidungen), wenn sie ohne sachliche Information und Diskussion nur scheinbar eine objektive Beschreibung der politischen Realität darstellen. In Wirklichkeit kann durch eine unkommentierte Publikation von Umfragen auch Manipulation betrieben werden (Hagen, 1997, S. 66).

Auch die Fragmentierung und die Isolation der Bürger (durch oder) während der Nutzung der IKT wird vom partizipatorischen Konzept berücksichtigt. Das Konzept fordert nicht nur den Einsatz der IKT, sondern auch Maßnahmen wie die Ausweitung der politischen Bildung und Nachbarschaftsversammlungen (Barber, 1994, Grossman, 1995, S. 243).

5.7.3 Demokratieform

Die partizipatorische E-Demokratie richtet sich gegen eine kompetitive Demokratiekonzeption (Barber, 1994, Hollander, 1985, S. 40). Erster historischer Bezugspunkt ist das klassische Athen: "Today's telecommunications technology may make it possible for our political system to return to the roots of Western democracy as it was first practiced in the city-states of ancient Greece" (Grossman, 1995, S. 33, Grossman, 1999).

Die partizipatorische E-Demokratie geht davon aus, daß intermediäre Organisation (Parteien, Interessengruppen), aber auch traditionelle Medien an Macht verlieren werden. Diese Macht soll direkt auf die Bürgergesellschaft übergehen, die unmittelbar am politischen Prozeß mitwirkt (Hagen, 1997, S. 69).

Durch die Mischung von repräsentativen und direktdemokratischen Elementen (im Sinne der Checks and Balances) würden nach der Ansicht der Vertreter der partizipatorischen Demokratie hinreichende Kontrollmöglichkeiten vorhanden sein, um den möglichen Exzessen der repräsentativen oder direkten Demokratieform entgegenzuwirken und größeren Nutzen zu erzielen (Barber, 1994, Grossman, 1995, Becker/Slaton, 2000).

Durch eine Verstärkung der Rückkopplung zwischen Repräsentanten und Bürger, den Einbau direktdemokratischer Elemente, durch das Engagement zur Schaffung von Gemeinschaften, durch die Ablösung gewählter Repräsentanten durch per Losentscheid bestimmter Volksvertreter und einer Gesetzgebung durch direkte E-Abstimmungen entstünde für Christa Slaton eine neue Form der partizipatorischen E-Demokratie:

"Representative Participatory State

Bemerkung: Auf die Fragwürdigkeit der praktischen Durchführbarkeit des Rotationsprinzips wird hier weder aus normativer noch aus empirischer Perspektive ausführlich eingegangen. Ihren basisdemokratischen Anspruch gemäß wollten die  Grünen in BRD (1985) jede Tendenz zur Oligarchisierung im Keim ersticken und hatten sich für das „Rotationsprinzip“ entschieden, das die Ablösung der grünen Parlamentarier bereits nach einem oder zwei Mandatsjahren, also inmitten der Legislaturperiode, vorsah. Es erwies sich jedoch als schwer praktikabel (z.B.  Einarbeitszeit, mangelnde Kenntnis über die parlamentarische Praxis, ineffiziente Arbeit, individuelle Machtinteressen etc.), war auch verfassungsrechtlich umstritten und wurde wieder fallengelassen.

5.7.4 partizipatorische E-Demokratie und Beteiligung

Von den fünf Dimensionen der politischen Mitwirkung setzt dieses Konzept auf größere Möglichkeiten der sachlichen Informationsversorgung, die Diskussion politischer Themen, die politische Aktivität und die Durchführung von E-Abstimmungen und E-Wahlen.

Von den Kritikern der plebiszitären E-Demokratie ist die Beanstandung vorgebracht worden, daß die diskursiven, beratenden Prozesse nicht berücksichtigt werden. Die Kritik richtet sich primär gegen konkrete Pilotprojekte, bei denen in einzelnen Experimenten ausschließlich die Abstimmung und nicht die Diskussion im Vordergrund stand (vgl. z.B. Arterton, 1987, Abramson/Arterton/Orren, 1988). Den meisten Konzepten der partizipatorischen E-Demokratie kann dieser Vorwurf aber nicht gemacht werden (Hagen, 1997, S. 68). Bei Barber steht gerade auch die Vorstellung der deliberativen, auf direkter Kommunikation beruhenden E-Demokratie (besonders in den vernetzten E-Nachbarschaftsversammlungen) als wichtige Übung der "starken Demokratie" im Zentrum seiner Theorie. Diskussionen zwischen den Repräsentanten und der Bevölkerung finden in der partizipatorischen E-Demokratie regelmäßig statt (vgl. Barber, 1994). 

Trotzdem wollen die Vertreter dieser Demokratieform die politische Beteiligung besonders in den Dimensionen der Abstimmung, der Wahl und der politischen Aktivität stärken. Dieses Konzept sieht in der direkten Partizipation des Individuums den Weg zur Demokratisierung des politischen Systems: "The public will no longer expect those in power to ignore its will, because the real power will rest in the will of the public itself. With the help of teledemocratic processes, public opinion will become the law of the land, as in all places where referendums and initiatives are used" (Becker, 1981, S. 9).

Die für die pluralistische E-Demokratie typischen intermediären Organisationen wie Interessengruppen oder Parteien geraten aus dem Blickfeld. Slaton (Slaton, 1992, S. 79), Hollander (Hollander, 1985, S. 96) und Toffler (Toffler, 1980, S. 438) gehen davon aus, daß durch die Einführung der partizipatorischen E-Demokratie die traditionellen Parteien langfristig marginalisiert werden (Ende des Parteiensystems) und sehen dies als Befreiung des Individuums an, das bei allen erstrangigen Themen direkt entscheiden kann (auf die Fragwürdigkeit des proklamierten Endes der Parteien wird hier weder aus normativer noch aus empirischer Perspektive eingegangen). Wo die Repräsentanten als Zufallsstichprobe bestimmt werden, würde nach der Ansicht von Schweinsberg für Parteien und Interessengruppeneinfluß wenig Raum sein (Schweinsberg, 1998).

5.7.5 Kritik

Die partizipatorische elektronische Demokratie kann als eine Weiterentwicklung bestehender demokratischer Systeme in Richtung des klassischen Ideals angesehen werden. Die Gefahr der Sprunghaftigkeit (wegen laufender Abstimmungsprozesse und geringer Reaktionszeit) tritt in diesem Modell aufgrund der langen Verzögerungszeiten zur Diskussion nicht ein. Nichtsdestoweniger kann die partizipatorische E-Demokratie folgende z.T. gegensätzliche Instabilitätsbereiche erreichen (Schmidt, 1995; Hagen, 1997, siehe auch Abschnitt 5.6.3):

Alle obigen Kritikpunkte, die gegen die partizipatorische Demokratieschule gerichtet sind, lassen sich mit entsprechenden Argumenten kontern bzw. widerlegen (siehe z.B. Barber, 1994; Slaton/Becker, 2000; Slaton, 1992; Waschkuhn, 1998; Schmidt, 1995; Hagen, 1997, Vilmar, 1973, etc).