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Kahlil Gibran, Von der Ehe

Und wieder ergriff Almitra das Wort und sprach: "Und wie ist es um die Ehe, Meister?"

Und er antwortete also:

Vereint seid ihr geboren, und vereint sollt ihr bleiben immerdar.

Ihr bleibt vereint, wenn die weißen Flügel des Todes eure Tage scheiden.

Wahrlich, ihr bleibt vereint selbst im Schweigen von Gottes Gedenken.

Doch lasset Raum zwischen eurem Beinandersein,

Und lasset Wind und Himmel tanzen zwischen euch.

Liebet einander, doch macht die Liebe nicht zur Fessel:

Schaffet eher daraus ein webendes Meer zwischen den Ufern eurer Seelen.

Füllet einander den Kelch, doch trinket nicht aus einem Kelche.

Gebet einander von eurem Brote, doch esset nicht vom gleichen Laibe.

Singet und tanzet zusammen und seid fröhlich, doch lasset jeden von euch allein sein.

Gleich wie die Saiten einer Laute allein sind, erbeben sie auch von derselben Musik.

Gebet einander eure Herzen, doch nicht in des andern Verwahr.

Denn nur die Hand des Lebens vermag eure Herzen zu fassen.

Und stehet beieinander, doch nicht zu nahe beieinander:

Denn die Säulen des Tempels stehen einzeln,

Und Eichbaum und Zypresse wachsen nicht im gegenseit'gen Schatten.

 

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Kahlil Gibran, Von den Kindern

Und ein Weib, das ein Kind an der Brust hielt, sagte: "Rede uns von den Kindern."

Und er sprach also:

Eure Kinder sind nicht eure Kinder.

Es sind die Söhne und Töchter von des Lebens Verlangen nach sich selber.

Sie kommen durch euch, doch nicht von euch;

Und sind sie auch bei euch, so gehören sie euch doch nicht.

Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, doch nicht eure Gedanken,

Denn sie haben ihre eigenen Gedanken.

Ihr dürft ihren Leib behausen, doch nicht ihre Seele,

Denn ihre Seele wohnt im Hause von Morgen, das ihr nicht zu betreten vermöget, selbst nicht in euren Träumen.

Ihr dürft euch bestreben, ihnen gleich zu werden, doch suchet nicht, sie euch gleich zu machen.

Denn das Leben läuft nicht rückwärts, noch verweilet es beim Gestern.

Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder als lebende Pfeile entsandt erden.

Der Schütze sieht das Zeichen auf dem Pfade der Unendlichkeit, und Er biegt euch mit Seiner Macht, auf dass Seine Pfeile schnell und weit fliegen.

Möge das Biegen in des Schützen Hand euch zur Freude gereichen;

Denn gleich wie Er den fliegenden Pfeil liebet, so liebt Er auch den Bogen, der standhaft bleibt.

 

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