Deutsch und Englisch

"EUROSPEAK"

 

Siehe nach diesem Beitrag

English only (von Otto KRONSTEINER)

sowie

ENGLISCH IST WICHTIG, DOCH EINE SOLIDE AUSBILDUNG IN DER DEUTSCHEN MUTTERSPRACHE EBENSO!

© Heinz Dieter Pohl & Otto KRONSTEINER

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Siehe auch die Übersicht

DIE SPRACHEN EUROPAS unter:

http://members.chello.at/heinz.pohl/Sprachen_Europas.htm

 

 

 

 

EUROSPEAK zum Einfluss des Englischen auf die europäischen Sprachen

(erschienen in: Genius 3/2003, S. 166-174, http://www.genius.co.at)

Gedanken zu einem neuen Buch:

MUHR, Rudolf / KETTEMANN, Bernhard (Hgg.): EUROSPEAK Der Einfluss des Englischen auf europäische Sprachen zur Jahrtausendwende. Frankfurt/Main – Berlin - Bruxelles - New York - Oxford - London - Wien: Peter Lang 2002. 236 S., zahlr. Tab. (= Österreichisches Deutsch – Sprache der Gegenwart, Bd. 1, Hg. von R. MUHR und R. SCHRODT) ISBN 3-631-39694-5 (€ 52.-)

 Materialien zur Vortragsreihe und zu den Anglizismen in den europäischen Sprachen

 Siehe sub: http://www-oedt.kfunigraz.ac.at/Seiten/anglizismen/index.html

 (Publikation der Vorträge vom 13.5. 17.6.1999 an der Karl-Franzens-Universität)

 

Auf der Rückseite des Einbandes ist zu lesen, dass dieser „Sammelband ... auch auf die Aktivitäten der verschiedenen Sprachpflegevereine eingeht, die in den 90er Jahren aktiv geworden sind... und dass er in vielfältiger Weise und auf wissenschaftlicher Basis zu einem aktuellen Problem Stellung nimmt und sich als Korrektiv zu der in der Öffentlichkeit oft sehr emotionell geführten Diskussion über das Thema ‘Anglizismen’ versteht. So weit, so gut. Ich halte das Buch für einen interessanten Beitrag und für gar nicht so negativ, wie es mir mehrmals vorauseilend geschildert wurde, wenn auch die Sprachvereine darin schlecht wegkommen (und ich auch persönlich angegriffen werde, wogegen ich mich allerdings zu wehren weiß), doch die im Buch aufgezeigten Realitäten stimmen zu einem großen Teil und die Tätigkeit der Sprachvereine sieht eben aus dem Blickwinkel der Sprachwissenschaft (leider) anders aus als es deren leitende Mitglieder gerne hätten, doch ich sehe sie als eine Art Bürgerinitiative, deren Anliegen man ernst nehmen sollte.

Zunächst eine kurze Inhaltsangabe; die beiden einleitenden Artikel stammen von den Herausgebern selbst: MUHR, Rudolf: Anglizismen als Problem der Linguistik und Sprachpflege in Österreich und Deutschland zu Beginn des 21. Jahrhunderts (9-54) und KETTEMANN, Bernhard: Anglizismen allgemein und konkret: Zahlen und Fakten (55-86). Zwei Beiträge beschäftigen sich mit Anglizismen in der Ökologie und der Werbung, und zwar FILL, Alwin: Anglizismen im deutschen Umwelt-Wortschatz (87-100) und SCHRODT, Richard: Schön, neu und fesch die Anglizismen in der deutschen Werbung (101-116).

Drei Aufsätze sind anderen Sprachgemeinschaften gewidmet, je einer den slawischen Sprachen (PFANDL, Heinrich:  Wie gehen die slawischen Sprachen mit den Anglizismen um, 117-154), dem Russischen (RATHMAYR, Renate: Anglizismen im Russischen: Gamburgery, Bifšteksy und die Voucherisierung Russlands, 155-180) und dem Französischen (KUBARTH, Hugo: Anglicismes non merci. Französische Sprachpolitik heute, 181-208). Weiters ein allgemeinsprachwissenschaftlicher Artikel von STEGU, Martin: Angewandte Linguistik: Welche Antworten dürfen wir von ihr zu Sprach- und Kommunikationsfragen (z.B. zu Anglizismen) erwarten? (209-222). Den Abschluss bilden vier kurze Statements im Rahmen der Podiumsdiskussion von KURZMANN, Gerhard: Sprachkultur oder Sprachverfall? Überlegungen zum Einfluss des Englischen und Amerikanischen auf unsere Sprache (223-226), LUTZ, Benedikt: Statement zur Verbal-Podiumsdiskussion „Anglizismen“ 227-230), PETRY, Werner: Anglizismen im Österreichischen Deutsch und in der Werbung (231-232), SCHERR, Michael: Anglizismen in der Sprache der Werbung. Kommentar eines Werbetexters zur Anglizismendiskussion (233-235).

Leider ist MUHRs einleitender Artikel trotz des ehrlichen Versuchs, die Anglizismen als Problem der Linguistik und Sprachpflege darzustellen, nicht ganz von Untergriffen und verzerrenden Behauptungen geblieben. Erstens (S. 30) soll ich mich „in letzter Zeit v.a. der Bekämpfung ‘überflüssiger Fremdwörter’, des ‘Denglisch’“ widmen, doch gerade in dieser Hinsicht trat und trete ich kaum in Erscheinung. (1) Als „Beweis“ wird auf die Homepage der „Wiener Sprachblätter“ verwiesen, doch unter der angegebenen Internet-Adresse findet man darüber nichts, ich kann mich auch nicht erinnern, dass dies jemals dort so gestanden ist. Auch aus meinem Vortrag, den ich auf der Festsitzung zum 50. Jahrestag der Gründung des Vereines „Muttersprache“, auf der ich auch zum Obmann gewählt wurde, gehalten habe, kann man dies nicht ableiten. (2) Zweitens, an den Bestrebungen zur Verdeutschung englischer Modewörter war ich nie beteiligt, als Linguist stehe ich hier über den Dingen und bin hier sehr zurückhaltend, was mir manche Freunde auch übel nehmen. Auch mit der Broschüre „Engledeutsch“ (recte: „Engleutsch“) hatte und habe ich nichts zu tun, außer dass ich sie (relativ) freundlich rezensiert habe, wobei auch auf die Schwächen hingewiesen wurde. Gegen übertriebenen Englischgebrauch aufzutreten muss allerdings auch einem Linguisten zugestanden werden, schließlich nimmt auch MUHR ähnliche Positionen ein (S. 46). Drittens, dass der Verein „Muttersprache“ als „rechts“, „deutschnational“ und was sonst noch diffamiert wird, weiß ich nur allzu gut. (3) Doch der Mehrheit der Mitglieder geht es nur um die deutsche Sprache und nicht um die deutsche Nation (was man auch immer darunter verstehen mag). (4)

MUHR lehnt zwar fast völlig anglisierte Angebote vieler Unternehmen ab (S. 18f.), steht aber dennoch den Anglizismenlisten von PAULWITZ / MICKO („Engleutsch nein danke“) und des „Vereines Deutsche Sprache e.V. / VDS“ (POGARELL / SCHRÖDER („Wörterbuch überflüssiger Anglizismen“) mit großem Vorbehalt bis ablehnend gegenüber, äußert jedoch ein gewisses Verständnis für die Listen und fordert die Sprachwissenschaft auf, sich des Themas anzunehmen (S. 47 im Schlusswort). Das Sprachbündnis der deutschen Sprachvereine Deutschlands, Österreichs und der Schweiz („Netzwerk Deutsche Sprache“) wird kritisiert (S. 23f.), da v.a. der Verein „Muttersprache“ und auch andere Partner nach wie vor puristisch-deutschtümelnd seien, sich allzu sehr in der Nachfolge des „Allgemeinen Deutschen Sprachvereins“ befänden. Sein Rechtsnachfolger, die „Gesellschaft für Deutsche Sprache“ habe sich dagegen von diesen Traditionen befreit. Insgesamt wird hier eine recht gute Übersicht über die Geschichte der deutschen Sprachpflegevereine im Allgemeinen und in Österreich im Besonderen geboten. Dass die Nazi sich für Sprachfragen (und auch für die „deutsche Schrift“) kaum interessiert haben (5) und wenn, dann eher zur Verstärkung ihres Einflusses vor der „Machtergreifung“ bzw. vor dem „Anschluss“, kommt wenig heraus; die Sprachvereine wurden übrigens erst 1943 aufgelöst, (6) in Österreich schon 1936, was auch nach 1945 noch viele Vorbehalte gegenüber dem 1949 als Nachfolger neu gegründeten Verein „Muttersprache“ erzeugte, ja man kann sagen, bis heute. (7)

Warum der Begriff „Muttersprache“ im Buch so negativ besetzt ist, leuchtet mir nicht ein, zumal es in Nachschlagewerken, die über jeden Verdacht erhaben sind, „rechts“ zu stehen, heißt: Muttersprache, auch Erstsprache, Bezeichnung für die Sprache, die ein Kind als Erstes erwirbt. Die Begriffe Muttersprache und Erstsprache sind synonym. Es handelt sich dabei jeweils um die Sprache, die ein Kind als erste erlernt. Der Begriff Erstsprache wird gewählt, wenn man deutlich machen will, dass ein Kind durchaus auch in einem frühen Stadium mehr als eine Sprache erwerben kann. So kann ein Kind, das gleich nach der Geburt bis ca. zum dritten Lebensjahr mit zwei (oder mehreren) Sprachen parallel konfrontiert wird, beide als Erstsprache erwerben. Man spricht dann von bilingualem Erstspracherwerb, der abzugrenzen ist vom Zweitspracherwerb, bei dem Kinder erst nach dem dritten Lebensjahr mit dem Erwerb beginnen. Der Begriff Muttersprache wird bevorzugt, wenn man betonen möchte, dass der eigentliche Spracherwerb bereits im Mutterleib beginnt. So geht man heute davon aus, dass Kinder bereits drei Monate vor ihrer Geburt mit dem Erwerb ihrer Muttersprache beginnen. Im Mutterleib ist das Kind bereits im sechsten Monat in der Lage, auf Laute zu reagieren. Es registriert die Stimmlage seiner Mutter. (8) Die Linguistik bevorzugt heute den Begriff Erstsprache, eben die erste Sprache, die ein Kind erwirbt. Mit dem Gebrauch des Begriffs Erstsprache vermeidet man die (nicht nur wissenschafts-) geschichtlich bedingten Konnotationen des Begriffs „Muttersprache“. (9)

Im Jahre 2000 hat die UNESCO den 21. Februar zum „Internationalen Tag der Muttersprachen“ erklärt. (10) Hiermit sollte und soll auch weiterhin weltweit die sprachliche und kulturelle Vielfalt und die Mehrsprachigkeit unterstützt und gefördert werden. In der deutschsprachigen Presse fand der Tag wenig Aufmerksamkeit, so hieß es lapidar: „Zum Internationalen Tag der Muttersprache feiert die UNESCO alle rund 6.700 Sprachen der Welt, um die kulturelle Vielfalt und Mehrsprachigkeit zu fördern. Der Generaldirektor der UNESCO, Koichiro Matsuura, sagte, jede Sprache sei so wertvoll und unterschiedlich wie die Menschen auf der Erde“. Pressemitteilungen dazu gab es vom VDS (Verein Deutsche Sprache e.V.) und der DSW (Deutsche Sprachwelt). (11) Zum 3. Internationalen Tag der Muttersprachen 2003 gab es eine Aussendung der Kärntner Slowenen  die einzige in Österreich mir bekannte zum zweisprachigen Schulunterricht (12), der sowohl der Pflege der Muttersprache als auch der Förderung der Mehrsprachigkeit dient. Gerade Sprachminderheiten leben der Mehrheit die Vorteile der Zwei- oder Mehrsprachigkeit vor. Also auch hier kein Grund, den Begriff „Muttersprache“ zu problematisieren, wenngleich ich zugebe, dass man ihn früher (nicht nur in den „deutschen“ Sprachvereinen) zu sehr völkisch-politisch und zugleich romantisch auslegte. Zu sehr legte man „Muttersprache“ vor allem zur Verteidigung der eigenen Sprache gegenüber anderen Sprachen und Muttersprachen aus. Oft folgte daraus eine aggressive Sprachenpolitik gegen Minderheiten und andere Sprachen.

Nun zur Kritik an den Anglizismen-Listen. Für mich persönlich erfüllen sie einen wichtigen Zweck: sie erklären die Ausdrücke. Aber da sie sich ja eigentlich das Ziel setzen, den englischen Ausdruck zu ersetzen, erklären sie oft schlecht. Dieses Defizit sieht MUHR sehr ähnlich. Linguistisch gesehen ist es nämlich so: die meisten Anglizismen abgesehen von Modewörtern wie Kids oder Event oder von der Sprache der Werbung, die ja Aufmerksamkeit erwecken will (s.u.) kommen mit der Sache; der Anglizismus füllt meist eine sich auftuende Lücke im lexikalischen System; dies kann er vorübergehend tun, bis ein deutsches Wort an seine Stelle tritt (wie z.B. Festplatte, früher Harddisk), er kann neben einem deutschen Wort existieren (z.B. Rechner neben Computer), er kann ein deutsches Wort verdrängen oder überlagern (z.B. Job gegenüber Arbeitsplatz). (13) Oft genug ist er aber unersetzbar und auch unübersetzbar, wie z.B. Stewardess: laut POGARELL / SCHRÖDER „Bordpersonal“, laut PAULWITZ / MICKO „Reise-, Schiffs-, Flugbegleiterin, -betreuerin, Kellnerin, Kammerdienerin, Auf­wärterin, Zofe, Flugengel (letzte beide scherzhaft)“. Kein einziges Wort ist ein echter „Ersatz“. Daran scheitern sprachwissenschaftlich die Verzeichnisse, man sollte dies zur Kenntnis nehmen (daher auch hier meine Zurückhaltung). MUHR sieht vieles ähnlich, wenn auch unter anderen Gesichtspunkten, daher sollten sich die Sprachvereine mit seinen Ausführungen näher beschäftigen. (14) Sprach- und bildungspolitisch sind nämlich diese Verzeichnisse sehr verdienstvoll, weil sie die Ausdrucksweise der deutschen Sprache fördern und dem Benutzer deutlich vor Augen führen, dass der übermäßige Gebrauch englischer Wörter keine zwingende Notwendigkeit darstellt. Hier kommt den Sprachvereinen eine ähnliche Aufgabe zu wie den diversen Bürgerinitiativen, die bestimmte Anliegen artikulieren, die von den staatlichen Organen kaum oder oft auch gar nicht thematisiert werden, denn in der Sprache des Alltags, der Umgangssprache, der Fachsprache, der Sprache von Wirtschaft und Wissenschaft wird meist nicht ein Bedarf  an neuem Wort- und Sprachgut befriedigt, sondern man glaubt nur dann „in“ zu sein, wenn man seine Rede und Schreibe mit Anglizismen „würzt“, auch wenn sie gar kein richtiges Englisch sind (z.B. Handy, McClean (15)). Früher war die „Würze“ Französisch oder Lateinisch, heute ist sie Englisch, allerdings einem bisher nicht gekannten Ausmaß. Es beginnt bei den Freizeiteinrichtungen (z.B. „Wellness Center“) über den Sport („Joggen“, „Mountainbiking“) bis zur Universität (statt Institut heißt jetzt immer häufiger Department, zum Magister gesellt sich der neue Titel Master, einer neuer Titel kommt durch das Baccalaureat-Studium auf uns zu und der wird wohl Bachelor lauten, nicht Baccalaureus, -a). Ohne Englischkenntnisse ist heute keine Zeitung mehr lesbar, selbst bei der Eisenbahn sind sie notwendig: das Wachpersonal heißt heute Security, der D-Zug InterCity und die Nachtzüge EuroNight.

Was m.E. der Staat tun könnte, wären zwei Dinge:

(1) der offiziellen Staatssprache den entsprechenden Stellenwert zuordnen und alle öffentlichen Institutionen und deren Terminologie deutsch benennen (und englisch nur dann zusätzlich, wenn dies im internationalen Interesse liegt (16)) und

(2) im Unterricht zuerst die deutsche Sprache lehren und erst, wenn diese einwandfrei beherrscht wird, sollte der Englischunterricht einsetzen.

Dieser muss freilich im Zeitalter der Globalisierung auf hohem Niveau sein und darf im Vorfeld der europäischen Einigung die anderen Sprachen nicht benachteiligen (ein Gymnasium mit Englisch als Unterrichtssprache ist deswegen noch kein „Europagymnasium“). Sprachlenkende Maßnahmen sind kontraproduktiv, doch der Staat hat hier eine große Vorbildfunktion: wenn er seine Einrichtungen und Dienstleistungen deutsch benennt, werden es wohl auch die Bürger tun!

KETTEMANNs Beitrag gibt stichwortartig einen Überblick zu Anglizismen allgemein und konkret: Zahlen und Fakten mit Ausführungen zum Fremdwort an sich. Die von ihm vertretene Ansicht, dass zwischen Lehn- und Fremdwort keine scharfe Trennlinie zu ziehen ist, teile auch ich. (17) Die Angaben zu anderen Sprachen sind oft zu knapp und könnten falsche Vorstellungen erwecken. (18) Ein wenig irreführend ist auch die Liste der (ca. 220) deutschen Lehnwörter im Englischen, denn nur eine Handvoll davon sind Lehnwörter im engeren Sinn des Wortes (wie u.a. kindergarten), über 90% sind reine Zitatwörter und spezialisierte Fachausdrücke (wie leitmotiv und umlaut), in die deutsche Umgangssprache sind hingegen hunderte englische Wörter gelangt, zu denen ein Vielfaches an Fachausdrücken kommt. Schließlich sind „Um die viertausend Wörter, schätzt man, [...] schon aus dem Englischen und dem Amerikanischen in die deutsche Sprache eingegangen. Die Zahl steigt rapide weiter, der Prozeß, so scheint es, ist im Begriff, sich zu überstürzen(19). Trotzdem gibt KETTEMANN einen guten Einblick im Sinne seines Themas.

Das eigentliche Problem wird aber nicht angesprochen. M.E. sind es weniger die englischen Wörter, die die deutsche Sprache „bedrohen“, vielmehr ist ein Prozess in Gang gekommen, der das Deutsche immer mehr dem Englischen angleicht. Mich wundert es, dass kein Autor im vorliegenden Buch näher ausführt, wie englisches Sprachdenken im Deutschen Platz greift, wenn Firmen von ihrer Philosophie, Politiker vom Sinn Machen ihrer Vorschläge und Militärs vom Kontrollieren des Gebietes sprechen. Weiters werden zunehmend (nicht nur fremde) Namen in ihrer englischen Form bzw. Schreibung übernommen, wie Clerides statt Klerides (zypriotischer Politiker), Aeedeet statt Aidit (somalischer „Warlord“) oder Makhachkala statt Machatschkala (Hauptstadt von Dagestan, Russische Föderation), auch neue Benennungen wie Zentraleuropa statt Mitteleuropa, Baltisches Meer statt Ostsee usw. haben englische Vorbilder. Hier werden keine Lücken im Wortschatz oder in der Phraseologie geschlossen, hier wird die Sprache verändert, hier geht es ans Eingemachte, es werden bereits bestehende Ausdrucksformen der deutschen Sprache durch englische verdrängt. Dies geht über das, was man Lehnbeziehungen nennt, weit hinaus. Dies nimmt Ausmaße an, wie man es sonst nur bei Minderheitensprachen kennt, wie etwa beim Deutschen in Elsass-Lothringen oder Slowenischen in Kärnten. Mir ist keine europäische Sprache bekannt, die dem Englischen gegenüber derart offen ist wie das Deutsche. Und wo Österreich sich in vorauseilendem Gehorsam profiliert hat, indem es Englisch als Unterrichtssprache bereits in den unteren Schulstufen schon sehr früh propagiert hat. (20)

Keine Frage Englisch ist zwar als Muttersprache welt- und europaweit die Nr. 3, aber an Verbreitung als Zweit-, Verkehrs- und Wirtschaftssprache unbestrittene Nr. 1 und im Begriffe, in die letzten sprachökologischen Nischen, die (noch) dem Deutschen, Französischen oder Russischen vorbehalten sind, einzudringen. Daher sind gute Englischkenntnisse notwendig, die ein entsprechender Englischunterricht in der Schule sicherzustellen hat. Darüber kann es keine Diskussion geben, aber: soll deswegen der muttersprachliche Unterricht zu kurz kommen? Eben dies ist zu befürchten, wenn man (schon heute!) die Defizite unserer Schulabgänger und  Maturanten im Rechtschreiben, im Stil, im Ausdruck usw. tagtäglich vor Augen hat und wenn man von unseren Kindern das „coole“ Fernsehdeutsch (aus nördlich des „Weißwurstäquators“ gelegenen Gefilden stammend) hört. Zuerst  sollten unsere Kinder ein süddeutsch geprägtes, österreichisches (Hoch-) Deutsch als „Unterrichtssprache“ lernen und erst dann, wenn sie dieses beherrschen (was in 4-6 Schuljahren ja erreichbar sein muss), ist es zielführend, auf Englisch in bestimmten (aber nicht z.B. in „Geschichte“ und anderen allgemein bildenden) Fächern umzusteigen, aber sicher nicht schon in der Volksschule why not German (21) first in Austrian schools? Is it political nicht genügend correct in Austria, für unsere Muttersprache als Unterrichtssprache einzutreten? Oder ist dies heute gar schon „reaktionär“ oder  „nationalistisch“? (22)

Solche Vorschläge mögen wohlgemeint sein, langfristig sind sie bedenklich. Und gut durchdacht (d.h. „zu Ende gedacht“ mit den möglichen, wenig angenehmen Folgen) sind sie auch nicht. In allen europäischen Ländern steht im Schulunterricht der unserer Volksschule entsprechenden Anstalten die Muttersprache im Mittelpunkt, wenn man davon absieht, dass in einigen Staaten Minderheitensprachen gegenüber der Sprache der Mehrheitsbevölkerung benachteiligt sind. Ein zu früher Zeitpunkt der Einführung des Englischen erinnert mich an das alte Österreich mit seiner utraquistischen Schule: so wurde (z.B.) in den slowenischen Gebieten Kärntens zunächst den Kindern slowenischer und deutscher Unterricht erteilt bis zu dem Zeitpunkt, dass die Kinder dem deutschen Unterricht folgen konnten (22a). In den höheren Schulklassen und/oder Schulformen wurde dann nur mehr deutsch unterrichtet. Mit Recht wurde die utraquistische Schule als Germanisierungsinstrument (22b) betrachtet, zumal sie nur selten zu dem wurde, was sie meinte: nämlich zu der Schule, die „jede von beiden“ Sprachen in gleicher Weise vereinte. Und dies führte bekanntlich zu großen Problemen.

Ähnliches ist mir auch aus der ehemaligen Sowjetunion bekannt. Während man in der ersten Epoche überall die Mutter- bzw. Landessprache unterrichtete, wurde ab den 50er Jahren das Russische forciert. Es entstand dann so etwas wie ein „gesellschaftlicher freiwilliger Zwang“, seine Kinder in russischsprachige Schulen zu schicken. Der zweifelhafte „Erfolg“: um 1970 gaben (z.B.) weniger als 90% der Ukrainer ihre Sprache als Muttersprache an (bei anderen Nationalitäten bis unter 70%!). Während meiner Studienzeit in Leningrad (heute wieder: St. Petersburg) habe ich wiederholt Litauer, Esten und Moldawier kennen gelernt, die entweder selbst nur in russischsprachige Schulen gegangen sind oder ihre Kinder in solche geschickt haben. An einen Georgier erinnere ich mich aber, der seine Kinder nach Tiflis (Tbilisi) zu den Großeltern schickte, denn „wenn meine Kinder nicht unsere schöne Sprache lernen, wird es sie nicht mehr lange geben“. Nach dem Zerfall der Sowjetunion waren diejenigen wohl froh, die ausreichenden Unterricht in ihrer Muttersprache erhalten haben...

An solches muss ich unwillkürlich denken, wenn ich vom Forcieren des Englischen als Unterrichtssprache höre oder lese. Die Muttersprache, in Österreich: österreichisches Süddeutsch, ist nach wie vor ein Eckpfeiler der nationalen österreichischen Identität. Das österreichische Deutsch sind wir im Begriffe aufzugeben, daran kann auch das verdienstvolle „Österreichische Wörterbuch“ (und die Liste der 23 Austriazismen im EU-Vertrag) nichts ändern, aber warum wir das Deutsche als Unterrichtssprache mit dem Englischen teilen sollen, ist nicht einzusehen. (23) Die Globalisierung mit dem amerikanisch geprägten Englischen kommt sowieso und lässt sich auf absehbare Zeit nicht aufhalten, die Schule sollte aber daran arbeiten, dass wir auch in Zukunft wissen, wer wir sind. Wir wissen zwar nicht, wie diese Zukunft sein wird, aber nationale Identität und Muttersprache wird wohl auch in den nächsten Generationen eine gewisse Rolle spielen. „Abgewöhnen“ wird man sie nicht können, denn Europa ist die Summe aller nationalen Identitäten und gerade die Vielfalt sowohl innerhalb der einzelnen Sprachgebiete als auch über die Sprachgrenzen hinweg macht seine Besonderheit aus. So wie es keinen über der Muttersprache stehenden „Sowjetmenschen“ oder „Jugoslawen“ gegeben hat, wird es auch keinen „Einheitseuropäer“ oder „Globalmenschen“ (24) geben. Wohin die verfehlte Nationalitäten- und Sprachpolitik in den ost- und südosteuropäischen Ländern geführt hat, ist allgemein bekannt: zu einem neuen, noch aggressiveren Nationalismus (24a). Aus diesem Wissen kann nur der Schluss gezogen werden, den Englischunterricht nicht zu übertreiben, denn es sind in der EU alle (ich wiederhole: alle, auch die „kleinen“) Sprachen zu verwenden und zu pflegen, so umständlich und teuer dies auch sein mag. Neben Englisch sollten auch die Nachbarsprachen unterrichtet werden. Gerade Kärnten ist hier ein gutes Beispiel mit seinem Italienisch- und Slowenisch-Lehrangebot.

Vielen Menschen in unserer Gesellschaft drängt sich der Gedanke auf, Englisch sei fortschrittlich, Deutsch aber überholt ein Eindruck, der u.a. durch die Benützung des Internets und der Computerprogramme sowie durch die Werbung gefördert wird. Daher sollte man gegensteuern und nicht vor dem Englischen kapitulieren. Englischunterricht ja, aber (europaweit!) erst nach Abschluss der Ausbildung in der Muttersprache gemeinsam mit einer weiteren (möglichst Nachbar-) Fremdsprache. Sonst werden wir bald nur mehr „Denglisch“ sprechen... (25) ähnlich wie Tschechen und Slowenen, bevor sie ihre Schrift- und Literatursprachen ausgebildet hatten, ihre slawische Sprache mit deutschen Elementen durchsetzt gesprochen haben.

Die anderen Artikel sprechen schon auf Grund ihres Titels und Umfangs für sich. Interessant sind SCHRODTs Feststellungen (S.111): „Werbeanglizismen kommen dort vor, wo das Hervorheben eines neuen Lebensgefühls wichtig ist“. Es seien v.a. lustbetonte Werte, die mit der Amerikanisierungswelle nach Europa kamen, wobei man heute feststellen muss, dass dem Englischen in der Werbesprache die Ausdrucksfunktion „Internationalität“ und „Ansprache der Zielgruppen“ zukomme. Bemerkenswert ist auch die Aussage des Werbetexters M. SCHERR (S. 235): Deutsch sei für ältere Menschen, die historisch bedingt mit kulturellen Feindbildern aufgewachsen sind“, dagegen für Jüngere, für die weltoffene Generation“, diene die weltoffenste Sprache, und die ist Englisch“. Aus der Sicht der Werbung „koexistieren“ hier also zwei Sprachen, an die ältere Generation wendet man sich auf Deutsch, an die jüngere auf Englisch. Was wird sein, wenn die jüngere Generation zur älteren geworden ist? Drei Mal raten! (26) Hier erübrigt sich wohl ein weiterer Kommentar. Zum „Hammer“ wird diese Aussage, wenn man sie mit dem Schicksal von Minderheitensprachen vergleicht, wie z.B. mit dem Slowenischen: „Es wurde mir beigebracht, Sprachen zu verachten und Sprachen zu lieben. Einer Minderheit bei uns, die eine slawische Sprache von Kind auf gelernt hat [Slowenisch, H.D.P.], wurde von uns anderen geraten, doch in das Land zu gehen, wo die Mehrheit diese Sprache spreche“ (Peter HANDKE). (27) Kombiniert man SCHERRs und HANDKEs Worte, ist die Sprache der Minderheit auch nur für „ältere Menschen“, während die „weltoffenen“ jungen wohl gleich zur Sprache der Mehrheitsbevölkerung übergehen sollen. Spielte bei den Kärntner Slowenen die Muttersprache die Rolle, die ihr manche Autoren des vorliegenden Buches zuweisen, gäbe es überhaupt kein Kärntner Slowenisch mehr. Sprachfragen sind (u.a. auch politische) Machtfragen, die Macht hatte in Kärnten das Deutsche, der Anteil der Slowenischsprechenden ist von einem Drittel der Gesamtkärntner Bevölkerung in der Mitte des 19. Jhdts. bzw. von fast 70% im Abstimmungsgebiet vom Oktober 1920 auf heute weniger als 3% gesamt bzw. unter 20% im gemischtsprachigen Gebiet gesunken. Daran konnten gesetzliche Vorgaben (zweisprachiger Schulunterricht u.dgl.) nichts ändern; ausgesprochen minderheitenfreundlich waren diese ja nie, auch nicht nach 1945.

Heute hat die dem Deutschen in Kärnten entsprechende Macht im deutschen Sprachraum das Englische: es ist die Sprache der offenen Welt, der globalen Kultur, der Freizeit und auch der Wirtschaft, somit die „Sprache des Geldes“. Während beispielsweise Franzosen und Polen wenigstens den Versuch unternehmen, sich gegen die Omnipräsenz des Englischen zu wehren, nehmen dies die deutschsprachigen Behörden und Intellektuellen einfach hin, zumindest in ihrer überwiegenden Mehrheit. Darf man sich dann wundern, dass Vereine wie der VDS oder Organe wie die „Deutsche Sprachwelt“ so erfolgreich sind? Die slowenischen Sprachvereine waren es vor 100 Jahren ja auch, denn sonst wäre die Sprache auch im slowenischen Kernland längst dem Deutschen gewichen und hätte keine Chance gehabt, je Staatssprache eines unabhängigen Staates zu werden. (28)

Schlussbemerkung: im ganzen gesehen ist das Buch ein wichtiger und anregender Beitrag zum Thema. Schließlich werden bestimmte soziale und sprachpolitische Probleme, die die Aufnahme von Anglizismen ins Deutsche mit sich bringen, angesprochen, die Tätigkeit der Sprachvereine sei aber dennoch problematisch, denn sie vertreten nach wie vor sprachreinigende, teilweise deutschtümelnde Ansichten (S. 46). Allgemein verbindliche Vorschläge kann das Buch aber nicht machen; dazu ist die Linguistik auch nicht in der Lage, denn diese beobachtet die sprachliche Entwicklung, kann sie aber nicht steuern. (29) Ich persönlich halte die Tätigkeit der Sprachvereine jedenfalls für ein nötiges Korrektiv gegen das schleichende, unkritische, pseudofortschrittliche Aufgeben des Deutschen in vielen Bereichen zu Gunsten des Englischen. Deutsch ist auch als Wissenschaftssprache weiter zu pflegen und zu entwickeln, denn innerhalb des deutschen Sprachraumes sollte die Devise gelten „so viel Englisch wie nötig, so viel Deutsch wie möglich“. (30)  Gerade in der Sprache der Wissenschaft, v.a. der Technik, Wirtschaft und neuerdings auch Medizin, scheint hier das Deutsche dem Englischen Platz zu machen. In der Sprache des Alltags, der Geisteswissenschaften und der Literatur hat sich nicht allzu viel geändert, es hat bloß ein Wechsel bezüglich des verwendeten Sprachgutes stattgefunden: waren es früher französische und lateinische Wörter, sind es heute englische und anglisierte. Wie die Entwicklung weitergeht, lässt sich heute nicht abschätzen, nur eines ist sicher: die Zukunft der deutschen Sprache hängt von deren Benützern ab.

Anmerkungen:

            (1) Daher entbehrt eine solche Aussage jeder Grundlage. Der Schriftleiter der „Wiener Sprachblätter“, Gottfried FISCHER, beschreibt dies so (somit authentisches Selbstzeugnis des Vereines „Muttersprache“): „Im Gegensatz zu Eiferern und Puristen setzt er [also ich, H.D. Pohl] sich für einen gemäßigten Standpunkt ein und bekämpft ausschließlich das Übermaß“ (vgl. G. FISCHER in: Namen, Sprachen und Kulturen, Festschrift für H.D. Pohl, hg. P. ANREITER - P. ERNST - I. HAUSNER, Wien 2002, 221, weitere die Ansicht MUHRs nicht bestätigende Passagen S. 231). Hier hat MUHR eindeutig übers Ziel geschossen und dies (nachweislich) unter Kenntnis meiner zahlreichen Arbeiten zum Einfluss des Slawischen und Slowenischen auf die österreichische Sprach- und Namenlandschaft, der klaren Absage an nationale Mythen und meines Engagements für die Bewahrung der österreichischen Besonderheiten des Deutschen einerseits und des autochthonen slawischen Namengutes andererseits. S.a. Anm. 7.        

            (2) Nachzulesen in „Wiener Sprachblätter“ 50/2 (2000) 70ff. Auch auf meiner privaten Homepage steht das, was ich dazu zu sagen habe; ich glaube nicht, dass dies linguistisch unkorrekt ist:

http://members.chello.at/heinz.pohl/Deutsch_Englisch.htm. Weiters, zum „Fremdwort“ unter

http://members.chello.at/heinz.pohl/Gedanken_zum_Fremden.htm ich glaube, auch hier nichts linguistisch Unkorrektes verkündet zu haben.

           (3) Auf S. 30 heißt es: „Der Verein stand und steht nach wie vor ganz in der Tradition der deutschtümelnd-sprachreinigenden Tradition des ADSV. Es geht also ... vielmehr um die ‘Reinhaltung’ der deutschen Sprache...“. Dann wird dem Verein zugeschrieben, dass die Publikation „Engle[de]utsch“ von seinen führenden Mitgliedern erstellt wurde, doch dies kann man so nicht sagen, denn diese handelten als Privatpersonen (es war m.W. nur ein führendes Mitglied, der bis 2000 wirkende Obmann St. Micko), wie dies auch aus dem Impressum („Arbeitskreis für Kultur und Geschichte“, Wien) hervorgeht; hier wird der Verein „Muttersprache“ gar nicht erwähnt, auch in der 2. Auflage nicht. Ein bemerkenswertes Detail am Rande: dass der Autor konsequent „Engleutsch“ zu „Engledeutsch“ verändert (außer im Literaturverzeichnis), ist wohl mehr als nur ein Irrtum.

           (4) Mich fragte man schon oft, warum ich zum Obmann wurde: die Antwort ist einfach, es soll ein Experte sein und kein selbst ernannter „Sprachschützer“ und „Fremdwortjäger“. Ich bin übrigens auch Obmann des „Fördervereines für Bairische Sprache und Dialekte in Österreich“ mir ist nämlich auch der Erhalt des Bairisch-Süddeutschen und damit der österreichischen Varietät des Deutschen äußerst wichtig sowie der Erhalt der alten bodenständigen Minderheiten (Slowenisch in Kärnten, Ladinisch in Südtirol  usw.). Da davon auszugehen ist, dass MUHR dies weiß, erscheinen seine Aussagen, wie sie oben (Anm. 1) zitiert wurden, als sehr problematisch, v.a. ihre politisch-ideologischen Implikationen. Nur die Höflichkeit verbietet hier weitere Schlussfolgerungen!

           (5) Ich bin zwar kein Historiker, aber ich habe im Laufe der Zeit immer mehr den Eindruck gewonnen, dass es den Nazi weniger um das Deutschtum an sich ging, sondern um den (germanischen) „nordischen Herrenmenschen“.  Das Deutschtum war bloß das Vehikel, um in die Herzen aller Deutschen einzudringen und um sie in ihr rassistisches Weltbild einzugliedern also „gleichzuschalten“. Wenn es konvenierte, wurde das Deutschtum eiskalt, ohne „nationales Gewissen“ verraten (Südtirol, Gottschee, Wolgadeutsche); Deutschtümelei war der Machtausübung bei- bzw. untergeordnet, beste Deutsche, weil sie Marxisten, Juden, Kirchenleute waren, wurden eingekerkert, gedemütigt, vertrieben, ermordet usw.  Im Laufe der Zeit wurden auch die schon lange vor der Gründung der NSDAP bestehenden Organisationen der sog. „Deutschnationalen“ immer mehr zurückgedrängt, z.B. wurden die „schlagenden“ Studentenverbindungen aufgelöst, und dann eben auch die Sprachvereine. Auf alles hatte man eine Antwort, so z.B. auf die Fraktur: um deren Verbot rechtfertigen zu können, wurde sie zu „Schwabacher Judenlettern“ erklärt so einfach ging das! Die prominenten NS-Politiker standen ab 1933 den deutschtümelnden Zielen des ADSV reserviert gegenüber, da diese u.a. nicht zu einer effizienten Propaganda passten. Die Entwicklung der NS-Sprache vermochte der Sprachverein nicht zu beeinflussen, trotz aller Anbiederungsversuche (vgl. Lexikon Sprache sub Allgemeiner Deutscher Sprachverein in: Digitale Bibliothek Band 34: Metzler Lexikon Sprache © J.B. Metzler Verlag). Daher zur Rolle der Sprachvereine in der Nazizeit: sie sind genau so missbraucht worden wie vergleichbare andere Einrichtungen und einige führende Einzelpersonen haben wie auch anderswo mitgemacht. Daher sollte es auch hier eine differenziertere Sicht geben, denn gerade von Wissenschaftlern kann hier mehr Objektivität eingefordert werden. Die Wissenschaft soll beobachten, aber nicht urteilen, wie dies der Wiener Soziologe Roland Girtler treffend gesagt hat: in seinen „10 Geboten der Feldforschung“ (Sozialwissenschaften und Berufspraxis 19 [1996] 378f.) stellt er fest, dass es einem nicht zustehe, erzieherisch auf die vermeintlich Irrenden einzuwirken, schließlich man sei kein Richter, sondern lediglich Zeuge bzw. Beobachter (hier sinngemäß wiederge­geben). Leider läuft auch der Dialog zwischen Anglophilen und Deutschbewussten nicht immer so wie es sein sollte oder könnte

            (6) Das Organ des ADSV, die Zs. Muttersprache, musste 1943 aus „kriegswirtschaftlichen Gründen“ ihr Erscheinen einstellen. Drei Jahre zuvor hatte Hitler ein Verbot gegen die Fremdwortjägerei ausgesprochen (vgl. Lexikon Sprache sub Allgemeiner Deutscher Sprachverein in: Digitale Bibliothek Band 34: Metzler Lexikon Sprache © J.B. Metzler Verlag).

          (7) dies scheint auch der Grund zu sein, dass der Verein „Muttersprache“ die Aufmerksamkeit des sog. „Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes / DÖW“ auf sich zog. Darauf weist MUHR auf S. 29 ziemlich ausführlich hin, er zitiert aber die Auflage 1981 des Handbuches des österreichischen Rechtsextremismus. Aktuell ist jedoch die Ausgabe von 1993. In dieser wird der Verein 3x marginal zitiert, dass er „Kontakte“ (was für welche dies sind, erfährt man nicht) zur „Österreichischen Landsmannschaft / ÖLM“ (S. 179), zur „National-Konservativen Union / NAKU“ (S. 167) und zur „Arbeitsgemeinschaft für Demokratische Politik / AFP“ (S. 115) hat bzw. haben soll. Weiters werden die „Wiener Sprachblätter“ (Organ des Vereines Muttersprache) laut Register zwar 2x (S. 240 ist eine Fehlanzeige), realiter nur 1x (S. 259) genannt, weil ihnen die ‘Aula’ (eine vom DÖW als rechtsextrem eingestufte Zeitschrift) „vertraue“. Aus eigenem Wissen kann ich nur die Nähe zur ÖLM bestätigen, alle anderen sind mir neu und daher völlig bedeutungslos. – Weiters stellt MUHR auf S. 29 fest, dass sich die Beurteilung des DÖW v.a. auf dessen Gründer Prof. Mehl bezog. In der Auflage 1993 des „Handbuches“ wird ihm auf S. 310 keine besondere Nähe zur NSDAP zugeschrieben (er war vor 1938 kein „Illegaler“!) und er wird hauptsächlich darob kritisiert (S. 281f.), dass er den „Turnvater Jahn“ sehr wörtlich und v.a. unreflektiert zitiert. In diesen Passagen geht es aber um den „Österreichischen Turnerbund“ und nicht um den „Verein Muttersprache“. Prof. Mehl wurde übrigens 1948 als Emeritus in den Ruhestand versetzt (so das Handbuch des DÖW, S. 310), war aber bis 1965 an der Universität Wien als Lehrbeauftragter für Leibesübungen tätig (vgl. „Wiener Sprachblätter“ 1980, S. 124ff.). – In der Auflage 1993 wird der Verein (neben sehr vielen anderen) also nur marginal genannt; dass er „rechtsextrem“ sei oder so beurteilt wird, kann man aus der aktuellen Ausgabe des Handbuches jedenfalls nicht herauslesen. Dass eine deutsche Grundhaltung in Österreich allein schon ausreicht, Personen und Vereine als „rechtsextrem“ einzustufen, vertritt nicht einmal das DÖW: „Die Nennung von AutorInnen in rechtsextremen Publikationen bedeutet nicht, dass alle Genannten als RechtsextremistInnen qualifiziert werden. Gleiches gilt für die in dieser Rubrik angeführten Gruppen: Nicht jede Organisation oder Partei mit Kontakten zum organisierten Rechtsextremismus ist selbst als rechtsextrem einzustufen“ (so in Originalschreibung nach der Homepage des DÖW http://www.doew.at). Hier ging MUHR mit seinem Urteil doch ein wenig zu weit, was ich nicht weiter kommentieren will.   

              (8) nach: ® Microsoft Encarta Enzyklopädie 2001. © 1993-2000 Microsoft Corporation.

            (9) vgl. Lexikon Sprache sub Erstsprache, in: Digitale Bibliothek Band 34: Metzler Lexikon Sprache © J.B. Metzler Verlag. Im Zeitalter des sprachlich orientierten Nationalismus wurde Mehrsprachigkeit als nicht erstrebenswert betrachtet.

            (10) vgl. http://www.scriptoria.de/rs/artikel/tag-der-muttersprachen.php (unter dem Titel Kaum eingeführt und schon vergessen?“).

             (11) vgl. ebda.

             (12) vgl. http://www.copi.at/deutsch.php.

            (13) dass Job eine „kurzzeitige Beschäftigung“ sei  (S. 39), stimmt zumindest heute nicht mehr.

            (14) Einige weitere Bemerkungen zu MUHRs Artikel: manche Angaben sind unrichtig, so sind einige „Etymologien“ (S. 48) unrichtig, weder Bassena noch Faschiertes (beide aus dem Französischen) noch petschiert (aus dem Alttschechischen) sind italienisch, auch strawanzen nicht, rabiat kommt nicht aus dem Französischen, sondern Lateinischen, die Golatsche kann auch, aber nicht nur eine „Quarktasche“ sein und Powidl ist keine „Mehlspeise“, sondern eine Art Zwetschkenmarmelade bzw. Pflaumenkonfitüre. Küchenausdrücke sind sprachwissenschaftlich ein interessantes, aber auch äußerst schwieriges (viele Detailkenntnisse voraussetzendes) Gebiet, s.u.a. http://members.chello.at/heinz.pohl/Kuechensprache.htm. Weiters werden manche Namen ständig falsch geschrieben, MIKO (statt MICKO), LUIK statt LUICK), Engledeutsch statt Engleutsch. Störend ist auch (im ganzen Buch) die häufige Verwechslung des Binde- mit dem Gedankenstrich. Entbehrlich ist auch die Groß-I-Schreibung (Typus LeserInnen), die nach wie vor nicht zum Regelsystem der deutschen Rechtschreibung gehört und zur besseren Lesbarkeit der Texte nicht beiträgt.

            (15) Name der Wasch- und Toilettenanlagen der Deutschen Bahn (auch in der Schweiz).

            (16) z.B. als Zweitname für auf internationale Kontakte angewiesene wissenschaftliche Institutionen. 

            (17) u.a. in „Wiener Sprachblätter“ 50/2 (2000) 70 ich gehe hier sogar einen Schritt weiter: der Unterschied zwischen beiden ist eher volkstümlich-populärwissenschaftlich und hält einer linguistischen Überprüfung nicht Stand. So schon in einem Handbuchartikel in: Einführung in die synchrone Sprachwissenschaft (hg. v. P. ERNST, Wien 1999²) 19-18f., zuletzt in der zweiten großen österreichischen Sprachzeitschrift „Tribüne“ 3/2002, 15.

            (18) so ist beispielsweise Norwegisch-Nynorsk, auch Landsmål genannt, eben nicht die Hauptsprache des Landes, sondern das dem Dänischen näherstehende Bokmål.

           (19) So beginnt die „Einführung“ von Christian MEIER zum Buch „Sprache in Not? Zur Lage des heutigen Deutsch“, Göttingen, Wallstein Verlag 1999 (ISBN 3-89244-341-6). Ein sehr lesenswertes Buch, und auch beunruhigendes, die Zusammenfassung einer Tagung der Darmstädter Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Denn es macht sich in den deutsch sprechenden Ländern die Tendenz breit, in wissenschaftlichen Publikationen und auch bei Tagungen und Konferenzen immer mehr das Englische zu verwenden. Dies ist ein schleichendes Aufgeben der Rolle der deutschen Sprache, die sie bis vor kurzen innehatte, aber trotzdem immer noch in der internationalen Wissenschaft spielt. Es läuft auf eine sprachliche „Sich-Entäußerung“ hinaus, was derzeit geschieht, zumal wenn selbst ab der 5. Schulstufe in Österreich in den sogenannten „Europa-Gymnasien“ Englisch zur Unterrichtssprache wird.  Nichts gegen einen guten Englisch-Unterricht, nichts gegen einen teilweisen Gebrauch des Englischen in den höheren Schulklassen und an den Universitäten, aber erst dann, wenn die deutsche Standardsprache einwandfrei beherrscht wird. Und dieses Ziel erreichen viele Maturanten heute nicht mehr. Dieser Sammelband sowie die Darmstädter Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung scheint bei MUHR nicht auf (nur im Artikel von FILL). Vgl. auch die Stellungnahme der Akademie „Zum englischen Einfluß auf das Deutsche“ (vom 17.1.2002, gez. Ch. MEIER u. K. EICHERT) sub http://www.scriptoria.de/rs/artikel/engl-einfluss.php.

            (20) M.W. seit Ende der 90er Jahre. Wurde von der Unterrichtsministerin im Juni 1998 mit Presseeinschaltungen unter dem Titel „Lehrer an Gehrer“ (mit den beiden Überschriften „Englisch in der Volksschule is a damn’ good idea, Mrs. Gehrer“ und „Eine Rechenstunde auf Englisch? Why not, Frau Minister“)  beworben. Die Einführung des Englischen bereits in der 1. Klasse Volksschule ist diesen Inseraten zufolge als Vorbereitung auf seine Verwendung in höheren Schulstufen nicht nur in Mathematik, sondern auch in Geographie und Geschichte zu sehen. Die Inserate waren nur kurz zu sehen, ich erinnere mich an einige empörte Leserbriefe.

            (21) was für Slowenisch, Kroatisch usw. in Schulen für Minderheiten selbstverständlich auch zu gelten hat!

            (22) Den Beispielen von Anm. 20 nachempfunden.

         (22a) Von der Öffentlichkeit unbemerkt erfährt die utraquistische Schule in Österreich derzeit ihre Wiederbelebung in jenen Schulen, in denen als Unterrichtssprache Englisch verwendet wird. Hier gilt das gleiche Prinzip: Elementarunterricht zunächst in deutscher Sprache und schrittweises Erlernen der englischen Sprache, bis diese so gut beherrscht wird, dass der Unterricht überwiegend auf englisch erfolgen kann.

            (22b) auch die Verwendung des Englischen als Unterrichtssprache (s. Anm. 22a) kann man als Amerikanisierung bzw. Anglisierung betrachten, zumal auch für allgemein bildende Fächer britische Lehrbücher verwendet werden! In der altösterreichischen utraquistischen Schule wurde ja auch das deutsche Geschichtsbild vermittelt und die Welt durch die deutsche Brille erklärt – keine böse Absicht, sondern in den verwendeten Lehrmitteln begründet.

           (23) Dazu  vgl.: Ulrich Ammon (Ist Deutsch noch internationale Wissenschaftssprache? Englisch auch für die Lehre an deutschsprachigen Hochschulen. Berlin/New York.1998); er befasst sich mit der Frage, wie das Verhältnis zwischen Deutsch und Englisch sein könnte. Es ist dies eine wichtige Frage gerade für Studierende. Er vertritt die Auffassung, dass Englisch als Zusatzsprache für die Lehre an den Hochschulen und Universitäten der deutschsprachigen Länder mehr Vorteile als Nachteile bringen wird aber wie gesagt: „an den Hochschulen und Universitäten“. Darauf muss eben die AHS / BHS vorbereiten, aber nicht schon die Volksschule: die hat die muttersprachliche Kompetenz als Vorbereitung auf den Englischunterricht sicherstellen. Vgl. dazu auch O. Kronsteiner (weiter unten).

           (24) Die Muttersprache sei noch immer noch die „beste Sprache“, deren Bedeutung im Zeitalter der Globalisierung scheinbar zurückgedrängt wird, die jedoch eine wichtige Stellung bewahren wird. Sie sei die Voraussetzung, um die sprachliche und kulturelle Vielfalt und die Mehrsprachigkeit zu fördern (dazu vgl. Kurt EGGER auf der Generalversammlung der UNESCO 1999 „Muttersprachen im Zeitalter der Globalisierung“, http://www.kulturelemente.org/zeitschrift/26_01/26_01.html).

           (24a) dazu vgl. auch Otto KRONSTEINER, English only – eine Gefahr für Europa. Ursache für Fremdenfeindlichkeit, Fremdenhass und Nationalradikalismus. In: Die slawischen Sprachen (Salzburg) 41 (1994) 27-50, wo er auf die Gefahren auf Grund von Parallelen aus der jüngsten Geschichte hinweist. Vgl. auszugsweise weiter unten.

            (25) Ferner möchte ich darauf hinweisen, dass den Vorschlägen zum Englischunterricht, z.B. schon in der Volksschule, auch ein Schuss Populismus innewohnt. Der durchschnnittliche Österreicher wird sich denken, dass seinem Kind, wenn es in der Volks- und Hauptschule ein wenig Englisch gelernt hat, nach dem Schulabschluss „die Welt gehört“. Doch wie ist derzeit die Realität? Die Schulkenntnisse sind miserabel, die meisten Schüler können nicht richtig schreiben, der neue Analphabetismus nimmt zu, woran auch ein paar Brocken Englisch mehr nichts ändern werden; gewisse Chancen sehe ich zwar in den AHS und BHS, doch auch bei den Maturanten steht es mit dem Deutschen nicht zum besten (an Diplomarbeiten und Dissertationen kann man dies erkennen!). Der Unterricht auf Englisch kann bei der überwiegenden Mehrzahl der Schüler/innen nur zu Lasten des Deutschen gehen, zumal an die Schule immer mehr Aufgaben herangetragen werden, die eigentlich im Elternhaus zu regeln wären. Dazu kommen dann noch die „Integrationsklassen“ aller Art, über die sich im privaten Gespräch die Lehrer/innen nicht gerade begeistert äußern. Die Zahl der „verhaltensauffälligen“ Schüler nimmt ständig zu, was man vor 10 - 20 Jahren in billigen Krimis aus den USA sah, ist bei uns heute längst Realität. Ferner bedenke man das sinkende Prestige der Lehrer in der Gesellschaft, wobei ihnen nur wenig Unterstützung seitens der vorgesetzten Dienststellen zuteil wird, denn Landesschulinspektoren kennen die Realitäten oft nicht (mehr) aus eigener Erfahrung; sie sollten einen Tag in der Woche verpflichtend unterrichten, um nicht den Kontakt zur Basis zu verlieren. Solange hier nichts geschieht, müssen solche Vorhaben wie „Englisch als Unterrichtssprache“ scheitern. Ein verbesserter Englischunterricht allein wird unser Schulwesen kaum verbessern.

            (26) Ich selbst gehöre mit meinen bald 61 Jahren auch schon zur älteren Generation und werde in der Werbung fast nur auf Englisch angesprochen, vom Mobiltelefon über Elektronik und „clevere“ Nahrungsmittel. Mag sein, dass ich jung geblieben bin, und „Feindbilder“ sind mir nie mitgegeben worden.

            (27) zitiert nach Gero FISCHER, Das Slowenische in Kärnten, Wien-Klagenfurt 1980, 7.

            (28) dessen schwere Geburt ich als Zeitzeuge Ende Juni 1991 auf dem Miklosich-Symposium miterlebt habe (s.

         http://members.chello.at/heinz.pohl/SLO_Unabhaengigkeit_1991.htm  

            (29) Ich frage mich auch, ob sie dazu überhaupt befugt ist. Sie sollte auch keine Wertung vornehmen, vgl. H.M. GAUGER (in: Sprache in Not? [Anm. 14] 100); sein Beitrag hat den bezeichnenden Titel „Die Hilflosigkeit der Sprachwissenschaft“.

          (30) analog wie dies W. POLLAK bezüglich der Varietäten des Deutschen in seinem Buch „Was halten die Österreicher von ihrem Deutsch?“ (Wien 1992) formuliert hat: „So viel Einheit wie nötig, so viel Vielfalt wie möglich“.

 

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English only

(© Otto KRONSTEINER)

 

... Die Umstellung von Deutsch auf Englisch als Unterrichtssprache ist kein geeignetes Rezept gegen EthnoFundamentalismus. Schulen, die dies bereits tun, werden absurderweise als EuropaSchulen bezeichnet, als hätten Amerikaner und Engländer Europa erfunden und schon immer die europäische Idee propagiert, wie etwa gegenüber Indern, Indianern und Afrikanern? 

... Neben dem vernachlässigten MutterspracheUnterricht und dem ideologisch gesäuberten GeschichtsUnterricht, in dem wesentliche Abschnitte der jüngeren Geschichte unbesprochen bleiben, statt dessen aber das harmlose alte Griechenland detailliert behandelt wird, gibt es ein weiteres Element, das FremdenFeindlichkeit und NationalRadikalismus begünstigt: die allgemeine SprachErziehung. Die Sprache ist der direkte Weg zum anderen: Ich bin deutscher oder slowenischer Österreicher auf Grund meiner Sprache. Schuld an den Mängeln der SprachErziehung sind die zuständigen Minister, nicht nur in Österreich, überall. Man betreibt seit Jahren in vielen Ländern Europas durch SprachErziehung oder sollte man es SprachZersetzung nennen? eine Entfremdung von der lebensnotwendigen Identität. Mein Vorschlag an den zuständigen Minister, ein Fach Sprachenkunde in den Schulen einzuführen, um die österreichischen Schüler über die anderen Landessprachen (Slowenisch, Kroatisch, Ungarisch, Tschechisch, Romani) und die Nachbarsprachen aufzuklären und für sprachliche Belange sensibler zu machen, blieb unbeachtet. Bezeichnenderweise wurde diese Idee auch von den Instituten für Sprachwissenschaft nicht aufgegriffen, obwohl es ihre universitäre Existenzberechtigung verbessert hätte. 

Die Muttersprache ist die Sprache, in der man sich die Welt intellektuell erschließt, in der man mit seiner engsten Umgebung (Mutter, Vater, Geschwister) redet, die man sein Leben lang am häufigsten verwendet. Das ist beim deutschen Österreicher wie bei den meisten deutschen Deutschen der Dialekt. Zur eigentlichen Muttersprache dazu erlernt man eine mehr oder weniger nahe stehende Schrift- oder Literatursprache, nämlich Deutsch, und andere Sprachen. Für den slowenischen Österreicher ist das sein slowenischer Dialekt, dann die deutsche und slowenische Schriftsprache. Von Seiten des Staates mit seinem SchulMonopol wird  als  erster  Akt der  IdentitätsZersetzung  versucht, diese NestSprache [Muttersprache, Vatersprache, Familiensprache] unter der Devise ‚Dialekt = schlechtes Deutsch verächtlich zu machen, und die Hochsprache als einzig kultivierte Form von Sprache anzupreisen. Je mehr einer seiner eigentlichen Muttersprache verhaftet bleibt, desto schlechter wird er sprachlich beurteilt. Gute Lehrer gestalten den Unterricht zweisprachig, indem sie Dialekt (Muttersprache) und Schriftsprache miteinander vergleichen, wofür leider staatliche Stellen keinerlei Verständnis zeigen. Dennoch wäre ein solch zweisprachiger Unterricht Grundlage der SprachErziehung und gleichzeitig ideale Einführung in das Wissen um Mehrsprachigkeit.

Sollte durch Einführung des Englischen als Unterrichtssprache schon ab der Ersten Klasse Grundschule beabsichtigt sein, den DeutschNationalismus zu bekämpfen oder zu beseitigen [offizielle Lesart: die Österreicher europareif machen], so wird dadurch das Gegenteil erreicht. Durch beständige Vernachlässigung, Missachtung, und Unterdrückung der Muttersprache öffnet man diffusem Fremdenhass, NationalRadikalismus und EthnoFundamentalismus psychologisch Tür und Tor. Hier wird Nationalismus zur natürlichen Selbstverteidigung eines Grundrechts. Wenn dann jemand, ein Gedicht des deutschen Goethe zitierend als Nazi beschimpft wird, ist das Maß sprachlicher Selbstverstümmelung voll ...

Wenn nun dem Kind auch die zur Muttersprache gehörige SchriftSprache vorenthalten wird, entzieht man ihm und seinen Eltern ein Grundrecht und entfremdet es seiner geistigen Umwelt. Außerdem wird ihm die Möglichkeit, sich später einmal andere Sprachen zu erschließen, wesentlich beeinträchtigt. Wie jeder Sprachlehrer weiß, ist das Erlernen anderer Sprachen nur auf einer soliden Grundlage möglich. Wer von diesen EnglischErzogenen soll dann noch deutsche Literatur lesen? Oder soll man europäische Literaturen nur noch in englischer Übersetzung lesen? Übrigens: Welcher Deutsche kennt denn eigentlich einen polnischen, tschechischen, ungarischen, slowenischen  oder kroatischen Dichter, die Dichter der östlichen Nachbarn? Kann Englisch dem abhelfen?  Auch die in  der UniversitätsGermanistik wurzelnden praktischen und ideologischen Unzulänglichkeiten des MutterspracheUnterrichts sind kein Grund, Englisch als Unterrichtssprache einzuführen...

Als Therapie gegen FremdenFeindlichkeit empfiehlt sich die Einführung von Sprachenkunde sowie die Möglichkeit, Sprachen des eigenen Landes und Nachbarsprachen zu erlernen. Denn Fremdenfreundlichkeit ist Akzeptanz, und die setzt Kenntnis und Vertrautsein voraus. Wer die Sprache der Anderen versteht oder spricht, muss diese Anderen in ihrer Andersartigkeit  akzeptiert haben. Das wäre Erziehung zu echter FremdenFreundlichkeit,  so  dass  der Fremde kein  Fremder mehr ist. Hier machen sich die Folgen einer verfehlten SprachErziehung bemerkbar. Hier zeigen sich die Folgen eines GeschichtsUnterrichts, in dem die vorbildhafte SprachPolitik Österreich-Ungarns nicht vorkommt. Wen wundert es da noch, dass kein ÖsterreichHistoriker einer slawischen Sprache mächtig ist? Dass der Bundeskanzler in Unkenntnis des ehemaligen und noch heutigen Prestiges des Deutschen in Pressburg, Prag, Budapest oder Laibach englisch spricht? Wer mit dem MimaraExpress von Agram/Zagreb über Laibach/Ljubljana nach Salzburg und Berlin fährt, wird Zeuge dieser eigenartigen Politik. Bis zur österreichischen Grenze ist die Ansage kroatisch, slowenisch und deutsch. Ab der österreichischen Grenze wird sie trotz gleichbleibender Fahrgäste deutsch und englisch, womit offenbar EuropaReife signalisiert wird. Ab München ist sie dann nur noch deutsch.

Ein weiteres Beispiel nachbarlicher Sprachpolitik: die Kellnerinnen und Verkäuferinnen (ohne höhere Schulbildung, d.h. Nicht-Sprachpolitik-Geschädigte) im südlichen Kärnten sprechen alle, weil sie es täglich brauchen, deutsch und slowenisch. Personen mit höherer Schulbildung (Richter, Rechtsanwälte, Ärzte) sprechen nur deutsch und englisch. Warum werden in unseren Schulen keine NachbarSprachen unterrichtet? Das gilt in gleicher Weise für alle europäischen Länder in ihren Grenzgebieten. Durch Englisch wird eine totale interethnische Entfremdung der Völker Mitteleuropas und Europas evoziert. Das hat FremdenFeindlichkeit zur Folge.

... Schon der Terminus Fremdsprache lässt die Richtung erkennen: Man ist sich fremd und bleibt fremd. Warum gibt es in unserer politischen Terminologie keine Landessprachen, keine Regionalsprachen, keine Nachbarsprachen? Slowenisch, Kroatisch, Tschechisch, Ungarisch, Romani  sind, auch wenn ihr Territorium in keinem Atlas bezeichnet ist, Landessprachen in Österreich. Würde man mit ihnen mehr vertraut sein, wären ihre Sprecher keine Fremde in der Heimat. Mit Hilfe von Englisch werden sie es bleiben. Darüber, dass Deutsch neben Englisch und Französisch noch immer nicht Amtssprache der EU ist, mag man philosophieren. Die Tatsache aber liefert dem NationalRadikalismus ein handfestes Argument. Wenn Präsident Mitterrand vor dem Strassburger EU-Parlament sagt le nationalisme, c’est la guerre, und damit jede Verletzung der Vorherrschaft des Französischen meint, so befindet er sich in der Gesellschaft serbischer, russischer und griechischer Präsidenten, die durch ihr nationalistisches Verhalten den Nationalismus kleinerer Völker evozieren. Sicher,  so  sehr die Offenheit allen Kulturen gegenüber etwas Wünschenswertes ist,  so  wenig  sollte  man  die  eigene vergessen. Wer nur noch den Anderen sieht, gibt sich selbst auf. Selbstbewusstsein ist, solange es nicht in aggressiven Nationalismus ausartet, eine conditio humana. Oft verbirgt sich hinter einer multikulturellen Fassade völlige Ignoranz der eigenen Art, der Eigenart der eigenen Kultur: ebenfalls ein Produkt der sprachzersetzerischen Erziehung. Es kann von Bürgern eines Landes und der staatlichen Führung nicht erwartet werden, dass sie sich der Sprache und Kultur von Immigranten anpassen und das Eigene aufgeben. Hier hat der Einwandernde sich den Gebräuchen des Landes, in dem er Aufnahme finden will, unterzuordnen. Die Buseks, Klestils, Vranitzkys, die Capellaris, Fioresis oder Marizzis zeigen, dass es möglich ist...

Nicht der englische Nationalismus ist schuld am Überhandnehmen des Englischen in Europa. Schon eher amerikanischer Lebensstil und amerikanisches Sendungsbewusstsein. Offenbar verträgt eine Demokratie nur Englisch? Präsident Bush hat Ungarn, damit es eine Demokratie wird, ein FriedensKorps von 200 amerikanischen EnglischLehrern angeboten. Die Reduzierung des Sprachunterrichts auf nur eine Sprache, nämlich Englisch, wird vor allem von KulturPolitikern forciert. Nach der English only-Ideologie führe das zu dem Ziel, das Erlernen weiterer Sprachen unnötig zu machen, also ein Gewinn...

Sinn einer Weltsprache ist, in aller Welt verstanden zu werden. Das impliziert nicht, dass diese Weltsprache alle anderen verdrängen muss. Gegen eine Sprache, die man als Hilfssprache in aller Welt verwenden kann,  ist  nichts einzuwenden.  Der Kreis von  Menschen, der in aller Welt zuhause ist, der worldwide reist, ist klein. Daher sollte man der Mehrheit nicht die Bedürfnisse und den Lebensstil einer kleinen Minderheit aufzwingen. Coca Cola ist durch worldwide-Propaganda zum bekanntesten Getränk geworden. Ist das ein überzeugender Grund, nur Cola zu trinken und alle anderen Köstlichkeiten zu vergessen? Als alleinige Bildungs- und Unterrichtssprache ist Englisch abzulehnen. Praktische Gesichtspunkte liegen auf der gleichen Ebene wie das Erzeugen von Blue jeans für alle. Letzte Konsequenz: die Unifizierung der Welt in allen Bereichen, eine gelangweilte Jugend, die alles zerschlägt oder zu Drogen flüchtet, um die verlorene Fantasie wieder zu finden.

Dass mit English only das sympathische kleine England ganz in den Hintergrund gerät,  ist schade.  Was hat Amerika an Kultur zu bieten?  Die Mickey Mouse,  den Kaugummi,  die Hamburger,  Baseball und eine überlegene Technik? Man sollte sich freilich angesichts solcher „Kulturgüter“ nicht den Weg zur Wertschätzung und der Übernahme sinnvoller und schöner Errungenschaften versperren.

Der Unterrichtsaufwand für Englisch steht in keiner Relation zum tatsächlichen Bedarf. Englisch ist ein MinderheitenProgramm, für das riesige Summen zur Verfügung gestellt werden. Der Anteil potentieller EnglischBenützer an der Gesamtbevölkerung beträgt keine 10%. Darunter fallen EnglischLehrer, Piloten, Außenminister, einige Professoren und Weltreisende. Für diese kleine Gruppe ein volles Programm zu machen, das rücksichtslos allen aufgezwungen wird, ist inakzeptabel. Man bedenke auch, wie wenig effektiv der EnglischUnterricht an den Gymnasien ist.

Für manche Wissenschaften wie Naturwissenschaft, Medizin, Technik empfiehlt sich Englisch als internationale Hilfssprache neben der Landessprache. Der Vorschlag aber, Geografie an den Universitäten nur noch auf Englisch zu unterrichten, ist unsinnig. Jeder Professor und Student muss zur Mehrsprachigkeit fähig sein, sonst hat er im höheren Bildungswesen nichts zu suchen. Aber warum soll ein GeografieStudent ein Wissen, das er im Gymnasium auf Deutsch weitergeben muss, auf Englisch erwerben? Oder soll man etwa, wenn die Rede auf Geografie kommt, plötzlich englisch zu reden anfangen? Selbstverständlich soll der Professor für Geografie seine ForschungsErgebnisse dem englischlesenden Publikum mitteilen können. Allerdings beginnen die sprachlichen Probleme bereits bei der Benennung geografischer Objekte. Die sind in Landessprachen und Dialekten benannt. Eine englische Weltnomenklatur würde ihr Auffinden äußerst erschweren, da die englischen Orts-, Berg- oder Gewässernamen am Ort unbekannt sind. Schon deshalb ist der Geograf zur Viel- und nicht zur Einsprachigkeit angehalten. Sollte man dem englischerzogenen GeografieSpezialisten vorenthalten, dass Vienna auf Deutsch Wien und Munich München heißt?

In der Sprachwissenschaft ist außer bei Anglisten und Amerikanisten Englisch nur beschränkt erforderlich. Der Sprachwissenschafter sollte vor allen anderen der mit den meisten Sprachkenntnissen sein. Nur sehr beschränkte brauchen eine Hilfssprache. Warum sollten Romanisten oder Slawisten untereinander auf Englisch kommunizieren? Die Mode in der  Allgemeinen  Sprachwissenschaft, nur  englisch zu publizieren und alle anderen  Sprachen  als  museale Exponate  zu  betrachten, wird sie  in  absehbarer Zeit unnötig machen. Dass gerade monoglotte Anglisten sich dann auch noch Kompetenz in allgemeiner Sprachwissenschaft anmaßen, ist erstaunlich und zeigt, dass English only durchaus krebsartige Wirkung haben kann: Selbstzerstörung.

Die Wissenschaft ist nicht nur für den Wissenschafter da. Der Steuerzahler hat ein Recht, zu erfahren, was im Elfenbeinturm geschieht. Jeder Wissenschafter muss in der Lage sein, nicht nur in meist unverständlichem Englisch, sondern auch in seiner Muttersprache seine Tätigkeit und deren Ergebnisse plausibel darzustellen. Wer das Deutsch liest, das man in Lehrbüchern Schülern und Studenten zumutet, auch das von LateinProfessoren, wird erkennen, wohin die Vernachlässigung der Muttersprache im Bildungswesen führt. Das sprachliche Gestammel und anglomane Kauderwelsch von Wissenschaftern, insbesondere auch von Sprachwissenschaftern neuen Typs, ist klarer Beweis einer verfehlten SprachPolitik und eines gestörten Verhältnisses zu Sprache überhaupt...

 Englisch fördere den Internationalismus und absorbiere alles Nationalistische, ist der gefährlichste Punkt in der Argumentation für English only. Es ist schlicht eine Irrlehre, auf die Wissenschafter und Politiker hineingefallen sind. Zu glauben, dass mit einer gemeinsamen Sprache nach Erstickung der Muttersprachen der Nationalismus beseitigt werden könnte, widerspricht jeglicher Erfahrung. Amerika wird seine Probleme mit den französisch  und  spanisch Sprechenden noch bekommen. Das anglifizierte Indien hat sie schon. Wenn gewisse Kreise in Wien ihre DeutschPhobie durch systematische Verdrängung alles Deutschen (auch in der Geschichte) die Österreicher mit Hilfe einer englischen Unterrichtssprache zu entnationalisierten europäischen Musterknaben machen wollen, wenn deutsche Politiker weiterhin wegen der musealisierten „historischen Schuld“ alles Deutsche tabuisieren, und am liebsten gleich heute auf Englisch übergingen, um dieses DeutschNationale endlich loszuwerden, dann sind diese Politiker schon jetzt verantwortlich für künftige nationalistische Ausschreitungen.

Die nach Amerika ausgewanderten Europäer haben in einer gemeinsamen Sprache, ihre Geschichte zurücklassend, eine neue Identität gesucht.  Die Identität der verbliebenen  Europäer liegt in ihrer Geschichte, und  die  war und ist pluralistisch und vielsprachig. Die Schönheit Europas ist die Vielartigkeit, die keine amerikanische Monokultur ersetzen kann, daher auch die Sehnsucht sensibler Amerikaner nach dem Good Old Europe, nach ihrer bunten alten Heimat.

(gekürzt nach O. Kronsteiner, English only eine Gefahr für Europa. Ursache für Fremdenfeindlichkeit, Fremdenhass und Nationalradikalismus. In: Die slawischen Sprachen (Salzburg) 41 (1994) 27-50)

 

 

ENGLISCH IST WICHTIG, DOCH EINE SOLIDE AUSBILDUNG IN DER DEUTSCHEN MUTTERSPRACHE EBENSO!

© Heinz Dieter POHL

 

"Um die viertausend Wörter, schätzt man, sind schon aus dem Englischen und dem Amerikanischen in die deutsche Sprache eingegangen. Die Zahl steigt rapide weiter, der Prozeß, so scheint es, ist im Begriff, sich zu überstürzen" so beginnt die "Einführung" von Christian MEIER zum Buch "Sprache in Not? Zur Lage des heutigen Deutsch". Ein sehr lesenswertes Buch, und auch beunruhigendes, die Zusammenfassung einer Tagung der Darmstädter Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Denn es macht sich in den deutsch sprechenden Ländern die Tendenz breit, in wissenschaftlichen Publikationen und auch bei Tagungen und Konferenzen immer mehr das Englische zu verwenden. Dies ist ein schleichendes Aufgeben der Rolle der deutschen Sprache, die sie bis vor kurzen innehatte, aber trotzdem immer noch in der internationalen Wissenschaft spielt. Es läuft auf eine sprachliche "Sich-Entäußerung" hinaus, was derzeit geschieht, zumal wenn selbst ab der 5. Schulstufe in Österreich in den sogenannten "Europa-Gymnasien" Englisch zur Unterrichtssprache wird. Nichts gegen einen guten Englisch-Unterricht, nichts gegen einen teilweisen Gebrauch des Englischen in den höheren Schulklassen und an den Universitäten, aber erst dann, wenn die deutsche Standardsprache einwandfrei beherrscht wird. Und dieses Ziel erreichen viele Maturanten heute nicht mehr.

Für viele Sprachen der Welt besteht die Gefahr, dass sie in ein bis zwei Generationen aussterben werden, aber sicher nicht für so große Sprachgemeinschaften wie das Deutsche. Doch ausschließen kann man bekanntlich nichts, denn es ist eine Entwicklung in Gang gekommen, die auch vielen Sprachwissenschaftlern zu denken gibt: die schleichende Durchsetzung unserer Muttersprache mit englischem Sprachgut. Unsere süddeutsche (bayerisch-österreichische) Hochsprache wird damit in die Zange genommen, einerseits setzt sich im deutschen Süden das nördliche, oft nicht als hochsprachlich zu bezeichnende "andere" Deutsch immer mehr durch, andererseits dringen zahlreiche Anglizismen und Amerikanismen in unsere tägliche Umgangssprache ein.

Als Linguist weiß ich, dass Sprachkontakte und Lehnbeziehungen etwas Natürliches sind, dass sie die Sprache bereichern (können) und dass Lehnwörter zur Kommunikation nötig sind. Viele Kultursprachen verdanken ihre Anfänge dem Sprachkontakt und sie wurden oft nach dem Vorbild anderer Sprachen zu dem, was sie heute sind. Wie sollte z.B. die internationale Wissenschaft ohne Fachausdrücke aus anderen Sprachen auskommen? Doch darum geht es nicht und die Devise "Fremdwörter raus!" (richtig wäre: "...hinaus!") darf nicht zum Ziel einer Sprachpolitik werden. Doch gegen die Modetorheit aufzutreten, um jeden Preis englische Wörter zu verwenden auch wo gar kein Bedarf besteht ist legitim. News statt "Nachrichten", Snack statt "Imbiss" und Event statt "Veranstaltung" oder "Ereignis" wären solche Beispiele. Nicht jedes englisch ausgesprochene Lehnwort muss englisch sein (z.B. Edition, Editor, Appartement) und manches ist überhaupt nicht englich (z.B. Handy). Dass staatliche oder öffentliche Institutionen der Anglomanie frönen, stimmt aber bedenklich, warum muss es ein InterCity- oder EuroNight-Express sein? Haben wir nicht genug deutsche Wörter, um die Tarifmodelle beim Mobiltelefon zu bezeichnen? Statt Fun-/Business-/Job/- wäre auch Privat-/Geschäfts-/Berufs-Tarif denkbar, statt A1-Friends auch "Freundschaftstarif"; Zusatzleistungen wie Mail- bzw. Mobil-Box mögen auf Grund ihrer Internationalität so heißen. Man kann eben alles übertreiben, wir übertreiben mit der kritiklosen Übernahme völlig überflüssiger Wörter wie Kids, Song und Lover, und auch Vulgäres wird nicht nicht weniger vulgär, wenn es auf Englisch gesagt wird (z.B. fucking). Und ein Master ist auch nicht mehr als ein Magister. Ebensowenig ist es notwendig, nach nördlichem Vorbild von Jungs und Mädels zu sprechen oder beim Telefonieren die Zwei, Drei usw. zu wählen.

"Sprachpolizeiliche" Maßnahmen (Ansätze dazu gibt es bekanntlich in Frankreich und Polen) werden kaum helfen und sind darüber hinaus aus vielen Gründen abzulehnen, aber mit der Devise "so viel englisch wie nötig, so viel deutsch wie möglich" wird man wohl leben können, ohne gleich der "Deutschtümelei" geziehen zu werden. Österreich ist in dieser Hinsicht bis zu einem gewissen Grad gespalten, es gibt Gruppen, die das Eindringen "binnen- bzw. bundesdeutscher" Ausdrucksweisen monieren, die Vermehrung der Anglizismen und Amerikanismen aber kritiklos hinnehmen, und es gibt Gruppen, denen zwar die englischen Lehnwörter ein Dorn im Auge sind, aber das andere Deutsch aus dem Norden akzeptieren, weil es eben "auch" deutsch ist. Eine aktive österreichische Sprach- und Sprecherziehung müsste sich aber gegen beides richten. Hätten im vorigen Jahrhundert beispielsweise Tschechen und Slowenen kein eigenes Sprachbewusstsein entwickelt und sich gegenüber der (damals allmächtigen) deutschen Sprache so verhalten, wie wir es heute gegenüber dem Englischen tun, gäbe es deren Sprachen längst nicht mehr. Dies gilt (z.T. mit anderem Hintergrund) für Dutzende weiterer Sprachen.

Für Europa ist die Sprachenvielfalt typisch, Englisch ist europäisch gesehen trotz seiner Geltung als Weltverkehrssprache, nicht nur geographisch, sondern auch sprachtypologisch eine Randsprache und bloß Nr. 3 (nach Russisch und Deutsch). Eine übertriebene Förderung des Englischen in der EU kann nur zu Lasten der "kleineren" Sprachen gehen. Daher ist es erfreulich, dass sich in der EU Widerstand gegen die Allmacht des Englischen regt, indem Deutschland und Österreich Deutsch als Arbeitssprache einfordern. Englisch ist sicher nicht "die zweite Muttersprache jeden Europäers", doch es ist unbestrittene erste Bildungssprache, sollte aber nicht die einzige sein bzw. bleiben. In Osteuropa ist das Deutsche als Bildungssprache immer noch weit verbreitet, eine Osterweiterung der EU könnte das Deutsche stärken. Daher sollte neben Englisch noch das Erlernen einer zweiten europäischen Sprache in der Schule verpflichtend sein.

Aber im Grunde genommen geht es um ganz etwas anderes. Die EU wurde ja als Wirtschaftsgemeinschaft gegründet, um auf dem Weltmarkt besser mit den USA konkurrieren zu können. Wenn nun das Englische zur EU-Sprache par excellence wird, wird diese mittelfristig das Eindringen der Amerikaner nach Europa nur fördern und dann erfüllt sich das Goethe-Wort "Die Gewalt einer Sprache ist nicht, dass sie das Fremde abweist, sondern dass sie es verschlingt". Der Kontakt mit der angelsächsichen Welt bereichert uns in vieler Hinsicht, mit Hilfe des Englischen haben wir viele Neuerungen des technisch-medizinischen Forschrittes übernommen und auch eigene Entwicklungen weitergegeben. Gute Englischkenntnisse sind notwendig, aber es ist nicht notwendig, unsere eigene Sprache als zweitrangig zu betrachten. Englisch als Unterrichtssprache wie in den österreichischen "Europa-Gymnasien" sollte erst dann einsetzen, wenn das Ziel, "den Kindern und Jugendlichen das Deutsche gründlich beizubringen", erreicht worden ist, denn erst nach einem "sorgfältigen Unterricht der Muttersprache könnte man darauf vertrauen, dass damit die Assimilationskraft des Deutschen...so gestärkt wäre", dass die einströmenden englischen Wörter die Sicherheit in der deutschen Sprache nicht mehr gefährden.

Mehr sprachliches Selbstbewusstsein sollte zur "neuen Mode" werden, um die Rollen beider Sprachen richtig zu verteilen: Englisch als "Weltsprache", Deutsch als eine der "Europa-Sprachen" und als eine der alten europäischen Kultur- und Wissenschaftssprachen. Rund 70 Sprachen hat dieses Europa, davon 16 mit über 10 Mill., 35 mit mehr als einer Million Sprechern. Einige kleinere Sprachen sind schon ausgestorben, einige sind im Aussterben. Jede dieser Sprachen ist ein Stück Menschheitsgeschichte, Zeuge der Artenvielfalt auf Ebene der Sprache. Wie Monokulturen das natürliche Gleichgewicht stören, bringt auch eine Anglo-Monoglottie das sprachliche Gleichgewicht durcheinander. Beispiele aus der jüngeren Geschichte haben wir genug, die Bevorzugung des Deutschen im Bildungswesen des alten Österreich-Ungarn, des Russischen in der ehemaligen Sowjet-Union und schließlich des Englischen in Irland haben nur den Nationalismus gefördert. English only könnte eine Gefahr für Europa werden, nicht die englische Monoglottie kann das Ziel sein, sondern Polyglottie. Wenn auch ein Sprachenstreit in der EU etwas Groteskes an sich hat, zeugt er dennoch davon, dass für viele Menschen Sprache mehr ist als nur ein Mittel zur Kommunikation.

 

(Der blau markierte Text stimmt im wesentlichen mit meinem Gastkommentar in der "Presse" vom 23.7.1999 überein)

 

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