Geschichten



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Sorgsam

nahm er das kleine Ding hoch, dass sich in den Ranken des Brombeerstrauchs verfangen hatte. Es wimmerte kläglich. An einer seiner Pfoten hatte es einen Riss, aus dem ein Blutstropfen hervorquoll. Er zog mit der Linken das Taschentuch, das er am Morgen, vor dem Weggehen, in die Sakkotasche gesteckt hatte, heraus.

Er wickelte es um die verletzte Pfote, um seine Jacke nicht zu beschmutzen. Mit dieser Art Flecken hatte er seine Erfahrungen, sie waren nur schwer wieder aus dem Stoff zu entfernen. Fürsorglich drückte er das kleine Wesen an sich, während er die Wagentüre öffnete um in sein Auto einzusteigen.

Dann wickelte er es in die Decke, die er von der Rückbank genommen hatte und legte das winzige Etwas neben sich auf den Beifahrersitz.
Er steckte den Autoschlüssel an, drehte sich halb nach hinten, um zu sehen, ob die Spur frei war, schob ein Stück im Rückwärtsgang zurück, legte den Vorwärtsgang ein und startete durch.

Der Hund und die Barfrau

Es war einmal ein - hm- was nur, hm, ja, es war einmal ein Hund. Dieser Hund lebte in einer großen Stadt.
Dieser Hund, der in dieser großen Stadt lebte, ging abends sehr gerne aus. Er ging am liebsten in eine Bar. Diese Bar hieß Alibi Bar. In dieser Alibi Bar stand jeden Abend an der Theke eine Barfrau. Sie mixte wundervolle Cocktails. Noch etwas konnte sie sehr gut, nämlich zuhören. Sie sagte nicht viel, nur ab und zu ein." Ja", oder "Aha", oder ein "Ach nein!". Der Hund erzählte ihr seine Sorgen, und die Barfrau hörte zu und sagte ihr "Ach nein!" oder ihr "Aha", je nachdem, was besser als Einwurf, Zustimmung oder Zwischenkommentar passte.

Der Hund war, wie beinahe jeden Abend mitten im Erzählen seiner Sorgen, als die Barfrau plötzlich: "Oh!" sagte. "Was?" unterbrach der Hund seine Rede verblüfft und sah die Barfrau verdutzt an. "Oh!", sagte die Barfrau. "Wieso fragst du?". "Wieso sagst du Oh?". "Warum soll ich nicht Oh sagen?", entgegnete die Barfrau etwas erstaunt.

"Du hast noch nie Oh gesagt", sagte der Hund beinahe etwas beleidigt. "Wirklich?" fragte die Barfrau noch erstaunter. "Ich dachte, ich hätte schon mal Oh gesagt!" "Hast du nicht!" sagte der Hund, und "Du hast mich komplett durcheinander gebracht. Jetzt habe ich den Faden verloren. "Macht nichts." , sagte die Barfrau, erzähl weiter. "Was soll ich weitererzählen, wenn ich den Faden verloren habe!", sagte der Hund. "Wozu braucht du einen Faden. Zum Erzählen braucht man keinen Faden. Nur Worte. "

Der Hund war erstaunt. soviel hatte die Barfrau noch nie geredet. "Ich bin verblüfft! Wirklich verblüfft! Du kannst ja richtig sprechen. Sag, hast du einen Namen?" "Ja!" "Wie heißt du?" "Ich habe ihn vergessen!", sagte die Barfrau. "Macht nichts.", sagte der Hund, "Ich erzähle etwas anderes." Der Hund begann von Neuem zu erzählen und die Barfrau hörte zu. 

Es war einmal

ein Mann. Dieser Mann war arm. Er hatte kein Haus, er hatte kein Bett, er hatte keine Socken und er hatte kein Geld, um sich Essen zu kaufen. Darum stahl er, was er kriegen konnte. Er wurde nie erwischt. Er war zu schnell und zu leise. Er konnte nicht lesen, er konnte nicht schreiben, er wusste am Morgen nicht, wo er am Abend schlafen würde. Doch jeden Tag fand sich eine Lösung.

Einmal schlief er unter einer Brücke, einmal in einer Hauseinfahrt, ein anderes Mal im Park auf einer Bank. Solange es warm war, im Freien, ging das gut. Wenn es Herbst wurde und Winter, da war es schon nicht mehr so einfach, einen windgeschützten Platz zu finden. Er hatte in einer Nische ein paar Plastiksäcke mit alten Zeitungen versteckt. Mit diesen deckte er sich zu und auf einen Teil legte er sich.

Er hatte in einem von vorne zugänglichen Kanal einen halbwegs warmen Platz entdeckt, den außer ihm keiner der anderen Obdachlosen kannte. Das gefiel ihm, denn er konnte sie sowieso nicht leiden.
Eines Sommers wurde der Kanal umgestaltet. Der Mann konnte nicht mehr zu seinem Lieblingsplatz. Er hatte nun nichts mehr, was ihm Freude hätte bereiten können.

Er sah zum Mond hinauf, und dachte 'Dir geht´s gut. Du hast ein Haus, du hast ein Bett, du hast Socken und du hast Geld um dir Essen zu kaufen. Du stiehlst nicht und musst nicht schnell und leise sein, damit dich keiner erwischt. Du kannst lesen, du kannst schreiben, du weißt, wo du am Abend schlafen wirst. Du schläfst nicht unter der Brücke, du schläfst nicht in einer Hauseinfahrt und du schläfst nicht auf einer Parkbank. Du musst keine windgeschützten Plätze suchen, und keine Zeitungen sammeln, um dich darauf zu betten. Du hast deinen Lieblingsplatz nicht verloren. Aber ich.


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