
Die Geschichte
Er spürte die Bitterkeit an seinem Gaumen und
den leise ziehenden Schmerz in seinem Innern.
Ich muss eine Geschichte schreiben,
dachte er, Sie wollen eine Geschichte von mir.. . Ihr sollt eure
Geschichte haben..
Sein Blick glitt über das Bücherregal schräg
rechts vor ihm, in dem sich, ungeordnet, ein großer Teil seiner Bücher befand. Unterhalb
des Teiles, in dem sich die Bücher befanden, war ein Schrank mit sechs großen und sechs
kleineren Laden. Sie waren zum Teil leer, obwohl das Regal schon seit über zwei Jahren an
diesem Platz stand. Davor war es im Abstellraum gestanden.
Ich muss die Laden weiter einräumen,
dachte er, und die Bücher oben herausnehmen, sie nach Themenbereichen stoßweise
auf den Boden legen und neu ins Regal stellen. Der Karton mit den gesammelten
Zeitungsausschnitten muss woanders hin, da vorne an der Kante sieht er nicht gut aus. Der
Geruch des Restes der Duftkerze im Glas auf dem Tisch stieg ihm angenehm in die Nase.
Mmhhh, er sog die Luft tief ein und schloss dabei kurz die Augen.
Er sah den
Stoß Fachzeitschriften, die ebenfalls auf dem Tisch lagen, das seit drei Tagen darauf
liegende Jugendlexikon, in dem er die sieben Weltwunder aufgeschlagen hatte, das alte, mit
Leder überzogene Opernglas, mit den Messingrändern, den kleinen, gelben Seifenelefanten,
den er in seinem Wäschefach im Schrank gefunden und herausgelegt hatte, die Fernsteuerung
des Wohnzimmerfernsehers, eine kleine, schuhförmige, bunt bedruckte Stoffgeldbörse mit
Zippverschluss, eine Schleuder, angefertigt aus einer Astgabel, die er vor ein paar Tagen
gefunden hatte, einen Plastikugelschreiber mit Werbeaufdruck und weißes, unbeschriebenes
Papier.
Ich muss eine Geschichte schreiben
dachte er und fühlte, wie sein Mut wieder sank. Die Bitterkeit war jetzt weg und auch das
Ziehen in ihm war etwas stiller geworden. Sie werden auf die Geschichte noch ein
wenig warten müssen. , dachte er und sah die Köpfe mit ihren erwartungsvoll
blickenden Augen, die ihn ansahen, an seinen Lippen hingen, hoffend, geduldig, vertrauend,
ja wissend, dass die Geschichte jetzt, jetzt gleich kommen würde, kommen
musste. Sie
glaubten an ihn und ihm wurde klar, er durfte sie nicht enttäuschen.
Ein krächzender Laut entsprang seiner Kehle als
er die Lippen öffnete, die solange geschwiegen hatten, und er begann laut zu lesen, was
er geschrieben hatte: "Er spürte die Bitterkeit an seinem Gaumen und den leisen
Schmerz in seinem Innern.."

Die Grünen Mäuse
Vorhin, ich muss schmunzeln, fielen mir die
"Grünen Mäuse" ein. Seit mindestens einem Jahr schiebe ich diese
Geschichte auf. Dabei würde ich sie wirklich sehr gerne schreiben, die Geschichte von den
Grünen Mäusen, die perfekt den Spitzentanz beherrschen, eine Pirouette drehen, hinfallen
und dann losheulen. All das gleichzeitig. Nacheinander gleichzeitig. Nacheinander
gleichzeitig heißt, dass alle Grünen Mäuse gleichzeitig Spitzentanzen, alle
gleichzeitig hinfallen, alle gleichzeitig heulen.
Es können nur Zeichentrickmäuse sein, die so
vieles gleichzeitig können. In der Realität kann das nicht einmal eine grüne Maus.
Wie könnte die Geschichte weitergehen.
Die grünen Mäuse standen also in einer geraden Reihe auf einer Theaterbühne und tanzten
auf ihren Mäusezehenspitzen. Dann drehten sie schwungvolle Pirouetten, und- bauz-
rutschten aus, gleichzeitig, und fielen zu Boden. Auch gleichzeitig. Der Vorhang fiel und
die grünen Mäuse rannten ihn ihre Umkleidekabinen und heulten. Wieder gleichzeitig. Sie
verbrauchten pro Maus zehn Taschentücher und drei Rollen Klopapier.
Klopapier deshalb,
weil die Taschentücher ausgegangen waren. Sie hatten sie zwar ehrlich geteilt, jede hatte
10 Stück, wie schon gesagt, doch das war weitaus zuwenig für den großen Heulanfall, den
sie wegen des Hinfallens hatten. Warum waren die Mäuse überhaupt grün? Es gibt doch
überhaupt keine grünen Mäuse.
Falsch. Es ist eine
Zeichentrickgeschichte. In einer
Zeichentrickgeschichte dürfen Mäuse grün sein, Spitzentanz perfekt beherrschen,
gleichzeitig hinfallen und losheulen.
Die Mäuse heulten genau 1 1/2 Stunden. Die Fans warteten vor dem Künstlereingang und
standen sich die Füße in den Bauch. Umsonst. Keine grüne Maus kam aus dem Theater. Die
Fans murrten und seufzten und warteten doch geduldig weiter.
Als die grünen Mäuse ausgeheult hatten,
schrieen sie: "Wir haben Hunger!! Wo ist
unser Käse?" Jede der grünen Mäuse hatte eine persönlichen Kammerdiener, der
immer und überall zu ihrer Verfügung stand. Die persönlichen Kammerdiener der grünen
Mäuse eilten in die Theaterküche und holten aus dem Kühlschrank die vorbereiteten
Käseportionen und brachten sie den Mäusen. "Danke!!", sagten die Mäuse, und
beknabberten ihre Käsestücke. Sie waren wegen ihres Geheuls noch nicht abgeschminkt und
die Wimperntusche war über ihre Gesichter verschmiert. " Entschuldigen sie,"
sagten die persönlichen Kammerdiener im Chor, "ihre Schminke ist nicht so, wie sie
sein sollte."
Die grünen Mäuse sahen in ihre Spiegel. "Huch", sagten die
grünen Mäuse, "Die Schminke ist nicht so, wie sie sein sollte."
Die grünen Mäuse standen von ihren Sesseln, auf denen sie beim Heulen gesessen hatten,
auf und tänzelten mit zarten Mäuseschritten in den Waschraum und wuschen sich ihre
Gesichter.
Nacheinander. Warum? Es gab nur ein Waschbecken und an dem mussten sie Schlange stehen.

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