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Blaise Pascal (1623 - 1662) gehört wohl zu den interessantesten Persönlichkeiten der Wissenschaftsgeschichte: genialer Mathematiker und Physiker, gleichzeitig Mystiker und Verfasser bedeutender theologischer Schriften; aufbrausend und rechthaberisch, gleichzeitig von tiefster Frömmigkeit erfüllt; einer, der versucht hat, den Geist der Naturwissenschaft und den Geist der Religion in sich zu vereinen. Die meisten Kurzbiographien Pascals beschreiben nur den mathematischen oder nur den theologischen Aspekt; ich möchte versuchen, beide Seiten dieser faszinierenden Persönlichkeit kurz darzustellen.
Blaise Pascal wurde am 19. Juni 1623 in Clermont-Ferrand geboren. Die Mutter stirbt früh; der Vater, ein hoher Verwaltungsbeamter, zieht mit Blaise und seinen beiden Schwestern Gilberte und Jacqueline nach Paris. Er unterrichtet die Kinder selbst - der Sohn soll erst Mathematik lernen, wenn er Latein und Griechisch beherrscht. Da entwickelt der zwölfjährige Blaise selbst die Anfangsgründe der Geometrie und kommt bis zum 32. Lehrsatz des Euklid (Satz von der Winkelsumme im Dreieck.)
Daraufhin führt ihn der Vater in die Pariser Gelehrtenzirkel ein. Pascal kommt in Kontakt mit Mersenne und Desargues, später auch mit Descartes und Fermat, und gilt überall als jugendliches Genie. Mit 16 Jahren schreibt er eine Abhandlung über Kegelschnitte (Essai pour les coniques), die als das beste Werk über dieses Thema seit der Antike gilt. Darin findet sich auch der nach ihm benannte Satz über das "hexagramme mystique":
Pappos von Alexandria (ca. 290 - 350 n.Chr.) hatte gezeigt: Liegen die Ecken eines Sechsecks ABCDEF abwechselnd auf zwei Geraden, so liegen auch die Schnittpunkte der gegenüberliegenden Seiten (AB und DE, BC und EF, CD und FA) auf einer Geraden (Satz von Pappos). Pascal entdeckte, dass der Satz auch dann gilt, wenn die Punkte A, B, C, D, E und F auf einem Kegelschnitt liegen (Satz von Pascal, hier an einem Kreis dargestellt).
Mit 19 Jahren baut Pascal eine Rechenmaschine, um seinem Vater, der inzwischen Leiter der Steuerbehörde in Rouen ist, die Arbeit zu erleichtern. Von der "Pascaline" werden mehrere Exemplare hergestellt, von denen er eines an Königin Christine von Schweden sendet.
Aber durch die Anstrengungen ruiniert Blaise, der schon als Kind kränklich war, seine Gesundheit; bis zu seinem Tod wird er ständig an Krankheiten und Schmerzen leiden.
1646 lernt die Familie Pascal durch zwei Ärzte, die den Vater pflegen, die französische Devotionsbewegung kennen. Diese Bewegung ist gekennzeichnet durch: intensive persönliche Frömmigkeit, verbunden mit Weltflucht; liebevolle Beziehung zu Jesus; Bewußtsein der Sündhaftigkeit des Menschen und der Erlösung nur durch die Gnade; Anbetung des Altarssakramentes; Gehorsam gegenüber dem geistlichen Führer. Diese Form der Spiritualität wird besonders im Zisterzienserinnenkloster Port-Royal gepflegt. Angefangen mit Blaise, bekehrt sich die ganze Familie zu dieser Form der Frömmigkeit. Er ist aber noch nicht bereit, sich ganz aus der Welt zurückzuziehen, und beschäftigt sich auch weiterhin mit Naturwissenschaften. So wiederholt er mit seinem Vater die Experimente Toricellis zum Luftdruck und Vakuum.
Mit dem Eifer des Neubekehrten, der oft übers Ziel schießt, denunziert Pascal den Prediger Saint Ange beim Erzbischof von Rouen. Er wirft ihm die Verbreitung von Häresien vor und gibt sich erst zufrieden, als Saint Ange in aller Form widerruft.
Nach dem Tod des Vaters will Pascals Schwester Jacqueline in Port-Royal eintreten. Ihr Bruder ist dagegen, dass sie ihr Vermögen dem Kloster schenkt. Erst nach langen Streitigkeiten erklärt er sich einverstanden. Nach dieser sehr turbulenten Zeit sucht er mehr denn je seinen Platz in der Welt - er verkehrt in vornehmen Kreisen, zieht sich aber immer mehr daraus zurück, weil sie ihm oberflächlich erscheinen.
Am 23. 11. 1654 hat Pascal ein überwältigendes spirituelles Erlebnis, das sein weiteres Leben bestimmen wird. Im "Mémorial" versucht er in stammelnden Worten, es zu beschreiben:
FeuerDiesen Zettel wird Pascal, in das Futter seines Mantels eingenäht, von nun an immer bei sich tragen. Bald danach zieht er sich nach Port-Royal in die Granges zurück, wo er mit anderen frommen, dem Kloster nahestehenden Männern ein kontemplatives Leben führt.
Gott Abrahams, Gott Isaaks, Gott Jacobs, nicht der Philosophen und Gelehrten
Gewißheit, Gewißheit, Empfinden: Freude, Friede.
Gott Jesu Christi ...
Freude, Freude, Freude und Tränen der Freude.
Ich habe mich von ihm getrennt ...
Möge ich nie wieder von ihm geschieden sein.
Bei der Untersuchung dieser Fragen stößt Pascal auf das nach ihm benannte Dreieck, das er in Traité du triangle arithmétique beschreibt (ebenfalls 1654 veröffentlicht).
Einige Jahre später fordert er die Mathematiker Europas zum Wettbewerb über die Zykloide heraus. Diese Kurve, auch roulette genannt, entsteht, wenn ein Rad sich auf einer Ebene fortbewegt und man den Weg eines Punktes auf dem Umfang nachzeichnet. Pascal stellte nun die Aufgabe, die Tangente an die Kurve und die Fläche unter ihr zu bestimmen. Die Lösung, die er gibt, spielt eine wichtige Rolle für die Entwickluing der Differential- und Integralrechnung und liefert Leibniz 20 Jahre später wesentliche Anregungen für seine Theorie.
In seiner berühmten "Wette" versucht Pascal, Argumente aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf die Frage nach dem Glauben anzuwenden. Im (fiktiven) Gespräch mit einem Skeptiker stellt sich die - heute noch genauso aktuelle - Frage: Wenn ich die Existenz Gottes nicht beweisen kann, warum soll ich mich dann dazu entscheiden, an ihn zu glauben? Pascal meint dazu:
Prüfen wir also diesen Punkt. Und sagen wir: Gott ist, oder er ist nicht. Welcher Seite aber werden wir uns zuneigen? Die Vernunft kann dabei nichts ermitteln. Ein unendliches Chaos trennt uns davon. Man spielt ein Spiel auf das Ende dieser unendlichen Entfernung hin, wo sich entweder Bild oder Schrift zeigen werden. Was werdet ihr wetten? ...
Wägen wir Gewinn und Verlust, wenn wir uns für Bild entscheiden, dass Gott ist. Schätzen wir diese beiden Fälle ein: Wenn ihr gewinnt, so gewinnt ihr alles, und wenn ihr verliert, so verliert ihr nichts: Wettet also, ohne zu zögern, dass er ist. ...
Hier gibt es ja unendlich viele von unendlich glücklichen Leben zu gewinnen, es gibt eine Aussicht auf Gewinn gegenüber einer endlichen Zahl von Aussichten auf Verlust, und was ihr einsetzt, ist endlich ...
Welches Übel wird Euch nun aber daraus erwachsen, wenn ihr diesen Entschluss fasst? Ihr werdet getreu, redlich, demütig, dankbar, wohltätig, ein aufrichtiger, wahrer Freund sein ... Freilich werdet ihr ohne vergiftete Freuden sein, ohne Ruhm und Vergnügungen, doch habt ihr dafür nicht andere Freuden?
Ich sage Euch, dass Ihr dabei in diesem Leben gewinnt und dass Ihr bei jedem Schritt, den Ihr auf diesem Weg tut, die so große Gewißheit des Gewinns und die so große Nichtigkeit dessen, was Ihr aufs Spiel setzt, sehen werdet, dass Ihr schließlich erkennt, Ihr habt Euch bei der Wette für etwas Gewisses und Unendliches entschieden, wofür Ihr nichts hergegeben habt.
Man täte Pascal Unrecht, wenn man dieses Argument als zynische "Nutzt's nix, so schadt's nix"-Mentalität abtut. Inzwischen müsste klar sein, dass das Wesentliche für ihn die liebevolle Hingabe an Jesus ist. Er unterscheidet zwischen der Vernunft, die die natürlichen Wahrheiten erkennt (damit meint er vor allem Mathematik, der einzige Bereich, in dem der Mensch sichere Erkenntnis erlangen kann), und dem Herzen, das in Liebe und durch die göttliche Gnade die religiöse Wahrheit empfängt. Aber Pascal muss dem Skeptiker gegenüber (und auch wohl dem Mathematiker in sich selbst) begründen, dass es der Vernunft nicht widerspricht, zu glauben, sondern dass das im Gegenteil eine absolut vernünftige Entscheidung darstellt.
Wie schon erwähnt, war Port-Royal ein Zentrum der französischen Frömmigkeitsbewegung. Deren Hauptvertreter waren Saint Cyran, der Spiritual des Klosters und Freund des belgischen Theologen Cornelius Jansen, und dessen Nachfolger Antoine Arnauld, Bruder der Oberin und Theologieprofessor an der Sorbonne. Sie vertreten eine Gnadenlehre, die sich auf den heiligen Augustinus beruft und der Auffassung Luthers und Calvins nahesteht:
Der Mensch ist durch die Erbsünde so verdorben, dass er nicht mehr die Freiheit hat, sich für Gott zu entscheiden. Er ist daher völlig auf die göttliche Gnade angewiesen. Die Kommunion darf nur im Zustand vollkommener Heiligkeit empfangen werden; da niemand sicher sein kann, in diesem Zustand zu sein, darf das Sakrament nur in "Furcht und Zittern" empfangen werden. Kein Mensch kann wissen, ob er begnadet ist - schon diese Vorstellung ist sündhaft.
Die Jesuiten vertreten dagegen eine optimistischere Position: Der Mensch besitzt trotz der Sünde noch einen freien Willen und kann sich zum Guten entscheiden. Er ist also auch im natürlichen Zustand zu einem tugendhaften Leben fähig - die Kirche hilft ihm dabei. (Diese Auffassung ermöglicht es ihnen, in der Mission das Positive an den anderen Kulturen zu sehen und in ihrer Verkündigung daran anzuknüpfen.)
Die Jesuiten haben nicht nur die Sympathie des Papstes, dem sie ja besonderen Gehorsam gelobt haben, sondern auch die Unterstützung Richelieus. Andrerseits werden sie als Vertreter des römischen Zentralismus gesehen, der dem Wunsch der französischen Kirche nach mehr Eigenständigkeit entgegensteht, und sind daher in Frankreich nicht sehr beliebt.
1640 erscheint Jansens Buch Augustinus, das heftige Diskussionen auslöst und den Gnadenstreit neu entfacht Kurz darauf wird es von der Inquisition verurteilt. Die Atmosphäre ist durch gegenseitige Anschuldigungen und Verleumdungen vergiftet: Die Jansenisten werden beschuldigt, mit dem Calvinismus unter einer Decke zu stecken und die Kirche zersetzen zu wollen. Umgekehrt werfen sie den Jesuiten Laxismus und Heuchelei vor. Papst Innozenz X. verurteilt fünf Sätze, die angeblich im Augustinus stehen, als häretisch. Arnauld droht der Ausschluss aus der Sorbonne. Port-Royal steht allein gegen eine Übermacht an Gegnern und ist in seiner Existenz bedroht.
In dieser ausweglosen Situation veröffentlicht Pascal unter einem Decknamen den ersten seiner Lettres à un provincial - Briefe an einen Provinzbewohner über die aktuellen Vorgänge in Paris. Er will die öffentliche Meinung mobilisieren und geht daher mit beißendem Spott gegen seine Gegner, die Jesuiten, vor. Hier zeigt sich wieder die rechthaberische Seite Pascals: Ohne die Auffassung der Jesuiten wirklich zu verstehen, benutzt er alle Vorurteile gegen sie. Er wirft ihnen Heuchelei vor, ihre Gelehrsamkeit besteht aus leeren Worten, in Wirklichkeit wollen sie nur politischen Einfluss und Macht. So kompromisslos Pascal in seiner persönlichen Frömmigkeit ist, so sehr ist er auch unfähig, andere Meinungen zu akzeptieren. Dazu war wohl auch die Zeit noch nicht reif: Die innerkirchklichen Auseinandersetzungen bestanden darin, einander Häresien vorzuwerfen. Die Aufgabe des kirchlichen Lehramtes bestand vor allem darin, den schmalen Pfad der Rechtgläubigkeit abzustecken und alle Abweichungen nach links und rechts zu verurteilen. Man konnte noch nicht akzeptieren, dass verschiedene Auffassungen einander positiv ergänzen können. (Ist die Kirche heute eigentlich schon so weit?)
Pascals Briefe, von denen insgesamt 18 erscheinen, können die Niederlage des Jansenismus nicht verhindern. Er wird es nicht mehr erleben, dass Port-Royal 1709 aufgelöst und zerstört wird.
Ab 1658 schreibt Pascal, immer wieder von Krankheiten geplagt, an seinem Hauptwerk, den Pensées. Es soll eine groß angelegte Apologie des Christentuns werden - ausgehend von der bemitleidenswerten Situation des Menschen ohne Gott, den menschlichen Widersprüchen, dem Versagen der Philosophie will er die Falschheit der anderen Religionen darlegen, die Fundamente des Christentums, die Beweise aus dem Alten und Neuen Testament und schließlich die christliche Moral: ein Leben in Liebe zum (christlichen) Gott und Unterwerfung unter seinen Willen. Er hinterlässt Stöße von Notizen, die erst nach seinem Tod gedruckt werden.
Daneben beschäftigt er sich auch noch mit öffentlichen Angelegenheiten - er arbeitet an einem Verkehrsuntenehmen mit, das 1662 eröffnet wird und die größten Stadte Frankreichs miteinander verbindet.
Am 19. September 1662 stirbt Blaise Pascal, völlig entkräftet, wahrscheinlich an Hirnhautentzündung. Er wurde nur 39 Jahre alt.
Biographien von Pascal - leider alle auf englisch:
The MacTutor History of Mathematics archive
A Short Account of the History of Mathematics
Catholic Encyclopedia