|
PICASSOS SÜSSE RACHE ... zwei köstliche Schriften Ephraim Kishons Ephraim Kishon hat in 2 Büchern („Picasso ist kein Scharlatan“ und „Picassos süße Rache“) das Unwesen recht fragwürdiger sogenannter Kunstwerke auf die Schaufel genommen – es geht nicht um konkret oder abstrakt, sondern um die Frechheit mancher (selbst ernannter) Künstler a la Beuys, Nitsch (Achtung: Anagramm von „Nichts“!), Rainer, z.T. Picasso selbst u.a., die sinnlose und wirklich schlampigst und schlecht gemachte Schnellprodukte als wichtige, hochwertige (teure) Kunstwerke auf den Markt und unter die Leute zu bringen imstande sind. Satirisch bewundert er scheinbar diese großartigen „Humoristen“, die todernst einen Fettfleck, ein Urinoir oder schlichtes kindliches Gekritzel als Kunstwerke präsentieren können. Zum Gelingen derartiger Coups tragen Kritiker bei, die mit hochtrabenden, in Wirklichkeit meist völlig nichtssagenden „Fachsprachen“-Texten (Deutungen, Kritiken, Erläuterungen in Katalogen usw.) einen Schutzwall gegen befürchtete Einwände aufbauen, den einleuchtend zu entlarven die meisten Kunstkonsumenten und Käufer weder Zeit, Energie noch Hirnschmalz aufbringen können. So herrscht eine scheinbare Toleranz, der „Nichtfachmann“ aber, dem derartiges in Ausstellungen, auf Kunstmessen oder im öffentlichen Raum präsentiert wird, erkennt insgeheim den Unfug, ärgert sich und ist doch völlig machtlos, besonders wenn auch öffentliche Mittel zu dessen Finanzierung herhalten müssen. Durchaus verständliche Kritik wird als Angriff auf die Freiheit der „Kunst“ diffamiert, der Kritisierende wird ignoriert, der Intoleranz oder Rechtslastigkeit bezichtigt oder der Lächerlichkeit preisgegeben. Ist wirklich etwas schon „Kunst“, nur weil es provoziert? Doch wohl nicht, aber Provokation hat den Vorteil, dass sie sich mit einfachsten Mitteln erzeugen lässt. Die Abbildungen beider Bücher zeigen etwa Kritzeleien von Joseph Beuys, die „Fontaine“ (von Marcel Duchamp 1917 signiertes Urinoir) und den Flaschentrockner desselben Meisters (1914/1967), plumpe Gekritzel und Schmierereien etwa von Pierre Soulages, „Sack 4“ eines Alberto Burri, Schnitte in weißes Papier (verschiedene „Bildtitel“, von den Künstlern Lucio Fontana und Piero Manzoni „geschaffen“), „Die Zwischenräume zwischen den Bildern“ (eine leere, eingerahmte Fläche) des Amerikaners Bernhard Höke, der darob „breiteste Zustimmung“ erfuhr, ähnlich „Die unsichtbare Plastik“ eines De Mario, ein aufgehängtes altes Gerätekabel (Kunstwerk eines Herrn Santiago Cardenas, 1982), „Topf und geschlossene Muscheln“ eines Marcel Broodthaers, Kritzeleien eines Hans Hartung (etwa „Komposition“, 1973), die berühmtesten „Arbeiten“ des Andy Warhol, Farbgekritzel eines Willem de Kooning, eine Aktion des Yves Klein (eine Nackte wird auf einer Leinwand herumgezogen, dazu spielt ein Streichquartett, 1957), Kindereien eines Paul Klee, und so weiter und so weiter. Auf welcher Grundlage nimmt sich Kishon das Recht, derartige spöttische Urteile abzugeben? Nun, er darf: Kishon hat Bildhauerei und Kunstgeschichte studiert! Kishon zitiert aus einer Schrift Pablo Picassos, der sehr wohl seine eigenen Kritzeleien einzustufen vermochte, der aber zugab, das unehrliche Spiel mitzumachen, weil es dafür leicht verdientes Geld gab. „Seit die Kunst nicht mehr die Nahrung der Besten ist, kann der Künstler sein Talent für alle Wandlungen und Launen seiner Phantasie verwenden. Alle Wege stehen der intellektuellen Scharlatanerie offen. Das Volk findet in der Kunst weder Trost noch Erhebung. Aber die Raffinierten, die Reichen, die Nichtstuer und Effekthascher suchen in ihr Seltsamkeit, Originalität, Verstiegenheit und Anstößigkeit. Ich habe die Kritiker mit zahlreichen Scherzen zufriedengestellt, die mir einfielen und die sie um so mehr bewunderten, je weniger sie ihnen verständlich waren. Ich bin heute nicht nur berühmt, sondern auch reich. Wenn ich aber allein mit mir bin, kann ich mich nicht als Künstler betrachten im großen Sinne des Wortes. Große Maler waren Giotto, Tizian, Rembrandt und Goya. Ich bin nur ein Clown, der seine Zeit verstanden und alles herausgeholt hat aus der Dummheit, der Lüsternheit und Eitelkeit seiner Zeitgenossen.“ (Aus einem Text, genannt „Picassos Testament“, zitiert in „Picassos süße Rache“, S. 30, nach dem „Libro Nero“ des „bekannten italienischen Kunstkritikers Giovanni Papini“. Kishon stellt zahlreiche Werke – der angeblichen und der von ihm anerkannten Kunst gegenüber, die auch schön sein und außergewöhnliches Können offenbaren dürfen. Keineswegs geht es nur um den Gegensatz von konkreten und abstrakten Darstellungen. Lebendig wird „Picassos süße Rache“ auch durch zahlreiche Zitate von Lesermeinungen zum ersten Band („Picasso war kein Scharlatan“). Leider sind derzeit beide Bände vergriffen, ich habe das letzte Neuexemplar von „Picassos süße Rache“ in Wien gekauft. Die Bände sind aber antiquarisch erhältlich. Kishon, Ephraim, Picasso war kein Scharlatan. Randbemerkungen zur modernen Kunst. Langen Müller, 2. Auflage, München 1986, Kishon, Ephraim, Picassos süße Rache. Neue Streifzüge durch die moderne Kunst. Langen Müller, 5. Auflage, München, 1999.
|