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Plädoyer für eine hörerfreundliche Musik im Unterricht

Im Alltag des Instrumentalunterrichts gibt es - vereinfacht - zwei Tendenzen des Programmaufbaus:

bulletEine große Anzahl von Lehrern vermittelt fast zur Gänze traditionelle Musik im Bereich zwischen Barock und Romantik, gelegentlich konventionellere Stücke des 20. Jahrhunderts..
bulletEine kleinere Gruppe meist jüngerer Lehrkräfte mit Ehrgeiz und Profilierungsstreben trachtet danach, ihren Schülern möglichst früh und oft "neue(ste)", "fortschrittliche" Musik nahezubringen.

Beides funktioniert nur in einem "elitären"  Umfeld, wo zum Beispiel die Schüler aus einem musikalisch geprägten Ambiente kommen und wo sich der Lehrer eine Auslese leisten kann - etwa in den Eingangsphasen an Konservatorien oder Universitäten, wo schon früh Leistung gefordert werden kann.

Die Realität für die meisten Musikpädagogen sieht jedoch so aus, dass sie sich weder ihre Schüler aussuchen noch später eine Auslese treffen können bzw. dürfen. Ihre Schüler sind überwiegend nicht familiär durch Musikausübende vorgeprägt, sie sind vielmehr in ihrer akustischen Umwelt eingewurzelt, ihre Wertmaßstäbe sind die ihres Umfelds, vor allem ihrer Alterskollegen, aber auch ihrer Eltern, Verwandten und sonstigen Bekannten. Sie orientieren sich einerseits daran, was ihnen spontan "unter die Haut" geht, und andererseits daran, welche Art von Musik Prestige innerhalb der Gruppe bedeutet, in und von der sie anerkannt werden wollen. Das breite Angebot an kommerzieller, angeblich kinder- und jugendgemäßer Freizeitgestaltung verstärkt die Fixierung auf Popularmusiken, die seriös-elitär orientierten didaktischen Zielsetzungen nicht entgegenkommen, sondern eher mittels Qualitätsverzicht vor allem Profitmaximierung zum Ziel haben.

Musik ist für die Mehrheit der musikalisch "unbelasteten" Jugendlichen - meist unbewusst - durchaus multifunktional. Als Lernermusik werden ihnen daher vertretbare Annäherungen - nicht Anbiederungen - an ihr Umfeld zu bieten sein, schon um sie nicht ein für alle Mal vom Weg einer langjährigen sinnvollen Beschäftigung mit Musik abzubringen.

Der Jazz in seiner weiten stilistischen und tonalen Bandbreite und bestimmte Bereiche internationaler Folklore sind meines Erachtens sehr gut geeignet, das tonale Hören, das Rhythmusgefühl oder das saubere Intonieren in immer schwierigeren harmonischen Zusammenhängen zu schulen, differenzieren zu lernen.

Erst wenn das erreicht ist, scheint es mir für die Mehrheit der Lernenden sinnvoll, auch harmonisch offenere, nicht tonale Strukturen zu musizieren. Nichts ist nämlich schlimmer als differenziert tonale, erweitert tonale oder nicht tonale Musik schlecht zu intonieren - was leider all zu oft geschieht, ohne dass es jemand merkt. Wie das? Die meisten "nicht vorbelasteten" Hörer meinen, es gehöre so gehört. Was sie unbewusst als verwaschen oder zu wenig profiliert erleben, sei eben vom Komponisten intendiertes Charakteristikum. Insider kennen genug Anekdoten von "fortschrittlichen" Musikern, die es nicht bemerkt haben, wenn ihre Kompositionen fehlerhaft gespielt wurden (z.B. bei Proben), die also ihre eigene Sprache nicht sicher wiederzuerkennen imstande sind. Mit welcher Begründung will man das aber dem "unprofessionellen" Gelegenheitshörer zumuten?

Tonales Hören gehört offenbar weltweit zur menschlichen Grundausstattung, daran ändert sich nichts, auch wenn wir jahrelang ausschließlich mit nicht tonaler Musik beschallt würden. Und das Hirnstrommuster von Testpersonen zeigt bei "falschen" Akkorden deutliche Ausbuchtungen, auch wenn die Probanden ihren Erfahrungen oder Vorkenntnissen nach "nichts von Musik verstehen" (Kurier, 24.2.2001). Doch meinen die missionarischen Verfechter einer krampfhaft und um jeden Preis neutönenden Musik, alle Welt müsse zur "fortschrittlichen" zeitgenössischen Musiksprache bekehrt, gezwungen werden. Tatsache ist, dass viele Menschen, auch passionierte Hörer "ernster" Musik, nicht einmal imstande sind, die erweiterten Harmonien oder melodischen Umspielungen im Jazz zu verstehen. Sie hören atonal oder erweiterte Tonalität, wo durchaus noch alles tonal zugeht.

Den fanatischen Apologeten "avantgardistischer" Musik möchte ich einmal unterstellen, dass sie ganz persönliche Gründe haben, die tonale Basis unseres Hörens zu meiden oder zu leugnen: sie sind zumindest teilweise "berufsgeschädigt": Durch jahrelanges, zum Teil wenig erfolgreiches Üben stellen sich Überdruss, Frustrationen ein, die den Wunsch nach "Würzigem", nach "Schockierendem", Provozierendem, atavistisch Lärmendem oder nach sonst einer Macke wecken. Und schon ist das Malheur geschehen: Sie leiten daraus ab, alle Welt, auch die der Nicht-Profis, die Welt der nicht berufsgeschädigten Normalmenschen, müsse ihrem "leuchtenden" Weg des Schrillen, Lärmenden, des zudem durch Abnützung bisweilen längst belanglos Gewordenen folgen. Sie werden bestätigt darin, dass sich Musikwissenschaft bzw. Musikgeschichte überwiegend an der Neuheit des reinen Materials, viel weniger aber an sonstigen Qualitäten orientieren. Das ist natürlich einfacher als sich dem Geheimnissen gelungener Musik innerhalb durchaus präexistenter Idiome sprachlich oder musikanalytisch zu nähern, sie verständlich zu machen.

In Wirklichkeit gibt es ohnehin keine unkonventionelle Musik, die nicht auf die konventionelle in irgend einer Weise Bezug nähme, keine "Avantgarde", die nicht auf traditionelle, allgemeinverständliche Musik angewiesen wäre. Ohne die Existenz einer tonalen Musik wären 90 Prozent atonaler Musik schlagartig absolut sinnlos. Aber das ist ein anderes Thema.

Freiheit der Kunst ist ein Bereich menschlicher Freiheit, die bekanntlich dort aufzuhören beginnt, wo die Freiheit anderer Mitmenschen anfängt.

Die meisten Menschen auf dieser Erde wollen traditionelle, meist tonale Musik hören und musizieren, das ist ein Faktum, das man etwa angesichts der Tonträgerverkaufsstatistiken nicht wegleugnen kann. Eine Anmaßung ist es zu erwarten, sie hätten ab nun etwas anderes gut zu finden als das, was ihnen immer noch sehr viel bedeutet, weil sie es verstehen oder positiv erleben. Freiheit der Kunst bedeutet die freie Entscheidung jedes Einzelnen darüber, welcher Ausdrucksformen er sich bedient oder welche er sich zu Gemüte führen will, je nach dem, was er gerade vor hat oder wie ihm gerade zu Mute ist. Ohne dass er Gefahr läuft, mit Hochmut als "reaktionär", unzeitgemäß etc. etikettiert und von der hehren dokumentierenden und einordnenden Wissenschaft völlig ignoriert zu werden.

Man sollte sich nicht entschuldigen oder genieren müssen, wenn man tonale Musik hört oder schaffen möchte. Denn erst dann herrschte tatsächlich die vielzitierte und oft bemühte Freiheit der Kunst, ganz allgemein.

Die meisten Musikhörer leiden nicht am Überdruss-Syndrom der Propagandisten der sogenannten Freiheit, "die sie meinen", die in Wirklichkeit oft Ausgrenzung, Diskriminierung, Intoleranz bedeutet, was nicht zuletzt zu einer allgemeinen Verunsicherung in Fragen künstlerischen Geschmacks geführt hat. Wer traut sich heute schon offen und ehrlich überall zuzugeben, was ihm wirklich gefällt und was ihm missfällt?