10 Jahre Projekt Hellas
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1995
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Vom Luxus des Vergleichs | ||||||
Hans
Kristoferitsch (MJ 1997)
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Es führt ja doch zu nichts! Alle Versuche, dem Erlernen des Altgriechischen
einen irgendwie gearteten „Nutzen“ zuzuschreiben, sind verurteilt zu scheitern.
Bekennen wir also getrost: Altgriechisch ist völlig nutzlos! Es ist der
pure Luxus! Es ist ein herrlicher Luxus!
Vier Jahre zu investieren in diese Sprache, die man wenige Jahre später vollkommen verlernt hat, das ist Luxus. (Nur noch ein paar Verse kann man rezitieren, dann ersteht vor dem inneren Auge wieder die Schönheit des Altgriechischen, diese so voll klingenden, vokalreichen Worte). Der Gipfel des Luxus aber war es, Griechenland zu bereisen, all diese herrlichen Orte zu sehen: Korinth, die Insel Ägina, den Tempel von Kap Sunion, Nauplio, Pylos, Mistras. Aber auch: durch Olivenhaine zu wandern, Orangen zu pflücken, dem Sonnenuntergang entgegenzuschwimmen, auf dem Taygetosgebirge Joghurt und Honig zu essen. Es sind diese vielen Bilder, die bleiben. Warum also sich nicht zu diesem Luxus bekennen? Mathematik oder Chemie vergisst man ja schließlich genauso wie das Altgriechische. Die Bilder aber bleiben. Und sie erlauben zu sagen: „Verglichen mit dem Theater von Delphi...“ Oder, noch schöner: „Weißt du noch, als wir von der Hotelterrasse auf den Parthenon geschaut haben?“ Und Bilder sind es auch, die uns Homer, Sappho, Aristophanes und Platon in ihren Texten erschließen. So entsteht ein Koordinatensystem aus Bildern, das erlaubt, sich zu orientieren, zu vergleichen. Die antike Literatur verhilft uns ebenso wie das Reisen zu einer Basis, einem festen Punkt inmitten einer Zeit, in der fast alles relativ ist. Ja, Altgriechisch ist Luxus. Ja, es ist nutzloser Luxus. Aber es ist kein sinnloser Luxus, vergleichen zu können. Genau genommen gibt es kaum etwas Wichtigeres. |
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Aus dem 167. Jahresbericht des Schottengymnasiums 2000/2001, S. 33
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