© Heinz Dieter Pohl

 

Kärnten - deutsche und slowenische Namen

Namenkundliche Grundlagen

 

Dieser Beitrag entstand anlässlich der Neuerscheinung von

Unsere slowenischen Ortsnamen / Naša slovenska krajevna imena

(siehe http://members.chello.at/heinz.pohl/NB_Inhalt.htm)

 

Siehe auch: http://www.volksgruppenbuero.at/services/C32

 

Mein Beitrag aus dem Sammelband Ein Kärnten. Die Lösung.

Hrsg. vom Amt der Kärntner Landesregierung (Volksgruppenbüro).

Klagenfurt, Verlag Heyn 2012, S. 123-130

(ISBN 978-3-7084-0475-2)

 

zuletzt am 31.1.2013 umgearbeitet

 

 

Vorbemerkung: Grundlage dieser Darstellung war ein in ONOMA 2001 [2002], erschienener Artikel (Schriftenverzeichnis Nr. 232), später ergänzt und erweitert;

weitere Hinweise und Anmerkungen sind in eckigen Klammern und in kleinerer blauer Schrift eingefügt.

Achtung: dieser Beitrag enthält Sonderzeichen (Arial Unicode MS oder Times New Unicode).

Wenn Ihr Programm diese nicht unterstützt und Sie offene Fragen haben, wenden Sie sich bitte an mich (heinz.pohl@chello.at )

 

Siehe auch: http://members.chello.at/heinz.pohl/Namenbuch.htm

sowie http://www.uni-klu.ac.at/groups/spw/oenf/Kaernten_Namen_als_Kulturgut.htm

sowie http://members.chello.at/heinz.pohl/Namengut.htm

 

Familiennamen:

Überblick über die Kärntner Familiennamen bzw. zu den typisch kärntnerischen Familiennamen auf –nig/-nik,

eine Zusammenschau auf Grund eines noch nicht publizierten Vortrages hier (mit einigen Karten).

 

Zur Diskussion über die „richtige“ Schreibung der slowenischen Ortsnamen:

http://members.chello.at/heinz.pohl/Auffassungsunterschiede.htm

Zum Ortsverzeichnis: http://members.chello.at/heinz.pohl/Ortsverzeichnis.htm

auf Grund der sogenannten „Konsenskonferenz“ vom 15. Mai 2005, der „Topographieverordnung-Kärnten“ vom 17. Juli 2006, der im April 2011 erzielten und am 6. Juli 2011 im Nationalrat beschlossenen „Ortstafellösung“ und der Broschüre „10 Jahre Ortstafelerkenntnis“ (Klagenfurt 2011, im Internet unter http://www.ortstafel.info/)

 

Inhalt: 1. Allgemeines. 2. Die Kärntner Sprach- und Namenlandschaft. 3. Soziolinguistische Hintergründe. 4. Alter der slowenischen Namen. 5. Übernahme deutscher Namen ins Slowenische. 6. Morphologie: 6.1. -iče; 6.2. ves~vas; 6.3. -ica; 6.4. slow. -je / dt. –ach; 6.5. -nik 7. Schlusswort.

 

1. Allgemeines

An zweisprachigen (slowenisch-deutschen und deutsch-slowenischen) Ortsverzeichnissen für Kärnten gibt es wahrlich keinen Mangel. Abgesehen von den altösterreichischen amtlichen Ortsrepertorien seien hier erwähnt Klemenčič 1972 und Dvojezična Koroška 1982; besondere Beachtung verdient aber Zdovc 1993 (und 2010), der neben den amtlichen und slowenisch-schriftsprachlichen Bezeichnungen auch mundartliche und historische Namensformen anführt [genaue Titel s. Literaturverzeichnis. – Vgl. meine Rezension (zu Zdovc 1993) in: Österreichische Namenforschung 22-23 (1994-95) 113ff. und in Pohl 2000, 107ff.].

Für den Namenforscher sind solche Verzeichnisse ein wichtiges Werkzeug, doch das Hauptinteresse der Onomastik ist auf die Herkunft der Namen gerichtet, deren historische Schichtung und die Gesetzmäßigkeiten der Entsprechungen der einzelnen Formen in beiden Landessprachen. Einer solchen Fragestellung ging ich erstmals 1986 nach [Pohl 1986], indem ich die Namen des gemischtsprachigen Gebietes nach ihrer Herkunft gruppierte, erstmals unter Einschluss auch der Berg- und Gewässernamen. Diesem ersten Versuch folgte 1992 ein weiterer [Pohl 1992] – mit den wichtigsten etymologischen Angaben. In dem nun vorliegenden neuen Band „Unsere slowenischen Ortsnamen – Naša slovenska krajevna imena“ [Neubearbeitung von „Kärnten – deutsche und slowenische Namen / Koroška – slovenska in nemška imena“ = Österreichische Namenforschung 28 (2000) Heft 2-3 (auch als Lizenzausgabe im Hermagoras-Verlag / Mohorjeva založba in Klagenfurt / Celovec erschienen.] wurden die Namenerklärungen erweitert und bei jedem Objekt wird seine Lage angegeben (bei Ortschaften die Gemeinde, bei Bergen die Gebirgsgruppe und bei Gewässernamen die entsprechende Nummer der Österreich-Karte [ÖK 50]). Außerdem werden einige allgemeine Angaben zu Sprache und Geschichte der Slowenen in Kärnten und Österreich geboten.

Am Prinzip der Anordnung des Namenmaterials hat sich gegenüber meinen früheren Versionen nichts geändert. Dieses wird getrennt nach Orts-, Berg- und Gewässernamen einerseits und Namen slowenischer, deutscher, vordeutscher/vorslowenischer Herkunft bzw. Übersetzungsnamen und verschiedene benannten Objekten andererseits geboten. Darüber hinaus werden nicht nur die Namen des heutigen bzw. gemischtsprachigen Gebietes angeführt, sondern auch die slowenischen Bezeichnungen für außerhalb davon liegende Objekte. Insgesamt sind pro Sprache rund 1200 Objekte enthalten. Außerdem werden die wichtigsten Namen slawischer/slowenischer Herkunft außerhalb des gemischtsprachigen Gebietes in Kärnten (einschließlich Osttirol) vorgestellt.

Im gemischtsprachigen Gebiet sind ca.

40,4 %       Namen slowenischen Ursprungs,

15,8 %       Namen deutschen Ursprungs,

28,7 %       Namen, die von einer Sprache in die andere übersetzt wurden

11,5 %       verschieden benannte Objekte, und

3,6 %         weder deutschen noch slowenischen Ursprungs, sondern dem römerzeitlichen und vorrömischen Substrat zugehörig.

Diese Prozentzahlen unterscheiden sich von denen, wie sie Kranzmayer [Kranzmayer 1956, Karte 4 u. 6 in der Beilage] angegeben hatte: durchschnittlich 37-57% slowenischer und 40-57% deutscher Herkunft – bedingt u.a. durch die verschiedene Zuordnung der Übersetzungsnamen [vgl. Kranzmayer 1956, 102], durch verschieden verlaufene Besiedlung [vgl. Kranzmayer 1956, 160f.] u. dgl. sowie durch die Tatsache, dass in meinen Berechnungen nicht nur Siedlungsnamen, sondern auch Berg- und Gewässernamen berücksichtigt wurden.

 

2. Die Kärntner Sprach- und Namenlandschaft

Die Kärntner Sprachlandschaft ist eine historisch gewordene. Sie ist das Ergebnis der Einwanderung von Slawen (Slowenen) und Germanen (Baiern) nach dem Untergang des Weströmischen Reiches in ein keineswegs menschenleeres Land, was im frühen Mittelalter zu einer sehr heterogenen und polyglotten Bevölkerung geführt hat. Schließlich hat sich (nach wenigen Generationen) zunächst das Alpenslawische (Altslowenische oder „Karantanische“), später dann zunehmend das (germanische) Althochdeutsche (in seiner bairischen Ausprägung) durchgesetzt, wobei sich das Bairische – die Baiern selbst sind im Zuge der fränkischen Machtergreifung im alpinen Raum aufgrund einer Ethnogenese von Germanen, Keltoromanen und einiger Restgruppen hervorgegangen – im Laufe der Jahrhunderte immer mehr auf Kosten des Slawischen ausbreiten konnte und das Alpenslawische bzw. „Karantanische“ in die slowenische Glottogenese einbezogen wurde und das Slowenische selbst sich seit der Neuzeit nur im Süden des Landes, vornehmlich im Unteren Gail- sowie im Rosen- und Jauntal behaupten konnte; noch im 19. Jhdt. gab es am Ossiacher Tauern und rund um den Wörthersee bis in die nördlichen Vororte Klagenfurts einen erheblichen slowenischen Bevölkerungsanteil.

Dies hier in wenigen Sätzen Skizzierte widerspiegelt sich in der Kärntner Namenlandschaft.

(1) einen Teil der Namen haben Baiern und Slawen von der keltisch-romanischen Vorbevölkerung übernommen;

(2) die übrigen Namen (der größte Teil) sind bairischer, also deutscher, und slawischer, also slowenischer Herkunft (wobei der prozentuale Anteil von Namen deutscher und slawischer Herkunft schwankt; höhere slowenische Anteile finden wir auch in Oberkärnten und Osttirol, während diese im Lieser-, Metnitz- und Lavanttal eher gering sind, s. Karte).

(ad 1) Zu diesen Namen gehören v.a. die Gewässernamen, die überhaupt das älteste onomastische Material repräsentieren, sowie einige Siedlungsnamen und der Name des Landes Kärnten selbst [zu kelt. karanto- ‘Stein, Fels’, zur selben Wurzel auch Karnburg, Karawanken u.a. (Pohl 2000, 84f. u. 87 sowie 118)]. Alle großen Flüsse Kärntens gehören hierher (Drau, Gail, Gurk, Lavant usw.), ferner die Tauern, das Katsch-, Jaun- und Gitschtal, und einige Siedlungsnamen (z.B. Villach). Auch Spuren einer Romanität [Der romanische Anteil im österreichischen Namengut östlich der Linie Villach – Salzburg ist eher gering. Ich selbst habe ihn früher weit höher eingeschätzt und viele etymologische Erklärungsversuche verworfen, dazu s. jetzt Schriftenverzeichnis Nr. 335; nicht romanisch sind u.a. die Namen mit dem Element Ladin- (Familiennamen/Hofnamen Ladinig, Siedlungsnamen Lading und Ladein usw.); diese können nur ein altslowenisches *lędina ‘Brachland’ enthalten. Auch slaw. plan- in slow. planina ‘Alm’ (usw.) ist kein romanisches Lehnwort im engeren Sinn (dies zeigt schon das ukrain. polonyna), sondern dieses ist von rom. planus ‘eben’ überlagert worden, was erklärt, warum es gerade im romanisch-slawischen Übergangsgebiet so häufig ist] lassen sich nachweisen (Irschen [zum rom. Personennamen Ursinus], Federaun [aus rom. veterona ‘(etwa) Brachfeld’] u.a.), und die jüngere Forschung bringt weitere ans Tageslicht (z.B. Egel [ma. alt Egel (m.) ‘spitzer Berg’, Bergappellativ rom. Ursprungs, vgl. lat. aculeus ‘Stachel’ bzw. rom. *acuileu (> frz. Bergappellativ aiguille)], Kotschna [das in den Karawanken und Steiner Alpen (Kamniške Alpe) häufige Kotschna / Kočna zu rom. coccinus ‘rot’]).

(ad 2) Hier ist zu unterscheiden zwischen:

(I)    (a) etymologisch deutschen Namen;

       (b) etymologisch slawischen/slowenischen Namen;

       (c) Übersetzungsnamen (also Namen, die sowohl zu a als auch zu b zu zählen wären);

       (d) verschieden benannten Objekten;

       (e) etymologisch weder deutsche noch slawische Namen (die aber dennoch meist von der einen der anderen Sprache vermittelt worden sind);

(II)   (f) im Deutschen gebrauchten Namen;

       (g) im Slowenischen gebrauchten Namen, wobei sich zwischen I und II kaum eine klare und eindeutige Beziehung herstellen lässt.

Betrachten wir zunächst einige Beispiele:

(I)    ad (a) Feldkirchen, Bleiburg, Aich, Finkenstein, Hart, Ludmannsdorf, Maria Elend, Neuhaus an der Gail, Rain, Völkermarkt;

       ad (b) Ferlach, Friesach, Goritschach, Göriach, Görtschach (die meisten Namen auf -ach waren ursprünglich Lokative von Einwohnernamen, in unseren Beispielen ist slow. borovje ‘Föhrenwald’ und breza ‘Birke’ oder breg ‘Abhang, Rain, Ufer’ sowie gora ‘Berg’ bzw. gorica ‘kleiner Berg, Bichl’ enthalten), Achomitz, Feistritz, Frög, Gösselsdorf, Wellersdorf, Globasnitz;

       ad (c) Aich ~ Dob ‘Eiche’, Moos ~ Blato ‘Moor, Sumpf’, Müllnern ~ Mlinare/Mlinče ‘Müller’ | -dorf ~ vas/-vs;

       ad (d) Hart | Breg, Maria Elend | Podgorje, Maria Rain | žihpolje;

       ad (e) Jauntal [der Name beruht auf der kelt.-röm. Siedlung *Iuenna auf dem Hemmaberg; dieser Ort ist entweder nach einer kelt. Gottheit benannt, etwa Jounat, er kann aber auch auf einem indogerman. *uenā (‘mit Sand, Kies usw. durchmischtes Wasser’, zur Wurzel *e- ‘vermengen’) beruhen], Drau [ < indogerman. *drou̯os ‘Flusslauf’ (latein. Dravus, dt. alt/mundartlich Traa, Trage usw., slow. Drava)], Lavant [< indogerman. *albhant- ‘weißer Fluss’ (über altslow. *labant- > dt. [láfant], slow. Labotnica, mundartlich łábota)], Villach [romanischer Herkunft, auf Slow. heißt die Stadt Beljak, älter Bilak (bei Gutsmann 1789), mdal. Bljak)].

(II)                                      ad (f)                          ad (g)

Achomitz                  Zahomec      

Aich                           Dob

Bleiburg                    Pliberk

Drau                          Drava

Feistritz                     Bistrica

Feldkirchen              Trg     

Ferlach                      Borovlje

Finkenstein              Bekštanj

Frög                           Breg

Globasnitz                Globas­nica

Göriach                     Gorje

Goritschach              Goriče

Görtschach               Goriče

Gösselsdorf              Goselna vas

Hart                            Breg, Ločilo, Dobrava

Jauntal                      Podjuna

Lavant                       Labotnica

Ludmannsdorf         Bilčovs

Maria Elend              Podgorje

Maria Rain                žihpolje

Moos                         Blato

Müllnern                    Mlinare, Mlinče

Neuhaus a.d.G.       Pod Turjo

Rain                           Breg

Villach                       Beljak

Völkermarkt              Velikovec

Wellersdorf               Velinja vas

Es zeigt sich also, dass es (unbeschadet der Etymologie) grundsätzlich im Deutschen und Slowenischen jeweils eigene Bezeichnungen (verschiedene Namen) für ein und dieselbe Ortschaft gibt. In gemischtsprachigen Gebieten (inkl. der nächsten Umgebung) verhält es sich grundsätzlich so, dass es für jeden Namen zwei Formen gibt, die sich unerheblich voneinander (z.B. dt. Globasnitz vs. slow. Globasnica) unterscheiden können bis hin zum Gebrauch zweier grundverschiedener Wörter, die auch semantisch nicht miteinander übereinstimmen (z.B. dt. Feldkirchen vs. slow. Trg, letzteres bedeutet ‘Markt’). Sonst gibt es meist nur für allgemein bekannte Namen zwei Formen (z.B. dt. Wien, Laibach vs. slow. Dunaj, Ljubljana), während die übrigen Namen in ihrer Originallautung (und -schreibung), allerdings phonetisch angepasst, übernommen werden.

Dass zwischen I (Herkunft der Namen) und II (Sprachgebrauch) keine oder nur eine sehr oberflächliche Beziehung herzustellen ist, zeigen z.B. folgende beide Namen:

       dt.        Tauern                       slow.   Tur(j)e

                   Völkermarkt                          Velikovec

Der Name der Tauern ist ein altes Substratwort, Tauern bedeutet ‘Gebirge; Pass, für den Viehtrieb geeigneter Gebirgsübergang’ und ist ein Sammelbegriff für einen Teil der Zentralalpen, die ursprüngliche Bedeutung war ‘Berg’ (vorröm. bzw. roman. *taur- ‘Berg’), erst später ‘Pass’. Ein zweites Tauern beruht auf dem gemein­slaw. Wort tur- ‘Bodenschwellung, ableitiger Hügel’ (neben anderen Bedeutungen), das im Slow. in Namen wie turje mit der Bedeutung ‘stark ableitiger Hügel’ erscheint. Dieses liegt u.a. dem Namen (Ossiacher) Tauern, slow. (Osojske) Turje, und dem Turia-Wald, slow. Turje zu Grunde (außerhalb der eigentlichen „Tauern“); dazu kommt noch die einen abgekommenen Berg­namen enthaltende slow. Benennung Pod Turjo (wörtlich ‘unter dem Tauern’) für Neuhaus an der Gail. Es lassen sich also beide Namensformen nur bedingt gleichsetzen.

Auf den ersten Blick scheint zwischen Völkermarkt und Velikovec ein engerer Zusammenhang zu bestehen, bei näherer Betrachtung besteht ein nur sehr entfernter. Zunächst: einem deutschen /f/ in Namen slawischer Herkunft entspricht im Slowenischen /b/ (vgl. slow. Bistrica, Bela, dt. Feistritz, Vellach/Fellach), und tatsächlich, die slowenische mundartliche Ausgangsform lautet etwa Belkovec/Blekovec [blqòu̯c] (bei Gutsmann 1789 Belkovec u. Blikouc neben Velkouc u. Velikovec), nicht (wie geschrieben) Velikovec, die sich wohl an das deutsche Schriftbild anlehnt.

 

3. Soziolinguistische Hintergründe [s.a. 7 Schlusswort]

In diesem Zusammenhang ist das Begriffspaar „hochsprachlich“ und „volkstümlich (mundartlich)“ verwendet worden. Während bei den deutschen Ortsnamen im Allgemeinen ein stillschweigender Kompromiss zwischen deren volkstümlicher (auf der lokalen Mundart beruhenden) und hochdeutschen (schriftsprachlichen) Lautung vorliegt, der in der langen Tradition der Verwendung des Deutschen als Amtssprache begründet ist, gibt es im Slowenischen sehr oft voneinander erheblich abweichende hochsprachliche und volkstümliche Namenformen. Erst im Zuge der Begründung eines slowenischen Schrifttums sind viele Toponyme verschriftsprachlicht worden, wobei es oft Missgriffe gegeben hat, wie z.B. beim Ortsnamen Krnski grad ‘Karnburg’: die volkstümliche slowenische Form lautet Karempurg, die ein älteres dt. Chaerenpurch (1201) reflektiert; richtig wäre slow. Koroški Grad (so bei Jarnik). Mag es auch verständlich sein, Ortsnamen im historischen slowenischen Siedlungsgebiet mit einer hochsprachlichen Etikette versehen zu wollen, sind künstliche Slowenisierungen abzulehnen (z.B. Sovodnje ‘Gmünd’). Der Ehrlichkeit halber sei vermerkt, dass es auch künstliche Germanisierung von Namen slawischer Herkunft gibt, so ersetzte man beispielsweise den Bergnamen Gerloutz, Harlouz (slow. Grlovec) in den ersten Dezennien des 20. Jhdts. durch die Bezeichnung Ferlacher Horn.

Hinter dem Ortstafelstreit [oder „Ortstafelsturm“ Im Jahre 1972. Es wurden im gemischtsprachigen Kerngebiet Kärntens deutsch und slowenisch beschriftete Ortstafeln aufgestellt, die (nicht nur) bei der deutschsprachigen Bevölkerung auf schroffe Ablehnung stießen und entfernt wurden. Einige Jahre später stellte man in einem Teil des gemischtsprachigen Gebietes neuerdings doppelsprachige Ortstafeln auf (mit den amtlichen slowenischen Bezeichnungen)] hat sich gleichzeitig ein zweiter Streit abgespielt. Wenn man sich entschließt, neben dem deutschen Ortsnamen auch den slowenischen anzugeben, erhebt sich die Frage, ob man die ortsübliche, d.i. mundartliche Namenform verwenden soll, oder die hochsprachliche. In Österreich hat man sich (schon in der Monarchie) für ersteres entschieden, es hieß also früher in Ortsnamen amtlich stets ves gegenüber schriftsprachlich vas ‘Dorf’, z.B. Ober-, Unterdorf (Gem. Neuhaus): Gornja, Dolnja ves (Suha). In slowenischen Publikationen wird hingegen meist vas verwendet [Vgl. Dvojezična Koroška, Klemenčič 1972, Zdovc 1993], neuerdings auch amtlich. Dies hat freilich soziolinguistische Gründe: die Verwendung der Lautung vas unterstreicht die Einheit des Slowenischen innerhalb und außerhalb der Republik Slowenien, während ves einen charakteristischen Zug der Kärntner slowenischen Dialekte widerspiegelt [bis ca. 1972 hatte sich niemand an ves gestoßen und sogar noch später tauchen ves-Formen in (ex-) jugoslawischen slowenischen Zeitungen auf (vgl. Ogris 1986, 102 mit Lit.; dazu vgl. auch Ogris 1981, 399-401 samt Abb. 2-5)]. Mit anderen Worten: ves ist die einheimische, traditionelle Form, vas die hochsprachlich festgelegte [vgl. dazu Ogris 1986, 101f.]. Es ließen sich weitere Beispiele beibringen (z.B. Tutzach, Gem. Ebenthal, mundartlich Tulce, genauer Tułce [tú:ce oder túwce], schriftsprachlich Tuce, früher Tuče) [auch einige slowenische Autoren plädieren für Tulce (z.B. Čop 1976, 99)], Näheres dazu s. Auffassungsunterschiede, dort weiter zu einer Namenliste.

Als im Jahre 1972 zum ersten Mal seit 1918 wiederum zweisprachige Ortstafeln aufgestellt wurden, hat dazu das Kärntner Landesarchiv die entsprechende Liste mit den 205 slowenischen Ortsnamen vorgelegt; es hat sich dabei an die österreichische Tradition gehalten und sich nach dem Prinzip der „Ortsüblichkeit“ orientiert, also solche Formen verwendet, wie sie die Kärntner Slowenen selbst gebrauchen, dem Typ nach etwa deutschem Bruck (‘Brücke’) oder Brunn / Bronn / Born (‘Brunnen’) entsprechend (und ist somit unanfechtbaren linguistischen Grundsätzen gefolgt). Trotzdem wurde das Kärntner Landesarchiv von der Kärntner slowenischen Seite ob seiner Liste (ohne echten Grund) schwer angegriffen, obwohl die Vorschläge zu über 80% mit einem im ehemaligen Jugoslawien erschienenen zweisprachigen Ortsverzeichnis übereinstimmen [vgl. Ogris 1981, 400 Anm. 98. – Die vom Kärntner Landesarchiv vorgeschlagenen Namen s. u.a. bei Pohl 1992, 63f. u. Zdovc 1993, 330f. u. 339-341], womit deutlich wird, dass diese der Sache nicht dienliche Kritik unberechtigt war. Es dürften die politischen Vorstellungen der slowenischen Seite mit den wissenschaftlichen des Kärntner Landesarchivs nicht harmoniert haben – anders ist die oft unsachlich geführte Diskussion nicht zu verstehen, zumal viele vom Kärntner Landesarchiv vorgeschlagene Namensformen auch von namhaften slowenischen Forschern vertreten wurden [z.B. von Čop 1976 und Zdovc 1974 (insb. 295)]. Diese Konflikte sind auch nach der „Konsenskonferenz“ vom 15. Mai 2005 wieder neu aufgeflammt (s. Auffassungsunterschiede mit Namenliste [dazu auch Pohl 2008a]), wurden aber mit der im April 2011 erzielten und am 6. Juli 2011 im Nationalrat beschlossenen „Ortstafellösung“ überwunden.

Der Artikel 7 (Absatz 3) des Staatsvertrages [Staatsvertrag vom 15. Mai 1955 betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich (BGBl. Nr. 152 / 1955)] schreibt zwingend zweisprachige „Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur“ in den Gebieten Kärntens mit slowenischer und/oder gemischter Bevölkerung vor. Dies zu verwirklichen scheiterte im Jahre 1972 am sogenannten „Ortstafelsturm“, ein zweiter Anlauf im Rahmen der sogenannten „Konsenskonferenz“ 2005/2006 ebenfalls. Allerdings wurden im Jahre 1977 in beschränktem Umfang in acht Gemeinden zweisprachige Ortstafeln angebracht (auf Grund des Volksgruppengesetzes von 1976). Beide Maßnahmen erfolgten aufgrund der Straßenverkehrsordnung. Doch es gibt mehr Toponyme als nur Ortsnamen, nämlich außer diesen (Namen von Gemeinden und Gemeindeteilen) gibt es ja noch Gewässer-, Flur-, und Bergnamen. Während die Gewässernamen durch die kartographische Tradition mehr oder weniger fixiert sind, herrscht hinsichtlich der Flur- und Bergnamen keine befriedigende Namenfestlegung (z.B. sind für die Gerlitzen (Bergname) auch die Varianten Görlitzen und Gerlitze üblich). Bei einer Durchsicht des Kärntner Namengutes könnte man sich jeweils auf eine Namensform einigen (z.B. Gerlitzen) und im zweisprachigen Landesteil gleichzeitig eine amtliche slowenische Bezeichnung festlegen (was derzeit nur für einen kleinen Bereich gilt). Womit das Problem administrativ bewältigt wäre und eine Grundlage für künftige großzügigere Lösungen geschaffen wäre, v.a. dann, wenn die Politik endlich zur Kenntnis nehmen wird, dass unser Namengut gemeinsames Kulturgut ist.

Diese Namensvielfalt führt uns nämlich zu unserem ältesten kulturellen Erbe, unserer Sprache. Und sie zeigt, dass hier immer schon zwei Sprachen vorhanden waren, die miteinander aufs engste verwoben waren. Während sich Politiker und Juristen darüber die Köpfe zerbrechen, wie viele zweisprachige Ortstafeln aufgestellt werden sollen, übersehen sie, dass unser Gebiet schon immer zweisprachig benannt war – durch seine Einwohner. Diese Doppelbenennungen gehören zum Kärntner immateriellen Kulturerbe, wie es die UNESCO definiert hat.

 

4. Alter der slowenischen Namen

Immerhin sind einige Namen urkundlich schon vor dem Jahre 1000 belegt:

       Bela               Vellach                      (975 Velach)

       Ostrovica       Hochosterwitz          (860 Astaruuiza [mit frühslaw. ă, das erst im Laufe des 9. Jhdts. zu o weiterentwickelt wurde])

       Ribnica          Reifnitz                      (977 Ribniza)

       Trebinje         Treffen                       (860 Trebina)

       Zvirče             Wirtschach                (965 Vuirzsosah)

Ferner:

       Niederdorf (Hörzendorf)     993 Podinauuiz (= Podnja ves bzw. Spodnja vas [d.i. ‘unteres Dorf’, der Ort hatte zur Zeit seiner ersten Bezeugung einen slowenischen Namen]).

Ab 1000 nimmt die Belegdichte der Ortsnamen kontinuierlich zu; sie scheinen alle in lateinisch oder deutsch geschriebenen Urkunden auf. Was das Alter der slowenischen Namen Kärntens betrifft, ist festzuhalten, dass sie sich auf Grund linguistischer Fakten als größtenteils sehr alt erweisen, obwohl die meisten von ihnen erst relativ spät überliefert sind [was u.a. von Kronsteiner (1974 u. 1982) übersichtlich auf Grund von Kranzmayer 1956 u. 1958 gezeigt wurde]. Wenn im Deutschen einem slow. Bistrica, Suha ein Feistritz, Zauchen entspricht, bedeutet dies, dass sie ins Deutsche bereits vor der Diphthongierung (also vor dem 13. Jhdt.) entlehnt worden sind. Andererseits verrät slow. Pliberk, dass es schon sehr früh aus dt. Bleiburg (urkundlich 1228 Pliburch) entlehnt worden ist, während Slovenji Plajberk ‘Windisch Bleiberg’ jünger ist. Auch die bereits genannten ves- bzw. vas-Namen erweisen sich als alt, da deren deutsche Entsprechungen sonst nicht erklärbar wären (z.B. Žitara ves ‘Sittersdorf’).

E. Kranzmayer [Kranzmayer 1956 (besonders Kap. VI), übersichtlich zusammengestellt von Kronsteiner 1974 u. 1982] hat eine Reihe von Anhaltspunkten für die Chronologie der Übernahme von Ortsnamen ins Deutsche geliefert. So fand die nhd. Diphthongierung zwischen 1100 und 1300 statt, daher sind Namen mit Diphthongierung bereits vor dem 13 Jh. ins Deutsche übernommen worden, z.B.:

       Ribnica > Reifnitz (vor 1300)

       Bistrica > Feistritz

       Pokinje > Pakein

       Suha > Zauchen

ohne Diphthongierung erst nach dem Jahre 1300, z.B.:

       Ribnica > Ribnitza (Gewässername) (nach 1300)

       Lipica > Lippitzbach

       Suha > Sucha

Im gleichen Zeitraum erfolgte der Umlaut (o > ö bzw. ma. e; a > mhd. æ > ma. a; u keine sicheren Beispiele), z.B.:

       Gorje > Göriach (vor 1300)

       Borovlje > Ferlach

       Dragniče > Dragnitz, urk. 1308 Dregen, 1430 Draegnik

gegenüber

       Dolina > Dolina (nach 1300)

       Goriče > Goritschach

Im gleichen Zeitraum erfolgte die Substitution von slowenisch b durch mhd. v (heute gesprochen [f], geschrieben teils v, teils f), z.B.:

       Bela > Vellach (vor 1300)

       Breznica > Frießnitz

gegenüber

       Breznica > Wrießnitz (nach 1300)

       Brdo > Werda (mit b > w), oder

       Ribnica > Ribnitza (Gewässername, mit erhaltenem b)

noch jünger

       Brnice (Borovnica) > Braunitzen (ma. Bernítzen)

Vor 1300 erfolgte die Substitution von slow. s durch dt. z [ts] wie z.B. Sele > Zell, Suha > Zauchen gegenüber (nach 1350) Suha > Sucha, Sreje > Srajach. Da in der dt. Mundart die Präposition zu ‘in’ [ im älteren Dt. war der Gebrauch von zu ‘in’ allgemein üblich] vielfach zu z’ gekürzt wurde, erscheinen die zu erwartenden Namensformen des Öfteren ohne Z-, wir haben statt *Zrajach, *Ztraundorf also Rajach / Sreje (Gem. Velden a.W.), Traundorf / Strpnja ves (Gem. St. Michael ob Bleiburg). Die heutigen dt. Formen setzen somit ein altes Z- voraus, sie wurden dann > z(u) Rajach, z(u) Traundorf uminterpretiert, also mit der Präposition zu ‘in’ verwechselt und schließlich weggelassen.

Auch in den urk. Belegen finden wir z- für slaw. s-, z.B. Zandlach (Gem. Reißeck), 1160-83 Zondlach (zu slaw. sǫ‘Richter’), auch Zell (< se(d)lo ‘Dorf’) und Zedl/Zödl (< sedъlo ‘Sattel’) erscheinen (samt Ableitungen) urkundlich meist mit z- (z.B. 1162 Zethlich für Zedl (Gem. Gurk). Mitunter kommt auch c- vor (wie 1267-81 Cel für heutiges Zell[-Pfarre] / Sele).

Dass in früher Zeit mhd. s nicht mit slow. s identisch war, zeigt auch die Tatsache, dass mhd. s in Entlehnungen ins Slowenische mit ž wiedergegeben wurde, z.B. beruht slow. žihpolje auf dt. (1200) Sichbuchl ‘Maria Rain’ oder Salzenberg entspricht žavška Gora (Gem. Griffen). Noch bevor ahd./mhd. s + Konsonant > nhd. sch + Konsonant geworden war, wurde es daher im Slowenischen mit ž wiedergegeben, z.B. Schwaig / žvajga (zu mhd. sweige ‘Sennerei’, Gem. Völkermarkt).

Das (dt.) Phonem /š/, geschrieben sch, ist in mhd. Zeit entstanden, denn erst in der Mitte des 11. Jhdts. war der Übergang von ahd. sk über s-ch (wie heute noch im Niederländischen) zu mhd./nhd. sch [š] abgeschlossen. Daher widerspiegeln slow. Škofiče ‘Scheifling’ und Škofljica ‘Skoflitzen’ die alte dt. Lautung (slow. škof < ahd. biscof, mhd. bischof). Umgekehrt wurde in früher Zeit inlautendes slow. š durch dt. chs sub­stituiert, welchem Umstand u.a. dt. Trixen neben slow. Trušnje (Gem. Völkermarkt) zu verdanken ist (urk. 822 Truhsna, 1106 Truhsina [wohl zu kelt. [vorkelt.] trok-/truk- ‘Spalte, Abzugskanal’, vielleicht auch zum slaw. Personennamen Trušь / Truchъ]). Dass dies kein Einzelfall ist, zeigen auch die Ortsname Tessendorf (Gem. Klagenfurt), slow. ma. Došnja ves (urk. 1303 Dahsendorf) und Ochsendorf (Gem. Brückl), slow. mda. Došinje [ beide auf dem slow. Personennamen Radoš o.ä. beruhend]. Dazu kommt noch Eixendorf (Gem. Mölbling), das auf slaw. *Liš- (zu lisъ ‘Fuchs’) zurückzuführen ist [Auch Flatschach (Steiermark) ist urk. mit -chs- bezeugt: 1179 Flachsaha]. Auch deutsche Lehnwörter aus dem Slowenischen weisen diese Lautentwicklung auf: dt. ma. Kraxen ‘Rückentrage’ < frühslow. *krăšńa sowie die alten dt. ma. Nebenformen khaiksn bzw. Kaixen neben Keusche ‘kleines Bauerhaus, Kate’ < slaw. *chyša ‘Haus’.

Das Althochdeutsche hatte also damals noch kein Phonem /š/, ebensowenig die Affrikate /tš/. Daher wurde bei früher Entlehnung ins Deutsche slow. č zunächst auch durch s wiedergegeben wie z.B. Saak / Čače (< čadiče < slaw. *čadik’e, Gem. Nötsch) oder Sirnitz < slaw. *čьrnica ‘Schwarzenbach’, dazu auch Sierning (Oberösterreich, urk. 791 Sirnicam), Großsierning (Niederösterreich, 1120 Sirniche), Sieding (Niederösterreich, urk. 1110-1140 Sirnikke); einige Zwischenstufen weist der Bergname Schöckl (bei Graz) auf: 1147 oder 1151 mons Sekkel, 1295 Schekel, 1326 Schöckhl, 1348 Tsekel; der Schöckl bei Aflenz ist 1494 als Scheckel bezeugt, hingegen der Tschekelnock (Karnische Alpen) bereits 1524 Tschegkhen, 1713-17 Tschöggl; all diesen Bergnamen liegt ein altes slow. *čekalo oder *čekelj ‘Wachtberg, Warte’ zu Grunde. Slaw. č wird also erst recht spät durch tsch wiedergegeben wie z.B. in Čemernica / Tschemernitzen (Gem. St. Jakob i.R.). Daraus folgt, dass auch Namen wie Tscharniedling (< *črьnidlo ‘schwarzer Ort’ + -ьnikъ Gem. Dölsach, Osttirol), Tschachítsch (abgekommen, Waiern, Gem. Feldkirchen i.K., urk. 1125-41 Sachuis, 1190 Zachuz), Tschirnig (Gem. St. Georgen am Längsee, urk. 1162 Tirnik [T- statt S- wohl Schreibfehler], 1202 Sirwich < *črьnik’e ‘Schwarzdorf’), Tschierweg (Gem. Millstatt, urk. 1075-90 Survvic, 1177 Sirnuwich [wohl zu slaw. čerь (fem.) ‘Stein, Fels’ oder zu slaw. črьvь ‘Wurm’ im Sinne von ‘rötlich’]) sowie Tscheltsch (zu čelo ‘Stirn’, urk. 1371 Zelz) und Tschiedl (urk. 1374 Motschidel < slaw. močidlo ‘feuchte Stelle’), beide Lesachtal, aus Gegenden stammen, in denen noch sehr lange slowenisch gesprochen wurde, was durch die urk. Belege mit /s/ unterstrichen wird.

In früher Zeit konnte auch slow. z- > dt. z [ts] werden, v.a. in Oberkärnten und Osttirol, z.B. Zgurn (urk. 1516 Tsgurrn, Gem. Spittal a.d. Drau), < slow. zgornja ‘obere (Gegend)’, doch mitunter auch in Unterkärnten, wobei in solchen Fällen Z- ebenfalls verloren gehen konnte wie z.B. in Wirtschach / Zvirče (Gem. Poggersdorf),

Sehr alt sind auch jene Fälle, wo urslaw. tj durch deutsch /k/, urkundlich meist ch, also alpenslaw. wohl [k’], ersetzt ist, z.B.:

       *Borik’e > Förk (slow. Borče)

       *Pek’e > Pöckau (ma. Peckach, slow. Peče)

       *Bak’e > Faak (slow. Bače)

Sonstige Erscheinungen (y > i, ę / ǫ > e / o [sehr früh] bzw. slow. Diphthongierungen [In dt. Namenformen gut belegbar, z.B. Duel / Dole], k > q, g > h, l > ł [w] [In dt. Namenforrnen gut belegbar, z.B. Sabuatach / Zablate], Verlust unbetonter i und u, lj > l u. dgl. [relativ jung]) sind für die Periodisierung der Namen nicht verwertbar.

Viele Namen sind im Slowenischen in ihrer mundartlichen Form geschrieben, z.B.:

       Borče (Förk) statt Boriče

       Dole, Dule (Dellach, Duel, Dullach) statt Dolje

       Močidle (Matschiedl) statt Močilje

       Vašinjče (Wallersberg) statt Vlaš- (zu vlah ‘Romane’).

Einige weitere Beispiele aus dem Bereich der Flurnamen mögen dies illustrieren: so ergab slow. Vranjica [wrájnca] ‘Rabenberg’ im Dt. Oreinza-Sattel. Manche Namendeutungen erfordern große Kombinationsgabe, z.B. Vajnaž ‘Weinasch’ (Bergname) = lanež ‘Bergrücken, Kamm, Grat’ oder Vojšca (Bergname) = Loščica, von log ‘Au, Wiese’. – Als besonders typisch für Kärnten gilt der Einschub von -j- vor s und š wie Vojšca und u.a. in Ojstra ‘Oistra’ (Bergname) und Ojstrnik ‘O(i)sternig’ (Bergname), zu slow. oster ‘spitz, scharf’).

Jede Beschäftigung mit dem slow. Namengut setzt also elementare Kenntnisse der Kärntner slow. Dialekte voraus; viele Namen sind nicht korrekt verschriftet worden, wie z.B. Dobrla vas~ves, dem ein ma. Dobrilja [Kranzmayer II 58] oder Dobrolja [Zdovc 1974, 297] vas~ves zugrundeliegt (wie dies auch im Deutschen vorkommt, s. Auffassungsunterschiede).

Vielfach sind auch die deutschen Namensformen nur aus der slowenischen mundartlichen Aussprache zu erklären, z.B.:

       Sabuatach = Zablate [ł]

       Bielschitza = Belščica (ě)

       Duel = Dole (ma. Diphthongierung).

Außerdem beeinflussen auch die dt. (Lehn-)Formen die slowenischen, z.B. slow. Globasnica (statt Klo-) nach dt. Globasnitz, slow. Homeliše (statt Hmelišče) nach dt. Homölisch usw. Dies müsste allerdings noch systematisch untersucht werden [vgl. dazu Pohl 1994, zuletzt Pohl 2008b].

Zum ves ~ vas-Problem vgl. 6.2.

 

5. Übernahme deutscher Namen ins Slowenische

Aufgrund lautlicher Merkmale lässt sich auch der Zeitpunkt der Übernahme von deutschen Ortsnamen ins Slowenische feststellen (allerdings nur in einem Teil der Fälle):

Diphthongierung (zwischen 1100 und 1300): daher Pliberk (1128 Pliburch) für Bleiburg, jedoch Slovenji Plajberk für Windisch Bleiberg (erst später belegt).

mhd. v (f) > slow. b (zwischen 800 und 1200): daher slow. Bekštanj, Grabštanj für Finkenstein, Grafenstein gegenüber Vajšprg für Feuersberg.

mhd. s > slow. ž (bis etwa 1350), daher slow. Možberk für Moosberg, -burg, Žingarica für Singerberg.

Bairisch p- (geschrieben b- und p-) wird im Slow. meist mit p- wiedergegeben, z.B. Pliberk ‘Bleiburg’ sowie slow. Poden aus dt. Boden.

Ferner ist ein Schwanken beim Anlaut h- (wie auch in anderen südbairischen Mundarten) zu beobachten, z.B. dt. Augsdorf neben Hausdorf, letzteres slow. Uha ves, oder slow. Harnek neben Arnek ‘Ehrnegg’ (s.u.).

 

6. Morphologie (6.1. -iče; 6.2. ves~vas; 6.3. -ica; 6.4. slow. -je / dt. -ach)

Morphologisch fallen unter den Siedlungsnamen drei Typen besonders auf:

(1) slow. -iče (6.1);

(2) slow. ves (bzw. vas) / dt. -dorf (6.2);

(3) slow. -je / dt. -(j)ach (6.4).

6.1. Der Typ -iče (Nebenform -ov-iče) geht auf ein gemeinslaw. *-itje zurück, das im Alpenslawischen bzw. Frühslowenischen -ik’e (-ovik’e) gelautet haben muss, wie man aus zahlreichen dt. Namensformen erschließen kann, z.B. Förk (< *Borik’e), Radweg (aus *Radovik’e). Sie sind noch, bevor k’ im Slow. zu č geworden ist, ins Dt. entlehnt worden, im Gegensatz etwa zu Tschachoritsch, das bereits eine slow. Lautung Čahor(i)če wie auch heute Bor(i)če, Radoviče voraussetzt. Es handelt sich dabei um ein patronymisches Suffix, das teils an Personennamen tritt, etwa Radoviče (urspr.) ‘Leute des Rado (o.ä.)’, teils Einwohnernamen bildet, wie Boriče ‘Leute am Föhrenwald’. In den dt. Namen ist es bei früher Entlehnung als -(i)k, -ig bzw. -weg übernommen oder auch durch -ing ersetzt worden (z.B. Tigring zu slow. Tigrče, ma. Tigriče). Besonders häufig war dieser Typus im sogenannten „Kroatengau“ im Glantal und Krappfeld: im Zentrum lag der Ort des „Ban“ (Faning / Baniče), im Umkreis an die 40 dem Terrain angepasste Siedlungen [vgl. Kronsteiner 1978, 150ff. mit Lit.].

6.2. Zu den Namen auf -dorf / ves bzw. vas: das einzige schwerwiegende Argument für vas ist die Tatsache, dass diese Form schriftsprachlich ist, für ves, dass diese Form die Kärntner Tradition widerspiegelt [Zdovc 1974, 301. – P. Zdovc’ Vergleich von slow. ves mit dt.ma. -durf ist (bei aller sonstigen Sachlichkeit) nicht ernst zu nehmen, denn ves ist basilektal, -durf ist stadtmundartlich und in den bäuerlichen Gebieten Kärntens nicht bodenständig. Vergleichbar mit dem ves- / vas-Problem ist im Dt. etwa Bruck neben Brücke (gelegentlich in Ortsnamen, z.B. Möllbrücke, ma. Möllbruggen), -ham neben -heim, Perg vs. Berg, Kees / Ferner vs. Gletscher usw.]. Für letzteres sprechen auch die ältesten urkundlichen Schreibungen wie -uis, es gibt allerdings eine kleine Enklave (Diex, Griffen, Ruden), wo es in der Mundart tatsächlich vas heißt [Zdovc 1974, 299, Ogris 1986, 101f.]. Nur zwei slowenische ves~vas-Namen sind frühbelegt: Gösselsdorf / Goselna vas~ves (1050: Goslauuis), sowie Podinauuiz (933) für heutiges Niederdorf (bei Hörzendorf). Sonst werden nur die deutschen Formen überliefert, z. B. 1106 Dobrendorf = Eberndorf / Dobrla vas (ma. Dobrolja bzw. Dobrilja ves, zum Personennamen Dobrilo). Gerade dieses Beispiel zeigt, dass auch der deutsche Name nur aus dem Slowenischen her verständlich ist < *Dobrenja vьsь, zu einem Personennamen Dobren, halb übersetzt Dobrendorf, über Döberndorf mit „falsch“ abgetrenntem d- (wohl vom Einwohnernamen *Döberndorfer > *Deberndorfer mit missverstandenem Artikel, also uminterpretiert zu [(de) ebərndorfər] und weiter > Eberndorf (1060-70 Obrundorf). Vielfach stimmen diese Namen im Deutschen und Slowenischen nicht überein. Oftmals sind die diesen Ortsnamen zugrunde liegenden Personennamen unklar, da sie bis zur Unkenntlichkeit entstellt sind (wie z.B. in Loga vas~ves / Augsdorf [zum ahd. Personennamen Hug-] und Ameisbichl [ein volksetymologisch umgeformter Salmannsbichl]).

Bei den meisten Namen handelt es sich um Ableitungen von Personennamen, also dem Namen der Person, die mit der Gründung des Dorfes in irgendeiner Weise verbunden ist; sie liegen in der mittelalterlichen Großkolonisation (vor 1100) begründet und stellen einen ahd. Benennungstyp mit seiner slow. Entsprechung dar. Die sind alle nach demselben Muster gebildet: im Deutschen sind sie Komposita, im Slowenischen Syntagmen aus einem Personennamen + Possessivsuffix (meist -ja, fem. zu mask. Bildungen auf -ji) + ves (fem., ma. für vas), seltener andere Bildungen, z.B. Žamanje ‘Obersammelsdorf’, Lancova ‘Lanzendorf’. Nach E. Kranzmayer entsprechen einander über 90 Prozent der slow. ves-Namen bzw. 70 Prozent der dt. -dorf-Namen. In einigen slow. Namen ist das zweite Glied ves mit dem ersten zu einem Wort verbunden, z.B. Bilčovs ‘Ludmannsdorf’, wohl von den obliquen Kasus ausgehend (lautgesetzlich hätte gemeinslaw. Nom.-Akk. vьsь, Gen.-Dat.-Lok. vьsi usw. slow. vas / ves, vsi usw. ergeben müssen und nach einem alten Gen. *Biljče vsi, Lok. *(v) Biljči vsi wurde ein Akk. *Biljčo-vs gebildet, der dann die Basis für die heutige Namensform geliefert hat). Einen zweiten solchen Typ könnten Fälle wie Grabale ves ‘Grabalja vas~ves / Grabelsdorf’ und Dole ves ‘Dolnja vas~ves / Unterdorf’ (bei denen ma. nur ves flektiert wird) repräsentieren.

Soll nun im Slowenischen der Name mit ves oder vas geschrieben werden? Beide Formen haben nämlich ihre Berechtigung, vas ist die schriftsprachliche Standardisierung, die die Einheit der slow. Sprache in ihrem Sprachgebiet unterstreicht, ves ist die mundartliche Form. Sie entspricht sowohl der Kärntner Tradition als auch den (allerdings spärlichen) urkundlichen Belegen (frühslow. *vis steht ma. ves näher als vas). Im Verein mit den ma. Formen wie Vesca ‘Dörfl’, das schriftsprachlich vasica wäre, und den sonstigen nicht standardisierten Formen wie z. B. Dole (neben Dolje) oder Dobrla vas~ves statt sprachhistorisch richtigerem Dobrilja / -olja vas~ves hat ves durchaus seine Berechtigung. Ersetzte man ves durch vas, wäre dies eine „Überstandardisierung“, so als ob man im Dt. Dörfl durch Dörfchen oder Egg durch Ecke ersetzte. Eine namenkundlich begründete Entscheidung würde daher ves den Vorrang einräumen, eine sprachpolitische sicherlich vas bevorzugen; daher verwende ich in meiner Neuauflage konsequent vas~ves bzw. die Abkürzung vs.

6.3. Ferner ist häufig v.a. slow. -ica, dt. -itz in Gewässernamen, -itzen in Bergnamen und Flurnamen bzw. von diesen abgeleiteten Siedlungsnamen, z.B. slow. Bistrica, dt. Feistritz (‘schneller Bach’), slow. Goričica, dt. Goritschitzen (‘kleiner Berg, Bichl’), mit seinen Varianten -nica, dt. -nitz(en), z.B. Ribnica / Reifnitz ‘Fischbach’, und -ščica, das v.a. Almnamen bildet wie z.B. Beljaščica ‘Villacher Alpe’ (zu slow. Beljak ‘Villach’). – In Osttirol konnte nach slow. Vorbildern das aus slow. -ica entstandene bzw. entlehnte -itz(e(n)) auch an rein deutsche Wortstämme treten. Nach Mustern wie Flurname Dolize (< slow. Dolica ‘(Wiese im) Tälchen’) und Prapernitze (< slow. Praprotnica ‘Farnkrautgegend’) oder Zabernitze ([tsawanitse] < slow. zavernica ‘Radsperre’, also ‘steile Gegend, wo man den Wagen abbremsen muss’) und Politze (zu slow. polje ‘Feld, Acker’) wurde Bodenitze (von dt. Boden), Mauritze (von dt. Mauer), Stafflitz und Staffetzle (von dt.ma. Staffel ‘(Gelände-) Stufe’) gebildet. Mit anderen Worten: -itze(n) ist zu einem produktiven Wortbildungselement für Flurnamen geworden, „kategorienbildend“ nach M. Hornung [vgl. Hornung 1978].

6.4. Die Namen auf -je sind gekürzte gemeinslaw. Bildungen auf -jane bzw. -’ane; im Lok.pl. ist -an- schon früh ausgefallen, als Lok.pl. -jachъ / -’achъ > dt. -ach wurden sie ins Deutsche entlehnt. Der Nominativ pl. auf -je ist eine slow. Neubildung; daneben existiert die längere Form als -(j)ani als produktive Bildung von Einwohnernamen bis heute weiter (z.B. Bistričani ‘die Einwohner von Feistritz’) und relikthaft in ma. Siedlungsnamen (z.B. ma. Glinjani statt Glinje ‘Glainach’). Auch der Typus -je, dt. -ach bezeichnet ursprünglich Einwohnernamen, meist von topographischen Bezeichnungen wie z.B. BorovljeFerlach’ = ‘Leute am Föhrenwald’ [Im Deutschen entsprechen (morphologisch und semantisch) die Ortsnamen auf -ern, ein auf Einwohnernamen beruhender bairisch-österreichischer Siedlungs­namentypus. Er geht letztlich auf den Dativ Plural zurück, so bedeutet der mehrmals vorkommende Name Winklern ‘bei denen, die im Winkel wohnen’ oder Pichlern ‘bei denen, die am Bichl = Bühel wohnen’. In dieser Endung ist das germanische Suffix -wariōz erhalten, das Volks- und Einwohnernamen bildet, latinisiert -varii].

Bezüglich der Namen auf -ach zeigen die Verzeichnisse, dass die Übernahme des Lokativ pl. von Einwohnernamen, die gleichzeitig Ortsnamen sind, außerordentlich beliebt ist, z.B. Gorje, älter Gorjane, Lok.pl. slow. Gorjah > dt. Göriach. Solche Namen sind bis etwa 1300 gebildet worden, später wird das Morphem -ane (umgeformt zu -ani) nur noch zur Bildung von Einwohnernamen selbst, nicht mehr von Siedlungsnamen, verwendet (z.B. Sele; Einwohner Selani [davon auch dt. Zellaner], Pliberk, Einwohner Pliberčani). Manchen Lokativen liegen allerdings keine Einwohnernamen zugrunde, z.B. Sabuatach = Zablate.

Doch nicht jedes -ach repräsentiert einen alten Lok.pl. Ein Einzelfall ist Villach / Beljak, ein weiterer Einzelfall dürfte Vellach sein, das (allerdings nur als Gewässername) dt. Ache enthält. Ein „falsches“ -ach liegt in Pudlach (slow. Podlaz) vor, ein weiteres -ach kommt nur in der dt.ma. Form vor (Peckach statt amtlich umgeformt Pöckau / Peče). Pernach ist amtlich verschrieben für Pernaich ‘Bäreneiche’ (slow. Podobje), ferner ma. Possach ‘Possau’; vgl. auch Friedlach (< Friedl-aich).

Relativ häufig kommt auch das alte bairische Kollektivsuffix -ach (aus ahd. -ahi) vor, das in der Kärntner Mundart noch lebendig ist (z.B. Kräutlach ‘Kräuter’, Angeziagach ‘Kleidung’ usw.), und zwar in den Übersetzungsnamen

       Dornach / Trnje

       Erlach / Olšje bzw. Olše

       Haslach / Lešje bzw. Lešče u. Lisje

       Haidach / Vrese bzw. Vresje

6.5. Namen auf slowenisch -nik > deutsch -nig(g): Ein besonderes Charakteristikum des „karanta­nischen“ Slowenischen bzw. des Alpenslawischen sind die zahlreichen Hof- und Familien­namen (ursprünglich Lagenamen) auf -nig(g) (usw.) < slowenisch -nik (< slawisch    -ьnikъ), die in den dem zusammen­hängenden slowenischen Sprachraum vorgelagerten (heute) deutsch­sprachigen Gebieten Kärntens, Osttirols, des Salzburger Lungaus und der Steiermark weitaus häufiger sind als im slowenischen Kerngebiet selbst; sie können als „nordslowenisch“ bezeichnet werden.

Dieses Wortbildungselement ist auch heute noch produktiv, in der slowenischen Toponymie begegnet es vor allem in Hofnamen und (häufig davon abgeleiteten) Familiennamen sowie in Bergnamen. Dass dieses Suffix gerade im deutsch-slowenischen Durchdringungsgebiet in Österreich besonders häufig ist, spricht für eine gegenseitige Beeinflussung beider Sprachen. Die slowenischen -nik-Namen entsprechen semantisch genau den deutschen Namen auf -er, z.B.:

Moser – Blatnik (zu Moos ‘Moor, Sumpf’, slowenisch blato) > Blatnig, Wlattnig usw.

Ebner – Ravnik (zu Ebene, slowenisch raven) > Raunig usw.

Wald(n)er – Lesnik (zu Wald, slowenisch les) > Lesnig, Liesnig usw.

GasteigerKlančnik (zu mittelhochdeutsch gāsteig ‘steiler bzw. jäher [> mundartlich gacher] Weg, Anstieg’, slowenisch klanec ‘Steile; steiler Weg, Hohlweg’) > Glantschnig(g), Glanznig, Quantschnig usw.

Bacher Potočnik (zu Bach, slowenisch potok) > Pototschnig, Petutschnig(g) usw.

RauterLaznik (zu Raut, slowenisch laz ‘Rodung’) > Laßnig, Lassnig usw.

Die meisten dieser slowenischen Namen auf -nik verfügen also über ein bedeutungsgleiches deutsches Pendant auf -er. Dies kann man als Ergebnis einer Parallelentwicklung unter den Bedingungen weit verbreiteter Zweisprachigkeit sehen, indem beide Sprachgemeinschaften einen gemeinsamen, korrespon­dierenden semantischen Typus mit jeweils eigenem Sprachmaterial geschaffen haben. Später konnte das slowenische -nik-Suffix auch mit deutschem Sprach­material kombiniert werden, wodurch es zu deutsch-slawischen Mischbildungen (v.a.) im Bereich der Hofnamen gekommen ist, z.B. Kogelnig (zu Kogel) u. Freithofnig (zu alt Freithof ‘Friedhof’). Umgekehrt konnte auch deutsch -er an slowenische Namen auf -nik treten, so entstand z.B. slowenisch Ravnikar ‘Ebner’, deutsch Raunikar, Raunegger usw.

Bergnamen auf -nig bzw. -nik sind z.B. Auernig, O(i)sternig, Poludnig, Rudnig-, Sadnig; Beipiel für einen Siedlungsnamen ist Kaponig (ehemals Bahnstation bei Obervellach).

[Näheres dazu Pohl 2010b]

 

7. Schlusswort

Jede Region hat ihre landschaftlichen und kulturhistorischen Besonderheiten. Während die Naturschönheiten im Allgemeinen nicht im Zentrum politischer Diskussion stehen – sofern nicht wirtschaftliche Interessen wie extensiver Tourismus, Energiegewinnung oder Bau von Verkehrswegen dagegen stehen – ist dies bei Kultur und Geschichte ganz anders. Zwar nehmen in unserem Bewusstsein antike Ausgrabungen, mittelalterliche Burgen oder neuzeitliche Kunstdenkmäler als kulturelles Erbe aus der Vergangenheit den ersten Platz ein, doch in der Regel wird vergessen, dass das älteste Erbe unsere Sprache ist und in der Sprache selbst das Namengut. Denn wenn man (wie in Kärnten) Namen wie Achomitz, slow. Zahomec (bzw. Zahołmec, etwa mit ‘Hinter­bichl’ zu übersetzen) hört, denkt man sofort an einen der zahlreichen Ortsnamen slawischer Herkunft, die den ganzen Süden und Osten Österreichs prägen. Bei Namen wie Žihpolje, der slowenischen Bezeichnung für Maria Rain südlich von Klagenfurt, wird man zunächst überrascht sein, doch ein Blick in alte Urkunden lehrt uns, dass dieser Ort früher Sichpuchl (1200) bzw. Seichbichl (1552) hieß, was soviel wie ‘feuchter Bühel, Bichl’ bedeutet, die slowenische Namensform ist also aus dem Deutschen entlehnt und -bichl wurde erst sekundär zu -polje umgeformt [bei žihpolje handelt es sich um den Einwohnernamen des Ortes, der slow. als *Žihpol (< dt. Sichpuchl) anzusetzen ist (der Anklang an slow. polje ‘Feld’ ist rein zufällig)]. Beide Namen, Achomitz und Žihpolje, legen also Zeugnis von der sprachlichen Durchmischung Kärntens auf Ebene der Toponomastik ab. Beide Sprachen, Deutsch [genauer: Bairisch (in Kärnten werden nämlich südbairische Mundarten gesprochen)] und Slowenisch, sind konstitutiv in Namengebung und Dialektologie, im deutschen Sprachgut Kärntens findet sich viel Slowenisches, im slowenischen Sprachgut viel Deutsches. Die jahrhundertelange Koexistenz beider Sprachen bzw. die Kohabitation der Sprecher im Lande ist an ihnen nicht spurlos vorübergegangen und beide Sprachen gehören zum historischen Erbe Kärntens bzw. zum „immateriellen Kulturerbe“ (wie auch der gegenseitige Lehnwortschatz beider Sprachen [dazu s. Sprachkontakt).

Dieses „immaterielle Kulturerbe“ ist in unserem Bundesland auf Schritt und Tritt feststellbar. Die Ursprünge Kärntens reichen bis in die älteste Zeit zurück, in der Antike war das Gebiet des heutigen österreichischen Bundeslandes Kärnten Bestandteil des keltischen Königreichs Regnum Noricum, das später in der römischen Provinz Noricum aufging. Zunächst auf dem Magdalensberg, dann in Virunum auf dem Zollfeld sowie in Teurnia auf dem Lurnfeld befanden sich damals die Zentren des Gebietes. Nach dem Zusammenbruch des Weströmischen Reiches wanderten ab dem 6. Jhdt. Slawen (und Awaren) ein; in der Folge kam es zur Gründung des slawischen Fürstentums Karantanien, das nach und nach unter bairische bzw. fränkische Vorherrschaft kam. Von 743 bis 907 herrschten fränkische Könige und Kaiser über das Gebiet, anschließend wurde Kärnten ein Teil des Herzogtums Baiern. 976 beginnt die Eigenständigkeit mit der Errichtung des Herzogtums Kärnten, die bis 1335 andauern sollte; anschließend wurde Kärnten habsburgisch und somit gemeinsam mit Österreich, Steiermark und Krain verwaltet.

Historisch gesehen ist Kärnten ein zweisprachiges Gebiet, denn seit seiner Begründung als Herzogtum im Jahre 976 gibt es im Lande zwei Sprachen, damals Althochdeutsch und Karantanisch, der alpenslawische Dialekt des Altslowenischen, wie er uns auch in den „Freisinger Denkmälern“ entgegentritt, dem ältesten slawischen Sprachdenkmal in lateinischer Schrift überhaupt. Spätere Sprachdenkmäler stehen der heutigen slowenischen Sprache näher als etwa mittel­hochdeutsche Texte dem modernen Standarddeutsch, wie z.B. die „Klagenfurter Handschrift“ [Diese besteht aus einem beidseitig beschriebenen Blatt (Pergament), darin ein siebenzeiliges „Vaterunser“ (Text I), dann das damals noch dreizeilige „Ave Maria“ (Text II) sowie abschließend ein zwölfzeiliges „Glaubensbekenntnis“ (Text III) in recht altertümlicher slowenischer Sprache mit deutscher Orthographie]. Früher nannte man im deutschen Sprachgebrauch die slowenische Sprache „windisch“, diese Bezeichnung – sie ist heute obsolet geworden – ist sowohl in den Beschreibungen der Herzogseinsetzung beim Fürstenstein in Karnburg bezeugt als auch im Namen „Windisches Herzogtum“ des 16. Jhdts., im Zeitalter der Reformation, dem nicht nur die deutsche Sprache einen Martin Luther zu verdanken hat, sondern auch die slowenische Sprache einen Primož Trubar – beide waren Wegbereiter einer „reformierten“ Sprache – beide Sprachen wurden zu europäischen Kultursprachen und beide sind seit damals Kärntner Landessprachen.

Kärnten war also immer schon zweisprachig, allerdings ist der Personenkreis der zweisprachigen Einwohner im Laufe der Zeit kontinuierlich, seit rund 100 Jahren sprunghaft kleiner geworden. Schon vor 400 Jahren stellte im Zeitalter des Humanismus M.G. Christalnick fest: „es haben sich die die windischen Khärndter mit den deutschen Khärndtern also gewaltiglich vereinigt, das aus ihnen beyden einerley volck ist worden“. Dieses „einerlei Volk“ hörte in der zweiten Hälfte des 19. Jhdts. auf zu existieren und man könnte in Anlehnung an Genesis 3,7 (nachdem Adam und Eva vom Baum die verbotene Frucht gegessen hatten: „dann wurde ihnen beiden die Augen aufgetan und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren“) feststellen: im 19. Jhdt. wurde den neuzeitlichen Karantanen plötzlich klar, dass sie zwei Sprachen sprechen, womit auch in Kärnten der sprachorientierte Nationalismus mit allen seinen unangenehmen Begleiterscheinungen Einzug hielt und schließlich den Rahmen zum (deutschen) „Kärntner Abwehrkampf“ bzw. zum (slowenischen) „Kampf um die Nordgrenze“ lieferte. Eine Spätfolge davon – allerdings in abgeschwächter Form – war der „Kärntner Ortstafelkonflikt“, der mit dem „Ortstafelsturm“ von 1972 seinen Höhepunkt erlebt hat und schließlich im Jahre 2011 durch die „Ortstafellösung“ im Rahmen des „Volksgruppengesetzes 1976“ eine Lösung gefunden hat. Ähnlich, wie schon in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie die Bahnstationen im gemischt­sprachigen Gebiet zweisprachig beschriftet waren, gibt es in Kärnten (wiederum seit 1976) zweisprachige Namens­aufschriften; seit 2011 beträgt die Anzahl der mit zweisprachigen Ortstafeln zu versehenden Ortschaften 164, was sich auf Ortstafeln und Wegweisern sowie bei einigen Bus- und Bahnstationen niederschlägt.

Wir haben also in den deutschen wie in den slowenischen Namen altes und auch gemeinsames Erbe vor uns, sie sind Teil unserer Geschichte. Sie zu vergessen würde einen schweren Verlust bedeuten, beide Namensformen, die deutsche und die slowenische, sind eng miteinander verbunden und deren Geschichte ist unteilbar. In gemischtsprachigen Gebieten hat jedes geografische Objekt zwei Namen, wie sie eben in der jeweiligen Sprache üblich sind. Die Kärntner wissenschaftliche Tradition ist sich dieser Tatsache voll bewusst:

„Das kulturelle Profil einer Landschaft, ihre Eigenart, wird durch das bodenständige Namengut, ob nun deutsch oder slowenisch, mitbestimmt. Diese Quelle für die Siedlungsgeschichte und das eigene Selbstverständnis zu erhalten und zu schützen sollte Aufgabe nicht nur der Historiker, sondern auch der Geographen und Linguisten sein“ [Ogris 1976, 178].

 

Literatur

ČOP 1976: D.C., Nedoslednosti v rabi in pisanju koroških krajevnih in gorskih imen. Onomastica jugoslavica 6, 83ff.

DVOJEZIČNA KOROŠKA – Zweisprachiges Kärnten. Seznam dvojezičnih krajevnih imen južne Koroške / Zweisprachiges Ortsverzeichnis von Südkärnten. Klagenfurt 1982.

Hornung 1978: M. H., Flurnamenbildung im Sprachberührungsbereich durch Kategorienbildende Suffixe. In: Festschrift H. Kaufmann (Name und Geschichte, München) 203-209.

KLEMENČIČ 1972: V.K., Koroška – Karta in imenik slovenskih in nemških krajevnih imen / Kärnten – Landkarte und Ortschaftsverzeichnis mit slowenischen und deutschen Ortsnamen. Maribor.

Kranzmayer 1956-1958: E.K., Ortsnamenbuch von Kärnten, Bd. I-II. Klagenfurt.

KRONSTEINER 1974: O.K., Die slowenischen Namen Kärntens in Geschichte und Gegenwart. Wien.

KRONSTEINER 1982: O.K., Die slowenischen Namen Kärntens (mit einer Einleitung von H.D. Pohl). Wien.

OGRIS 1976: A.O., Siedlungsgeschichte und Namenkunde am Beispiel des Kärntner Rosentales. Carinthia I 166, 155ff.

OGRIS 1981: A.O., Kärnten 1918-1920. Bilanz der wissenschaftlichen Diskussion zwischen zwei Jubiläen 1970-1980. Kärntens Volksabstimmung 1920 (hg. v. H. RUMPLER, Klagenfurt) 382ff. (darin auch viele interessante onomastische Angaben).

OGRIS 1986: A.O., Der amtliche Gebrauch zweisprachiger Ortsnamen in Kärnten aus historischer und gegenwärtiger Sicht. Carinthia I 176, 73ff.

OGRIS 1991: A.O., Zweisprachige Namen in Kärnten im Wandel. Österreichische Namenforschung 19/1991, 39ff.

OGRIS 2011: A.O., Auf Spurensuche in Kärntens Geschichte. Diskussionen und Kontroversen. Klagenfurt (= Das Kärntner Landesarchiv 39).

ÖK 50: Österreich-Karte 1:50.000 (hg. vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen, Wien).

POHL 1986: H.D.P., Die Ortsnamen des zweisprachigen Gebietes Kärntens. Eine Bestandaufnahme. Onomastica Slavogermanica 15, 103 ff. (überholt, durch Pohl 2000 ersetzt).

POHL 1992: H.D.P., Verzeichnis der Ortsnamen (Siedlungs-, Gewässer- und Bergnamen) des gemischtsprachigen Gebietes von Kärnten (= Kärnten – deutsche und slowenische Namen). Österreichische Namenforschung 20, 1ff. (überholt, durch Pohl 2010a ersetzt).

POHL 1994: H.D.P., Zum zweisprachigen Namengut Kärntens. Kärntner Jahrbuch für Politik 1994, 223ff.

POHL 2000: H.D.P., Kärnten – deutsche und slowenische Namen / Koroška – slovenska in nemška imena = Österreichische Namenforschung 28, Heft 2-3 bzw. Studia Carinthiaca XIX, Klagenfurt / Celovec, Mohorjeva / Hermagoras.

POHL 2008a: H.D.P., Sekundäre Umformungen von (Kärntner) Ortsnamen im deutsch­slowenischen Sprach­kontaktgebiet. In: Namenarten in Österreich und Bayern. Vorträge der 4. Tagung des Arbeitskreises für bayerisch-österreichische Namen­forschung am 28. und 29. September 2006 in Wien, hg. v. Peter Ernst. Wien 2008, 95-105.

POHL 2008b: H.D.P., Der Kärntner Ortstafelkonflikt zwischen Sprachwissenschaft und Politik. In: Namen und ihr Konfliktpotential im europäischen Kontext, Regensburger Symposium, 11.-13. April 2007, hg. v. N. Eller – St. Hackl – M. L’upták, Regensburg 2008, 77-92.

POHL 2009: H.D.P., Die Ortsnamen slawischer bzw. slowenischer Herkunft in Osttirol (einschließlich einiger Berg- und Gewässernamen). In: Miscellanea Onomastica, hg. v. P. Anreiter. Wien 2009, 103-134 [Neubearbeitung von Pohl 1996b]

POHL 2010a: H.D.P., Unsere slowenischen Ortsnamen / Naša slovenska krajevna imena. Klagenfurt / Celovec, Mohorjeva / Hermagoras (= Neufassung von Pohl 2000).

POHL 2010b: H.D.P., Die Familiennamen auf -nig(g) in Kärnten und Osttirol (und einigen Nachbarregionen). In: Festschrift Volkmar Hellfritzsch, Zunamen / SurnamesZeitschrift für Namenforschung /Journal of Name Studies 5, I - II (2010) 144-161.

WIESINGER 1994: P.W., Die Ortsnamen Österreichs in makrotoponymischer Sicht (mit 15 Karten). In: F. Debus (Hg.)., Zu Ergebnissen und Perspektiven der Namenforschung in Österreich. Heidelberg 1994, 51-169.

Snoj 2009: M,S., Etimološki slovar slovenskih zemljepisnih imen. Ljubljana, Modrijan – Založba ZRC.

ZDOVC 1974: P.Z., Einige Aspekte zu Ortsnamenfragen in Kärnten. Carinthia I 164, 289ff. (in slow. Sprache: Mladje 14/1973, 33ff., Klagenfurt).

ZDOVC 1993: P.Z., Slovenska krajevna imena na avstrijskem Koroškem / Die slowenischen Ortsnamen in Kärnten. Wien-Klagenfurt.

ZDOVC 2010: P.Z., Slovenska krajevna imena na avstrijskem Koroškem. Razširjena izdaja / Die slowenischen Ortsnamen in Kärnten. Erweiterte Auflage. Ljubljana.

 

Abkürzungen

 

ahd., Ahd.                        althochdeutsch, Althochdeutsch

bair., Bair. bairisch, Bairisch

Bez.                       Bezirk

BGBl.                    Bundesgesetzblatt der Republik Österreich

čech., čech.        tschechisch, tschechisch

dt., Dt.                   deutsch, Deutsch (neuhochdeutsch)

f., fem.                   feminin

furlan.                   furlanisch (friaulisch)

Gem.                     Gemeinde

Gen.                      Genitiv

insb.                      insbesondere

Instr.                      Instrumental

ital.                        italienisch

kelt.                       keltisch

keltorom.              keltoromanisch

KG                         Katastralgemeinde

KLA                       Kärntner Landesarchiv

lat.                         lateinisch

Lok.                       Lokativ

ma., Ma.                mundartlich, Mundart

m., mask.              maskulin

mhd., Mhd.           mittelhochdeutsch, Mittelhochdeutsch

nhd., Nhd.                       neuhochdeutsch, Neuhochdeutsch

n., neut.                Neutrum

nhd., Nhd.                       neuhochdeutsch, Neuhochdeutsch

o.ä.                        oder ähnlich

ÖK                         Österreich-Karte

pl., Pl.                    Plural

rätorom.                rätoromanisch

rom.                       romanisch

russ.                      russisch

sg., Sg.                 Singular

skr.                        serbokroatisch (= die gemeinsame Grundlage von Serbisch, Kroatisch und Bosnisch)

slaw.                     slawisch

slow., Slow.         slowenisch, Slowenisch

VfGH                     Verfassungsgerichtshof

u.a.                                    unter anderem

urk.                                    urkundlich

vs.                          versus

vspr.                      voreinzelsprachlich

                           siehe

<                            entstanden aus

>                            wurde / entwickelte sich zu

                           heute außer Gebrauch

~                            oder (bzw. abwechselnder Gebrauch)

 

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